1977
Iggy Pop

The Passenger

THE PASSENGER ist der erfolgreichste Song des Sängers Iggy Pop. Basierend auf einem Gedicht von Jim Morrison beschreibt er darin eine endlose Fahrt durch eine anonyme Vorstadt. Der zeitlose Undergroundhit ist viele Jahre nach seiner Entstehung über TV-Spots und Filmmusiken auch im Mainstream angekommen.

I. Entstehungsgeschichte

Iggy Pop alias James Newell “Jim” Osterberg, geboren (1947) und aufgewachsen in Michigan, begann als 15jähriger seine Musikerkarriere als Schlagzeuger der Band Iguanas. 1967 gründete er die Vorläuferband von The Stooges, mit denen er zwischen 1968-1973 drei Alben veröffentlichte und die mit ihrer radikalen Rockmusik und ihren nonkonformistischen Auftritten die Atmosphäre des Punk vorwegnahmen. Nach seiner Zeit mit The Stooges rutschte Iggy Pop in die Drogensucht ab und wurde erst 1976 von David Bowie, der schon am letzten Album der Stooges mitgearbeitet hatte, wieder in die Musikerlaufbahn zurückgeholt. Sie gingen zusammen nach West-Berlin und produzierten dort 1977 für RCA das Album The Idiot. Im gleichen Jahr spielten sie, auch wieder in den Hansa-Tonstudios Berlin, das Album Lust for Life ein, das den Song THE PASSENGER enthält, bei dem David Bowie im Backgroundchor singt und der auch als B-Seite der einzigen Singleauskopplung des Albums (Success) veröffentlicht wurde. Diese Alben markieren den Beginn von Iggys internationaler Karriere als Musiker. Im Jahr 2010 wurden er und die Stooges in die “Rock ‘n’ Roll Hall of Fame” aufgenommen (Trynka 2009). Geschrieben hat das Lied der Gitarrist der Rockband Beggars Opera, Ricky Gardiner, der nach deren Auflösung u.a. mit Pop und Bowie zusammenarbeitete. Er nahm vier Akkorde und fügte sie in ständiger Wiederholung so zusammen, dass der Song Hitpotential entwickelte. Der Text stammt von Iggy Pop, der durch ein Gedicht von Jim Morrison (s.u.) inspiriert wurde, wie auch durch den Titel des Michelangelo Antonioni-Films The Passenger (deut.: Beruf: Reporter) aus dem Jahr 1975, den er in Westwood, Kalifornien an einem Kino las, während er von David Bowies Chauffeur gefahren wurde, wie Iggy in einer TV-Dokumentation über ihn erzählt (Call me Iggy, 2012). Dort beschreibt er auch, dass THE PASSENGER im Studio aufgenommen wurde, ohne (später) etwas dazuzumischen.

II. Kontext

Im Jahr 1977 setzte in Großbritannien die erste große Welle der Punkbewegung ein, die aus der rebellischen Haltung einiger Jugendlicher in den USA und Großbritannien eine Jugend- bzw. Subkultur werden ließ, die sich äußerlich durch provozierende Outfits und nichtkonformes Verhalten auszeichnete, mental durch eine totale Verweigerungshaltung gegenüber sämtlichen Institutionen der Erwachsenenwelt, bis hin zur Obdachlosigkeit (Straßenpunks). “No future” war ihr Motto, befeuert durch die Bedrohung eines Atomkriegs und durch Zukunftsängste, auch ausgelöst durch die neoliberale Politik konservativer Staatschefs wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Die Punkwelle schwappte auch nach Deutschland, in Berlin gründeten sich im Jahr 1977 diverse Punkbands. Musikalisch lösten die Sex Pistols mit der Veröffentlichung ihres Albums Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols (1977) die Punkmusikwelle aus, auch wenn schon zuvor Bands in New York, vor allem die Ramones im Club CBGB, Punkrock gespielt hatten. Wichtig war den Punkmusikern eine dilettantische Herangehensweise an die Musik, nur drei Akkorde zu beherrschen galt als cool, Virtuosität oder lange Soli, wie im geschmähten Pomprock von Bands wie Yes oder Pink Floyd, wurden total abgelehnt (Büsser et al. 2009).

III. Analyse

In diesen Kontext passte ein auf vier Akkorden in abgewandelter Kadenzreihenfolge basierendes und vordergründig Eintönigkeit verbreitendes Stück wie THE PASSENGER hervorragend hinein. Das prägnante Gitarrenriff in ständiger Wiederholung begleitet von Schlagzeug und Bass, der – teils – agressive Gesang, der simple Chorus, das alles passte perfekt in die Zeit, hat aber auch über die Jahre nicht an Charme verloren, wie seine gleichbleibende Popularität belegt.

In Jim Morrisons Gedicht wird das moderne Leben mit einer ewig dauernden Autofahrt verglichen, bei der die “Passengers” zwar das Auto wechseln, aber nicht anhalten können: “Modern life is a journey by car…” (ohne Titel, aus The Lord and the New Creatures, 1969). Sie fahren durch die verkommenen Vorstädte – “ripped backsides” (“zerissene Ärsche”) – ein Begriff den Iggy Pop wörtlich übernommen hat. Er hat aus dem leicht surrealen Text Morrisons einen eher bodenständigen Text gemacht, in dem er in fünf sich sehr gleichenden Strophen eine nächtliche Fahrt durch die Suburbs beschreibt, die ebenfalls nicht enden will, die er aber nicht alleine bestreitet (“…everything was made for you and me”) und bei der die Sterne und der nächtliche Himmel Hoffnung spenden.

IV. Rezeption

Iggys erfolgreichster Song lief und läuft seit seinem Erscheinen in jeder Indie-Disco, aber in die Charts schaffte er es erst im Jahr 1998, als er in Großbritannien nach der Verwendung in einem Toyota-TV-Werbespot wiederveröffentlicht wurde und auf Platz 22 landete. Zudem verwendeten die Bierbrauerei Guinness und Opel (2005) den Song für TV-Spots, wobei Opel ihm einen anderen Text verpasste. T-Mobile ließ ihn 2010 bei einer Flashmob-Kampagne singen (siehe Youtube-Links). Außerdem fand er Verwendung in verschiedenen TV-Produktionen, u.a. in der US-Show 30 Days oder dem CNN-Programm Anderson Cooper 360 sowie in Filmsoundtracks, so z.B. in Radiofreccia, The Weather Man, Jarhead, 24 Hour Party People und 23–Nichts ist so wie es scheint. Deutsche Fernsehzuschauer konnten ihn im Tatort Hinkebein (WDR 2012) hören.

Coverversionen von diesem Song gibt es Dutzende, die bekannteste stammt wohl von der Gruppe Siouxsie and the Banshees aus dem Jahr 1987, die Platz 41 der UK-Singlecharts erreichte. Andere Versionen stammen u.a. von Michael Hutchence (1995), Lunachicks (1997) oder den jamaikanischen The Jolly Boys (2010), die eine Mento-Version des Liedes einspielten. Fremdsprachige Versionen gibt es z.B. auch in Polnisch (von Pidzama Porno, 1989/ Kult, 1994), Portugiesisch (von Capital Inicial, 1991/ UHF, 1996), Deutsch (von Die Toten Hosen, 1996) und Französisch (von Berry, 2012). Bei Youtube sind des weiteren Live-Coverversionen der Bands Bauhaus und R.E.M. zu sehen. Im Jahr 2007 erschien ein sogenanntes Mashup des Songs mit Peggy Lees Fever, bei dem auf die Melodie von THE PASSENGER der Text von Fever gelegt wurde.

 

TORSTEN EßER


Credits

Gesang: Iggy Pop
Gitarre: Ricky Gardiner
Schlagzeug: Hunt Sales
Bass: Tony Sales
Text: Iggy Pop
Musik: Ricky Gardiner
Produzent: Bewlay Bros. (I. Pop/ D. Bowie/ C. Thurston/ E. Meyer)
Aufnahme: Hansa-Tonstudios, Berlin
Label: RCA
Veröffentlichung: 1977
Länge: 4:44

Recordings

  • Iggy Pop. “The Passenger”. On: Lust for Life, RCA, 1977, PL 12488, Ger (LP/Album).
  • Iggy Pop. “The Passenger”. On: Livin’ on the Edge of the Night, 1990, Virgin, PRCD3072, US (CD EP).
  • Iggy Pop. The Idiot, 1977, RCA Victor, PL 12275, Ger (LP).
  • Sex Pistols. Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols, 1977, Virgin, V 2086, UK (LP/Album).
  • Professione: Reporter. Regie: Antonioni, Michelangelo. Drehbuch: Peploe, Mark/Antonioni, Michelangelo/Wollen, Peter. Metro-Goldwyn-Mayer, 1975 (DVD)
  • Radiofreccia. Regie: Ligabue, Luciano. Drehbuch: Leotti, Antonio/Ligabue, Luciano. Domenico Procacci, 1998 (DVD).
  • The Weather Man. Regie: Verbinski, Gore. Drehbuch: Conrad, Steve. Paramount Home Entertainment, 2005 (DVD).
  • Jarhead. Regie: Mandes, Sam. Drehbuch: Broyles, William Jr./Swofford, Anthony. Universal, 2005 (DVD).
  • 24 Hour Party People. Regie: Winterbottom, Michael. Drehbuch: Cottrell Boyce, Frank. 2002 (DVD).
  • 23 – Nichts ist so wie es scheint. Regie: Schmid, Hans-Christian. Drehbuch: Gutmann, Michael/Schmid, Hans-Christian. 1998 (DVD).

Covers

  • Siouxsie and the Banshees. “The Passenger”. On: Through the Looking Glass, 1987, Polydor, 831 474-2, UK (CD/Album).
  • Die Toten Hosen. “The Passenger”. On: Im Auftrag des Herrn, 1996, JKP, 0630-16698-2, Ger (CD/Digipak).

References

  • Boué, Jean: Call me Iggy. ZDF/ arte 2012.
  •  Trynka, Paul: Iggy Pop. Heyne 2009.
  •  Büsser, Martin/Robb, John/Wilpert, Chris: Punk Rock: Die Geschichte einer Revolution. Heyne 2009.

About the Author

Torsten Eßer is journalist and editor of the broadcast "MusikBonus" (WDR 5).
All contributions by Torsten Eßer

Citation

Torsten Eßer: “The Passenger (Iggy Pop)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/passenger,11/2013, [revised 01/2014].

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