1969
Led Zeppelin

Whole Lotta Love

WHOLE LOTTA LOVE ist der Eröffnungstrack des zweiten Albums der britischen Rockband Led Zeppelin. Der Song zählt heutzutage zu den bekanntesten Werken der Band und gilt vielen als Inbegriff der Rockmusik.

I. Entstehungsgeschichte

WHOLE LOTTA LOVE wurde am 22. Oktober 1969 auf dem Album Led Zeppelin II veröffentlicht. Etwa zwei Wochen später erfolgte die Auskopplung als Single (mit der B-Side “Living Loving Maid (She’s Just a Woman)”). Zeitgleich erschienen zwei Pressungen: die fünfeinhalbminütige Albumversion und eine radiotaugliche Version ohne Klangexperimente im Mittelteil sowie mit Kürzungen in der Outro. Komponiert wurde der Song von allen vier Bandmitgliedern (Robert Plant, Jimmy Page, John Paul Jones und John Bonham). Seit einem Rechtstreit im Jahr 1985 wird zudem der Bluesmusiker Willie Dixon als Autor genannt. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Sänger Robert Plant seinerzeit einige Zeilen aus Dixons Song “You Need Love” adaptierte (z.B. “Baby way down inside woman you need love. Woman you need love you’ve got to have some love. I’m gonna give you some love I know you need love”). Die Zutaten von WHOLE LOTTA LOVE – die markante Riff-Struktur, der geradlinige Beat sowie der experimentelle Umgang mit Klanggestaltung – sind insgesamt repräsentativ für das artistische Selbstverständnis der Band, den Blues als Urquell des Rock ‘n’ Roll zu bestätigen, ihn aber gleichzeitig mit anderen, mitunter komplexeren Gestaltungsformen, zu kombinieren.

II. Kontext

Led Zeppelin gründeten sich im Jahr 1968. Ihr gleichnamiges Debutalbum erschien zu Beginn des darauffolgenden Jahres und stieg sowohl in den US-amerikanischen als auch in britischen Charts bis in die Top Ten. Die daraus resultierende Nachfrage nach neuen Songs wurde noch im gleichen Jahr in Form des zweiten Albums (siehe oben) bedient. Led Zeppelin standen seinerzeit in einer Reihe von aufstrebenden Künstlern, die im Blues einen wesentlichen Bezugspunkt für ihr Schaffen sahen, die aber gleichzeitig nach härteren, lauteren und komplexeren Ausdrucksformen suchten. Prominente Vertreter dieser Strömung waren und sind außerdem Deep Purple, Black Sabbath und Uriah Heep. Wenn auch sich die betreffenden Bands in Fragen des musikalischen Stils zum Teil deutlich voneinander abgrenzten, so legten sie doch allesamt den Grundstein dafür, dass sich in den 1970er und 1980er Jahren die Genres des Hard Rock und Heavy Metal ausdifferenzieren konnten. Ein wesentlicher Aspekt der Geschichte von Led Leppelin ist es zudem, dass ihr Wirken in Zeiten des größten Ruhms – gemeint sind die 1970er Jahre – durchaus skeptisch betrachtet wurde. Ehedem war die Rezeption vor allem auf Seiten der Musikpresse durch ein gehöriges Maß an Geringschätzung geprägt. Kritisiert wurden das selbstherrliche Auftreten und die als protzig und prätentiös eingestuften Song-Arrangements. Heutzutage fällt das Urteil über die Band wesentlich positiver aus. Beispielhaft hierfür ist das in weiten Teilen überschwängliche Medienecho auf den Reunion-Auftritt im Jahr 2007 im Rahmen des Ahmet Ertegun Tribute Concert. Gerade auch unter den Rock- und Popkünstlern selbst genießen Led Zeppelin hohe Anerkennung. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Dave Grohl, ehemaliger Schlagzeuger von Nirvana und Bandleader der Foo Fighters. In feierlichen Worten kündigte dieser während eines Konzerts seiner Band im Jahr 2008 den Gastauftritt der Led-Zeppelin-Mitglieder John Paul Jones und Jimmy Page an (festgehalten auf der Live-DVD Foo Fighters: Live at Wembley Stadium). Dave Grohl und John Paul Jones spielen außerdem zusammen in der Supergroup Them Crooked Vultures zusammen mit dem Gitarristen Josh Homme.

III. Analyse

Die Albumversion des Songs, die im Folgenden Gegenstand der Betrachtung sein soll, dauert 5:33 Minuten; das Tempo beträgt etwa 80 bpm. Neben Haupt- und Nebengesang kommen E-Gitarre(n), E-Bass, Schlagzeug und Theremin zum Einsatz. Der formale Aufbau lässt sich als “klassische” Strophen-Refrain-Struktur mit Bridge im Mittelteil beschreiben. Leicht abgewandelt wird diese Form durch die Integration einer weiteren Bridge am Ende des Songs. Bemerkenswert ist das harmonische Konzept des Songs – und zwar aufgrund seiner Einfachheit. Im Ganzen kommen zwei Akkorde zum Einsatz: E(-Dur) und A-Dur. Zu begründen ist dieses harmonische Konzept zum einen mit der Riff-Struktur. So bildet das Riff der E-Gitarre, bestehend aus einem zweitönigen Auftakt und einem in punktiertem Rhythmus gespielten Powerchord auf E, die spieltechnische Grundlage für Strophe und Refrain. Zum anderen besteht der erste Teil der insgesamt ca. zwei Minuten dauernden mittleren Bridge aus experimentellen Klangflächen, so dass auch an diese Stelle auf eine Erweiterung des harmonischen Materials verzichtet wird. Aus jenen Klangflächen stechen das Spiel des Theremin, das mit Halleffekten unterlegten Lautgebaren von Robert Plant sowie diverse Beckenschläge und Fills auf Snare und Toms heraus (unterlegt wird das Ganze mit durchgehenden Achtelimpulsen der Hi-Hat). Auch der zweite Teil der Bridge führt keine neuen Akkorde ein; er konstituiert sich im Wechselspiel zwischen zwei Anschlägen auf dem tonalen Zentrum E und Kurzsolos der Gitarre in der entsprechenden Bluesskala. Die zweite Bridge am Ende des Songs bedingt den kurzeitigen Wechsel auf A-Dur, bevor der Song schließlich im Riff-Schema von Strophe und Refrain ausläuft.

Die formale und harmonische Einfachheit gilt es, vor dem Hintergrund der vokalen Performanz von Robert Plant zu betrachten. So ist es letztlich dessen Part, dem eine tragende Rolle im Song zukommt. Insgesamt kennzeichnend für den Hauptgesang ist der bluestypische Gestus des umgangssprachlichen Erzählens und Beschwörens (“You need coolin’, baby, I’m not foolin'”, “I’m gonna give you my love”, “Way, way down inside, honey, you need it”). Aus der Perspektive eines Ich-Erzählers heraus wird eine nicht weiter bestimmte weibliche Person (“girl”) adressiert. Gegenstand dieser Adressierung ist die Zusicherung des Ich-Erzählers, der Person all seine Liebe zu geben. Als bekräftigend erweist sich in diesem Zusammenhang die Schilderung des eigenen Verlangens (“You’ve been learnin’, baby, I’ve been yearnin'”). Dabei geht der Erzähler davon aus, dass die Person seine Liebe auch “brauche”. Jenseits inhaltlicher Aspekte ist auffällig, dass Robert Plant trotz der hohen Lage (eingestrichene Oktave mit Spitzenton h’) durchgehend im Brustregister singt. Stets bleibt seine Stimme klar und intonatorisch rein (außer in den eruptiv-urtümlichen Darbietungen in der Bridge). In melodischer Hinsicht weist sein Gesang eine deutliche Bezugnahme auf die Singmuster des Blues auf. So findet die Bluestonleiter in geradezu archetypischer Weise Anwendung (vertikale Ebene), zudem werden kurze Motive aneinandergereiht (horizontale Ebene). Deren Variation erfolgt auf mikrotonaler Ebene (beispielsweise durch die Dehnung von Silben). Beispielhaft für die akkurate Aneignung bluestypischer Ausdrucksformen ist die Beugung der Mollterz in Richtung Durterz (“foolin'”, “schoolin'”). Robert Plants Gesangsstil steht insgesamt in einer Traditionslinie von “weißen” britischen und irischen Pop- und Rocksängern, die ihre Karriere in den 1960er Jahren damit begannen, ihr sängerisches Spektrum grundlegend an afroamerikanischen Gesangskulturen auszurichten (siehe außerdem Eric Burdon, Van Morrison und Steve Winwood).

IV. Rezeption

WHOLE LOTTA LOVE ist unter den wenigen Single-Veröffentlichungen von Led Zeppelin die kommerziell erfolgreichste (Platz 4 in den USA, Platz 1 in Deutschland). Vor allem aufgrund künstlerischer Erwägungen, mied die Band das Kurzformat Single. Dem eigenen Anspruch, als echte “Künstler” wahrgenommen zu werden, sollte mit Hilfe des Großformats Album entsprochen werden. Nichtsdestotrotz werden mit dem Namen Led Zeppelin auch heute noch einzelne herausragende Songs verbunden – neben WHOLE LOTTA LOVE sind dies u.a. “Stairway to Heaven”, “Immigrant Song” und “Kashmir”. Die anhaltende Popularität von WHOLE LOTTA LOVE drückt sich nicht zuletzt in Form von hohen Platzierungen in listenförmigen Pop-Kanonisierungen wie den “500 Greatest Songs of All Time” (Rolling Stone Magazine, Platz 75) oder den “100 Greatest Guitar Songs of All Time” (Rolling Stone Magazine, Platz 11) aus. Jimmy Page führte den Song zusammen mit Leona Lewis im Rahmen der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Peking im Jahr 2008 auf. Es existieren diverse Coverversionen, u.a. von Tina Turner (1975), Ben Harper (2001), Mary J. Blige (2010) sowie Carlos Santana und Chris Cornell (2010).

CHRISTOFER JOST


Credits

Hauptgesang: Robert Plant
Nebengesang, E-Gitarre, Theremin: Jimmy Page
E-Bass: John Paul Jones
Schlagzeug: John Bonham
Text: Robert Plant, Jimmy Page, John Paul Jones, John Bonham, Willie Dixon
Produzent: Jimmy Page
Aufnahme: Mai 1969
Veröffentlichung: 7. November 1969
Länge: 5:33 (Album Version)
5:33 (Single Version 1. Pressung)
3:10 (Single Version 2. Pressung)

Recordings

  • Led Zeppelin. “Whole Lotta Love”, Led Zeppelin II, 1969, Atlantic, ATL-SD 2836, Deutschland (LP/Album).
  • Led Zeppelin. Whole Lotta Love/ Living Loving Maid (She’s Just A Woman), 1969, Atlantic, 452690, USA (7″/Single).
  • Led Zeppelin. Immigrant Song/ Hey, Hey, What Can I Do, 1970, Atlantic, 452777, USA (7″/Single).
  • Led Zeppelin. Stairway To Heaven, 1972, Atlantic, PRCD 4424-2, USA (CD/Single/Promo).
  • Led Zeppelin. “Kashmir”, Physical Graffiti, 1975, Swan Song, SS 2-200 1198, USA (2xLP).
  • Willie Dixon. “You Need Love”, The Chess Box, 1988, Chess, CHD2-16500, USA (2xCD/Comp).

Covers

  • Tina Turner. Whole Lotta Love, 1975, United Artists Records, UA-XW724-Y, USA (7″/Single).
  • Ben Harper & Innocent Ciminals. “Whole Lotta Love”, Live From Mars, 2001, Virgin, 724381016220, USA (2xCD/Album).
  • Mary J. Blige. “Whole Lotta Love”, Stronger With Each Tear, 2009, Geffen Records, 602527256542, Europa (CD/Album).
  • Santana. “Whole Lotta Love”, Guitar Heaven. The Greatest Guitar Classics Of All Time, 2010, Arista, 88697772332, Europa (CD/Album).

References

  • Fast, Susan: “Rethinking Issues of Gender and Sexuality in Led Zeppelin: A Woman’s View of Pleasure and Power in Hard Rock”. In: The Popular Music Studies Reader. Ed. by Andy Bennett, Barry Shank and Jason Toynbee. London: Routledge 2006, 362-369.
  • Lewis, Dave: The Complete Guide to the Music of Led Zeppelin. London: Omnibus Press 1994.
  • “The 500 Greatest Songs of All Time”. In: Rolling Stone 963 (2004).
  • “100 Greatest Guitar Songs of All Time”. In: Rolling Stone 1054 (2008).

Links

About the Author

PD Dr. Christofer Jost is research associate at the Zentrum für Populäre Kultur und Musik, University of Freiburg, and teaches media studies at the University of Basel.
All contributions by Christofer Jost

Citation

Christofer Jost: “Whole Lotta Love (Led Zeppelin)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/wholelottalove, 08/2012 [revised 10/2013].

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