2004
Kelly Clarkson

Since U Been Gone

Kelly Clarkson gewann 2002 die erste Staffel der US-amerikanischen Castingshow American Idol. SINCE U BEEN GONE war die zweite Singleauskopplung ihres zweiten Albums Breakaway (2004) und wurde ein internationaler Hit.

 

I. Entstehungsgeschichte

Nachdem Clarkson infolge von American Idol mit dem Album Thankful (2003) bereits beachtliche Erfolge erzielen konnte, planten die Verantwortlichen ihrer Plattenfirma RCA unter der Ägide des Produzenten und A&R-Managers Clive Davis zeitnah die Veröffentlichung eines zweiten Albums. Wissend, dass vom Erfolg dieser Produktion die weitere Karriere der Sängerin abhängen würde, soll sich Davis gezielt auf die Suche nach professionellen Songschreibern gemacht haben, wenngleich Clarkson den Anspruch geäußert habe, selbst als Komponistin und Texterin aktiv werden zu wollen. Der Anspruch sei gewesen, Clarkson mit einem neuen Repertoire auszustatten, dass ‘rockiger’ zu klingen hatte als ihre bisherigen Pop-Produktionen (vgl. Seabrook 2015: 136 f.). Davis traf sich schließlich mit Max Martin, der um die Jahrtausendwende insbesondere durch seine Songs für die Backstreet Boys und Britney Spears zum international anerkannten Songwriter und Produzenten avanciert war. Martin schlug Davis den Song SINCE U BEEN GONE vor, den er mit seinem Kollegen Łukasz “Dr. Luke” Gottwald erarbeitet und der Sängerin Pink angeboten hatte, die ihn jedoch ablehnte (vgl. ebd.: 138). Nachdem auch Clarkson den Song ursprünglich zurückwies und ihn selbst nach abgeschlossener Produktion wieder von ihrem Album streichen wollte, wurde er schließlich als zweite Singleauskopplung veröffentlicht. Im Zuge der Vorbereitungen zum Album Breakway soll es mehrfach und insbesondere aufgrund von SINCE U BEEN GONE zu Streitigkeiten zwischen Clive Davis und Kelly Clarkson gekommen sein, über deren Details sich die beiden Beteiligten bisweilen widersprüchlich äußerten (vgl. ebd.: 141 f.).

 

II. Kontext

Kelly Clarkson ging 2002 als Siegerin aus der ersten Staffel der Castingshow American Idol hervor, die 2016 vorübergehend eingestellt wurde und ab 2018 wieder ausgestrahlt wird. Eine Sendung mit entsprechendem Konzept wurde 2001 erstmals im britischen Fernsehen unter dem Titel Pop Idol präsentiert und in den Folgejahren in zahlreichen Ländern adaptiert. Während der US-amerikanische Sender FOX mit American Idol nachzog, war 2002 erstmals die Sendung Deutschland sucht den Superstar im deutschen Fernsehen zu sehen (vgl. Lantzsch 2008: 121). Das britische ‘Original’, das auf die Initiative des Musik- und TV-Produzenten Simon Fuller, der als Manager der Spice Girls bereits in den 1990er-Jahren bekannt geworden war, zurückgeht, wurde wiederum von der zuvor in Neuseeland produzierten Sendung Popstars inspiriert (vgl. Seabrook 2015: 124). In den Chefetagen des US-amerikanischen Unterhaltungsfernsehens sei man dem Format zunächst mit Skepsis begegnet. Infolge der Terroranschläge vom 11. September 2001 und des daraus resultierenden, angespannten gesellschaftlichen Klimas habe man jedoch das Potenzial des unterhaltenden “comfort programming” (ebd.: 125) erkannt. Die Castingshow wurde schließlich ein enormer Erfolg, das Finale der ersten Staffel wurde von rund 23 Millionen Zuschauern verfolgt (ebd.: 131). Kelly Clarkson zählte in den Folgejahren tatsächlich zu den international erfolgreichsten Musikerinnen. Während entsprechende Formate in Deutschland in Verruf stehen, ausschließlich kurzfristig erfolgreiche und austauschbare Musikerinnen und Musiker hervorzubringen, zeigen internationale Beispiele, dass Casting-Show-Gewinner durchaus über längerer Zeit erfolgreich sein können. Neben Kelly Clarkson trifft dies beispielsweise auf Leona Lewis (Großbritannien) und Christina Stürmer (Österreich) zu (vgl. Hornberger 2017: 39).

 

III. Analyse

SINCE U BEEN GONE weist ein Tempo von 130 bpm und eine Dauer von 3:09 min auf, das tonale Zentrum ist G-Dur. Der formale Ablauf setzt sich aus der Abfolge Intro, Verse 1, Chorus 1, Verse 2, Chorus 2, Bridge, Zwischenspiel und Chorus 3 zusammen. Dem Vorhaben entsprechend, Clarkson mit Songs auszustatten, die sich an Spielweisen der Rockmusik orientieren (vgl. Seabrook 2015: 138), weist SINCE U BEEN GONE einige Bezugspunkte zum Rock auf. Dies wird einerseits durch die Instrumentierung deutlich, denn es sind ausschließlich Schlagzeug, Bass sowie diverse Gitarrenspuren zu hören, während auf Synthesizer, Keyboards oder Streicher verzichtet wird. Andererseits lässt die Spielweise der Instrumente Bezüge zum (Punk-)Rock erkennen. Konstitutiv sind die ohne Verzerrung gespielten Gitarren-Power-Chords – Grundton und Quinte und bisweilen Oktave – im Achtelrhythmus, die von Łukasz Gottwald vorsätzlich ‘unsauber’ gespielt worden sein sollen (vgl. ebd.: 139). Die grundlegende Akkordfolge basiert auf dem zweitaktigen Wechsel von G und Em, die jedoch durch die Harmonien Am und F ergänzt wird. Em wird über Am erreicht, G wiederum über F. Der Halbtonschritt von Em zu F stattet die Akkordfolge mit einer Nuance aus, die als leicht dissonant wahrgenommen werden kann. Im Verlaufe des Verses treten Achtelakzentuierungen des Grundtons durch den Bass sowie ein typisches Schlagzeugpattern, das auf Achteln der Hi-Hat und einem steten Wechsel von Bass- und Snare-Drum beruht, hinzu. In den Verses erklingen im Folgenden verschiedene Singlenote-Akzente der Gitarren, im Chorus hingegen kommen leicht verzerrte Gitarren zum Einsatz. In Kombination mit dem Schlagzeug, das nun zahlreiche Beckenschläge spielt, wird hierbei eine deutliche Intensitätssteigerung erwirkt. Die Akkordwechsel erfolgen nun nicht mehr zwei-, sondern ganz- bzw. halbtaktig (Bm C | G | Bm C | G | Am | Em | D | Em) und sorgen daher für mehr Abwechslung. Die Steigerungseffekte, die sich aus diesen Gestaltungsweisen ergeben, werden durch Clarksons Gesang verstärkt. Im Verse schreitet die Sängerin einen Ambitus von einer Oktave von g’ bis g” aus, der Großteil der Töne bewegt sich aber zwischen a’ und d’. Während der Tonumfang hier also eher gering ausfällt und Clarkson in mittlerer Lage singt, beginnt sie den Chorus direkt eine Oktave höher. Hieraus resultiert, in Kombination mit der Instrumentalbegleitung, ein deutlicher Kontrast zur Strophe bzw. eine klare Intensitätssteigerung. Der Spitzenton, der die Bridge abschließt, ist sodann das g”’; Clarkson schreitet also einen Ambitus von zwei Oktaven aus.

Der Songtext beschreibt in der Ich-Perspektive die Befreiung, die Clarksons Song-Persona verspürt, nachdem sie sich von ihrem Partner getrennt hat. Im Videoclip wird diese Thematik aufgegriffen. Der Clip setzt sich aus zwei wesentlichen Szenerien zusammen: der Wohnung des Ex-Partners und einem Live-Konzert Kelly Clarksons mit einer Begleitband. Während des ersten Verses ist Clarkson im Wohnzimmer auf der Couch zu sehen, bevor sie das Badezimmer betritt und den dortigen Spiegelschrank ausräumt. Die entsprechenden Hygieneprodukte scheinen der neuen Partnerin ihres Verflossenen zu gehören. Während des Übergangs zum Chorus vermittelt die Kamerafahrt den Eindruck, als befinde sich eine Konzertbühne unterhalb des Badezimmers. Dort tritt Clarkson nun mit ihrer Band auf, während die anwesenden Zuschauer zur Musik tanzen. Anschließend ist Clarkson bei der Verwüstung des Ankleidezimmers zu sehen, bevor während des zweiten Chorus wieder die Konzertsituation gezeigt wird. Während der Bridge zerstört die Sängerin schließlich den Rest der Wohnung, wird zunehmend aggressiver und die Steigerungen des Musikalischen werden visuell konturiert. Im Folgenden werden die Szenerien – Wohnung und Konzert – im steten Wechsel eingeblendet. Clarkson verlässt sodann die Wohnung, kurz bevor ihr Ex-Partner mit seiner neuen Geliebten zurückkehrt und Zeuge der Zerstörung wird. Kelly Clarkson wird hier einerseits als junge und vom Liebeskummer gezeichnete Person präsentiert, andererseits als selbstbewusste Performerin und als wütende, rachsüchtige Ex-Freundin. In Kombination mit den stilistischen Anleihen an rockmusikalische Spielformen zeichnet sich somit das von Clive Davis offenbar intendierte Image ab: Jenes einer jungen und unbedarften Sängerin, die durch eine Castingshow und durch Popsongs bekannt geworden war, die nun aber mit einem ‘reiferen’ und ‘rockigeren’ Image ausgestattet werden sollte.

 

IV. Rezeption

SINCE U BEEN GONE erreicht Platz 2 der US-amerikanischen Charts und wurde auch international ein Verkaufserfolg – in Deutschland stieg der Song bis auf Platz 6. Insgesamt soll sich das Album Breakaway elf Millionen Mal verkauft haben, Clarkson erhielt für sowohl für das Album als auch für SINCE U BEEN GONE einen Grammy (vgl. Seabrook 2015: 142). In der Liste 500 Greatest Songs of All Time des Musikmagazins Rolling Stone belegt der Song Platz 482 (vgl. rollingstone.com).

 

BENJAMIN BURKHART


Credits

Gesang: Kelly Clarkson
Gitarre: Max Martin, Łukasz Gottwald
Bass: Max Martin, Łukasz Gottwald
Schlagzeug: Olle Dahlstedt
Songwriting: Max Martin, Łukasz Gottwald
Produzent: Max Martin
Label: RCA
Aufgenommen: 2004
Veröffentlicht: 2004
Length: 3:09

Recordings

  • Kelly Clarkson. “Since U Been Gone”, Breakaway, 2004, BMG, 82876 64491-2, RCA, 82876 64491-2, USA (CD/Album).
  • Kelly Clarkson. “Since U Been Gone”, Since U Been Gone, 2004, RCA, 82876 66558-2, USA (CD/Single).

References

  • Hornberger, Barbara: Training für die Wirklichkeit? Musikcastingshows zwischen Unterhaltung und Aneignung. In: Musikcastingshows. Wesen, Nutzung und Wirkung eines populären Fernsehformats. Hrsg. v. Holger Schramm und Nicolas Ruth. Wiesbaden: Springer VS 2017, S. 37–52.
  • Lantzsch, Katja: Der internationale Fernsehformathandel. Akteure, Strategien, Strukturen, Organisationsformen. Wiesbaden: Springer VS 2008.
  • Seabrook, John: The Song Machine. Inside the Hit Factory. New York: W. W. Norton & Company 2015.

About the Author

Benjamin Burkhart is senior scientist at the Institute for Jazz Research at the University of Music and Performing Arts Graz.
All contributions by Benjamin Burkhart

Citation

Benjamin Burkhart: “Since U Been Gone (Kelly Clarkson)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/since-u-been-gone, 12/2022.

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