1991
Metallica

Nothing Else Matters

Die Powerrock-Ballade NOTHING ELSE MATTERS ist der erfolgreichste Hit der US-amerikanischen Heavy-Metal-Band Metallica im populären Mainstream-Bereich. Er ist Bestandteil des 1991 erschienen fünften Metallica-Albums, das schlicht mit dem Bandnamen betitelt wurde.

I. Entstehungsgeschichte

Trotz des weltweiten Erfolges war NOTHING ELSE MATTERS ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen. Laut Sänger, Gitarrist und Metallica-Frontmann James Hetfield war das Lied mehr ein Zufallsprodukt. Das weithin bekannte gezupfte Gitarren-Intro entstand offenbar auf einer Tour, während er sehnsuchtsvoll mit seiner Freundin telefonierte. Diese sehr persönlichen Gefühle und Eindrücke, die die Entstehung des Songs bestimmen, wollte Hetfield bewusst nicht an die Öffentlichkeit tragen. Daher nahm er den Song zunächst alleine auf, sodass die erste Version nur aus Gitarre und Gesang bestand. Als Schlagzeuger Lars Ulrich NOTHING ELSE MATTERS entdeckte, war er von der musikalischen Qualität dermaßen überzeugt, dass er Hetfield überredete, den Song neu aufzunehmen und anschließend zu veröffentlichen (vgl. “Metallica: Nothing Else Matters”).

Zunächst wurde im August 1990 eine Demo-Version in Lars Ulrichs Home-Studio Dungeon gearbeitet. Anschließend, am 16. Juni 1991, wurde in den One on One-Studios in Los Angeles die heutige Originalfassung aufgenommen und auf dem Album Metallica am 12. August 1991 veröffentlicht. Der Track wurde außerdem am 20. April 1992 als Single-Auskopplung auf den Markt gebracht. Produziert wurde der Titel mit dem kanadischen Musiker Bob Rock, der unter anderem auch für Bands wie Aerosmith, Bon Jovi und Bryan Adams gearbeitet hat.

II. Kontext

Die Band Metallica wurde 1981 von James Hetfield und Lars Ulrich gegründet. Mit dem ersten Full-Length-Album Kill ‘Em All (1983) nahm sie, neben anderen Formationen wie Slayer oder Destruction, eine wichtige Funktion für das Heavy-Metal-Genre ein: Sie fungierte als stilprägender Mitbegründer des Subgenres Thrash Metal, das sich im Wesentlichen durch Tempi von 250 bpm und mehr, eine aggressive, energiegeladene Grundstimmung, rauen Sound, schnelle Drum-Beats sowie schnelles und präzises Riffing, teils mit Powerchords auszeichnet und insgesamt zu den “extremeren” Spielarten des Metal gezählt werden kann. In den Lyrics werden oft soziale, politische oder gesellschaftskritische Themen aufgegriffen. Thrash Metal entstand aus einer Art Symbiose von Punk und NWOBHM (= New Wave of British Heavy Metal), und diese Symbiose verlieh Metallica eine ungeheure Wirkkraft bei Fans und innerhalb der Musikindustrie. Zugleich fiel es anfänglich schwer, die Band stilistisch angemessen zu kategorisieren.

NOTHING ELSE MATTERS und das dazugehörige Album Metallica markieren einen Wendepunkt in der Karriere Metallicas und ihrem Image. Schon in der direkten Nachfolge zu Kill ‘Em All präsentierte die Band auf den Alben Ride the Lightning (1984), Master of Puppets (1986) sowie … And Justice for All (1988) ein musikalisch immer ausgereifteres Songrepertoire, das sich immer stärker von den musikalisch und textlich extremen Anfängen der Band entfernte. Mit Metallica (aufgrund seines schwarzen Covers auch Black Album genannt) fand diese Umorientierung der Band ihren Höhepunkt, was sich in zweierlei Hinsicht äußerte: Auf der einen Seite wurde nun mit dem bekannten Produzenten Bob Rock zusammengearbeitet, mit dem gemeinsam ein sauberer, klarer und radiotauglicher Sound kreiert wurde. Auf der anderen Seite wurden auch die Songs größtenteils in Struktur und Länge so konzipiert, dass sie radiotauglich wurden und mittels Videos zu entsprechenden Single-Auskopplungen auch auf Musiksendern wie MTV verbreitet werden konnten. Kurzum: Die Band wurde massenkompatibel (gemacht) und schlug den Weg der Kommerzialisierung ein. Was einst Thrash Metal war, wurde nun zu Heavy Rock. NOTHING ELSE MATTERS kann demnach als Metallicas Einstieg in die populäre Mainstream-Kultur gesehen werden.

III. Analyse

NOTHING ELSE MATTERS ist textlich deutungsoffen gestaltet, sodass sich (mindestens) zwei unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten ergeben. Aus einem allgemeinen Blickwinkel betrachtet lässt sich der Aussagegehalt auf die menschlich bedeutsamen Themenfelder Liebe, Freundschaft und Weltanschauung übertragen. James Hetfield singt von der Sehnsucht nach Vertrauen und Vertrautem, nach Ehrlichkeit und von der subjektiven Bedeutungslosigkeit dessen, was andere gesagt oder getan haben. Vertrauensvoller Zusammenhalt und ein starkes Wir-Gefühl, aufrichtige Worte, die vom Herzen kommen, haben Bestand und sind das einzige, was wirklich zählt – “nothing else matters”. Die entstehungsgeschichtlichen Umstände des Songs, die Hetfield später in einem SPIEGEL-Interview (2013) offenbart hat, lassen andererseits kaum Zweifel daran, dass der Liedtext ein persönliches Liebesbekenntnis – adressiert an die namentlich nicht genannte Freundin – darstellt, der Sänger und das lyrische Ich somit identisch sind.

Das Lied (6/8 Slow-Rock, 46 bpm) mit einer Gesamtspiellänge von 6:28 Minuten lässt sich strukturell in 14 Abschnitte untergliedern: Intro, sieben Strophen, dreimal gespieltem Chorus, Interlude, Gitarrensolo und Outro. Das anfangs solistische E-Gitarren-Arpeggio (gespielt mit Compressor und Reverb) im Intro enthält stellenweise Melodiefragmente und sphärisch klingende Flageolett-Töne; hinzu treten ab T. 16 ein durch ein Keyboard imitierter Streichersatz sowie eine zweite Gitarre mit zusätzlichen Spielfiguren. Das hierdurch erzeugte Klangbild steht nicht nur im völligen Gegensatz zur Machart typischer Thrash-Metal-Songs, sondern war zu dieser Zeit auch gänzlich neuartig für den Gruppenstil von Metallica, der sich hier von der konventionellen Instrumentalbesetzung einer Rockband entfernt.

Die unmittelbar aufeinander folgenden Strophen 1 bis 3 erweitern das Klangspektrum sowohl im Tiefenbereich durch den sonoren, rhythmisch gleichförmigen E-Bass und die Bass-Drum des Schlagzeugs als auch durch wechselweise einsetzende E-Gitarren (verzerrt in hoher Lage, zweite Strophe; riffartige Spielfigur der Lead-Gitarre in mittlerer Lage, dritte Strophe) und den synthetischen Streichersound in der dritten Strophe. Der Gesang von James Hetfield tritt in diesem Stimmengefüge noch nicht sonderlich stark in den Vordergrund, bedingt durch die Stimmlage und den engen melodischen Ambitus (e’ bis h’). Im Zuge der allmählichen Dynamisierung in der dritten Strophe, die dann im Chorus durch Stimmverdopplungen und synchrones, kraftvolles Akkordspiel der Gitarren ihren ersten Höhepunkt erreicht, gewinnt Hetfields “Rauheit der Stimme” – nach Roland Barthes ein Indiz für Authentizität, Körperlichkeit und Direktheit des Singens (vgl. Barthes 1978) – zusehends an Dominanz und musikalischer Tragfähigkeit. Der 7-taktige Chorus – ebenfalls asymmetrisch gebaut wie die 9-taktige Strophe – verlässt die Grundtonart e-Moll und wechselt über die Doppel-Dominante A-Dur in die Dominantparallele D-Dur. Bezüglich der Ausgangstonart e-Moll ist zu sagen, dass dieser zum einen ein recht einfacher Griff zugrunde liegt, der fast ausschließlich aus Leersaiten besteht; zum anderen wird ihr Klangcharakter gemeinhin mit Trauer, Melancholie und Sehnsucht assoziiert, was wiederum zu Stimmung und Text von NOTHING ELSE MATTERS passt. Die restlichen Strophen-Akkorde (a-Moll, C-Dur, G-Dur) sind ebenfalls harmonisch konventionell und leicht spielbar, ein Grund, weshalb das Stück auch unter Amateurgitarristen große Popularität erlangt hat. Glaubt man einer Anekdote Hetfields, so konnte er wegen der leichten Spielbarkeit auch das offene, d. h. nicht gegriffene e-Moll-Arpeggio zu Beginn des Intros spielen, während er gleichzeitig ein Telefon in seiner linken Hand hielt und sich mit seiner Freundin unterhielt.

Das Prinzip des dynamischen Spannungsaufbaus bzw. -abbaus ist auch in der Abfolge der vierten Strophe und des zweiten Refrains feststellbar, bevor dem Hörer im instrumentalen Interlude eine neue, kontrastierende Klangsphäre begegnet. Hier verschmelzen zwei bzw. drei Gitarrenspuren zu einer wellenförmigen mehrstimmigen Melodie, die atmosphärisch Anklänge an das Intro herstellt. Zwei weitere Strophen und ein um zwei Verse verlängerter Refrain führen dynamisch sukzessive ansteigend zur Klimax des Songs: dem E-Gitarren-Solo, das im Unterschied zur üblichen Praxis bei Metallica nicht von Kirk Hammett, sondern von James Hetfield gespielt wird, womit die persönliche Komponente des Songs bekräftigt wird. Verglichen mit dem überwiegend balladenhaften Charakter des Songs, besitzt das E-Gitarren-Solo besondere klangliche Durchschlagskraft und erinnert am ehesten an die Thrash-Metal-Herkunft der Band. Nach diesem Höhepunkt verklingt das Stück: Deutlich leiser folgt – nur begleitet von einer Akustikgitarre – die siebte und letzte Strophe und endet mit den Titelworten des Stücks. Der letzte Ton der Lead-Gitarre aus dem Solo schwingt hierbei bis zuletzt im Hintergrund mit. NOTHING ELSE MATTERS endet mit einem Outro (inkl. Fade-out), welches das Intro-Motiv erneut aufgreift bzw. wiederholt. Damit wird eine formale Geschlossenheit im Stück geschaffen.

IV. Rezeption

NOTHING ELSE MATTERS markiert den größten kommerziellen Erfolg Metallicas. Neben zahlreichen Platin- und Gold-Auszeichnungen erhielt die Band einen Grammy für die beste Metal-Performance. Mit dem dazugehörigen Musikvideo fand die Formation auch auf großen Musiksendern wie MTV Platz. Außerdem ist der Song der erste Titel Metallicas, welcher auch außerhalb des Metal-Bereichs im Radio gespielt wurde und bis heute wird. Auch das dazugehörige Album Metallica wurde zum Erfolg und verkaufte sich bis heute über 35 Millionen Mal. Die popkulturelle Relevanz des Songs sowie seine breite Akzeptanz im Mainstream-Bereich werden deutlich, wenn man sich die umfängliche Liste der Coverversionen aus den verschiedensten Musikgenres vor Augen führt: von David Garrett mit seiner Klassik-Pop-Version über Shakira bis hin zur Chorversion der Wiener Sängerknaben. Innerhalb der Metal-Szene führte das sogenannte Black Album zu ambivalenten Reaktionen der Fans. Viele reagierten schockiert auf diese sanfte, massenkompatible Seite Metallicas und wandten sich von der Band ab. Demgegenüber gewann die Formation neue Fans, die den Song als Innenseite, als weichen Kern der harten Schale Metallicas zu sehen glaubten. Diese Ambivalenz ist bis heute in der Metal-Szene vorzufinden: Während es bei der Anhängerschaft des extremen Heavy Metal eine Art Kodex gibt, bis zu welchem Album man Metallica hört (und ab welchem nicht mehr), wird im Metal-Mainstream oft das gesamte Songschaffen der Band gleichwertig geschätzt und dem Musik- und Imagewechsel eher wenig Bedeutung beigemessen.

 

MANDY MALON


Credits

Komposition und Text: James Hetfield
Gitarre und Gesang: James Hetfield
Gitarre: Kirk Hammett
Bass: Jason Newsted
Schlagzeug: Lars Ulrich
Produktion: Bob Rock, James Hetfield, Lars Ulrich
Label: Elektra, Vertigo
Länge: 6.28

Recordings

  • Metallica. “Nothing Else Matters”. On: Metallica, 1991, Elektra, 961 113 2, US (CD/Album)
  • Metallica. “Nothing Else Matters”. On: Nothing Else Matters / Enter Sandman (Live), 1992, Vertigo, 866 708 7, UK & Europe (7“/Single)
  • Metallica. “Nothing Else Matters”. On: Live Shit: Binge and Purge, 1993, Elektra, 615 942, US (Box + 3xCD, Album + 3xVHS).
  • Metallica. “Nothing Else Matters”. On: S&M, Elektra, 624 632-2 (2xCD/Album)

Covers

  • David Garret. “Nothing Else Matters”. On: David Garrett, 2009, Decca, B0012872-02, US (CD/Compilation).
  • Shakira. “Nothing Else Matters”. On: Live from Paris, 2011, Sony Music Latin, 88697999072, Europe (CD/Album + DVD-V).
  • Wiener Sängerknaben. “Nothing Else Matters”. On: Wiener Sängerknaben Goes Pop, 2002, EMI Classics, 557368 2, Europe (CD/Album).

References

  • Barthes, Roland: Image, Music, Text. New York: Wang and Hill, 1978.
  • Bartholomé, Cathérine: Heavy Metal im WandelImagekonstruktion und Imagewandel der Band Metallica.Saarbrücken: VDM, 2009.
  • Oehmke, Philipp: Spiegel-Gespräch: Ein böses Tonband in meinem Kopf. In: Der Spiegel 40/2013. URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-114948862.html [17.05.2018].
  • “Metallica: Nothing Else Matters / Wiki”. In: last.fm. URL: https://www.last.fm/de/music/Metallica/_/Nothing+Else+Matters/+wiki [17.05.2018].
  • Metallica and Philosophy. A Crash Course in Brain Surgery. Ed. by William Irwin. Oxford: Blackwell Publishing, 2007.

About the Author

Mandy Malon is an editorial assistant for Rock Hard Magazine. The analysis was written in a course of Prof. Dr. Thomas Krettenauer at the University of Paderborn.
All contributions by Mandy Malon

Citation

Mandy Malon: “Nothing Else Matters (Metallica)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/nothing_else_matters, 11/2018.

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