1930
Robert Stolz / Walter Reisch / Armin Robinson

Das Lied ist aus: Frag’ nicht, warum ich gehe

DAS LIED IST AUS ist ein Filmschlager aus der Frühphase des Tonfilms, der Elemente US-amerikanischer Tanz- und Unterhaltungsmusik verarbeitet.

 

I. Entstehungsgeschichte

In den großen Gründungs- und Aufbruchsjahren des Tonfilms 1928/29 zog es Robert Stolz in das Zentrum der deutschsprachigen (und womöglich auch europäischen) Filmproduktion – nach Berlin (Eidam 1989: 101). Robert Stolz war einer der produktivsten Tonfilmkomponisten der 1920er und 1930er Jahre. Allein im Entstehungsjahr des Films Das Lied ist aus (1930) hat er die Musik zu insgesamt 11 Tonfilmproduktionen komponiert. In dasselbe Jahr fällt zudem die Uraufführung des überaus erfolgreichen Singspiels Im weißen Rössl von Ralph Benatzky, zu dem Robert Stolz die zwei Hauptlieder „Die ganze Welt ist himmelblau“ und „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“ komponierte.

Für den Film Das Lied ist aus hat Stolz insgesamt fünf Titel komponiert, die durch ihre unterschiedlichen und kontrastierenden Genres sowohl für musikalische Vielfalt, als auch für große Anschlussfähigkeit beim Publikum sorgten. Neben den Foxtrott/Shimmy-Titeln („Die Liebe, die ist wie ein Tonfilm“ und „Ja, wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär’“) wurde vor allem das Marschlied „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“ nach der Premiere des Films außergewöhnlich populär und übertraf sogar den Erfolg des Titelstücks DAS LIED IST AUS bei weitem.

Die Texte zu allen Liedern sowie das Drehbuch des Films lieferte der ebenfalls aus Österreich stammende und 1926 nach Berlin übergesiedelte Autor Walter Reisch. Gerade im neuen Tonfilmgenre sah Reisch, der sowohl Liedtexte wie auch das Drehbuch schrieb, seine große Stärke: „Ich konnte immer schon gut improvisieren und stundenlang in Reimen reden […]. Wir haben irgendeine Melodie ausgewählt und ich habe einen Text dazu gemacht. Dadurch hatte ich Erfahrung, wie man Lieder in etwas hineinbaut. Das ist meine Stärke, dass der Text eines Liedes nicht eingeklemmt ist, sondern die Handlung weiterführt“ (Holba 2004: 26).

 

II. Kontext

Wie kaum ein anderer Komponist produzierte Robert Stolz in seinen Liedern ein schwärmerisch-verklärtes Bild der Stadt Wien. Viele seiner Operetten, Chansons und Lieder haben diese Stadt zum Thema und verhandeln einige Wiener Stereotype: das Gemütliche, das Vornehme, das Galante, das romantische und das Schwärmerische. In seiner Autobiographie resümiert er nach einer Beschreibung der vielen Städte und Stationen seines Lebens: „Aber mein Lieblingsort, meine musikalische Heimat, wird immer Wien sein“ (Stolz 1980: 11). Robert Stolz ist dabei keineswegs nur den traditionellen musikalischen Formen verhaftet. Vielmehr war er maßgeblich an der Etablierung und Verbreitung des Jazz, Charleston und Foxtrotts in der europäischen Unterhaltungsmusik beteiligt (Kornberger 2021: 137). Es gelang ihm in vielen seiner erfolgreichsten Schlager den üppigen Operettenstil mit den ‚neuen‘ Genres der US-amerikanischen Tanz- und Unterhaltungsmusik zu kombinieren. Auch der 1928 ‚neu‘ nach Deutschland gekommene Modetanz English Waltz, der die rhythmisch und körperlich aufregenden und wilden Tänze allmählich abzulösen begann, wurde von Stolz rasch aufgegriffen und für einige Musiknummern verwendet (ebd.: 148). Bei dem Titelstück DAS LIED IST AUS kombinierte Robert Stolz beide Stilelemente, das schwärmerisch-verklärte Pathos des Wiener Liedes und die Modernität ‚neuer‘ Tanzrhythmen wie dem English Waltz.

Interessant ist, dass die ästhetischen Kategorien im Film selbst direkt zur Sprache kommen. Alle Musiknummern sind diegetisch in die Handlung eingebettet: Als sich der Ex-Gardeoffizier Ulrich Weidenau um die Stelle des Privatsekretärs der Sängerin Tilla Morland bewirbt, erklärt er, dass ihn das in der Szene zuvor von ihr gesungene Marschlied „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“ zu sehr an die alten Zeiten erinnere und ihn mit Wehmut erfülle. Auf die Frage der Sängerin, welche Lieder sie stattdessen singen soll, antwortet Ulrich Weidenau: „Lustige! Moderne! Synkopen, zum Tanzen! Zum Beispiel so etwas: …“. Daraufhin setzt er sich ans Klavier und spielt „Ja, wenn das Wörtchen ‚wenn‘ nicht wär’“. Die ästhetischen Kategorien des ‚Alten‘ und des ‚Modernen‘ und die dazugehörigen musikalischen Merkmale werden im Film nicht nur über die Musik verhandelt, sondern auch in den Dialogen direkt benannt. Dass dabei gerade dem Shimmy und Foxtrott im Film eine so positive Bewertung zukommt, dürfte auch auf Robert Stolz selbst zurückzuführen sein, der, siehe oben, maßgeblich an der Verbreitung des Foxtrotts in Europa beteiligt war (ebd.: 144).

Der eigentliche Höhepunkt des Films ist die Szene, in der Tilla Morlands Verleger auf einer Ballveranstaltung dem Privatsekretär Ulrich Weidenau die Handlung eines neuen Stücks erzählt, in dem Tilla die Hauptrolle bekommen soll. Diese Handlung soll ein Gleichnis sein, um Weidenau die Hoffnungslosigkeit seiner Liebe zu verdeutlichen. Genau in diesem Moment fällt das Tanzorchester des Balls mit dem Vorspiel zu DAS LIED IST AUS ein, worauf der Verleger zu Weidenau bedeutungsschwer spricht: „… da hör’n Sie: das ist das Hauptlied des Stückes – das Abschiedslied“. Der Satz bezieht sich sowohl auf das Lied innerhalb der Handlung, wie auch auf den Film selbst, der den Namen des Liedes trägt.

Für das Genre des Operettenfilms ist eher ungewöhnlich, dass er kein Happy End hat. Die beiden Hauptfiguren des Films schaffen es nicht, sich ihre Liebe gegenseitig einzugestehen. In der letzten Szene sitzt Weidenau an einer Bar und singt nun selbst noch einmal den zweiten Teil des Refrains „wir gehen auseinander, morgen küsst dich ein andrer, dann wirst du nicht mehr fragen: warum?“.

 

III. Analyse

DAS LIED IST AUS folgt einer klar strukturierten ABA-Form, wobei der A- und B- Teil sehr stark zueinander kontrastieren. Der A-Teil orientiert sich stilistisch eher am Chanson-Stil und ist durch eine klare Motivik geprägt. Das Hauptmotiv („Frag nicht warum ich gehe …“) besteht aus fünf Ton- bzw. Akkordrepetitionen, gefolgt von einem kleinen Tonsprung (Viertel+Halbe), der sich aus der Deklamation des Textes ergibt („gehe/geschehe/sagen/ich dir/geben…“). Der 32 Takte umfassende A-Teil wird von diesem Hauptmotiv dominiert, das in verschiedenen Transpositionen fünf Mal erklingt. Durch diese motivisch repetitive Struktur und den deklamatorischen Rhythmus ist der der A-Teil äußerst einprägsam. Zudem sorgen die exponierten Vorhalte in hoher Lage („weine/auseinander/andrer“) sowie die Verwendung mediantischer Phrasenanschlüsse (C-Dur nach A-Dur: „Ich kann dir nurmehr sagen“ und C-Dur nach E-Dur „Frag nicht warum ich weine“) für eine süßlich-schwärmerische Tonsprache.

Der B-Teil beginnt mit einem schroffen Wechsel von C-Dur nach c-Moll. Die musikalischen Motive sind durch scharfe Achtelpunktierungen und beschleunigte Läufe deutlich dramatischer als im A-Teil. Diese operettenhafte Dramatik wird durch scharfe Vorhalte und verminderte Harmonien („die Rosen, die ich dir gebracht …“) unterstützt.

Im Film Das Lied ist aus wird dieser Kontrast zwischen den beiden Teilen szenisch und musikalisch noch verstärkt. Zunächst wird der Titel im Film vom Tenor Marcel Wittrisch vorgetragen, begleitet von einem üppig besetzten Orchester. Hier soll der Operettencharakter im Vordergrund stehen und das Lied vollständig erklingen (ABA). Als die Hauptfigur Ulrich Weidenau beginnt sich gegen Ende des Films mit dem Lied zu identifizieren, singt er selbst noch einmal den A-Teil, dieses Mal aber nicht mehr im aufwändig orchestrierten Operettenarrangement, sondern nur von gedämpften Blechbläsern begleitet, die mehr an den Sound der modernen Tanzorchesterarrangements erinnern.

Der Text von Walter Reisch beschreibt in schlichten Versen die Widersprüchlichkeit der im Film dargestellten Situation. Das lyrische Ich gesteht seinem Gegenüber die Liebe und muss aufgrund der Aussichtslosigkeit der Situation dennoch fort gehen. Walter Reischs Cousin, der berühmte Komponist und Sänger Georg Kreisler, beschrieb die Texte Reischs voller Bewunderung als „Kitsch, aber die Wahrheit“ (Kreisler 2004: 13). Charakteristisch für Reischs Texte ist in der Tat die konsequente Verweigerung jeder sprachlichen Opulenz. Reisch selbst hat damit kokettiert und soll einmal gesagt haben: „In meinen Texten kommen nur ganz selten dreisilbige Wörter vor […] und viersilbige schon gar nicht“ (ebd.: 15) Das „volkstümliche“ mit dem modernen zu vereinen, war für Reisch ein ständiges Projekt. Deshalb empfand er auch die Zusammenarbeit mit Robert Stolz als außerordentlich fruchtbar, in dessen Werk er den gleichen Ansatz verwirklicht sah: „Robert Stolz hätte das können, wienerisch und trotzdem modern“ (ebd.: 13).

 

IV. Rezeption

Schon durch den Erfolg des Films Das Lied ist aus wurde dem gleichnamigen Lied schnell große Bekanntheit zuteil. Allerdings blieb der Erfolg des Liedes weit hinter dem Marschlied „Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“zurück. Nur in wenigen Rezensionen wird das DAS LIED IST AUS eigens hervorgehoben. Meist geht es eher um die Qualität des Gesangs, wie in einem Artikel aus dem Grafschafter vom 27. Februar 1931: „Als ‚kleiner Gardeoffizier‘ erobert er [Willy Forst] sich immer wieder die Sympathien des deutschen Filmpublikums und wenn er das von Robert Stolz komponierte Abschiedslied ‚Frag nicht warum ich gehe‘ singt, kommt der ganze Schmelz und Wohllaut seiner Stimme voll zur Geltung.“

Robert Stolz berichtet in seiner Autobiographie davon, dass erst die vielfältigen und sehr unterschiedlichen Interpretationen und Aneignungen des Liedes durch Willy Forst, Marlene Dietrich und Richard Tauber dem Lied eine so große Popularität einbrachten (Stolz 1980: 302).

Schon im Jahr 1931 hat Richard Tauber, der kurz zuvor mit Franz Lehárs Lied „Dein ist mein ganzes Herz“ aus der Operette Das Land des Lächelns weltberühmt wurde, DAS LIED IST AUS für Odeon aufgenommen. Dadurch wurde der Schlager in den Folgejahren ausschließlich mit Richard Tauber und weniger mit dem Film assoziiert. Richard Tauber galt ohnehin als Inbegriff des Star-Tenors und war bisweilen so berühmt, dass er selbst zum Thema humoristischer Schlagertitel wurde: „Kauf mir eine Tauberplatte, das ist eine Zauberplatte“ (Text und Musik: Peter Kreuder). Das LIED IST AUS hatte durch Taubers Aneignung einen Genrewechsel vollzogen, und wurde vom Filmschlager zum „Tauberlied“.

Marlene Dietrich interpretierte das Lied weitaus schlichter, gestaltete es mehr als Light-Jazz Nummer und stellte so den Operettencharakter des Stücks in den Hintergrund. Den Bezug zu Richard Tauber hielt sie aber stets aufrecht, denn beinahe jedes Mal, wenn sie das Lied bei Live-Auftritten vortrug, sprach sie davor eine emotionale und persönliche Widmung an Richard Tauber aus, den sie dabei als einen „großen Freund“ und „großen Musiker“ bezeichnete. 1964 wurde das Lied zudem von Hildegard Knef eingespielt und in ihr Konzertrepertoire übernommen. Auch für Knef wurde der Titel sehr erfolgreich, sodass sie DAS LIED IST AUS im Jahr 1976 erneut einspielte.

 

JANIK HOLLAENDER


Credits

Music: Robert Stolz
Text: Walter Reisch, Armin Robinson

Recordings

  • Richard Tauber. „Das Lied ist aus … (Frag’ nicht warum!) / Adieu, mein kleiner Gardeoffizier“, 1931, Odeon, O–4983, Germany (Shellac).

References

  • Eidam, Klaus: Robert Stolz. Biographie eines Phänomens. Berlin: Lied der Zeit 1989.
  • Holba, Herbert: Drehbücher nach Maß. Ein Interview mit Walter Reisch. In: Walter Reisch. Film schreiben. Ed. by Günter Krenn. Wien: Filmarchiv Austria 2004, 18–26.
  • Kornberger, Monika: Einmal sang die Liebe uns ein Lied. Deutscher Schlager der Zwischenkriegszeit in Wien und seine Protagonisten. Wien: Hollitzer 2021.
  • Kreisler, Georg: Ich war Familie. In: Walter Reisch. Film schreiben. Ed. by Günter Krenn. Wien: Filmarchiv Austria 2004, 7–17.
  • Stolz, Robert: Servus Du. Robert Stolz und sein Jahrhundert. München: Blanvalet 1980.

About the Author

Janik Hollaender is a research assistant at the Department of Musicology, University of Freiburg.
All contributions by Jannik Hollaender

Citation

Janik Hollaender: „Das Lied ist aus: Frag’ nicht, warum ich gehe (Robert Stolz/Walter Reisch/Armin Robinson)“. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://www.songlexikon.de/songs/das-lied-ist-aus-frag-nicht-warum-ich-gehe, 06/2025.

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