1985
Falco

Rock Me Amadeus

ROCK ME AMADEUS war der mit Abstand größte Erfolg des österreichischen Pop-Stars Falco (Johann “Hans” Hölzel, 1957-1998), der aus dem Österreicher einen internationalen Superstar machte.

I. Entstehungsgeschichte

ROCK ME AMADEUS ist eine Komposition des niederländischen Autoren- und Produzentenduos Robert J. Bolland (Rob, *1955) und Ferdinand D. Bolland (Ferdi, *1956), die auch die Rohfassung des Textes für den Song lieferten. Die Zusammenarbeit mit den Niederländern ging auf eine Anregung des Falco-Managers Horst Bork (*1946) zurück. Als A&R-Manager der Hamburger Plattenfirma Teldec war er mit dem niederländischen Musikproduzenten Frits Hirschland (1948-1999) bekannt geworden, der sich um einen Plattenvertrag für seine Schützlinge Bolland & Bolland bei der Teldec bemühte. Bork brachte dabei Falco ins Spiel, dessen Karriere sich gerade in einem Tief befand, der aber bei dem Wiener Label GiG-Records in der Pflicht stand, seinen Vertrag über drei LPs mit dem inzwischen fälligen dritten Album zu erfüllen. Falco war von der Idee, in den Niederlanden zu produzieren, alles andere als begeistert. Und schon gar nicht wollte er als Wiener mit Ambitionen auf einen internationalen Superstar-Status mit einem Song in Verbindung gebracht werden, der dem Salzburger Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet war. Das strahlende Symbol der bildungsbürgerlichen Hochkultur schien ihm für den Griff nach den Sternen des Pop-Olymp ebenso ungeeignet wie die Rivalität zwischen Wien und Salzburg es ihm als Wiener alles andere als opportun erscheinen ließ, dem großen Sohn Salzburgs, in welcher Form auch immer, Tribut zu zollen. Es brauchte also erhebliche Überzeugungsarbeit seitens seines Managers, ihn zu diesem Schritt zu bewegen und selbst dann hinterließ er Horst Bork zufolge auf dem ersten Take des Vocaltracks den Spruch “Ich singe diesen Titel nur unter größtem Widerstand und auf Druck meines Managements!” (Bork 2009: 87), was er durchaus ernst meinte. Dann ging er aber doch sehr professionell an die Aufgabe heran, überarbeitete die Rohfassung des Textes, so dass aus dem Amadeus betitelten Entwurf schließlich ROCK ME AMADEUS mit der Falco eigenen Mischung aus Deutsch und Englisch wurde. Die Instrumentaltracks waren im Prinzip fertig abgemischt, als Falco den Vokalpart aufnahm. Auch wenn er dies zum Leidwesen seines Managers nicht zugestand, so hatte die überwältigende Wirkung des Playbacks erheblich dazu beigetragen, dass er schließlich zum Einlenken bereit war. Als der Titel Anfang Mai 1985 sowohl bei dem Wiener Label GiG-Records als auch bei der Hamburger Teldec vorlag, die seit Falcos Karrierestart mit DER KOMMISSAR (1981) auf der Basis eines Lizenzabkommens die Falco-Produktionen im Tandem veröffentlichten, fand der Song in beiden Häusern zunächst nur ein verhaltenes Echo. Die Veröffentlichung erfolgte am 16. Juni 1985 als Vorabauskopplung für das im September 1985 erschienene dritte Album Falcos Falco 3. Das 1985 entstandene Musikvideo zum Song, das Falco im Mozart-Kostüm in einem 18. Jahrhundert-Setting zeigt, wurde von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher (DoRo) produziert. Eine Extended Version, auch als Special Salieri Club Mix bezeichnet, kam Ende 1985 für den englischsprachigen Markt bei A&M Records in Großbritannien heraus. Anlässlich des 10. Todestages von Falco erschien 2008 eine Orchesterversion auf dem Album Falco ‎– Symphonic.

II. Kontext

ROCK ME AMADEUS entstand an einem Punkt in Falcos Karriere, an dem er dringend einen künstlerischen Neuanfang brauchte. Nach dem fulminanten Karrierestart mit DER KOMMISSAR und dem großen Erfolg seines ersten Albums Einzelhaft (1982) brachte ihm das 1984 erschienene Album Junge Roemer nicht den gewünschten Aufstieg in die Liga der internationalen Super-Stars. Schon während der Arbeit an diesem Album, die sich ein halbes Jahr länger als geplant hinzog, hatten sich angesichts des enormen Erfolgdrucks die ersten Anzeichen einer Schreibblockade bei Falco bemerkbar gemacht. Auch wenn Junge Roemer nicht an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen konnte, es erzielte mit einem ersten Platz in den österreichischen Album-Charts mehr als nur einen Achtungserfolg und gehört heute zu den sich am besten verkaufenden Alben aus dem Falco-Katalog. Doch dem ambitionierten Sänger war sehr wohl bewusst, dass in der Popmusik der Weg entweder nach oben führt oder eben endet. Die Folge war eine Lebenskrise mit den üblichen Begleiterscheinungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch. Er überwarf sich mit seinem österreichischen Produzenten Robert Ponger (*1948), der ihm die Musik zum KOMMISSAR und zum überwiegenden Teil der Songs seiner ersten beiden Alben geliefert hatte und schnitt sich damit von seiner Quelle der Inspiration ab, denn er textete auf die mehr oder weniger fertige Musik und ging dann ins Studio, um sie einzusingen, wobei dann oft auch noch einmal Hand an die Musik gelegt wurde. Auch wenn ihm eine Partnerschaft mit angloamerikanischen Produzenten vorschwebte, hatte er zu einem Zeitpunkt, als die Medien bereits über das Ende seiner Karriere spekulierten und ihn unter die “One-Hit-Wunder” einzureihen begannen, gar keine andere Alternative als die Zusammenarbeit mit dem von seinem Manager aufgetanen niederländischen Produzentenduo Bolland & Bolland anzunehmen (vgl. ebd.: 76ff). Sie sollte ihm schließlich genau das bringen, was er buchstäblich um jeden Preis zu erreichen suchte.

Auch wenn es in der Branche damals nur wenige, darunter Falco-Manager Horst Bork bemerkten, das Timing für ROCK ME AMADEUS konnte besser überhaupt nicht sein. 1977 war eine Mozart-Biografie des Schriftstellers Wolfgang Hildesheimer (1916-1991) erschienen, die zu einem internationalen Bestseller wurde und den Komponisten mit Blick auf bis dahin von der Fachwissenschaft ignorierte – weil nicht in das Bild einer Ikone der Hochkultur passenden – Quellen in einem etwas anderen, weniger glorifizierendem Licht erscheinen ließ. Sie lieferte dem tschechischstämmigen US-Filmregisseur Miloš Forman (*1932) die Anregung für seinen 1984 in die Kinos gelangten Film Amadeus. Schon zuvor war eine 1982 entstandene mehrteilige französisch-belgisch-kanadische TV-Gemeinschaftsproduktion mit dem Titel Mozart von den meisten europäischen Fernsehstationen ausgestrahlt worden, die sich der bislang verdrängten Seiten in der Biografie des großen Meisters der Wiener Klassik annahm. Mozart war 1985 damit auch außerhalb der engeren Kreise der Musikwelt in aller Munde, wobei insbesondere der von Hildesheimer erstmals thematisierte überaus lockere Lebenswandel des Komponisten die Öffentlichkeit faszinierte. Der Song bringt genau das auf den Punkt und lieferte den Soundtrack zu einer schadenfrohen Demontage eines der Säulenheiligen der bürgerlichen Hochkultur, die sich selbstgerecht und anmaßend gegenüber dem zeitgenössischen Kulturbetrieb, vor allem aber gegenüber der Pop-Kultur, als letzter Hort humanistischer Werte präsentiert hatte.

III. Analyse

Der von Synthesizerklängen und Electrodrums dominierte Sound von ROCK ME AMADEUS folgt musikalisch dem Electro-Pop der 1980er Jahre. Der Song besteht aus zwei Teilen, denen ein achttaktiges Intro vorangestellt ist. Das Intro basiert auf einer wiederholten viertaktigen Phrase, die zugleich den Grundbaustein für den Chorus liefert. Sie ist geprägt von einer eintaktigen melodischen Figur, die durch Tonrepetitionen in Zweier- und Dreiergruppen charakterisiert ist und dem Song seinen hämmernden, drängenden Charakter gibt. Der erste Teil des Songs besteht aus den zwei achttaktigen Strophen, die durch den ebenfalls achttaktigen Chorus (Come on and rock me Amadeus, Amadeus …) miteinander verbunden sind. Textlich bestehen die Strophen aus zwei Halbstrophen, wobei die zweite Halbstrophe (Er war Superstar / Er war populär / Er war so exaltiert …) in beiden Strophen identisch ist.

Der zweite Teil basiert auf dem Chorus, der viermal leicht variiert wiederholt wird und dadurch mit dem ihm zugrunde liegenden repetitiven eintaktigen Riff, an das auch der Gesang angelehnt ist, den Song völlig dominiert. Den Tonrepetitionen im melodischen Material korrespondiert auf der Textebene die unablässige Wiederholung von “Amadeus”, sowohl in den Solo-Vocals von Falco wie in den Background-Vocals, die dem Song unterlegt sind. Dennoch entgeht der Song virtuos der Gefahr der Redundanz, in dem rhythmisierte Vokalisen und vokale Overdubs in unregelmäßigen Abständen in die Textur des Chorus eingewebt sind. In den Strophen übernimmt diese Funktion ein flächiger Synthesizer-Akkord, der im Hintergrund, ebenfalls in unregelmäßigen Abständen offbeat phrasiert, den Gleichklang durchbricht. So ist dann doch kein Takt wie der andere, obwohl sich der Song aus der Wiederholung einiger weniger Grundelemente aufbaut. Eine große Rolle für den phänomenalen Erfolg dieses Songs hat aber zweifellos der exaltierte Rap-Stil gespielt, mit dem Falco den frivolen Text über den “Punk” Mozart (Er war ein Punker / Und er lebte in der großen Stadt …) mit den für ihn charakteristischen, Einschüben in englischer Sprache (Come on and rock me Amadeus …) und komplett englischsprachigen Verszeilen (No plastic money anymore / Die Banken gegen ihn …) intoniert.

IV. Rezeption

ROCK ME AMADEUS schoss zur großen Überraschung der Skeptiker bei GiG Records und Teldec unmittelbar nach der Veröffentlichung auf die Spitzenposition der Charts nahezu aller europäischen Länder. Lediglich in den Niederlanden, der Heimat von Bolland & Bolland, musste sich die Single mit Platz 45 zufrieden geben. Dafür aber war sie die erste und noch immer einzige Veröffentlichung eines deutschsprachigen Künstlers, die sowohl in den USA als auch in Großbritannien Platz 1 der Single-Charts belegte. Selbst in den US-R&B-Charts, die nahezu exklusiv von afroamerikanischen Künstlern bevölkert sind, konnte sich die Platte auf Platz 6 behaupten. In Österreich, Neuseeland und der Schweiz hielt sie sich über 20 Wochen in den Charts. Da der Song voll und ganz von der Persönlichkeit Falcos und seinem Interpretationsstil geprägt ist, blieben Cover-Versionen vergleichsweise selten. Umso bemerkenswerter, dass sich die Wiener Philharmoniker 1986 des Songs annahmen, als sie unter der Bezeichnung V-S-O-P Vienna Symphonic Orchestra Project eine Platte mit zeitgenössischen Pop-Hits aufnahmen. 1998 brachte die dem Umfeld der Neuen Deutsche Härte (NDH) zugeordnete Rockband Megaherz auf ihren Album Kopfschuss eine Adaption von ROCK ME AMADEUS heraus. 2011veröffentlichten Die Toten Hosen eine anhörenswerte Cover-Version des Songs auf Die Geister die wir riefen. Die Hamburger Sängerin Kim Gloss (*1992) hat ebenfalls 2011 die bislang einzige weibliche Cover-Version des Songs aufgenommen. Bemerkenswert ist auch die Live-Cover-Version, mit der der Berliner Rapper Sido (*1980) 2011 auf dem Donauinselfest in Wien als Hommage an Falco aufgetreten ist. ROCK ME AMADEUS ist nach wie vor nahezu überall in Europa recht häufig im Radio zu hören.

 

PETER WICKE


Credits

Komposition & Arrangement: Bolland & Bolland
Text: Bolland & Bolland, Falco
Produktion: Bolland
Executive Producer: Frits Hirschland
Recorded, Mixed and Mastered at Bullet Sound Studio Holland
Engineer: Okkie Huysdens
Assistant Engineer: Maurice Dawson
Directed By Falco For GIG-Records

Recordings

  • Falco. Rock Me Amadeus, 1985, GiG Records, GIG 111 161, A ‎(Vinyl 7″/Single).
  • Falco. “Rock Me Amadeus” (American Extended Version) (Salieri Version) / “Rock Me Amadeus (Canadian Edit)” / “Tango The Night”, Rock Me Amadeus (American Extended Version) (Salieri Version), 1985, A&M Records, 3920 901, NL (Vinyl 12″/Single).
  • Falco. “Rock Me Amadeus (Special Salieri Club Mix)” /”Rock Me Amadeus (Extended Mix)” / “Urban Tropical”, Rock Me Amadeus (Special Salieri Club Mix), 1985, A&M Records, AMYE 278, UK (Vinyl 12″/Single).
  • Falco. “Rock Me Amadeus”, 3, 1985, GiG Records, GIG 222-127, A (Vinyl/LP/Album).

Covers

  • Vienna Symphonic Orchestra Project (V-S-O-P). “Rock Me Amadeus (Extended Version)” / “Rock Me Amadeus (Radio-Version)”, 1986, CNR Records, 151.222, NL (Vinyl/12″/Single).
  • Megaherz. “Rock Me Amadeus”, Kopfschuss, 1998, Terra Zone, ‎TZ 40011-2, D (CD/Album).
  • Falco. “Rock Me Amadeus”, Falco ‎– Symphonic, 2008, Sony BMG Music Entertainment, 88697223542, A (CD/Album).
  • Kim Gloss. “Rock Me Amadeus”, Famous In Paris, 2011, Mokoh Music, MOK 00111, D (CD/Single).
  • Die Toten Hosen. “Rock Me Amadeus”, Ballast der Republik / Die Geister die wir riefen, 2012, Jochens Kleine Plattenfirma, JKP 118, D (CD-Doppelalbum).

References

  • Bork, Horst: Falco – Die Wahrheit. Wie es wirklich war – Sein Manager erzählt. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2009.
  • Lanz, Peter: Falco: Die Biografie. Berlin: Ueberreuter 2013.

Links

  • http://www.youtube.com/watch?v=j4-9TJoHZC8 (Die Toten Hosen, Rock Me Amadeus), [26.05.2014].
  • http://www.youtube.com/watch?v=j2P5P007oew (Sido, Rock Me Amadeus), [26.05.2014].

About the Author

Prof. Dr. Peter Wicke is a retired professor of musicology. From 1992 to 2016 he held the chair for "Theory and History of Popular Music" at the Humboldt University Berlin.
All contributions by Peter Wicke

Citation

Peter Wicke: “Rock Me Amadeus (Falco)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/rockmeamadeus, 05/2014 [revised 06/2014].

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