1991
Nirvana

Smells Like Teen Spirit

SMELLS LIKE TEEN SPIRIT von Nirvana zählt zu den epochalen Rocksongs des 20. Jahrhunderts. Der Song gilt bei Kritikern als “Definition einer Ära” (Paytress 2006: 35), Hymne der “Generation X” (Pilz 2011: o.S.) und der genrebildende Standout-Track des Grunge. Das zugehörige Album Nevermind zählt pophistorisch zu den revolutionären Veröffentlichungen der 1990er-Jahre. In musikökonomischer Perspektive markiert SMELLS LIKE TEEN SPIRIT einen fundamentalen Wandel in der Produktpolitik der Majorlabels mit einer bis dato beispiellosen Übernahme von Independent-Strukturen und -Ideen durch die globale Musikindustrie. Seine gewaltige populärkulturelle Bedeutung schöpft SMELLS LIKE TEEN SPIRIT dabei nicht nur aus der Macht seiner Musik und seines kryptischen Textes, sondern auch aus der Aura und der tragischen Vita Kurt Cobains.

I. Entstehungsgeschichte

Kurz vor Beginn der Aufnahmen zu ihrem zweiten Studioalbum Nevermind hatten Nirvana ihre bisherige Plattenfirma Sub Pop, das zu dieser Zeit stilprägende und wichtigste Label der Independent-Szene Seattles, verlassen. Ausschlaggebend dafür war die Frustration der Band über die finanziellen Probleme Sub Pops und die in ihren Augen unzureichende Distro und PR-Arbeit des Labels: “Es war typisch, daß nach Konzerten zehn oder zwanzig Kids zu uns kamen und sagten, sie könnten unsere Platten nirgendwo finden”, so Cobain im Interview mit dem Band-Biographen Mike Azerrad, “es wurde wirklich ermüdend. Wir bekamen keine Interviews” (Azerrad 2003: 146). Zugleich strebte die Band nach mehr Popularität, was ihnen mit Sub Pop nicht möglich schien: “Wir hatten das Gefühl, mehr verdient zu haben. Ich hätte gerne vor tausend Leuten gespielt. Das war unser hauptsächliches Ziel – diese Größe von Klubs zu erreichen und damit eine der populärsten alternativen Rockbands zu werden, vergleichbar mit Sonic Youth” (Azerrad 2003: 146).

Im April 1990 hatten Nirvana gemeinsam mit dem späteren Nevermind-Produzenten Butch Vig ein 7-Song-Demo in den Smart Studios in Madison, Wisconsin aufgenommen. Dieses ursprünglich für Sub Pop gedachte Demo stieß bei zahlreichen US-Majorlabels auf großes Interesse. Trotz Angeboten nahezu aller Majors, unter anderem Capitol und Columbia Records, unterzeichnete die Band schließlich bei DGC, einem Sublabel des Majors Geffen Records. Als maßgebend für die Entscheidung erwiesen sich dabei zum einen die hohe Tantiemenbeteiligung, die Geffen der Band einräumte, zum anderen Nirvanas Idole Sonic Youth mit Kurt Cobains Vertrautem, Kim Gordon. Sonic Youth standen zu dieser Zeit ebenfalls bei Geffen unter Vertrag und rieten Nirvana zu diesem Schritt.

Die Aufnahmen zu Nevermind fanden im Mai und Juni 1991 in den Sound City Studios in Van Nuys, einem Vorort von Los Angeles statt. Die Band setzte entgegen dem Wunsch Geffens für das Album erneut auf den Produzenten Butch Vig. Obwohl die Band intensiv an den Songs arbeitete, in der Regel acht bis zehn Stunden pro Tag, gerieten die Aufnahmesessions entspannt und produktiv (vgl. Adler 1997: 27-28). Einen großen Anteil daran hatte neben dem vertrauten Klima mit Butch Vig das energische Schlagzeugspiel des neuen Drummers Dave Grohl. Grohl war nach dem 1990er-Demo zur Band gestoßen, nachdem sich Cobain und Novoselic vom bisherigen Schlagzeuger Chad Channing aus musikalischen Gründen getrennt hatten.

Mit dem Wechsel zum Major Geffen setzten Nirvana auch auf eine musikalische Kurskorrektur. Der harsche, Hardcore-Punk-lastige Sound ihres Debüts Bleach wich einer melodischeren, gezügelteren Ausrichtung. Ob aus Kalkül oder persönlicher Vorliebe wird aus den oft sarkastischen Interviews der Band nicht vollends klar. Über die neue, poppigere Ausrichtung Neverminds bestand jedoch Konsens: “Ich halte sie für Pop-Songs […] Auf der neuen Platte gibt es keine schweren und wilden Songs wie ‘Paper Cuts’ oder ‘Sifting’. Das wäre einfach langweilig. Ich stehe inzwischen auf starke Harmonien” (Azzerad 2003: 150).

SMELLS LIKE TEEN SPIRIT entstand noch im Frühjahr 1991, kurz vor Beginn der Aufnahmesessions in Van Nuys. Die Band improvisierte dabei eine Stunde lang über Cobains Vier-Akkorde-Riff. Aus der Improvisation ging schließlich der Song hervor. Die Bandmitglieder zeigten sich zunächst aus unterschiedlichen Gründen skeptisch gegenüber dem Stück. Zum einen hielt die Band das Grundriff für einen billigen Abklatsch diverser Standard-Rockriffs, besonders des Boston-Radiohits “More than a Feeling”. Cobain: “‘Teen Spirit’ hatte einen total klischeehaften Riff. Es war ganz nah an einem Boston-Riff oder ‘Louie Louie’. Als ich den Gitarrenpart vorspielte, guckte Krist mich an und meinte: ‘Das ist so lächerlich'” (Crisafulli 2003: 38). Zum anderen fürchtete die Band, die charakteristische Laut-Leise-Dynamik des Songs würde als dreiste Kopie des typischen Stils der Pixies, einer anderen Vorbildgruppe Nirvanas, kritisiert werden. Krist Novoselic: “Die Pixies […] Wir sahen es sofort. Wir sagten beide: ‘Das klingt wirklich wie die Pixies. Die Kritiker werden uns dafür fertig machen'” (Azzerad 2003: 190).

Da das Label mit dem finalen Mix Butch Vigs nicht zufrieden war, mischte Andy Wallace die Platte komplett neu ab. Wallace, der sich durch kraftvolle Mixes, wie etwa Slayers Seasons in the Abyss, einen Namen gemacht hatte, glättete den Sound und verhalf ihm gleichzeitig mit verschiedenen Studioeffekten zu mehr Durchsetzungskraft, was Geffen besonders in Hinblick auf Radioairplay als außerordentlich wichtig erschien. Die Schlagzeugspuren optimierte Wallace mit digitalem Reverb und getriggerten Samples unter Bass- und Snaredrum für mehr Punch. Leichte Delay- und Reverbeffekte ließen die Gitarren dichter und raumgreifender wirken als auf Butch Vigs ursprünglichem Mix. Die Kosten für die Aufnahmen von Nevermind beliefen sich am Ende auf ca. 130.000 $, wobei Andy Wallaces neuer Mix allein die Summe verdoppelt hatte.

Die Band zeigte sich über Wallaces Mix weniger erfreut als das Label: “Er verzerrte das Schlagzeug ziemlich, so daß es mehr digital klang. Alles bekam einen seltsam produzierten Charakter. Aber wir wollten nichts als endlich diese Songs auf einer Platte herausbringen […] Die Stimmung war: ‘Beenden wir die Sache'”, erinnert sich Dave Grohl (Azerrad 2003: 194-195). Kurt Cobain kommentierte den kommerziell orientierten Mix unverblümter: “Die Produktion von Nevermind macht mich verlegen. Sie klingt mehr nach Mötley Crue als nach Punk Rock” (ebd.: 197). Am treffendsten bringt ein knapper Kommentar Krist Novoselics die Situation auf den Punkt: “Wir versuchten, uns auf dem schmalen Grat zwischen kommerziellem und alternativem Sound zu bewegen” (ebd.: 196).

Nirvana veröffentlichten SMELLS LIKE TEEN SPIRIT als Opener von Nevermind am 24. September 1991. Die Hülle der Erstauflage führt Kurt Cobain als Texter und die gesamte Band als Komponisten an. In den USA wurden zunächst 46.251 vorbestellte Exemplare des Albums an den Musikhandel ausgeliefert. Bereits zuvor, am 29. August, verschickte Geffen SMELLS LIKE TEEN SPIRIT an die Radiosender. Am 10. September wurde der Song als erste Singleauskopplung von Nevermind in einer leicht kürzeren Version an die Läden ausgegeben. Auf der US-Erstauflage der 7″-Single befand sich der bis dato unveröffentlichte Song “Drain You”. Andere Formate der Singleauskopplung enthielten zudem die Songs “Even in his Youth” und “Aneurysm”.

Das Cover der Single SMELLS LIKE TEEN SPIRIT zeigt ein verwackeltes Bandfoto vor dem Hintergrund des Swimmingpools des Nevermind-Covers. Die Ästhetik des Fotos greift bewusst die Bildsprache des zeitgleich veröffentlichten Musikvideos von SMELLS LIKE TEEN SPIRIT auf. Das Video feierte Premiere in MTVs neuer Alternative-Rock-Sendung 120 Minutes und trug dank einer bis dato nicht dagewesenen Heavy Rotation maßgeblich zum kommerziellen Durchbruch des Songs bei (zum Video-Dreh: ebd.: 206-207). Auf späteren Nirvana-Livealben und Best-of-Compilations wurde SMELLS LIKE TEEN SPIRIT viele weitere Male wiederveröffentlicht.

II. Kontext

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von SMELLS LIKE TEEN SPIRIT vollzog die Musikindustrie einen fundamentalen Wandel. Bereits gegen Ende der 1980er-Jahre zeichnete sich bei den global operierenden Majorlabels eine strategische Neuorientierung ab. Die Tendenz führte weg von Popstars mit maximaler Ausrichtung auf einzelne Hits hin zum systematischen Aufbau von Bands mit langfristigem Potential und etablierter Szene- und Fanbasis. Der Poptheoretiker John Corbett sieht in diesem Prozess, an dessen Beginn das Signing der ehemaligen College-Band R.E.M. stand, einen Paradigmenwechsel in der Politik der Majorlabels (vgl. Corbett 1996: 74-89). Die klassische “systemische Warenbedingung” der Musikindustrie, die ihre Attraktion über das Dazugehören, das Kollektiverlebnis gewinnt, trifft auf die “lokale Warenbindung” der Underground- und Independentszenen, die ihren Reiz aus der Differenzerfahrung, etwa die Vorliebe für eine obskure Genreband bezieht. In den verstärkten Signings von Independent- und Alternativebands durch die Majorlabels gegen Ende der 1980er sieht Corbett die gezielte Zusammenführung von Independent- und Major-Prinzipien: zum einen bieten die gewaltigen PR-Apparate der Majors die Strukturen für eine maximale kommerzielle Ausrichtung, die den Reiz eines kollektiven “Dazugehörenmüssens” generieren. Zum anderen liefern die ehemaligen Alternative- und Independentbands über ihre Vita sowie ihre raue Musik und Ästhetik genug Kanten, um dennoch das Gefühl von Differenz, des “Andersseins”, kurz: von Individualität zu vermitteln: “Die Produkte […] reproduzieren in jeder Beziehung die Anmutung einer im lokalen Modus operierenden Ware, doch objektiv sind sie ‘systemisch operierende Konsumgüter'” (Gurk 1996: 27).

Besonders die lokale Alternative-Rock-Szene Seattles stieß etwa ab 1988 (Signing von Soundgarden durch A&M) auf ein breites Interesse seitens der großen Plattenfirmen. Hier im pazifischen Nordwesten, abseits der Zentren der US-Musikindustrie und der Tourrouten der größeren Bands, hatte sich seit Ende der 1970er eine lebendige und innovative Lokalszene um die Pole Punk und Heavy Metal entwickelt. Strukturell getragen wurde die “Seattle-Szene” zunächst von einer Reihe unabhängiger Punk- und Metal-Fanzines (z.B. Subterranean Pop), Labels (z.B. C/Z Records) und College-Radiosendern. Vor allem auch die University of Washington brachte zahlreiche spätere Szenepersönlichkeiten in Verbindung. So lernten sich etwa auch Jonathan Poneman und Bruce Pavitt, die Betreiber des Labels Sub Pop, während ihres Studiums kennen.

Gerade die Etablierung von Sub Pop durch Pavitt (und später Poneman) im Jahr 1986 stellte einen zentralen Baustein für die außergewöhnliche Vitalität der lokalen Szene dar. Sub Pop wurde zum Geburtshelfer fast aller prägenden Bands der Grunge-Ära, darunter Mudhoney, Soundgarden, Sonic Youth, Dinosaur Jr. und Nirvana. Zur Kristallisierung des Trademark-“Seattle-Sounds” führte dabei ein konsequent verfolgter Corporate-Identity-Gedanke seitens Pavitt und Poneman: Sub-Pop-Bands sollten sich durch einen eigenen Sound (Alternative Rock zwischen Hardcore, Punk und Metal) und eine charakteristische Ästhetik unverkennbar vom übrigen Markt abheben. In der Folge setzte Sub Pop in Sachen Musik stets auf den Toningenieur Jack Endino, der zwischen 1987 und 1989 insgesamt 75 Veröffentlichungen für das Label produzierte. Endinos charakteristischer “Seattle-Sound” zeichnete sich durch einen basalen, rauen Klangcharakter mit hoher Dynamik aus und unterschied sich in seiner eindrucksvollen Reduktion drastisch vom überproduzierten “Dinosaurierrock” der Zeit.

Die visuelle Resonanzfläche für den Seattle-Sound schuf der Photograph Charles Peterson, der mit tausenden von Live- und Bandfotographien den Sub-Pop-Bands ein Gesicht gab. Charakteristisch für Petersons Stil ist eine lakonische, bisweilen unscharf-verwackelte Photographie. Seine Art zu photographieren fing einerseits außergewöhnlich wirkungsvoll die Energie der Liveshows ein. Zum anderen schufen seine Porträts von Seattle-Bands in ihren Jeans, Holzfällerhemden und ungekämmten Haaren in ihrer alltäglichen Beiläufigkeit deutliche Kontraste zur Inszenierung der “überstylten” Glamrocker der Ära (vgl. Azerrad/Pavitt/Peterson 1995, o.S.).

Die Popularisierung des Seattle-Sounds erfolgte schließlich durch ein geschicktes Marketingmodell Pavitts und Ponemans, den Sub Pop Singles Club, eine Art Abonnementsystem für Neuveröffentlichungen, das auf seinem Höhepunkt 1990 über 1000 Mitglieder zählte. Gegen Ende der 1980er war Seattle so zu einer festen Marke geworden. Rückblickend führt Poneman das glückliche Zusammentreffen der genannten Faktoren als ausschlaggebend für den Erfolg der Seattle-Szene an: “It could have happened anywhere, but there was a lucky set of coincidences. Charles Peterson was here to document the scene, Jack Endino was here to record the scene. Bruce and I were here to exploit the scene” (Jelbert 2008: o.S.).

Als entscheidend für den Sprung von der lokalen Independent- zur internationalen “Grunge”-Szene erwies sich ein Bericht des englischen Journalisten Everett True (alias Jerry Thackray) für den Melody Maker. True verfasste auf Einladung von Sub Pop eine Reportage über die aufstrebende Seattle-Szene und machte in diesem Zusammenhang ein breites Leserpublikum mit dem Begriff “Grunge” vertraut. Das Wort “Grunge” gleichwohl fand bereits vorher in der Seattle-Szene Verwendung. Unter anderem nutzte Pavitt es in einer PR-Info zur Green River-Scheibe Rehab Doll (1988). In der Folge fanden ab 1990 die ersten internationalen Touren von Sub Pop-Bands statt. 1990 tourten Mudhoney in Europa, bereits 1989 spielten Nirvana die ersten Shows in Deutschland. Grunge wurde international.

Grundsätzlich kann damit der populären Meinung, der Grunge-Boom der ersten Hälfte der 1990er begann mit Nirvana, widersprochen werden. Bereits vorher erhielten im Zuge der Popularisierung des Seattle-Sounds Bands wie Sonic Youth oder Soundgarden Verträge mit Majorlabels. Nirvanas Nevermind mit seiner epochalen ersten Single SMELLS LIKE TEEN SPIRIT stellte lediglich den letzten Funken dar, der eine ohnehin bereits boomende Bewegung als Leitgenre der Popmusik der frühen 1990er explodieren ließ. Maßgeblichen Anteil hatte daran nicht nur die Kreativität der Musiker, die Ende 1991/Anfang 1992 gleich mehrere Genreklassiker (Nirvana, Alice in Chains, Pearl Jam, Soundgarden) hervorbrachte, sondern vor allem auch die strategische Neuausrichtung der Musikindustrie auf Independentmodelle und die intensive Begleitung durch MTV als maßgeblichem Verbreitungsmedium des neuen Grunge-Sounds: “Der Goldrausch begann, als Soundgarden, Mother Love Bone und Alice in Chains von Major-Companies unter Vertrag genommen wurden. Die Dinge gerieten jedoch richtig außer Kontrolle, als Nevermind kurze Zeit nach der Veröffentlichung Goldstatus erreichte”, erinnert sich Mark Arm von Mudhoney (vgl. Rock Classics 2011: 11).

III. Analyse

SMELLS LIKE TEEN SPIRIT ist in konventioneller Strophen-Refrain-Form aufgebaut, wobei sich die Strophen in zwei Abschnitte unterteilen lassen: Teil A stellt auf gleichbleibender Melodie jeweils neues Textmaterial vor; Teil B, eingeleitet durch das sich mantraartig wiederholende “Hello”, bleibt stets gleich. Charakteristisch für den Song ist die starke Dynamik, die sich aus dem machtvoll inszenierten Kontrast zwischen melodiösen, weichen Strophen und harten Refrains entfaltet. Cobain: “Ich wollte den ultimativen Popsong schreiben. Im Wesentlichen habe ich versucht, bei den Pixies abzukupfern … Wir haben ihren Sinn für Dynamik verwendet – mal sanft und ruhig und dann wieder laut und hart” (Paytress 2006: 36).

Das harmonische Gerüst des gesamten Stückes besteht aus der Akkordfolge F5–B♭5–A♭5–D♭5. Trotz der bei Powerakkorden fehlenden Terz und keinerlei Auftreten der Dominante lässt sich die Tonart klar als f-Moll definieren; die verwendeten Stufen sind somit I-IV-III-VI. Diese Abfolge wird im Intro durch die unverzerrt geschlagene E-Gitarre eingeführt, kurz darauf setzen Schlagzeug, E-Gitarre mit starker Verzerrung und Bass ein. Während der Strophe wird die erneut unverzerrte Gitarre auf das Quartmotiv c-f reduziert. Die dadurch entstehende dünne Begleitung aus Grundtönen und Schlagzeug lenken die Aufmerksamkeit ganz auf die Vokalstimme. Das “Hello” baut durch das zu allen Akkorden dissonante G und die neunfache Wiederholung große Spannung auf. Unverkennbar beginnt der Refrain durch das gleichzeitige Einsetzen der Gitarren-Powerchords und Cobains in Rage versetztem, oktaviert fast wie in Verzweiflung geschrien anmutendem “With the lights out…”.

In einer kurzen Instrumentalüberleitung zur nächsten Strophe gibt die Gitarre fast unisono mit dem “hey” und “yay” von Cobain einen seufzenden Laut von sich. Nach der zweiten Strophe setzt das Gitarrensolo ein, welches in neun Takten das thematische Strophenmaterial verarbeitet. Nach Strophe 3 und einem weiteren Refrain folgt ein Fadeout mit dem neun Mal wiederholten “A denial” bis hin zum Schlussakkord.

Um die Entstehungsgeschichte des Textes ranken sich zahlreiche Mythen. Bei einem Interview am Tag der Albumveröffentlichung erzählte Kurt Cobain, die befreundete Kathleen Hanna, damals Sängerin der Band Bikini Kill, hätte nach einer durchfeierten Nacht “Kurt smells like Teen Spirit” an dessen Schlafzimmerwand gesprayt (vgl. Paytress 2006: 35). Bei späteren Interviews variierten seine Aussagen allerdings oder er verwehrte sie gänzlich. Auch die tatsächliche Bedeutung des Textes ist unklar. Die ohne erkennbaren Kontext aneinandergereihten Textpassagen geben viel Interpretationsspielraum und tragen so zur Faszination des Songs bei. So reichen die verschiedenen Auslegungen von der Erinnerung an eine verflossene Liebe (vgl. Cross 2001: 169) oder der Thematisierung von Sexualität (vgl. Azerrad 2003: 227) bis hin zu purer Bedeutungslosigkeit der Worte. Angeblich soll Cobain sogar gesagt haben: “Zu der Zeit, als ich diese Songs schrieb, wusste ich wirklich nicht, was ich damit sagen wollte” (Hector 1998: 39).

Was die meisten Deutungsvarianten eint, ist die Auslegung des Songs als Ausdruck der Orientierungslosigkeit der Jugend der 1990er-Jahre und Cobains sarkastischer Auseinandersetzung mit der (Un-)Möglichkeit einer “Teenage Revolution” (Azerrad 2003: 229-230). Im Spannungsfeld von materiellem Überfluss und Konsum und der gleichzeitig empfundenen Perspektivlosigkeit des eigenen Lebens wählten viele Jugendliche die Flucht in eine unentwegte mediale Betäubung und die damit verbundene Gleichgültigkeit. Hierauf deuten zum Beispiel Textpassagen wie “Whatever – nevermind” oder “Here we are now, entertain us!” hin – die Jugend, die ohne erkennbaren Sinn nach permanenter Unterhaltung verlangt. Cobain im Gespräch mit dem Bandbiographen Michael Azerrad: “Ich fühlte eine Pflicht zu beschreiben, was ich über meine Umwelt, meine Generation und Leute meines Alters dachte” (ebd.: 227). Dennoch bergen im Falle Nirvanas alle Auslegungen die Gefahr der Überinterpretation. So stellte das bedeutungsschwangere “Entertain us!” lediglich einen Standardbegrüßungssatz der Band auf Partys dar. Die Grenze zwischen Nonsense und Selbstentblößung verschwimmt in Cobains Texten. Die Aussagen der Band selbst zu ihren Texten gestalten sich widersprüchlich. Weird Al Yankovic karikierte später in seiner Coverversion SMELLS LIKE TEEN SPIRIT die teils hysterischen Exegesen des womöglich inhaltsleeren Textes: “Wo ist das Textblatt, wie lauten die Worte? Oh, never mind…” (Weird Al Yankovic). Doch gerade die bis heute fortdauernde Mythenbildung rund um Entstehungsgeschichte und Bedeutung des Songs zeigen seinen Stellenwert in der Populärkultur des 20. und 21. Jahrhunderts.

IV. Rezeption

In Folge einer bis dato beispiellosen Promotionkampagne, im Besonderen durch MTV, löste Grunge mit dem Erfolg des Songs SMELLS LIKE TEEN SPIRIT und Bands wie Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam und Alice in Chains 1991/1992 Heavy Metal und Hard Rock als kommerziell und kulturell dominante Genres der Rockmusik ab. Die Ästhetik und Ideologie von Grunge prägten Mode und Musikpräferenzen der westlichen Jugendkulturen in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre entscheidend. Filme wie Cameron Crowes Singles (1992) sowie die internationale (Musik-) Presse stilisierten die Seattle-Bands zu Vertretern einer als lethargisch und orientierungslos charakterisierten “Generation X” der weißen Vorstädte (vgl. Garofalo 1987: 447; Paytress 2006: 10). Nirvana, im Besonderen Kurt Cobain, wurden zu den unfreiwilligen Ikonen der Bewegung.

Aus musikökonomischer Perspektive stellte SMELLS LIKE TEEN SPIRIT zugleich das endgültige Ende der Trennung von unabhängigem Underground und popindustriellem Mainstream dar, das sich vorher bereits bei Bands wie R.E.M. andeutete. Entsprechend ambivalent gerät daher – je nach Positionierung im popkulturellen Feld – die Bewertung seiner Nachwirkung. Während Teile der Kritik Nevermind und SMELLS LIKE TEEN SPIRIT als überfälligen Befreiungsschlag gegenüber der übersättigten Rockszene der 1980er feiern, beklagen industriekritische Stimmen das Ende und den endgültigen Ausverkauf der Independentmusik.

Der Erfolg von SMELLS LIKE TEEN SPIRIT stellte sich nicht sofort ein. Eine Vorreiterrolle als Multiplikatoren nahmen die Collegeradios der großen Universitäten ein, erst später stieg MTV ein. Doch bereits ab Oktober lief der Song tagsüber auf Heavy Rotation. Das Video war teils bis zu 20 Mal am Tag – allein auf MTV – zu sehen. Die Bedeutung von MTV für den Erfolg von SMELLS LIKE TEEN SPIRIT und den Seattle-Sound im Allgemeinen lässt sich kaum überschätzen. Durch MTV erreichten Nirvana nun auch Milieus jenseits der Colleges und linksalternativen Independentszenen. Der Song verwischte mit seinem Durchbruch die Grenzen von Punk, Alternative und Heavy Metal zusehends. So lief SMELLS LIKE TEEN SPIRIT bald nicht mehr lediglich in Spartensendern mit Alternative-Fokus, sondern etwa auch in der europäischen und der US-Ausgabe des MTV-Metalprogramms Headbanger’s Ball. Spätestens im Dezember 1991 war der Song ein US-weiter Hit (vgl. Thompson 1996: 116).

Im Januar 1992, fast ein halbes Jahr nach dem Albumrelease, stieß Nevemind auf Platz 1 der US-Charts vor und verdrängte dabei Michael Jacksons Dangerous – ein Machtwechsel der regelrecht symbolisch den Wandel der Musikindustrie seit Ende der 1980er illustriert. Hohe Chartplatzierungen in fast allen europäischen Ländern und der weltweite Durchbruch Nirvanas folgten 1992. Zum aktuellen Zeitpunkt wurden von Nevermind weltweit circa 30 Millionen Exemplare verkauft (Billboard.com 2011). SMELLS LIKE TEEN SPIRIT erhielt zwei Grammy-Nominierungen und ist heute fester Bestandteil des Kanons der Popmusik des 20. Jahrhunderts. So führten etwa MTV und das Rolling Stone Magazine SMELLS LIKE TEEN SPIRIT auf Platz 3 der 100 besten Popsongs aller Zeiten, der NME listete den Song als zweitbeste Single der Popgeschichte und VH1 krönte ihn zum besten Song der letzten 25 Jahre.

Die gewaltige popkulturelle Bedeutung von SMELLS LIKE TEEN SPIRIT spiegelt sich auch in zahlreichen Coverversionen quer durch alle Genres wider. Unter den besonders erwähnenswerten Adaptionen findet sich etwa eine Pianoversion der Sängerin Tori Amos, die dem Song in einer verträumten Lounge-Version vollständig seiner Aggression entkleidet. Zu den bedeutenderen Künstlern, die sich mit dem Song auseinandersetzten, zählen weiterhin Patty Smith, die Cobain-Mentoren Melvins oder Paul Anka, der das Stück in eine relaxte Swing-Version transformiert. Die bekannteste Version stellt die Parodie “Smells like Nirvana” des US-Komikers Weird Al Yankovic dar, die vor allem durch MTV-Airplay große Popularität erlangte. Nirvana, die den Überhit im Laufe ihrer kurzen Karriere zunehmend als Bürde empfanden, zeigten sich von Yankovics Parodie begeistert. Als Sample reüssiert SMELLS LIKE TEEN SPIRIT unter anderem im Song “Atari Teenage Riot” der gleichnamigen Berliner Anarcho-Elektro-Punkband.

 

MANUEL TRUMMER, GERDA MAIWALD


Credits

Stimme und Gitarre: Kurt Cobain
Bass: Krist Novoselic
Schlagzeug: Dave Grohl
Text: Kurt Cobain
Musik: Kurt Cobain, Dave Grohl, Krist Novoselic
Aufnahme und Produktion: Butch Vig
Mix: Andy Wallace
Aufnahme: Mai 1991
Veröffentlichung: 24. September 1991
Länge: 5:01 (Album Version)
4:30 (Single Version)

Recordings

  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, Smells like Teen Spirit, 1991, DGC, DGCS7-19050, US Erstauflage (Single/Vinyl 7″).
  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, Nevermind, 1991, DGC, DGCD-24425, US Erstauflage (Album/CD).
  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, From the Muddy Banks of the Wishkah, 1996, Geffen Records, GED-25105, EU Erstauflage (Album/CD).
  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, Live at Reading, 2009, Geffen Records, B00113538-01, US Erstauflage (Album/Vinyl-LP).

Covers

  • Atari Teenage Riot. “Atari Teenage Riot”, Burn, Berlin, Burn!, 1997, Grand Royal/DHR, GRO42/Grand Royal, US Erstauflage (Compilation/CD).
  • Tori Amos. “Smells like Teen Spirit”, Crucify, 1992, Atlantic Recording Corporation, 7 82399-2, US Erstauflage (EP/MCD).
  • Weird Al Yankovic. “Smells like Nirvana”, Off the Deep End, 1992, Volcano, 7 614223201627, US Erstauflage (Album/CD).
  • Melvins (mit Leif Garrett). “Smells like Teen Spirit”, The Crybaby, 2000, Ipecac Recordings, IPC-6, US Erstauflage (Album/CD).
  • Paul Anka. “Smells like the Back of me Nan’s Couch”, Dinner Jass Vol. 2, 2005, White Records, 4774, UK Erstauflage (EP/12″ Vinyl).
  • Patti Smith. “Smells like Teen Spirit”, Twelve, 2007, Columbia/Sony BMG 82876 87251 2, US Erstauflage (Album/CD + Promo 7″).

References

  • Adler, James: Nirvana. Nevermind. London: UFO music 1997.
  • Azerrad, Michael: Nirvana. Come as you are. Höfen: Hannibal 2003.
  • Azerrad, Michael/Pavitt, Bruce/Peterson, Charles: Screaming Life. Eine Chronik der Musikszene von Seattle. St. Andrä-Wörden: Hannibal 1995.
  • Corbett, John: “Free, Single and Disengaged – Die Lust des Hörens und das Objekt der Popmusik”. In: Die Beute, 1 (1996), 74-89.
  • Crisafulli, Chuck: Nirvana. Teen Spirit. Die Story zu jedem Song. Schlüchtern: Rockbuch Verlag Buhmann & Haeseler 2003.
  • Cross, Charles R.: Heavier than heaven. A biography of Kurt Cobain. New York: Hyperion 2001.
  • Garofalo, Reebee: Rockin’ Out: Popular Music in the USA. Boston: Allyn & Bacon 1997.
  • Gurk, Christoph: “Wem gehört die Popmusik?”. In: Mainstream der Minderheiten. Pop in der Kontrollgesellschaft. Ed. by Tom Holert, Mark Terkessidis. Berlin: Edition ID-Archiv 1996, 20-40.
  • Hector, James: The complete guide to the music of Nirvana. London: Omnibus Press 1998.
  • Jelbert, Steve: “Labelled with Love”. In: The Times, 02.08.2008.
  • Paytress, Mark: Nirvana. Story und Songs kompakt. Berlin: Bosworth 2006.
  • Pilz, Michael: Wie konnte Kurt Cobain bloß diesen Hit schreiben? In: Welt Online. URL: http://www.welt.de/kultur/musik/article13595438/Wie-konnte-Kurt-Cobain-bloss-diesen-Hit-schreiben.html [10.09.2011].
  • Rock Classics: Sonderheft “20 Jahre Grunge. Die Bands – Die Mythen – Die Tragödien”. Wien: Slam Media GmbH 2011.
  • Thompson, Dave: Nirvana. Das schnelle Leben des Kurt Cobain. München: Heyne 1996.

Films

  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, Live! Tonight! Sold Out!!, 1994, Geffen Records, GEV-39541, US Erstauflage (VHS).
  • Nirvana. “Smells like Teen Spirit”, Live at the Paramount, 2011, Geffen Records, 0602527779010, EU Erstauflage (DVD).

Links

  • Artist Homepage: http://www.nirvana.com/ [11.08.2012].

About the Authors

Analysis written in a course of Dr. Manuel Trummer at the University of Regensburg.
All contributions by Gerda Maiwald
Analysis written in a course of Dr. Manuel Trummer at the Universität Regensburg.
All contributions by Manuel Trummer

Citation

Manuel Trummer; Gerda Maiwald: “Smells Like Teen Spirit (Nirvana)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/smellslike, 08/2012 [revised 10/2013].

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