1994
The Offspring

Self Esteem

1994 veröffentlichten The Offspring ihr drittes Studioalbum Smash. Der Song SELF ESTEEM, der als zweite Single ausgekoppelt wurde, trug wesentlich zum Erfolg von Smash bei, das bald zum meistverkauften Album wurde, das ein Independent-Label bis dato veröffentlicht hatte.

 

I. Entstehungsgeschichte

The Offspring gründeten sich bereits 1984, also zehn Jahre, bevor sich der internationale Erfolg einstellte. 1994 stand die Band bei Epitaph Records unter Vertrag. Dieses Label, das bereits das Vorgängeralbum Ignition (1992) veröffentlicht hatte, wurde von Brett Gurewitz gegründet, der als Gitarrist der Band Bad Religion selbst aktiver Punkmusiker war resp. ist. Epitaph repräsentierte in den 1990er-Jahren eine neue Generation kalifornischer Punkbands und hatte neben The Offspring unter anderem auch Pennywise, Rancid und NOFX unter Vertrag. SELF ESTEEM entstand während der Vorbereitungen für die Aufnahme des Albums Smash. Laut Songschreiber Bryan “Dexter” Holland, der zudem Sänger und Gitarrist der Band ist, hätten für die Aufnahmen lediglich 20.000 US-Dollar und ein sehr begrenztes zeitliches Budget zur Verfügung gestanden, sodass mehrere Songs erst in den letzten Tagen der Studiozeit fertiggestellt werden konnten (vgl. rolling-stone.com).

 

II. Kontext

Neben der Band Green Day, die 1994 das überaus erfolgreiche Album Dookie veröffentlichte, trugen The Offspring maßgeblich zur internationalen Verbreitung des Punkrock in den 1990er-Jahren bei (vgl. Schomers 2006: 129). Infolge des enormen Erfolgs der Alben Smash und Dookie stieg diese Musik endgültig aus der musikalischen Nische in den internationalen Mainstream auf. Da Punk zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits seit knapp 20 Jahren existierte und bereits mehrere stilistische Phasen durchlaufen hatte, wird dieser Erfolg bisweilen als “das bis dahin größte musikalische Punk-Revival” (Meinert/Seeliger 2013: 38 f.) bezeichnet. Als zentrale Weichenstellung für die plötzliche Popularität verschiedener Punkbands gilt nicht zuletzt der weltweite Erfolg der Grunge-Band Nirvana. Diese stürmte 1991 mit dem Album Nevermind und vor allem mit dem Song “Smells Like Teen Spirit” die internationalen Verkaufscharts und zeigte, dass vermeintlich ‘dilettantische’ und ‘ungeschliffene’ Rockmusik jenseits des handwerklich ambitionierten Heavy Metal und Hardock der 1980er-Jahre große Hörerschichten begeistern konnte. Dexter Holland betont in einem Interview mit der Musikzeitschrift Rolling Stone die Relevanz Nirvanas und deren Nähe zum Punk: “Nirvana definitely blew the doors open. All of a sudden you were seeing ‘Smells Like Teen Spirit’ on MTV, and that video looked like a punk rock show. It looked like when we played Gilman Street in Berkeley. It made everything kind of seem possible. Because from that video it was just one little step to Henry Rollins or to the Smashing Pumpkins. It just got closer and closer and by ’94 people were ready for it” (zit. n. rolling-stone-com).

 

III. Analyse

“Noodles” (Kevin John Wasserman), Gitarrist der Band, gesteht im selben Interview, er habe mit dem Song zunächst wenig anzufangen gewusst: “When we were first writing ‘Self Esteem’ I didn’t get it all. The song structure just seemed weird to me. We were used to playing everything really fast – as fast as we could. And here was a song that was a little slower”. Mit 105 bpm ist das Tempo, im Vergleich mit vielen anderen Songs der Band, tatsächlich verhältnismäßig langsam. Zudem ließe sich die Dauer von 4:18 min im Punk-Kontext als eher lang bezeichnen. Die Instrumentierung hingegen passt zu den Genrekonventionen: Zu hören sind Schlagzeug, Bass, mehrere verzerrte Gitarren sowie der Gesang Dexter Hollands, der an vielen Stellen gedoppelt bzw. durch mehrere Overdubs ergänzt wird.

Der Song beginnt mit einem kurzen A-Cappella-Part, der die zentrale Akkordfolge des Songs (Am, F, C, G) andeutet. Sodann folgt der nächste Part des Intros, in dem die genannte Harmoniefolge von den Gitarren gespielt wird, Bass und Schlagzeug begleiten. Im folgenden Verse werden die Akkorde zunächst nur vom Bass angedeutet, bevor die Gitarre wieder einsetzt und den Bass doppelt. Im Chorus erklingen die Instrumente zusammen, Verse und Chorus werden anschließend wiederholt. Nun folgt der Postchorus, der auf den Akkorden Dm, Bb, F und C basiert und infolgedessen die Hauptakkordfolge aufgreift, diese wird aber um eine Quarte aufwärts transponiert. Chorus und Postchorus erklingen anschließend abermals je einmal.

Der Songtext handelt von einem nicht näher spezifizierten jungen Mann, der von seiner Partnerin unterjocht und betrogen wird und sich eingesteht, kein Selbstwertgefühl (self esteem) zu haben. Dexter Holland betont, der Songtext sei nicht autobiografisch und stellt fest: “Basically, it’s the story of a guy whose girlfriend sleeps with his pals and pushes him around” (zit. n. Eddy 1995: 48).

Beim zugehörigen Videoclip dürfte es sich, den Konventionen der Independent-Labels entsprechend, um eine Low-Budget-Produktion handeln. Gitarrist Noodles berichtet, man habe für das Vorgängervideo zum Song “Come Out and Play” lediglich 5.000 US-Dollar zur Verfügung gehabt und diese mehrheitlich nicht für die Produktion, sondern für Bier und Grillfleisch ausgegeben (vgl. rolling-stone.com). Der Clip zu SELF ESTEEM zeigt die Band im Wesentlichen während der Performance, zudem werden in unregelmäßigen Abständen verschiedene Stunt-Szenen eingeblendet, die vermutlich mehrheitlich nicht eigens für das Musikvideo produziert wurden. Frontmann Dexter Holland trägt verschiedene Band-Shirts, die sich alle als Verweise auf bekannte Punkbands verstehen lassen: Sex Pistols, Fugitive, Germs und Vandals.

 

IV. Rezeption

Der Song verhalf The Offspring zu einem enormen Popularitätsschub, wurde aber bisweilen auch kritisch rezipiert. Vor allem wurde der Band der Vorwurf gemacht, sie hätten sich musikalisch deutlich an Nirvana orientiert bzw. abgekupfert (vgl. Eddy 1995: 48). Tatsächlich lässt der konstitutive Wechsel der vier Akkorde in Kombination mit dem rhythmischen Muster aus Viertel- und Achtelakzenten Assoziationen zum Intro bzw. zum Chorus von “Smells Like Teen Spirit” zu. Dieser Nirvana-Song basiert ebenfalls auf dem ganztaktigen Wechsel von vier Akkorden, verwendet ähnliche rhythmische Patterns und wird in den Verses vom Basslauf dominiert. Der ausschließlich auf der Silbe “yeah” gesungene Chorus weißt indes Ähnlichkeiten zum Nirvana-Song “Lithium” auf, der ebenfalls auf Nevermind veröffentlicht wurde. Zudem zeichnet sich auch dieser Song, genau wie SELF ESTEEM, durch einen auffällig langen und wiederholten Postchorus aus.

Aller Kritik zum Trotz avancierte Smash, auch dank des Erfolgs von SELF ESTEEM, zum bis dato meistverkauften Independent-Album und leitete den internationalen Durchbruch der Band ein. Der Song gehört nach wie vor zum Liverepertoire von The Offspring und zählt vermutlich zu den ikonischsten Rocksongs der 1990er-Jahre.

 

BENJAMIN BURKHART


Credits

Gesang: Dexter Holland
Gitarre: Dexter Holland, Noodles
Bass: Greg K.
Schlagzeug: Ron Welty
Songwriting: The Offspring
Produzent: Thom Wilson
Label: Epitaph
Aufgenommen: 1994
Veröffentlicht: 1994
Dauer: 4:18

Recordings

  • Nirvana. “Lithium”, Nevermind, 1991, DGC, 78 213 6, Deutschland (CD/Album).
  • Nirvana. “Smells Like Teen Spirit”, Nevermind, 1991, DGC, 78 213 6, Deutschland (CD/Album).
  • The Offspring. “Come Out And Play”, Smash, 1994, Epitaph, 86432-2, USA (CD/Album).
  • The Offspring. “Self Esteem”, Self Esteem, 1994, Epitaph, 50507-408, Deutschland (CD/Single).
  • The Offspring. “Self Esteem”, Smash, 1994, Epitaph, 86432-2, USA (CD/Album).

References

  • Eddy, Chuck: The Revenge of the Nerds. In: SPIN 10/12 (1995), S. 44–48.
  • Meinert, Philipp/Seeliger, Martin: Punk in Deutschland. Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Eine Einleitung. In: Punk in Deutschland. Sozial- und kulturwissenschaftliche Perspektiven. Hg. v. Philipp Meinert und Martin Seeliger. Bielefeld: transcript 2013, S. 9–56.
  • Schomers, Bärbel. Forever Punk! Totgesagte leben länger. In: Jugend in Szenen. Lebenszeichen aus flüchtigen Welten. Hg. v. Doris Lucke. Münster: Westfälisches Dampfboot 2006, S. 117–139.
  • The Offspring’s ‘Smash’: The Little Punk LP That Defeated the Majors. In: Rolling Stone. URL: https://www.rollingstone.com/music/music-news/the-offsprings-smash-the-little-punk-lp-that-defeated-the-majors-189742/ [04.07.2018].

About the Author

Benjamin Burkhart is senior scientist at the Institute for Jazz Research at the University of Music and Performing Arts Graz.
All contributions by Benjamin Burkhart

Citation

Benjamin Burkhart: “Self Esteem (The Offspring)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/self-esteem, 12/2022.

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