1995
Tina Turner

GoldenEye

GOLDENEYE ist der Titelsong des gleichnamigen siebzehnten James-Bond-Films. Er zählt zu den größten Hits der US-amerikanischen Soul- und Pop-Sängerin Tina Turner in den 1990er Jahren.

I. Entstehungsgeschichte

Der Film GoldenEye kam im November 1995 weltweit in die Kinos. Im gleichen Monat wurde der Titelsong als Single ausgekoppelt. Als Autorenduo (Musik/Text) und Executive Producer agierten die U2-Mitglieder Bono und The Edge, produziert wurde der Song von Nellee Hooper, einem britischen Musikproduzenten, der in den frühen 1990er Jahren durch seine Zusammenarbeit mit der damals angesagten Trip-Hop-Band Massive Attack für Aufsehen sorgte. Mit der Wahl des Produzenten stellte man gewissermaßen sicher, dass sich der Song durch einen zeitgemäßen Sound hervortun würde. Zudem konnte man auf ein eingespieltes Team vertrauen, denn Bono, The Edge und Hooper arbeiteten bereits am Song “Hold Me, Thrill me, Kiss Me, Kill Me” zum Film Batman Forever (1995) zusammen. Im Interesse der Filmproduzenten lag es wiederum, einen “high-profile artist” (Burlingame 2012: 201) für die Interpretation des Songs zu gewinnen. Nachdem die Rolling Stones den Verantwortlichen eine Absage erteilt hatten, fiel die Wahl unmittelbar auf die damals im Zenit ihres Erfolges stehende Tina Turner (vgl. ebd.).

II. Kontext

Titelsongs von Bond-Filmen nehmen im Bereich der Populärkultur eine besondere Stellung ein. Den Auftrag zur Komposition oder Interpretation eines Songs erhielten bislang stets solche Pop-Künstler, die entweder als jung und aufstrebend oder als arriviert und äußerst berühmt galten. Folglich kam resp. kommt die Mitwirkung an einem Titelsong einer Art Nobilitierung gleich. Darüber hinaus wird den Künstlern eine attraktive Vermarktungsplattform geboten. So wirken sich die Bekanntheit der Bond-Filme sowie die mit ihnen einhergehenden Identifikationsmechanismen positiv auf den Verkauf der parallel zum Film erscheinenden Single aus. Gleichwohl handelt es sich bei Bond-Songs formal betrachtet um Filmmusik. Das bedeutet, sie übernehmen im filmisch-dramaturgischen Gesamtkonzept eine bestimmte Aufgabe, konkret jene, in atmosphärisch dichter und effektvoller Weise in die Filmhandlung einzuführen. Sie erklingen im Vorspann, dessen Bildebene über die Jahrzehnte hinweg zu einem eigenständigen popästhetischen Konzept geronnen ist. Ebendieses basiert auf einem klar umrissenen, stetig wiederkehrenden Repertoire an filmischen Darstellungsmitteln. Hiermit sind gemeint: attraktive Frauen, Schusswaffen, verschwommene Bildflächen (v.a. Flammen, Wasser und Nebel), Bildüberlagerungen und ein dunkler Bildhintergrund. Im vorliegenden Fall ist eine Erweiterung dieser Motive und Techniken um Close-ups (einer goldgefärbten Pupille) sowie um verschiedene Symbole des sowjetkommunistischen Herrschaftssystems zu erkennen – inklusive der Zerstörung der selbigen durch die für Bondfilme obligatorischen jungen, attraktiven Frauen. Letzteres ist eine Anspielung auf die Filmhandlung, die sich um den Zerfall des Sowjetreiches zu Beginn der 1990er Jahre entspinnt. Das tragende Handlungselement besteht in dem Versuch des abtrünnigen MI6-Agenten Alex Trevelyan (gespielt von Sean Bean) mit Hilfe des von einer russischen Militärbasis gestohlenen Waffensystems GoldenEye die weltweite Satellitenkommunikation lahmzulegen. Trevelyan wird in klassischer Showdown-Manier von James Bond (erstmalig gespielt von Pierce Brosnan) getötet – Trevelyans sinistres Unterfangen scheitert.

Für die US-amerikanische Sängerin Tina Turner erwies sich die Interpretation des Titelsongs als großer kommerzieller Erfolg. Turner (bürgerlich: Anna Mae Bullock) erlangte in den späten 1960er Jahren zusammen mit ihrem damaligen Ehemann, dem Bandleader und Songwriter Ike Turner, weltweit Popularität. Nach Trennung und Scheidung Ende der 1970er Jahre setzte Turner ihre Arbeit als Solokünstlerin fort, zunächst jedoch mit mäßigem Erfolg. Erst im Jahr 1984 gelang ihr mit dem Album Private Dancer ein vielbeachtetes Comeback. Seitdem ist ihre Popularität ungebrochen, wenn auch zu verzeichnen ist, dass sie sich in den 2000er Jahren zunehmend ins Private zurückzog und nur sporadisch als aktive Künstlerin in Erscheinung trat.

III. Analyse

Der Song hat in der Singleversion eine Dauer von 3:21 Minuten; sein Tempo beträgt ca. 102 bpm. Das Klangbild wird im Wesentlichen geprägt durch ein Orchesterarrangement, eine programmierte Drum-Spur, diverse Keyboardflächen und Synthesizer generierte Klangeffekte sowie durch die soullastige Gesangsdarbietung von Tina Turner. Dadurch entsteht insgesamt jener Trip-Hop-Sound, der sich zu Beginn und in der Mitte der 1990er Jahre größerer Beliebtheit sowohl im Segment des Mainstreams als auch in den urbanen Club-Szenen erfreute. Der Formverlauf konstituiert sich in den Abschnitten Intro, 1. Strophe, Refrain, Bridge, Zwischenspiel, 2. Strophe, Refrain, Bridge, Coda. Abzüglich des Intros und der Code ergibt sich somit die Aufeinanderfolge ein und desselben Formblocks (Strophe – Refrain – Bridge). Bemerkenswert hieran ist der ausgedehnte Bridge-Abschnitt, in ihm vollzieht sich die eigentliche klangliche Entwicklung innerhalb des Songs. So bauen Intro, Strophe und Refrain auf dem gleichen Pattern auf – prägend hierfür ist ein kurzes Staccato-Motiv der Streicher in tiefer Lage, welches (in Intro und Refrain) durch ein markiges Zwei-Ton-Motiv der Blechbläser in Call-and-Response-Manier kontrapunktiert wird (in der zweiten Strophe ist zusätzlich das ‚klassische’ chromatisch auf- und abwärtssteigende Bond-Motiv zu hören). Die Abschnitte sind ferner durch die Grundtonart Fis-Moll miteinander verbunden. Einen klanglich-strukturellen Wandel markiert lediglich der Gesangspart, indem von einem erzählenden Gestus (Strophe) in die Song-Hookline “Goldeneye” (Refrain) gewechselt wird. Schließlich durchbricht die Bridge dieses Spielmuster. Die Streicher spielen fortan ganztaktige Töne, wobei ein breiter Ambitus in Anspruch genommen wird, der von der Kontra-Oktave bis zur zweigestrichen Oktave reicht. Zudem ist ein Tonartwechsel (E-Moll) zu verzeichnen, darüber hinaus geht der harmonische Rhythmus in ein ganz- und doppeltaktiges Schema über. Zu hören ist die Akkordfolge: Em | Em/D | Cism7b5 | Cism7b5 (2x) | Hm | Fissus4/Cis | Hm/D | Em | Hm | Fissus4/Cis | Hm/D | Hm/D. Es zeigt sich insgesamt, dass nach den kurzmotivischen, repetitiven Spielfiguren in Strophe und Refrain ein opulenter Klangteppich mit einer spannungsreichen Harmonik zur Entfaltung gebracht wird. In der Coda wird wiederum das Pattern in Strophe und Refrain mit den ornamentalen Streicherparts aus der Bridge kombiniert. Es entsteht ein ‚Finale furioso’, welches gesanglich durch entsprechende Spitzentöne untermauert wird.

Der Songtext ist in der Ich-Perspektive verfasst. Wie in der überwiegenden Mehrzahl der Bond-Songs wird kein direkter inhaltlicher Bezug auf den Plot genommen. Es werden vielmehr kryptisch-vage Andeutungen gemacht, die im Wesentlichen auf den Motiven Gefahr, Gewalt und Erotik fußen. Konkret wird eine männliche Person fokussiert, mit der die Erzählerin eine gemeinsame Lebensgeschichte zu teilen scheint (“You’ll never know how I watched you from the shadows as a child”), an die wiederum leidvolle Erfahrungen gekoppelt sind (“You’ll never know the days, the nights, the tears / the tears I’ve cried”). Die Schilderungen münden schließlich im Wunsch, Rache zu üben (“Revenge, it’s a kiss / This time I won’t miss / Now I’ve got you in my sight”). Allerdings bleibt offen, ob dieser Wunsch in die Tat umgesetzt wird. Die mit diesem narrativen Konzept implizierte Emotionalität wird durch Turners stimmliche Dynamik sinnlich erfahrbar gemacht. Im Verlauf des Songs durchschreitet Turner verschiedene Ausdrucksmodi, von einem bedrohlich flüsternden Ton über die trotzige Vergewisserung der eigenen Willensstärke bis hin zum leidvollen Flehen einer verschmähten Liebhaberin.

IV. Rezeption

GOLDENEYE entwickelte sich zu einem der kommerziell erfolgreichsten Hits von Tina Turner. Diesbezüglich ist jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen Europa und den USA zu verzeichnen. Während das Publikum in Europa den Song in mehreren Ländern bis in die Top-Ten (in einigen Ländern bis auf Platz zwei und drei) steigen ließ, schien die breite Maße der US-amerikanischen Hörerinnen und Hörer dem Song kritischer gegenüber zu stehen. So steht keinerlei Eintrag in der für den Mainstream-Markt repräsentativen Hitliste des Billboard-Magazine, der “Billboard Hot 100”, zu Buche. Lediglich in genrespezifischen Listen (z.B. den “Billboard Hot R&B Singles”) wurde der Song auf mittleren Plätzen geführt. Ein Jahr nach der Veröffentlichung als Single erschien GOLDENEYE auf Turners Studioalbum Wildest Dreams (1996), welches ebenfalls durch hohe Chartplatzierungen (vor allem in Europa) aufwarten konnte. Anklang fand der Song in der internationalen Dance-Szene, so existieren diverse Remixes. Zu den prominentesten zählen jene von David Morales und Dave Hall aus dem Jahr 1995. Bühnen-Performance des Songs sind auf den Live-DVDs Wildest Dreams Tour: Live in Amsterdam (1996) und Tina Live! (2009) enthalten.

 

CHRISTOFER JOST


Credits

Hauptgesang: Tina Turner
Bass: Mike Brittain
Orchester-Arrangement und Dirigat: Craig Armstrong
Programming: Marius de Vries
Autoren: Bono und The Edge
Produzent: Nellee Hooper
Label: Parlaphone, Virgin
Spieldauer: 4:41

Recordings

  • Tina Turner. “GoldenEye”, GoldenEye, 1987, Warner Bros., 9 28305-7, USA (Vinyl/Single).
  • Tina Turner. “GoldenEye”, Wildest Dreams, 1996, Parlophone, 7243 8 37684 2 4, Europe (CD/Album).
  • Tina Turner. Private Dancer, 1984, Capitol Records, EJ 2401521, UK (Vinyl/LP/Album).

References

  • Burlingname, John: The Music of James Bond. Oxford: Oxford University Press 2012.
  • Duncan, Paul: The James Bond Archives. Köln: Taschen 2012.

About the Author

PD Dr. Christofer Jost is research associate at the Zentrum für Populäre Kultur und Musik, University of Freiburg, and teaches media studies at the University of Basel.
All contributions by Christofer Jost

Citation

Christofer Jost: “GoldenEye (Tina Turner)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/tinaturnergoldeneye, 08/2013 [revised 03/2014].

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