1978
Electric Light Orchestra

Mr. Blue Sky

MR. BLUE SKY ist einer der erfolgreichsten Songs der britischen Rockband Electric Light Orchestra. Er ist Teil eines Konzeptalbums und verbindet nicht nur die Rockmusik der späten 1970er-Jahre mit Elementen der klassischen Musik, sondern ist ebenso inspiriert von den Kompositionen der Beatles.

I. Entstehungsgeschichte

MR. BLUE SKY erschien 1978 auf dem siebten und kommerziell erfolgreichsten Album Out of the Blue des Electric Light Orchestras und wurde im selben Jahr als Single ausgekoppelt. Es ist das letzte von vier Stücken auf der dritten Seite der Doppel-LP, welche den Namen Concerto of a Rainy Day trägt. Die vier Songs dieser Suite bauen aufeinander auf und gehen nahtlos ineinander über. Sie handeln alle vom Einfluss des Wetters auf die Stimmung des Menschen.

Zu dieser Thematik inspiriert wurde der Sänger und Songwriter Jeff Lynne während eines Aufenthalts in der Schweiz im Sommer 1977. Als das Wetter nach einer zweiwöchigen Schlechtwetterperiode aufklarte, war Lynne nach eigenen Angaben davon derart beeindruckt und seine Kreativität angeregt, dass er MR. BLUE SKY und 13 weitere Songs des Albums Out of the Blue innerhalb von zwei Wochen schrieb.

II. Kontext

In stilistischer Hinsicht kann man zum einen Parallelen zum Gesang der Gibbson Brothers herstellen. Zum anderen weist das Arrangement des Songs Bezüge zu Songs der Beatles auf: mehrstimmiger Gesang im Chorus, glockiger Sound wie in “Penny Lane”, Einsatz von keuchendem, abgehetztem oder schnaubendem Gesang wie in “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band” sowie Gitarren-Arpeggien wie auf Abbey Road, Streicher-Arrangement wie in “Martha, My Dear” und ein orchestrales Finale wie in “A Day in the Life”. Diese Ähnlichkeit ist darauf zurückzuführen, dass die Beatles Lynnes große musikalische Vorbilder darstellten. Der Sound des Electric Light Orchestras wird daher oft als ‚Beatlesque’ beschrieben. Dennoch hat die Band daraus etwas Unverkennbares und Eigenes entwickelt.

Darüber hinaus wird anhand von MR. BLUE SKY die Affinität der Band gegenüber der Verbindung von klassischen Streicherarrangements mit experimenteller Studiotechnik sehr deutlich. Diese Kombination ist das Markenzeichen des Electric Light Orchestras und lässt die Band und ihr musikalisches Werk damit den Genres des Art-Rock, des Progressive-Rock sowie des Symphonic-Rock zuordnen.

Als Schlusstitel der Concerto of a Rainy Day-Suite wird MR. BLUE SKY die Rolle zuteil, diese positiv zu beenden, nämlich indem der verregnete Tag durch die Sonne aufgebrochen wird und der blaue Himmel zum Vorschein kommt.

III. Analyse

Der Analyse liegt die 5:02 Minuten lange Albumversion von 1978 zugrunde. Das Tempo des Songs, welcher im 4/4 Takt und in der Grundtonart F-Dur komponiert ist, liegt bei etwa 168 bpm. Neben den typischen Instrumenten der Rockmusik (E-Gitarren, E-Bass, Schlagzeug, Keyboard und Synthesizer), kommen zudem Instrumente der klassischen Musik zum Einsatz (Violine und zwei Celli). Diese Kombination ist maßgeblich für die progressiven Rockformen der 1970er Jahre. Der Gesang ist hauptsächlich mehrstimmig (meist zweistimmig) und erinnert, wie bereits beschrieben, an die Vokalparts der Beatles. Zum Teil kommen hierbei auch Effektgeräte zum Einsatz, welche die Stimmen verzerren und unnatürlich blechern klingen lassen.

Der formale Aufbau ist von Einfachheit gekennzeichnet und beinhaltet die Formteile Intro, Verse, Chorus, instrumentales Solo, Bridge und Outro (I + II). Das Besondere hierbei ist der orchestrale Part (Outro II), welcher das Stück beendet. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass beide Outros die längsten Formteile darstellen. Während die Verses und die Bridge jeweils 12 Takte einnehmen und die Taktanzahl des Chorus zwischen 16 und 24 Takten schwankt (acht Takte als Periode), setzt sich das Outro I aus insgesamt 17 Takten zusammen und das Outro II aus 30 Takten. Damit ist der orchestrale Part der längste aller Formteile.

Auf textlicher Ebene wird das schöne Wetter beschrieben, auf das, nach einer offenbar längeren Regenperiode, sehnsüchtig gewartet wurde und das die Stimmung der Menschen steigen lässt. Als Protagonist des Songs wird “Mr. Blue Sky” besungen, welcher die Schlechtwetterperiode beendet hat und für die damit verbundene gute Laune der Menschen verantwortlich gemacht wird. Er wird sowohl von einer außenstehenden Perspektive beschrieben (“Mr. Blue Sky is livin’ here today …”) als auch direkt angesprochen (“Mr. Blue Sky, please tell us why …”; “Hey there Mr. Blue / We’re so pleased to be with you …”, “Mr. Blue, you did it right …”). Hierbei wird ein Unterschied zwischen den Intentionen der einzelnen Formteile gemacht. Während im Verse jeweils die Freude über das “Erscheinen des Mr. Blue Skys” bekundet und das schöne Wetter zelebriert wird, schwingt im Chorus etwas melancholisch Fragendes mit. In der Bridge kommt es zu einer Kombination aus der Freude und der Melancholie der beiden anderen Formteile, da sich auch der schönste Tag irgendwann dem Ende entgegen neigt und von der Nacht abgelöst wird (“Mr. Blue, you did it right / But soon comes Mr. Night”). Von der lyrischen Ebene ausgehend kann MR. BLUE SKY demnach als eine Ode an das schöne Wetter und die damit verbundene “gute Laune” und Unbeschwertheit gesehen werden.

Diese Intention wird auch auf musikalischer Ebene unterstützt. Der unbeschwerte Charakter des Songs wird dabei nicht nur durch das Dur-Tongeschlecht der Grundtonart und die positive Aussage des Textes vermittelt. Maßgeblich hierfür ist ebenso die metrische Ebene, welche energiegeladen und ruhelos wirkt und das Grundgerüst des Songs bildet. Diese Wirkung entsteht durch das (phasenweise) Wechseln von Akkorden mit jedem neuen Takt, wobei in der Basslinie immer der Grundton des jeweiligen Akkords gespielt wird. Mit diesem Fundament wird MR. BLUE SKY bereits durch das Intro eingeleitet. Im Verlauf des Songs werden lediglich die Intensität und die Dynamik des vorantreibenden Rhythmus variiert. Während in den ersten drei Takten des Intros im Chorus dieser Akkordteppich (durchgehend in Vierteln) nur vom Keyboard oder dem Synthesizer eher leise und zurückhaltend gespielt wird, wird er in den Verses und der Bridge deutlich lauter intoniert. Durch die Bandbreite an Instrumenten und die gesteigerte Dynamik wirken die Verses im Vergleich zum Chorus energiegeladener, was die besagte freudige Aussage des Textes unterstützt. Im Chorus wirkt es durch die Zurücknahme dieser Komponenten hingegen so, als würde diese vorantreibende Kraft etwas nachlassen, auch wenn sich am Grundtempo nichts ändert, was wiederum die melancholische Wirkung auf textlicher Ebene unterstützt. Erst zum Ende des Outro I wird dieser Antrieb gebremst, indem das Tempo zum vorläufigen Ende hin zurückgenommen wird. Im Outro II wird es erneut zu Beginn angezogen, nach den schnellen Triolen der Streicher aber ebenfalls bis zum Ende hin retardiert.

Der Gesang umfasst zwei Oktaven und ist fast durchgängig mehrstimmig arrangiert. Im jeweiligen Verse ist er mit der Begleitung gleichgestellt; erst im Chorus tritt er, durch die Zurücknahme der Instrumente, in den Vordergrund. Im Chorus wirkt es außerdem so, als würde die Gesangsmelodie “wandern”: Die drei Zeilen des Hauptchorus (ohne Erweiterungen) führen aufsteigend bei d’ angefangen bis zum d”’ (“so long” im Nachgesang), bevor die Gesangslinie wieder absteigt (“Where did we go wrong”). Durch den Einsatz von Stimmverzerrern wirkt er oft blechern und unnatürlich. Im zwölftaktigen Zwischenspiel vor der Bridge wird dieser Effekt besonders deutlich. Hier singt der Keyboarder Richard Tandy die Worte “Mr. Blue Sky” mit einem Vocoder-Effekt, wodurch ein roboterhafter Klang entsteht. Diese verzerrte Stimme kommt erneut in den zwei Schlusstakten des Outro II zum Einsatz. Darüber hinaus kommt während des Zwischenspiels vor der Bridge auch ein vierstimmiger Chor zum Einsatz, welcher zunächst nur sehr leise im Hintergrund zu vernehmen ist, in der Bridge zwar immer noch im Hintergrund, aber deutlicher zu hören ist. In beiden Teilen hat er eine begleitende Funktion, welche sich aus gehaltenen Akkorden auf den Laut “oh” zusammensetzt. In den Outros hingegen rückt der Chor mehr in den Vordergrund, wobei auch hier kein Text, sondern der Laut “ba” auf eine kurze Melodie gesungen wird. Im Outro II ist der Chor wieder mehr im Hintergrund und singt die melodischen Konturen der Streicherparts mit.

Die Affinität des Electric Light Orchestras zur Verbindung von Rockmusik mit klassischer Musik ist nicht nur am Bandnamen sowie am Titel der Schallplattenseite, auf der MR. BLUE SKY enthalten ist, resp. deren Aufbau zu erkennen. Die Verwendung von Streicherarrangements sowie eines vierstimmigen Chorsatzes sind hierfür weitere Indizien. Neben dem Streichersatz gibt es im Outro II auch ein vier Takte andauerndes Cello-Solo, welches das Ende des Songs einleitet. Durch den Einsatz des Chores in den Outros bekommt der Song außerdem einen feierlich-hymnischen Charakter. Lediglich das Erklingen von Lynnes verzerrter Stimme mit den Worten “Please turn me over” innerhalb der letzten zwei Takte erinnert nochmal an den ‘elektrischen’ Rock-Ursprung des Songs. Des Weiteren werden nach dem Ritardando im Outro II acht Takte des zweiten Songs der Concerto of a Rainy Day-Suite “Big Wheels” eingespielt, was zum einen ebenfalls auf Motivverarbeitungen in der klassischen Musik verweist. Zum anderen verleiht es MR. BLUE SKY als Schlusstitel der Suite auf diese Weise einen um- und abschließenden Charakter.

IV. Rezeption

1978 wurde MR. BLUE SKY als Singleauskopplung veröffentlicht und erreichte in den britischen Charts Platz 6, in den Vereinigten Staaten Amerikas Platz 35 und in der deutschen Hitparade Platz 27.

Zur breiten Rezeption des Songs trug auch der Umstand bei, dass Jeff Lynne, Kopf der Band, dem Fußballclub Birmingham City freundschaftlich verbunden ist, weshalb MR. BLUE SKY der Freundschaft zu Ehren vor jedem Heimspiel des Fußball-Clubs gespielt wird. Damit gilt der Song gleichsam als Hymne auf die englischen Midlands.

Als Hommage an Jeff Lynne wurde MR. BLUE SKY von Tony Visconti, Kristeen Young und Richard Barone für das Album Lynne Me Your Ears gecovert. Des Weiteren gibt es Coverversionen der Pop-Gruppe The Delgados auf dem Album The Complete BBC Peel Sessions sowie von der britischen Popsängerin Lily Allen, welche den Song für einen französischen Handyprovider aufnahm. Außerdem wurde MR. BLUE SKY oft auf Konzerten der Gruppe The Decemberists gespielt. Der amerikanische Soulmusiker Mayer Hawthorne coverte den Song ebenfalls auf seinen Konzerten und veröffentlichte einen Live-Mitschnitt auf einer Cover-EP; seine Version ist dem Original am ähnlichsten.

Ferner ist MR. BLUE SKY auf den Soundtracks der Filme Wilde Mossels (2000), Skate More (2005), The Magic Roundabout (2005), Martian Child (2007), The Game Plan (2007) und Guardians of the Galaxy Vol. 2 (2017) zu hören. Zudem wurde der Song in verschiedenen Serien eingespielt und als Werbe-Jingle verschiedenster Unternehmen weltweit verwendet.

Ein Musikvideo zu MR. BLUE SKY wurde Ende 2012 auf der Band-Webseite sowie auf YouTube veröffentlicht. Das farbenfrohe Animationsvideo besteht aus verschiedenen kurzen animierten Sequenzen; es wurde unter der Leitung von Michael Petterson und Candace Reckinger von Studenten der University of Southern California gestaltet.

 

JULIA JAKOB


Credits

Vocals, guitar: Jeffrey Lynne
Drums, vocals: Bev Bevan
Bass, percussion, vocals: Kelly Groucutt
Synthesizer, keyboards, vocals: Richard Tandy
Cello: Melvyn Gale, Hugh McDowell
Violin: Mik Kaminski
Music/songwriting: Jeffrey Lynne
Producer: Jeffrey Lynne
Label: Jet
Recorded: 1977, Musicland Studios München
Published: 1978
Length: 05:02

Recordings

  • Electric Light Orchestra. “Mr. Blue Sky”. On: Out of the Blue. Concerto of a Rainy Day, 1977, Jet/Musicland Studios München, UAR 100, United Kingdom (Vinyl/Album).
  • The Beatles. “A Day in the Life”. On: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, 1967, Parlophone, PMC 7027, United Kingdom (Vinyl/Album).
  • The Beatles. “Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band”. On: Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band, 1967, Parlophone, PMC 7027, United Kingdom (Vinyl/Album).
  • The Beatles. “Martha, My Dear”. On: The Beatles, 1968, Apple Records, PCS 7067/8, United Kingdom (Vinyl/Album).
  • The Beatles. Abbey Road, 1969, Apple Records, PCS 7088, United Kingdom (2xLP/Album).
  • The Beatles. “Penny Lane”. On: 1, 2000, Apple Records, 7243 5 29325 2 8, Europe (CD/Compilation).

Covers

  • Tony Visconti. “Mr. Blue Sky”. On: Lynne Me Your Ears – A Tribute to the Music of Jeff Lynne, 2001, Not Lame Recordings, NL-070, United States (2xCD/Compilation).
  • The Delgados. “Mr. Blue Sky”. On: The Complete BBC Peel Session, 2006, Chemikal Underground, Chem088CD, United Kindom & Ireland (2xCD/Album).
  • Lily Allen. “Mr. Blue Sky”. On: It’s Not Me, It’s You, 2009, Regal, REG 151 CDY, United Kingdom (CD/Album).
  • Mayer Hawthorne. “Mr. Blue Sky”. On: Impressions (The Covers EP), 2011, Stones Throw Records, United States (MP3-file).

References

  • BBC: “Sold on Song / Top 100  /Mr Blue Sky / Electric Light Orchestra”. In: BBC. URL: http://www.bbc.co.uk/radio2/soldonsong/songlibrary/indepth/mrbluesky.shtml [27.09.2016].
  • “Electric Light Orchestra”. In: Laut.de. URL: http://www.laut.de/Electric-Light-Orchestra [28.09.2016].

Links

  • Artist homepage: https://jefflynneselo.com/ [28.09.2016].
  • Song usage in the media: http://www.elodiscovery.com/Jeff-Lynne-Electric-Light-Orchestra-Films12.html [28.09.2016].

About the Author

Julia Jakob: "Mr. Blue Sky (Electric Light Orchestra)". In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/mrbluesky, 10/2018.
All contributions by Julia Jakob

Citation

Julia Jakob: “Mr. Blue Sky (Electric Light Orchestra)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/mrbluesky, 10/2018.

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