1984
Modern Talking

You’re My Heart, You’re My Soul

YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL wurde 1984 als Debütsingle des Duos Modern Talking veröffentlicht und leitete den weltweiten Erfolg der Formation ein.

 

I. Entstehungsgeschichte

Zu Modern Talking gehörten der Songschreiber und Produzent Dieter Bohlen sowie der Sänger Thomas Anders (bürgerlich Bernd Weidung). Vor der Gründung der Gruppe im Jahr 1984 waren beide Musiker bereits seit mehreren Jahren und mit mäßigem Erfolg im professionellen Musikgeschäft aktiv gewesen. Bohlen, der nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre als Songschreiber für den Konzern Hansa Musikproduktion arbeitete, versuchte sich über mehrere Jahre selbst als Interpret. Als Mitglied des Duos Monza sowie des Trios Sunday sang Bohlen deutschsprachige Schlager, während er unter dem Pseudonym Steve Benson englischsprachige Songs mit Einflüssen aus zeitgenössischer Disco Music veröffentlichte (vgl. Bohlen 2002: 38–64). Thomas Anders verschrieb sich früh dem deutschsprachigen Schlager und hatte bereits als 17-Jähriger seinen ersten TV-Auftritt in der von Michael Schanze moderierten Sendung “Hätten Sie heut’ Zeit für mich?” (vgl. Anders 2011: 79). Die Wege beider Musiker kreuzten sich, als Bohlen den Auftrag erhielt, einen deutschsprachigen Song für Anders zu komponieren und diesen gemeinsam mit ihm aufzunehmen. Aus dieser Zusammenarbeit ging “Was macht das schon” (1983) hervor, in den Jahren 1983 und 1984 erfolgten weitere gemeinsame Produktionen, die jedoch nicht zum erhofften Erfolg führten (vgl. ebd.: 93 f.).

Laut Bohlens Autobiografie (2002: 68 f.) entstand der Titel YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL, der ursprünglich “My Love Is Gone” heißen sollte, aus der Motivation heraus, nach den weitgehend erfolglosen deutschsprachigen Produktionen einen englischsprachigen Song mit Thomas Anders aufzunehmen. Dessen Stimme habe ihm “im englischen Sound” (ebd.: 68) ohnehin besser gefallen. Als entscheidende Inspirationsquelle beschreibt Bohlen den Song “Precious Little Diamonds” (1984) der Formation Fox the Fox. Deren Gesang in hoher Lage, in Bohlens Worten “der Freiheits-Chor der Ent-Eierten” (ebd.), habe ihn auf die “Idee für einen neuen genialen Sound” (ebd.) gebracht: die Chorusse im Kopfstimmenregister, die sich in den meisten Modern Talking-Songs finden. Die genauen Umstände der Entstehung schildern Bohlen und Anders in ihren Autobiografien bisweilen gegensätzlich. Während Anders beteuert, froh darüber gewesen zu sein, “endlich auch mal was auf Englisch singen zu dürfen” (Anders 2011: 129) und sich moderner präsentieren zu können, berichtet Bohlen (2002: 70), sein Partner habe deutliche Bedenken geäußert und um seinen Ruf als Interpret deutschsprachiger Schlager gefürchtet. Zudem ist in Bohlens Biografie (ebd.: 69) zu lesen, er habe sich von Anfang an als Teil des Duos Modern Talking gesehen, während Anders darauf hinweist, dass sich Bohlens öffentliche Mitwirkung nur durch Zufall ergeben hätte. Man habe ihm ursprünglich ein männliches Model zur Seite stellen wollen, in der Kürze der Zeit aber schlichtweg keinen Duopartner mehr finden können, als sich der Erfolg plötzlich einzustellen begann – so habe Bohlen schließlich nicht nur den ihm zugedachten Posten des Songschreibers, sondern auch den der Bühnenperson übernehmen müssen (vgl. Anders 2011: 131 f.).

YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL, dessen Produktion Bohlen (2002: 72) zufolge lediglich 1.400 D-Mark gekostet haben soll, wurde im Oktober 1984 veröffentlicht und erregte zunächst nur geringes öffentliches Interesse. Ein Auftritt in der Musiksendung “Formel 1”, moderiert von Ingolf Lück, bescherte der Band schließlich gesteigerte Medienpräsenz, in deren Folge der Song kurze Zeit später die Spitzenposition der deutschen Singlecharts erreichte.

 

II. Kontext

YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene zu einem immensen Verkaufserfolg. Bis heute gehören Modern Talking zu den wenigen Musikerinnen und Musikern aus dem deutschsprachigen Raum, die weltweit nennenswerte Erfolge verzeichnen konnten, und stehen diesbezüglich in einer Riege mit Kraftwerk, Boney M., den Scorpions, Scooter, Rammstein und Tokio Hotel. Indes beschränkte sich der Erfolg nicht auf die Debütsingle, sondern wurde mit den folgenden Veröffentlichungen fortgesetzt. Die anschließenden vier Singles erreichten ebenfalls Platz 1 der deutschen Charts, ein Erfolg, der im deutschsprachigen Raum bis dato einzigartig ist. Die Gruppe veröffentlichte in ihrer ersten Schaffensphase von 1984 bis 1987 insgesamt sechs Alben, nach ihrer Auflösung folgte eine langjährige Pause, bevor 1998 das Comeback anstand. Mit dem Album Back for Good (1998) knüpften Bohlen und Anders direkt an ihre erprobten Erfolgsformeln an, indem sie nur wenige neue Songs veröffentlichten und sich stattdessen auf neu produzierte Versionen ihrer größten Hits konzentrierten – als erste Single wurde “You’re My Heart, You’re My Soul ’98” ausgekoppelt. Im Wesentlichen unterscheidet sich die Neuauflage von der Originalversion durch ein moderneres Klangbild und die Parts des Rappers Eric Singleton. Das Comeback führte zu vergleichbaren Erfolgen wie die erste Phase der Band.

Der vermeintlich standardisierte Stil der Band und das ‘Recycling’ ihrer großen Hits wurden fortlaufend kontrovers besprochen. In die Kritik gerieten Modern Talking, insbesondere Dieter Bohlen, zudem aufgrund des Verdachts, auf ihren eigenen Produktionen bisweilen nicht selbst gesungen zu haben. Bohlen ließ sich für das Projekt Modern Talking vermutlich vom Eurodisco-Sound beeinflussen, den die Produzenten Giorgio Moroder und Frank Farian in den 1970er- und 1980er-Jahren international bekannt gemacht hatten (vgl. Krettenauer 2017), mögliche Einflüsse sind ferner Synthie-Pop- und Italo-Disco-Produktionen (vgl. Thom 2014). Frank Farian produzierte die Band Boney M. und sang die männlichen Stimmen in deren Songs, trat öffentlich aber nicht als Sänger in Erscheinung. In den 1990er-Jahren löste Farian mit der Gruppe Milli Vanilli einen Skandal aus, als bekannt wurde, dass deren Sänger, Robert Pilatus und Fabrice Morvan, nie selbst gesungen hatten (vgl. Krettenauer 2017: 84). Dieter Bohlen musste sich wiederholt mit ähnlichen Vorwürfen auseinandersetzen, was schließlich zu einem Rechtstreit mit seinen ehemaligen Studiosängern führte (vgl. spiegel.de). Die Falsettchöre der Modern Talking-Songs stammten, so der Vorwurf, nicht von Dieter Bohlen und Thomas Anders, sondern von den professionellen Sängern Rolf Köhler, Detlef Wiedeke, Michael Scholz und Birger Corleis. Aller Kontroversen zum Trotz gilt Modern Talking als das erfolgreichste Pop-Duo aller Zeiten, das weltweit über 120 Millionen Tonträger verkauft haben soll (vgl. sueddeutsche.de).

 

III. Analyse

Die musikalische Standardisierung, die Modern Talking oft zum Vorwurf gemacht wurde, wurde bereits musikanalytisch betrachtet. Den Ergebnissen zufolge weisen die Songs der ersten sechs Studioalben in formaler und harmonischer Hinsicht sowie bezüglich des Tempos und der Instrumentierung insgesamt deutliche Ähnlichkeiten auf (vgl. Doehring 2015: 125–128). Das Tempo von YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL beträgt bei einer Dauer von 3:14 min ca. 120 bpm und gleicht diesbezüglich zahlreichen anderen Songs der Formation (vgl. ebd.: 125). Formal besteht der Song aus den Formteilen Intro, Verse, Pre-Chorus, Chorus und Post-Chorus, die in dieser Abfolge wiederholt werden. Der Post-Chorus bezeichnet die Wiederholung des Chorus in Falsettlage, insgesamt ist dieses Formmodell als typisch für Modern Talking zu bezeichnen (vgl. ebd.: 126). Auf spannungserzeugende Formteile wie Bridges oder Instrumentalsoli wird verzichtet. Der Song steht in C#m, das markante Pianoriff im Intro basiert auf den Akkorden C#m, B und A. Dem Verse liegt die Akkordfolge C#m | G#m zugrunde, dem Pre-Chorus B | C#m | A F#m | B und dem Chorus schließlich C#m | F#m | B | C#m. Instrumental basiert der Song auf einem durchgängigen, mithilfe eines Drumcomputers programmierten Rhythmuspattern, einer Synthesizerbasslinie, akkordischen Klavier- und Synthesizerpatterns und verschiedenen Gitarrenlicks. Die Gitarrenakzente sind einerseits an gängigen Funk- und Discorhythmen orientiert, im zweiten Verse sind zudem diverse Bendings zu hören, die eher als Klangflächen denn zur rhythmischen Akzentuierung dienen. Thomas Anders’ Gesang schreitet einen Ambitus von lediglich einer kleinen Septime, von g#1 bis f#2, aus, während die Chorusmelodie im Post-Chorus oktaviert wird. Der im Falsett gesungene Post-Chorus erweist sich als markantes und steigerndes Element im Song YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL sowie als stilprägender Baustein der Modern Talking-Kompositionen im Allgemeinen – in 4/5 aller Songs der Band findet sich diese Gestaltungsweise (ebd.: 127). YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL lässt sich als Liebeslied bezeichnen, dessen Songtext in reichlich unbeholfenem Englisch verfasst wurde. Dieter Bohlen ist um eine Erklärung nicht verlegen und merkt in seiner Autobiografie an, er habe nicht damit gerechnet, einen Welthit zu landen und daher “den Text mal eben in einer halben Minute hingekliert” (Bohlen 2002: 70). In den Credits der von Ariola in Spanien vertriebenen Singleversion wird indes Eric Styx als Urheber der Lyrics genannt (vgl. discogs.com). Dies gilt beispielsweise auch für die in Großbritannien vertriebenen Versionen (vgl. discogs.com). Unter dem Pseudonym Eric Styx wirkte Dieter Bohlens erste Ehefrau, Erika Sauerland, als Texterin an diversen Popmusikproduktionen mit (vgl. discogs.com), unter anderem auch an Dieter Bohlens Single “Don’t Throw My Love Away” (1980), die dieser unter dem Namen Steve Benson veröffentlichte (vgl. discogs.com). Der Videoclip zu YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL bestehe, so Bohlen (ebd.: 87), nur aus “ein paar zusammengebastelte[n] Einstellungen aus irgendeinem Keller”. Tatsächlich handelt es sich bei dem Musikvideo zu YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL um einen reinen Performanceclip, der Thomas Anders und Dieter Bohlen bei der Aufführung des Songs zeigt. Leicht zu erkennen ist, dass Anders auf dem Keyboard und Bohlen an der Gitarre im Wesentlichen Spielbewegungen ausführen, die nicht zur gehörten Musik passen. Sowohl in musikalischer als auch in textlicher und visueller Hinsicht ist YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL von minimalistischen Gestaltungsweisen geprägt, die für folgende Modern Talking-Produktionen weitgehend beibehalten wurden.

 

IV. Rezeption

YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL hielt sich 1985 insgesamt 25 Wochen in den deutschen Charts, davon sechs Wochen auf Platz 1 (vgl. offiziellecharts.de). Die Neuauflage konnte diesen Erfolg nicht übertreffen, war 1998 aber dennoch 20 Wochen in den Charts vertreten und erreichte zwischenzeitlich Platz 2. Es existieren etliche Coverversionen des Songs und auch deutschsprachige Adaptionen, beispielsweise von der Schlagersängerin Mary Ross (“Ich bin stark, nur mit dir”, 1985) und dem Rapper Das BO (“Dumm aber schlau”, 2008). Interessanterweise finden sich Coverversionen von YOU’RE MY HEART, YOU’RE MY SOUL auch mehrfach auf Alben von Musikern, die von Dieter Bohlen produziert wurden – beispielsweise auf Mehrzad Marashis Album New Life (2010) und auf Ich denk an Dich. Ein Abend voller Zärtlichkeit (1989) von Engelbert.

 

BENJAMIN BURKHART


Credits

Songwriting: Eric Styx, Steve Benson
Produzent: Steve Benson
Label: Hansa
Veröffentlicht: 1984
Length: 3:14

Recordings

  • Modern Takling. “You’re My Heart, You’re My Soul”, You’re My Heart, You’re My Soul, 1985, Ariola, Spanien (12”/Single).
  • Modern Takling. “You’re My Heart, You’re My Soul”, The 1st Album, 1985, Hansa, 206818, Europa (LP/Album).
  • Modern Takling. “You’re My Heart, You’re My Soul”, You’re My Heart, You’re My Soul, 1984, Hansa, 601 496, Europa (12”/Single).
  • Modern Takling. “You’re My Heart, You’re My Soul”, You’re My Heart, You’re My Soul, 1985, Magnet (2), MAGT 277 A4, UK (12”/Single).
  • Steve Benson. “Don’t Throw My Love Away”, Don’t Throw My Love Away, 1980, Hansa, 102 084, Deutschland (7”/Single).
  • Thomas Anders. “Was macht das schon”, Was macht das schon, 1983, Hansa, 105 230, Europa (7”/Single).

Covers

  • Das BO. “Dumm aber schlau”, Dumm aber schlau, 2008, Columbia, 88697360622, Deutschland (CD/Maxi-Single).
  • Engelbert. “You’re My Heart, You’re My Soul”, Ich denk an Dich. Ein Abend voller Zärtlichkeit, 1989, Ariola, 260 344, Deutschland (CD/Album).
  • Mary Ross. “Ich bin stark, nur mit dir”, Ich bin stark, nur mit dir, 1985, Hansa, 107 221, Europa (7”/Single).
  • Mehrzad Marashi. “You’re My Heart, You’re My Soul”, New Life, 2010,      Sony Music 88697635282, Deutschland (CD/Album).

References

  • Anders, Thomas, mit Tanja May: 100 Prozent anders. Mein Leben – und die Wahrheit über Modern Talking, Nora und Dieter Bohlen. Höfen: Edition Koch 2011.
  • Bohlen, Dieter, mit Katja Kessler: Nichts als die Wahrheit. München: Heyne 2002.
  • Dieter Bohlen. Sang er nicht nur schlecht, sondern überhaupt nicht? In: Spiegel Online. URL: http://www.spiegel.de/panorama/dieter-bohlen-sang-er-nicht-nur-schlecht-sondern-ueberhaupt-nicht-a-131507.html [12.04.2018].
  • Doehring, André: German Modern Talking vs. Iranian Modern Talking. Zur Anwendbarkeit der Korpus-Analyse als Mittel des Popmusikverstehens. In: Speaking in tongues. Pop lokal global (= Beiträge zur Popularmusikforschung 42). Hg. von Dietrich Helms und Thomas Phleps. Bielefeld: transcript 2015, S. 119–139.
  • Eric Styx. In: Discogs. URL: https://www.discogs.com/de/artist/753752-Eric-Styx [12.04.2018].
  • Krettenauer, Thomas: Hit Men: Giorgio Moroder, Frank Farian and the Eurodiso Sound of the 1970s/80s. In: Perspectives on German Popular Music. Hg. von Michael Ahlers und Christoph Jacke. London/New York: Routledge 2017, S. 77–87.
  • Modern Talking. Polendisko. In: Süddeutsche Zeitung. URL: www.sueddeutsche.de/kultur/modern-talking-polendisko-1.893895-2 [12.04.2018].
  • Modern Talking. You’re My Heart, You’re My Soul. In: Discogs. URL: https://www.discogs.com/de/Modern-Talking-Youre-My-Heart-Youre-My-Soul/release/557848 [12.04.2018].
  • Modern Talking. You’re My Heart, You’re My Soul. In: Discogs. URL: https://www.discogs.com/de/Modern-Talking-Youre-My-Heart-Youre-My-Soul-Special-Remix/release/11509123 [12.04.2018].
  • Modern Talking. You’re My Heart, You’re My Soul. In: Offizielle Deutsche Charts. URL: https://www.offiziellecharts.de/titel-details-1217 [12.04.2018].
  • Steve Benson. Don’t Throw My Love Away. In: Discogs. URL: https://www.discogs.com/de/Steve-Benson-Dont-Throw-My-Love-Away/release/1384665 [12.04.2018].
  • Thom, Nico: Elektronische Tanzmusik. In: Populäre Musik. Geschichte – Kontexte –  Forschungsperspektiven (= Kompendium Musik 14). Hg. von Ralf von Appen, Nils Grosch und Martin Pfleiderer. Laaber: Laaber 2014, S. 176–189.

About the Author

Benjamin Burkhart is senior scientist at the Institute for Jazz Research at the University of Music and Performing Arts Graz.
All contributions by Benjamin Burkhart

Citation

Benjamin Burkhart: “You’re My Heart, You’re My Soul (Modern Talking)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/youre-my-heart-youre-my-soul, 12/2022.

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