2016
Calvin Harris feat. Rihanna

This Is What You Came For

THIS IS WHAT YOU CAME FOR war ein weltweiter Hit im Jahr 2016 und entspringt der Zusammenarbeit von zwei der größten Popstars ihrer Zeit.

 

I. Entstehungsgeschichte

Calvin Harris (*1984) ist ein schottischer Produzent, DJ, Songwriter und Sänger, der 2016 vom Forbes Magazine zum dritten Mal in Folge als weltweit bestbezahlter DJ eingestuft wurde. Er startete seine Karriere mit “Wohnzimmer-Demos” Ende der 1990er Jahre und erreichte und vergrößerte sein Publikum via MySpace. Erste Erfolge im Mainstream feierte Harris 2007. In den Jahren 2011/2012 erlangte er durch Kollaborationen mit prominenten Sänger*innen große internationale Bekanntheit. Bislang, Stand Juli 2017, hat Harris fünf Alben veröffentlicht, das letzte im Jahr 2017, bereits einige globale Nummer 1 Hits verbucht und über 20 renommierte Musikpreise gewonnen. Die aus Barbados stammende Sängerin Rihanna (*1988) hat seit ihrem Durchbruch in den Jahren 2006/2007 knapp 200 Millionen Tonträger verkauft, hatte 14 US Billboard Hot 100 Nummer 1 Hits, ist bei den meistgestreamten Künstler*innen auf Spotify laufend in den Top 3 und gewann bis dato (2017) acht Grammys. Jayson Greene vom renommierten Magazin Pitchfork weist ihr auch musikalisch große Relevanz zu und sieht ihren Gesangsstil als maßgeblichen Einfluss für die Popmusik der letzten Dekade (vgl. Greene 2017).

Calvin Harris schrieb THIS IS WHAT YOU CAME FOR im Jahr 2015 gemeinsam mit seiner damaligen Partnerin Taylor Swift, die ursprünglich als Sängerin des Songs vorgesehen war. Nach ihrer Trennung übernahm Rihanna, die schon früher sehr erfolgreich mit Harris im Song “We Found Love” (2011) kollaboriert hatte, die Gesangsstimme. Swift ist unter dem Pseudonym “Nils Sjöberg” als Co-Songwriterin des Songs angeführt und gestaltete laut Harris die Lyrics sowie Teile der Vocals. Die übrige Komposition, die Produktion der Instrumentals sowie das Arrangement lagen in der alleinigen Verantwortung von Harris (weitere Mitwirkende wurden zumindest nicht öffentlich gemacht). In zwei Interviews zur Entstehung von THIS IS WHAT YOU CAME FOR erzählt Harris, dass er Rihanna den fertigen Instrumentaltrack ca. zwei Wochen vor Songveröffentlichung das erste Mal in einem Wohnwagen auf dem Coachella Festival vorspielte und die Gesangsspur anschließend in lediglich einer Studiosession aufgenommen wurde (vgl. Grimshaw 2016, Zane 2016). Kurz nach Erscheinen der Single am 29.04.2016 wurden noch sechs Remixes nachgeliefert. Der Videoclip vom britischen Regisseur Emil Nava, der schon für Ed Sheeran, Ellie Goulding, Pharrell Willams u. v. m. drehte, wurde auf YouTube knapp eineinhalb Monate später veröffentlicht.

 

II. Kontext

THIS IS WHAT YOU CAME FOR muss aus dem Blickwinkel der Zusammenarbeit von zwei Weltstars betrachtet werden, die im Vorhinein eine große Aufmerksamkeit garantierte. Dass der Song ohne lange Vorankündigung veröffentlicht wurde, entspricht dem Vorgehen Rihannas bei ihrem kurz davor erschienenen achten Studioalbum Anti. Das anfangs exklusiv auf dem HD-Musikstreamingdienst Tidal erhältliche Album stellt in musikalischer Hinsicht einen Wendepunkt in ihrer Karriere dar. Hörbar ist eine Abkehr von der Dance-Orientierung früherer Tage hin zu verhältnismäßig experimentellen, mit Jazz, Funk, Soul oder Dubstep eingefärbten Songs, die von vielen bekannten Songwritern und Produzenten wie z.B. Tim “Timbaland” Mosley mitgestaltet und seitens der Musikkritik durchaus goutiert wurden. Rihanna setzt hier die schon früher forcierte Rebellinnen-Facette ihrer Künstlerinnenpersönlichkeit (z. B. zu finden in ihrer Duftkreation “Rihanna Rebelle Eau de Parfum”) nun auch musikalisch um. Ihr insgesamt sehr wandelbares Image ist offenbar eine gute Ergänzung zu dem sich einerseits als Popstar und DJ, andererseits als musikalisch ernst zu nehmenden Produzenten und Songwriter inszenierenden Calvin Harris. Harris wurde als Sänger seiner ironisch gebrochenen Elektropop-Hits “Acceptable in the 80s” und “The Girls” (beide 2007) einer breiten Öffentlichkeit bekannt und verfestigte seinen Popstar-Status auch außermusikalisch durch prominente Liebesbeziehungen oder seine Modeltätigkeit für Armani. Dem seit Beginn der 2010er Jahre entstehenden Eindruck des “Knöpfchen drehenden” EDM-DJs versucht er entgegenzuwirken, indem er in Interviews ausführlich auf Produktionsweisen und Arbeitsabläufe eingeht und sich dabei gerne im Studio-Kontext mit Equipment präsentiert. Zudem gibt er sich Mühe, über die Zusammenarbeit mit Alternative-Größen wie Florence Welch (Florence & The Machine), Jake Shears (Scissor Sisters) oder Dizzee Rascal eine über den Mainstream hinausgehende Reputation zu verschaffen.

 

III. Analyse

In der Kollaboration für THIS IS WHAT YOU CAME FOR ist der Drang nach Veränderung und stärkerer künstlerischer Anerkennung, der das zeitnahe Schaffen der beiden beteiligten Künstler*innen beeinflusst, erkennbar. Der auf Welthit “programmierte” Song zweier Stars erlaubt dabei einen gewissen Bruch mit Konventionen und Erwartungshaltungen in Form jener “subtleties” zu finden, die Harris als wichtigen, britischen Bestandteil seiner Musik beschreibt (vgl. Jonzes 2012).

Beim ersten Hineinhören entspricht THIS IS WHAT YOU CAME FOR in vielerlei Hinsicht den Erwartungen an einen Popsong aus dem Mainstream EDM-Bereich. Grob untergliedert legt der Hit eine schnell merkbare ABAB-Struktur nahe, also lediglich zwei sich abwechselnde formale Sektionen innerhalb der Gesamtdauer von 03:42. Bereits in den ersten 46 Sekunden werden die wichtigsten Grundbausteine des Songs vorgestellt: ein viergliedriger Turnaround als repetitives harmonisches Pattern; vier dominierende Textzeilen, die im Verlauf des Songs fünf Mal, mit identischem Melodieverlauf, wiederholt werden und den titelgebenden Satz “This Is What You Came For” beinhalten; eine weibliche Gesangsstimme, die das Flirten im Club beschreibt und sich im Chorus auf “you/oh”-Laute beschränkt; ein vorwärtstreibender Rhythmus mit einem 4/4-Takt und einer “Four-to-the-Floor”-Bassdrum; ein wuchtiger Synthesizer, der an den typischen “SuperSaw”-Sound von vielen kommerziellen EDM-Tracks erinnert; ein stark komprimiertes Summensignal, das kaum Spielraum für Dynamikunterschiede lässt.

Auf den ersten Blick also greifen Harris und Rihanna in THIS IS WHAT YOU CAME FOR ohne Scheu auf etablierte Erfolgsrezepte zurück, die nicht nur “We Found Love” zu einem Charterfolg in den 2010er Jahren gemacht haben und den Anschein eines “hit-by-numbers box-ticker” (Milton 2017) erwecken. Differenzierter betrachtet offenbart der Song jedoch sowohl auf formaler, harmonischer und melodischer als auch auf rhythmischer Ebene Besonderheiten, die ihm einen eigenen Charakter verleihen (für eine detaillierte, notenschriftliche Transkription des Autors siehe musescore.com).

Das auffälligste Merkmal steht in Zusammenhang mit Prozessen des Spannungsauf- und -abbaus, die teilweise entgegen üblicher Erwartungen verlaufen und mit einer differenzierteren Abschnittsgliederung als oben angedeutet einhergehen. THIS IS WHAT YOU CAME FOR lässt sich in vier unterschiedliche Abschnitte unterteilen, deren Reihenfolge variiert wird und die sich mit Hilfe von Buchstaben als Teile A, A’, B und C sowie entsprechend ihrer Rolle im Songaufbau als Verse 1, Prechorus, Chorus und Verse 2 benennen lassen.

Der Song beinhaltet in den ersten 46 Sekunden die Abschnitte A, B (in reduzierter Form) und A’ und geht danach ein zweites Mal in Abschnitt B über (nun vollständig instrumentiert und in voller Dauer). Im Gegensatz zum ruhigen und gedrosselten Verse 1 (A) vermittelt der Prechorus (A’) eine höhere Intensität und einen anschwellenden, stimmhaften und unsteten Eindruck, der durch ein deutlich dichteres und kraftvolleres Klangbild und einen drückenden “Push”-Rhythmus hervorgerufen wird. Die Musik baut Spannung auf und strebt einer vermeintlichen Klimax entgegen, die jedoch nicht erreicht wird. Zu Beginn des Chorus (B) fällt die Intensität sprunghaft ab und der Abschnitt schreitet vergleichsweise gedämpft und verhalten voran. Dieser Drop ist nicht nur für einen Pop-Chorus ungewöhnlich, in dem üblicherweise eine Steigerung durch einen “dickeren Sound” (Kaiser 2011: 8) erwartet wird, sondern auch für einen Mainstream EDM-Song, in dem einem Spannungsaufbau häufig ein kraftvoller Instrumentalteil folgt – zu hören z. B. in früheren Calvin Harris-Songs wie “We Found Love”, “Blame” (2014, feat. John Newman) oder der von Harris mitproduzierten Rihanna-Single “Where Have You Been” (2012). Ab 01:17 erklingt mit Verse 2 (C) eine stabile und beständige Songsektion, die sich unter Anderem textlich und melodisch von den Abschnitten A und A’ unterscheidet. Der Prechorus im Anschluss sorgt erneut für eine Steigerung der Spannung, die in der nun schon bekannten Abfolge im Chorus wiederum ins Leere verläuft. Ein Intensitätshöhepunkt wird auch im restlichen Song nicht mehr erreicht. Harris und Rihanna führen THIS IS WHAT YOU CAME FOR mit der Wiederholung des ruhigen Anfangsteils, einem abgeschwächten Prechorus und einem abschließenden Chorus zurückhaltend zu Ende.

Mit der Kombination aus energetischen Passagen und einer insgesamt entspannten Grundstimmung schlägt Harris eine Brücke von dem seit längerem etablierten härteren Electro House im Stile von David Guetta, Afrojack oder Avicii zum gelasseneren Tropical House-Genre, in dem Künstler*innen wie Robin Schulz oder Kungs seit 2014 zu Weltstars wurden. Ein gemeinsames Merkmal ihrer großen Hits “Sugar” (Schulz 2015) und “This Girl” (Kungs vs. Cookin’ on 3 Burners 2016) sind groovende, mit Hammer On-Technik gespielte Gitarren-Licks, die innerhalb einer transparenten Textur gut zur Geltung kommen. Auch in THIS IS WHAT YOU CAME FOR bleibt Platz für fein aufgelöste Klänge, da der Song trotz des geringen Dynamikspielraums auffallend aufgeräumt klingt. Harris verzichtet in den Abschnitten A und A’ auf eine Bassdrum und verwendet tiefe Frequenzen unter 200 Hz hier generell nur sehr sparsam. Dadurch kann sich ein in schneller Akkordbrechung erklingender “Arpeggio-Synthesizer” entfalten. Die Töne des Arpeggios umspannen den Ambitus einer Tredezime und sorgen für ein feinflächiges, in sich stark bewegtes Verse-Motiv, das pro Takt dreimal wiederholt wird. In seiner inneren Struktur ist es nach dem verlangsamenden Prinzip der schrittweisen Dehnung von Notenwerten (von Zweiunddreißigstel bis doppelt punktierte Achtel) aufgebaut. In ihrer Außenbeziehung sind die Motive indes eher vorwärtstreibend, da jeweils das dritte Motiv abgekürzt wird, um in das 4/4-Taktschema des Songs zu passen. Hierdurch wird auf subtile Weise ein in EDM-Tracks häufig zu findendes asymmetrisches Rhythmuspattern, in diesem Fall 3+3+2, erzeugt. Im Prechorus schafft Harris klarere Verhältnisse, indem er den Rhythmus zu einem ebenfalls asymmetrischen 3+3+3+4 Pattern adaptiert, das er nun von einem wuchtigen perkussiven Synthesizer mit viel Obertonanteil spielen lässt. Damit weist er in Richtung jenes druckvoll-hymnischen Sounds, mit dem Electro House- und Big Room-DJs seit einigen Jahren die großen kommerziellen Club- und Festivalbühnen bespielen. Im Chorus behält Harris das Rhythmuspattern bei, entschärft es jedoch mit einem deutlich obertonärmeren Klang mit mehr Bassanteilen und verzahnt es mit dem “Four-to-the-Floor”-Beat der Bassdrum.

Rihannas Gesang bleibt während dieser prozessualen Entwicklungen stets präsent und wirkt einerseits unterstützend, andererseits aber auch von ihnen abgekoppelt. Zum unaufgeregten Gesamteindruck des Songs trägt in THIS IS WHAT YOU CAME FOR die Geradlinigkeit der Melodiekonturen bei. Quart- und Quintsprünge werden in dem Song nur sehr gezielt verwendet und zumeist ohne einen Bruch im kontinuierlichen Melodiefluss nach sich zu ziehen. Essentiell sind in diesem Zusammenhang mikrotonale Besonderheiten in der Gesangsphrasierung. Rihanna singt gleich zu Beginn des Songs einen Quintfall von e zu a (“ba-by”), der von dem mehrfach duplizierten Grundton a fortgeführt wird und dergestalt die Erwartung nach Veränderung, in Bezug auf den Tonsprung, erfüllt (vgl. Narmour 1990). Bezieht man jedoch mit ein, dass Rihanna den Anfangston e von der Unterterz c ausgehend knapp 250 Millisekunden lang anschleift, so wird aus einem markanten Abwärtssprung ein kontinuierlicher Melodieverlauf mit geringer Schlusswirkung, der sanft in das Stück und die Phrase einführt.

Auch im Chorus werden die Sprünge zu und von den oberen Scheitelpunkten der Melodielinien durch Zwischentöne abgefedert. Den einzig harten Schnitt in der Melodieführung platziert Rihanna bzw. Harris exakt in die Mitte der viertaktigen Chorus-Phrase. Die Sängerin beendet die erste Phrasenhälfte auf der großen Septime der lokalen Harmonie Fmaj7 und beginnt eine große Sext darunter die zweite Phrasenhälfte. Zwischen diesen beiden Tönen liegt eine Pause im Umfang von ca. einer punktierten Sechzehntelnote, die durch ein abruptes Beenden der Gesangssilbe entsteht. Dieser Schnitt scheint künstlich im Nachhinein gesetzt worden zu sein und verstärkt den Eindruck von technologischer Verfremdung und Digitalität, den Rihannas Stimme in THIS IS WHAT YOU CAME FOR nicht nur wegen eines Autotune-Effekts vermittelt. Der fließende Charakter, der sich durch die wenigen bzw. abgeschwächten Tonhöhensprünge entwickelt, wird vom Maschinellen einer oftmals leicht stakkatoartigen Artikulation, von einer sehr stabilen textrhythmischen Struktur von abwechselnd betonten und unbetonten Silben sowie einem stark am metrischen Raster orientierten Akzentuierungsmuster konterkariert.

Eine gewisse Ambivalenz und zugleich Distanziertheit strahlt der Song auch in Bezug auf die harmonische Gestaltung, den Textinhalt und den dazugehörigen Videoclip aus. Das harmonische Pattern | Am | Fmaj7 | G | C |, das von Harris stellenweise auf ein dreigliedriges | Fmaj7 | G | A | oder einen Basston | A | reduziert wird, kann tonal sowohl als a-Moll als auch als F-Lydisch interpretiert werden. Eindeutige Hinweise, wie sie z. B. klar vernehmbare Ruhepunkte, ein ausgeprägter Mollcharakter oder die prominente Verwendung des Tritonustons h geben könnten, finden sich in THIS IS WHAT YOU CAME FOR nicht. Zu dieser Mehrdeutigkeit und Offenheit, die der allerletzte Songton c noch einmal unterstreicht, kommt hinzu, dass Rihanna mehr als einmal akkordfremde, nicht unmittelbar aufgelöste Nebentöne verwendet. Kann z. B. der Ton g über Fmaj7 im zweiten Takt der Verse-Phrase (“ca-me for“) noch als Vorhalt zum Akkord G im darauffolgenden Takt angesehen werden, so bleibt das g am Ende von Takt 4 (“she moves“) über Am des nächsten Harmoniepatterns als Septime liegen und wirkt mangels Auflösung über dem anschließenden Fmaj7 als None nach. Septim- und Nonzusammenklänge sind ebenso in den Takten 1 und 2 des Chorus zu hören, und auch länger erklingende Sexten werden von Rihanna in Verse (“strikes every”) und Chorus (d über Fmaj7) eingesetzt.

Textlich-inhaltlich bleibt Rihanna ebenfalls auf Distanz und belässt es bei angedeuteter kühler Erotik. Sie beschreibt eine selbstbestimmte, abgeklärte Akteurin, die in einer Clubatmosphäre über Augenkontakt mit einer zweiten, räumlich entfernten Person flirtet. Zunächst aus beobachtender Perspektive erzählt (“she”), wechselt sie in Verse 2 in die erste Person und unterstreicht ihre eigenmächtige Handlungsweise beim non-verbalen Näherkommen und gemeinsamen Verlassen des Clubs (“We say nothing more than we need / I say ‘your place’ when we leave”).

Der Videoclip zeigt Rihanna in einem mit Videoprojektionen ausgeleuchteten Kubus, der inmitten von menschenleeren Umgebungen steht. Mit Ausnahme von Harris, der kurz gemeinsam mit ihr im Kubus erscheint, werden andere Personen lediglich virtuell dargestellt und in einer Clubatmosphäre auf die Wände projiziert. Der Clip ist flüssig geschnitten und durch viele Lichteffekte bunt und dynamisch gestaltet, wodurch das technologisch-futuristische Setting einen lebendigen Anstrich erhält. Die Bilder vermitteln freilich trotzdem nur wenig menschliche, emotionale Nähe als viel eher eine digitale Künstlichkeit, die durch den Anschein von digitalen Übertragungsfehlern (Testbild zu Beginn, eingestreute Bildfragmentierungen) weiter befeuert wird. Rihanna greift diese Stimmung auf und präsentiert sich, im Unterschied zu vielen ihrer früheren Videos, weder durch ihr Outfit noch ihre Performance sexuell sonderlich aufreizend.

Sowohl für Rihanna als auch für Calvin Harris ist THIS IS WHAT YOU CAME FOR in einer Phase der künstlerischen Neuorientierung der (vorläufige) Abschluss mit einer Musik, die sie beide zu Weltstars machte. Harris schafft sich damit Raum für das Laid-Back Album Funk Wav Bounces Vol. 1 (2017), mit dem er sich als “echten” Musiker mit instrumental-handwerklichen Fähigkeiten präsentieren will, und Rihanna greift noch einmal auf ihre Prä-Anti-Stilistik zurück und stellt sie in einen neuen Kontext. Aus dieser Situation resultiert ein Song, der eine Ambivalenz zwischen alten und neuen Musiktrends und alten und neuen Künstler*innenpersönlichkeiten ausstrahlt und damit scheinbar den Zeitgeist des Jahres 2016 getroffen hat.

 

IV. Rezeption

THIS IS WHAT YOU CAME FOR debütierte in fast allen Veröffentlichungsländern in den Top 10 der Charts und konnte sich vielerorts auch längerfristig in den Charts behaupten. So belegte der Song in über einem Dutzend Ländern einen Top 20 Platz in den Jahresrankings und reüssierte insbesondere in den “Dance Club Songs Year-End Charts” des Billboard Magazine, wo er 2016 als Nummer 1 abschloss. Die Online-Präsenz von THIS IS WHAT YOU CAME FOR ist ebenso höchst erfolgreich, wie die Anzahl der Views des (spät veröffentlichten) Videoclips auf YouTube (1,63 Mrd. mit Stand Juni 2017) oder die Spotify Streams (690 Mio.) zeigen. Es existieren mittlerweile eine Vielzahl von Remixes, die z. T. relativ außergewöhnlich sind und etwa in Gestalt eines “80s Remix” oder einer A-Capella-Version millionenfach auf YouTube angeschaut wurden. Von Rezipient*innen online kommentiert wird THIS IS WHAT YOU CAME FOR zumeist anhand von kurzen Ein-Satz-Statements, in denen ein überwiegend positiver Tenor herrscht. So heben z. B. die Rezensent*innen auf amazon.com und amazon.de die Partytauglichkeit der Kollaboration sowie deren Potential zum Sommerhit hervor und schätzen die Eingängigkeit, den Beat und das “Upbeat Feeling”. Darüber hinaus geht aus den Kommentaren hervor, dass der Song zum Tanzen anregt und gut geeignet ist, um in Clubs gespielt zu werden. Etwas detaillierter, aber auch kritischer äußern sich die User*innen der Plattform rateyourmusic.com. In den Reviews wird der Autotune-Effekt auf Rihannas Stimme und der fehlende Abwechslungsreichtum bemängelt, gleichzeitig aber auch Harris’ eigenständiger Stil als Produzent von “Dance-Pop Hits” positiv hervorgehoben (“He’s created a sound defined by chilly and distinctive synth chords and soothing sub kicks […]”). Auch in einer der wenigen professionellen Rezensionen zu THIS IS WHAT YOU CAME FOR sieht der Kritiker des New Musical Express in erster Linie die instrumentale Gestaltung des Songs als einen Garanten für einen “sicheren Hit”, Rihannas Gesangsleistung hingegen bezeichnet er aufgrund der Melodie und der Stimmmanipulation als “verschwendet” (Bartleet 2016).

 

BERNHARD STEINBRECHER


Credits

Vocals: Rihanna
Music/Writer/Songwriting: Calvin Harris, Nils Sjöberg
Production/Mix/Instruments: Calvin Harris
Production vocals: Kuk Harrel
Mastering: Mike Marsh
Recorded: 2016
Published: 2016
Length: 03:42

Recordings

  • Calvin Harris. “Acceptable in the 80s”. On: Acceptable in the 80s, 2007, Fly Eye/Columbia, 88697063932, UK (CD/Single).
  • Calvin Harris. “The Girls”. On: The Girls, 2007, Fly Eye/Columbia/Sony BMG, 88697072212, UK & Europe (CD/Single).
  • Calvin Harris feat. John Newman. “Blame”. On: Blame, 2014, Columbia, 88875026712, Germany/Austria/Switzerland (CD/Single).
  • Calvin Harris feat. Rihanna. “This Is What You Came For”. On: This Is What You Came For, 2016, Columbia, Europe (File/FLAC/Single).
  • Calvin Harris. Funk War Bounces Vol. 1, 2017, Columbia, 889854 43422, UK & Europe (CD/Album).
  • Kungs vs. Cookin’ on 3 Burners. “This Girl”. On: This Girl, 2016, Sound of Barclay/Universal, 4794403, Germany/Austria/Switzerland (CD/EP).
  • Rihanna. Anti, 2016, Universal, 0851365006462, Europe (CD/Album).
  • Rihanna feat. Calvin Harris. “We Found Love”. On: We Found Love, 2011, Def Jam Recordings/SRP Music Group, 00602527869797, Germany/Austria/Switzerland (CD/Single).
  • Rihanna. “Where Have You Been”. On: Where Have You Been, 2012, Def Jam Recordings, 0602537066988, Germany/Austria/Switzerland (CD/Single).
  • Robin Schulz. “Sugar”. On: Sugar, 2015, Tonspiel/Warner Music Central Europe, 5054196-7421-2-6, Germany (CD/Album).

References

  • Bartleet, Larry: “Calvin Harris & Rihanna’s ‘This Is What You Came For’ Is No ‘We Found Love'”. In: NME, 29.04.2016. URL: http://www.nme.com/blogs/nme-blogs/calvin-harris-rihannas-this-is-what-you-came-for-track-review-8826 [22.06.2017].
  • Bonz, Jochen: Alltagsklänge. Einsätze einer Kulturanthropologie des Hörens. Wiesbaden: Springer 2015.
  • Greene, Jayson: “Is Rihanna the Most Influential Pop Singer of the Past Decade?” In: Pitchfork, 05.04.2017. URL: http://pitchfork.com/features/overtones/10052-is-rihanna-the-most-influential-pop-singer-of-the-past-decade/ [22.06.2017].
  • Jonzes, Tim: “Calvin Harris: The secrets of my success”. In: Guardian, 21.12.2012: https://www.theguardian.com/music/2012/dec/21/calvin-harris-secrets-my-success [30.07.2017].
  • Kaiser, Ulrich: Babylonian confusion. Zur Terminologie der Formanalyse von Pop- und Rockmusik. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie (ZGMTH), 8/1. (2011), S. 43-75.
  • Milton, Jamie: “RIP Beat Drops? We Need to Talk About Calvin Harris’s Move Away from EDM”. In: NME, 31.03.2017: http://www.nme.com/blogs/calvin-harris-edm-slide-headstroke-need-to-talk-2031025 [30.07.2017].
  • Narmour, Eugene: The Analysis and Cognition of Basic Melodic Structures. Chicago: University of Chicago Press 1990.

Links

  • Acapella-Version: This Is What You Came For, Calvin Harris feat. Rihanna”. In: YouTube, Conor Maynard, 03.05.2016. URL: https://www.youtube.com/watch?v=ERTcMICGGhQ [24.06.2017].
  • Amazon Review: “This Is What You Came For”. In: Amazon.com. URL: http://amzn.to/2sJw5zZ [24.06.2017].
  • Apple Music: “Calvin Harris: ‘This Is What You Came For’ and Getting Vocals from Rihanna | Apple Music”. In: YouTube, Interview durch Zane Lowe, 19.09.2016. URL: https://www.youtube.com/watch?v=8_hKETt9bgY [30.07.2017].
  • BBC Radio 1: “Calvin Harris takes Grimmy around his home studio in LA”. In: YouTube, Interview durch Nick Grimshaw, 04.05.2016. URL: https://www.youtube.com/watch?v=QYSQszM0-u4 [30.07.2017].
  • Offizielles Musikvideo: This Is What You Came For, Calvin Harris feat. Rihanna. In: YouTube, 17.06.2016. URL: https://www.youtube.com/watch?v=kOkQ4T5WO9E [24.06.2017].
  • Rate Your Music Review: “This Is What You Came For”. In: Rateyourmusic.com. URL: https://rateyourmusic.com/release/single/calvin-harris-rihanna/this-is-what-you-came-for/ [24.06.2017].
  • Saint-Laurent 420: “80s remix: Calvin Harris ft. Rihanna – This Is What You Came For”. In YouTube, 30.12.2016. URL: https://www.youtube.com/watch?v=QJe8Tub4-_g [24.06.2017].
  • Steinbrecher, Bernhard: Notenschriftliche Transkription des Songs. URL: https://musescore.com/user/12047001/scores/4065466 [30.07.2017].

About the Author

Dr. Bernhard Steinbrecher is a lecturer of musicology and popular music studies at the University of Innsbruck.
All contributions by Bernhard Steinbrecher

Citation

Bernhard Steinbrecher: “This Is What You Came For (Calvin Harris feat. Rihanna)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://songlexikon.de/songs/this-is-what-you-came-for/, 07/2021.

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