SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR ist ein Song des österreichischen Sängers, Pianisten und Komponisten Udo Jürgens seines ersten Albums Porträt in Musik (1965).
I. Entstehungsgeschichte
SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR, eine Komposition von Udo Jürgens (eigentlich Jürgen Udo Bockelmann, seit 2010 Udo Jürgens Bockelmann, 1934–2014) wurde im Sommer 1965 nach einem Text des österreichischen Schauspielers und Dichters Thomas Hörbiger (1931–2011) für die Vogue Schallplatten aufgenommen, die deutsche Niederlassung der französischen Disques Vogue, ein auf Jazz und Chanson spezialisiertes Pariser Label. Die oft kolportierte Behauptung von einer seiner unehelichen Töchter, Sonja Jürgens (*1966), das Lied sei für ihre Mutter geschrieben worden, mit der er 1975 für einen One-Night-Stand in Wien zusammen war, gehört ins Reich der Boulevard-Mythen. Das Lied entstand schon während Jürgens Jahren bei Polydor, dem Pop-Label der Deutschen Grammophon, wo er zwischen 1956 und 1962 unter Vertrag stand. Da das Label, wie damals üblich, über Hauskomponisten und ‑texter verfügte, die die Interpreten mit Material versorgten, hielt man nichts von seiner Idee, eine Eigenkomposition zu singen. Das führte schließlich zum Bruch mit Polydor und Jürgens wechselte zur Deutschen Vogue, deren damaliger Chef der Münchner Medienmanager, Verleger und spätere Manager von Udo Jürgens, Hans R. Beierlein (1929–2022), war. Jürgens erklärte zur Entstehung des Liedes, dass er zusammen mit Hörbiger auf der Münchner Leopoldstraße im Auto unterwegs gewesen sei, wobei ihnen eine blonde Schönheit aufgefallen sei. Wie auf Stichwort sollen da von beiden die Worte gefallen sein „Siebzehn Jahr, blondes Haar“, womit die Titelzeile geboren war. Anschließend hätten sie den Text spontan zusammen niedergeschrieben (Jürgens 1988: 97). Das Autorenrecht für den Text liegt jedoch allein bei Hörbiger.
Erschienen ist SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR, produziert von Udo Jürgens selbst, mit der Jürgens-Komposition „So wie eine Rose“ (Text: Carl-Ulrich Blecher) als B-Seite im August 1965 als Singleauskopplung aus seinem ersten Album Porträt in Musik. Die italienische Fassung „Diciotto anni, capelli biond“ (Text: Vita Pallavicini) war schon im Juni erschienen und wurde noch erfolgreicher als das Original. Auch die 1966 erschienene französische Fassung „Si“ (Text: Jacques Chaumelle) übertraf das Original. Die deutsche Single ist 1965 auch in Dänemark und den Niederlanden veröffentlicht worden.
In den folgenden Jahrzehnten nahm Udo Jürgens den Titel mehrmals neu auf. So erschien 1974 auf dem Album Die Großen Erfolge – Herzlichst Udo Jürgens eine Neuaufnahme, die schon 1972 entstanden war. 1977 nahm Jürgens eine Disco-Version für das Album Meine Lieder ’77 auf. 2006 erschien eine Live-Version mit Udo Jürgens solo, sich selbst am Klavier begleitend. Ebenfalls 2006 wurde das Lied für das Album Vielen Dank für die Blumen noch einmal mit Orchesterbegleitung aufgenommen und 2012 erschien eine weitere Live-Version auf dem Album Der ganz normale Wahnsinn.
Das Lied ist zudem 1966 als Titelmelodie eines gleichnamigen deutsch-italienischen Musikfilms (Regie: Franco Montemurro) eingesetzt worden.
II. Kontext
SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR war der erste große Hit des Sängers und Komponisten in Deutschland, der bis dahin lange versucht hatte, über seine österreichische Heimat hinaus zu wirken. In Österreich war er da schon mehrere Jahre ein recht erfolgreicher Schlagersänger und -komponist, hatte schon als Sechzehnjähriger einen Komponistenwettbewerb des Österreichischen Rundfunks gewonnen, was allerdings ohne Folgen blieb.1960 erhielt er bei einem von Radio Luxemburg im belgischen Knokke ausgerichtetem Schlagerfestival mit dem selbstkomponierten Lied „Jenny“ den Preis als bester Einzelinterpret. Erst als das Lied im belgischen Rundfunk unablässig gespielt wurde, entschloss sich Polydor zu einer Low-Budget-Produktion mit minimaler Instrumentierung. Die Single erreichte zwar die Charts, hielt sich aber nur kurz und ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Ebenfalls 1960 entstand mit „Woher ich auch komm’, wohin ich auch geh’“ eine Jürgens-Komposition, die in der englischsprachigen Fassung als „Reach for the Stars“ mit der britischen Sängerin Shirley Bassey (*1937) zu einem Welterfolg wurde. Allerdings war damals auch Insidern der Branche kaum bekannt, dass der Autor des Liedes Udo Jürgens hieß. Er selbst hat es erst 1966 in einer etwas anderen Fassung aufgenommen. Beierlein, der das Talent des Sängers und Komponisten erkannte, als er 1963 nach dem Bruch mit Polydor und einer Handvoll Eigenkompositionen zu ihm kam, veröffentlichte noch im gleichen Jahr mit „Tausend Träume“ einen ersten Jürgens-Song, verbunden mit der Option auf einen langfristigen Vertrag, sollte das Lied mehr als 25.000 Mal verkauft werden. Der Titel war allerdings nur die B-Seite einer Single, auf deren A-Seite sich mit „Kiss Me Quick“ ein Elvis-Presley-Cover befand. Auch scheute sich Beierlein ins Risiko zu gehen und ließ die Produktion von einem rheinländischen Unternehmer bezahlen, der unbedingt im Showgeschäft mitmischen wollte.
Es sollten am Ende 80.000 verkaufte Singles werden, womit der Grundstein für eine außergewöhnliche Karriere gelegt war. Schon mit dem nächsten Lied, „Warum nur, warum“ (1964), erreichte Udo Jürgens beim Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie der Eurovision Song Contest (ESC) damals noch hieß, 1964 in Kopenhagen den fünften Platz, mit „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ im Jahr darauf in Neapel Platz vier. Beide Titel vermochten sich beim deutschen Publikum jedoch nicht so recht durchzusetzen. Erst mit SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR gelang 1965 der Durchbruch und mit dem Nachfolger „Merci, Cherie“ 1966 in Luxemburg dann schließlich auch der erste Platz beim Eurovision Song Contest.
Auch wenn bis zum Zerwürfnis mit Beierlein 1977 die Karriere von Udo Jürgens unter dessen Druck immer wieder in seichtere Gefilde abdriftete, so hatte er ihm dennoch den Weg zu einer Weltkarriere geebnet und dabei zugleich das Schlagergeschäft in Deutschland grundlegend verändert. Lange Tourneen, wie sie Jürgens dann bis zu seinem Lebensende absolvierte, gab es zuvor ebenso wenig wie abendfüllende Auftritte eines Stars. Die Schlagerstars der 1950er Jahre traten in einzeln zusammengestellten Programmen mit jeweils zwei oder drei Liedern auf.
SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR nimmt in Jürgens Karriere insofern eine Sonderstellung ein, weil es ihn durch die Parallelveröffentlichung in drei Sprachen als einen internationalen Star etablierte.
III. Analyse
SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR ist der erste Song Udo Jürgens, der erahnen lässt, in welche Richtung sich sein Liedschaffen entwickelte. Ihm ist es mit einem feinen Gespür gelungen, die sehr deutsche und traditionsbehaftete Gattung Schlager musikalisch mit der in Frankreich beheimateten Chansontradition zusammenzuführen, in der sich die private Gefühlswelt immer auch mit einem ausgeprägten Sinn für den Zeitgeist, mit der Selbstrekflektivität des Subjekts in seiner gesellschaftlichen Umwelt verbindet. SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR greift mit seinem stampfenden Motown-Rhythmus die Naivität und Unbeschwertheit, den unbelasteten Optimismus und Lebenshunger einer Generation auf, die 20 Jahre nach Kriegsende erwachsen zu werden beginnt und als erste Nachkriegsgeneration die Bühne des Zeitgeschehens betritt. Die unmittelbare Nachkriegszeit ging in Deutschland mit dem vorzeitigen Rücktritt Konrad Adenauers vom Amt des Bundeskanzlers 1963 ihrem Ende entgegen, mit dem arbeitsfreien Sonnabend und der 40-Stunden-Wochen zeigte das „Wirtschaftswunder“ nun greifbare Ergebnisse. Nicht von ungefähr spielen die, auch von der Vergangenheit, unbelasteten 17-Jährigen an der Schwelle zum Erwachsenenwerden in Film und Musik in dieser Zeit symbolisch eine große Rolle. Im gleichen Jahr wie der Jürgens-Song hatte auch die Amerikanerin Peggy March (*1948) mit einer Hommage an die 17-Jährigen, „Mit 17 hat man noch Träume“, einen Megahit in Deutschland.
Musikalisch ist das Lied noch weitgehend in der Schlagertradition verhaftet, nur der Text, der auf die schlagertypische pseudointime Adressierung des Hörers verzichtet und einem erzählenden Gestus mit Ansätzen zur Selbstreflexion, etwa in der an sich selbst gerichteten Frage „… wie find ich zu ihr“, verpflichtet ist, nimmt die spätere Entwicklung von Jürgens Liedschaffens vorweg. Den zwei Textstrophen mit dem eingängigen Refrain entspricht eine symmetrisch gebaute Songarchitektur, die aus einem 16-taktigen Abschnitt für die Strophe und einem ebenfalls 16-taktigen Abschnitt für den Refrain besteht. Beide gliedern sich in vier viertaktige Segmente, die aus jeweils zwei zweitaktigen Motiven gebildet sind. Spannung erhält die Melodie des Songs durch häufige synkopische Überbindungen innerhalb der zweitaktigen Motive, wie z.B.:
Das läuft dem statischen Grundrhythmus des Liedes entgegen und bringt Bewegung in den Song. Und auch die Harmonik stellt die Melodie immer wieder in einen anderen klanglichen Kontext. So springt die Tonart am Ende der Strophe mit dem wiederholten „sie / sah ich sie___sie“ von C-Dur nach A-Dur, indem das e das Melodietons, eigentlich die Terz der Grundtonart, bei der Wiederholung des „sie“ nun als Grundton eines E-Dur-Akkords, also als Dominante des nachfolgenden A-Dur, also der Mediante zu C-Dur, gedeutet wird. Und noch ein harmonischer Kunstgriff gibt diesem einfach gebauten Lied, dem noch sechs Takte Einleitung vorangestellt sind, die den Refrain instrumental vorwegnehmen, eine Besonderheit. Die zweite Textstrophe wiederholt mit ihrem Refrain den musikalischen Ablauf der ersten Strophe, aber nun um einen Halbton nach oben verschoben, von C-Dur nach Des-Dur, was einen recht drastischen harmonischen Kontrast ergibt. Die zweite Strophe steht in Des-Dur, der Refrain der zweiten Strophe in B-Dur.
Das Arrangement folgt mit seinen satten Bläser- und Streichersätzen und dem üppig eingesetzten Background-Chor einer Konvention, die als „Festival-Sound“ bekannt geworden ist, wie man ihn von den Shows großer Schlagerfestivals kennt. Solche klischeehaften Merkmale mied Udo Jürgens in seinen späteren Liedern weitgehend.
IV. Rezeption
SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR gehört mit über 300 Veröffentlichungen in diversen Tonträgerformaten zu den erfolgreichsten Liedern von Udo Jürgens. In den deutschen Single-Charts erreichte es Platz vier und hielt sich insgesamt elf Wochen in den Charts. In der österreichischen Heimat des Sängers gelangte es auf Platz 6 und hielt sich hier 16 Wochen in den Charts. 1966 erhielt Udo Jürgens von Radio Luxemburg für SIEBZEHN JAHR, BLONDES HAAR den Goldenen Löwen, ein zwischen 1959 und 1995 vergebener renommierte Hörfunk- und Fernsehpreis des Senders.
Cover-Versionen, die sich allerdings eher uninspiriert an den Erfolg des Originals anzuhängen suchten, entstanden schon kurz nach seiner Veröffentlichung, etwa von dem Orchester James Last 1965, den Gisha Brothers 1966, dem britischen Hammondorgel-Virtuosen Will Horwell 1966 oder Günther Gürsch und seinen Akkordeon-Rhythmikern 1967. Spätere Nachproduktionen wie die Version von Guildo Horn & Die Orthopädischen Strümpfe 1999, die Version von Götz Alsmann 2004 oder die Hard-Rock-Version Frank Zanders 2007 trugen eher parodierenden Charakter.
PETER WICKE
Credits
Music: Udo Jürgens
Text: Thomas Hörbiger
Vocals: Udo Jürgens
Orchestra: Orchester Rudi Bauer
Label: Vogue Schallplatten
Published: 1965
Length: 2:22
Recordings
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Siebzehn Jahr, blondes Haar/So wie eine Rose, 1965, Vogue Schallplatten, DV 14390, Germany (7’’/Single).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Porträt in Musik, 1965, Vogue, LDVS17065, Germany (LP/Album).
- Udo Jürgens. „Diciotto anni, capelli biond/Non e‘ che uno rosa“, 1965, Vogue, J35077, Italy (7’’/Single).
- Udo Jürgens. „Merci Chérie/Si“, 1966, Vogue, V4229, France (7’’/Single).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Neuaufnahme 1972)“. On: Die Großen Erfolge – Herzlichst Udo Jürgens, 1974, Ariola, 88270 OT, Germany (LP/Album).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Neuaufnahme)“. On: Meine Lieder ’77, 1977, Ariola, 28650 IT, Germany (LP/Album).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Live)“. On: Udo spielt Jürgens. Der Solo-Abend Live am Gendarmenmarkt, 2006, BMG, 82876789162, Germany (CD/Album).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Neuaufnahme)“. On: Vielen Dank für die Blumen, 2006, BMG, 87876817562, Germany (CD/Album).
- Udo Jürgens. „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Live)“. On: Der ganz normale Wahnsinn, 2012, Ariola, 88691919922, Germany (CD/Album).
Covers
- James Last and His Orchestra. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: James Last And His Orchestra/Bert Kaempfert And His Orchestra, 1965, Polydor, 236 086, Germany (2xLP/Compilation).
- The Gisha Brothers. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Dance Party In Stereo, 1966, CBS, S 62685, Germany (LP/Album).
- Günther Gürsch und seine Akkordeon-Rhythmiker. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Das Große Akkordeon Schlagerpotpourri – Folge 2, 1967, Tip, 63-3057, Germany (LP/Album).
- Will Horwell. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Hammond Party, 1966, Amadeo, AVRS 12527St, Austria (LP/Album).
- Guildo Horn & Die Orthopädischen Strümpfe. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Danke!,1998, EMI Electrola, 7243 8 59988 2 9, Germany (CD/Album).
- Frank Zander. „17 Jahr, blondes Haar“. On: Rabenschwarz, 2004, Zett, 76 6100-2, Germany (CD/Album).
- Götz Alsmann. „Siebzehn Jahr, blondes Haar“. On: Zirkus Alsmann, 2007, Universal Music, 06025 1733620, Germany (CD/Compilation).
References
- Bischoff, Lisbeth: Udo Jürgens. „Merci“. Die Biographie. Wien: Amalthea Signum 2015.
- Jürgens, Udo: Ich, Udo. Gespräche mit Christian Simon. München: LangenMüller 2016.
- Jürgens, Udo: … unterm Smoking Gänsehaut. Autobiographie. München: Goldmann 1997.
- Jürgens, Udo: Smoking und Blue Jeans. Jahre eines Traumtänzers. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe 1988.
- Tolar, Günter: Hans R. Beierlein – 111 Antworten. Amstetten: Verlag 66 2004.
Links
- Udo Jürgens. Siebzehn Jahr, blondes Haar. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1_ReKoTY8eY [06.03.2022].
About the Author
All contributions by Peter Wicke
Citation
Peter Wicke: „Siebzehn Jahr, blondes Haar (Udo Jürgens)“. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://www.songlexikon.de/songs/siebzehn-jahr-blondes-haar, 03/2025.
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