LINKS 2 3 4 ist ein Song der Neue-Deutsche-Härte-Band Rammstein von ihrem dritten Studioalbum Mutter (2001).
I. Entstehungsgeschichte
LINKS 2 3 4 basiert wie fast alle Rammstein-Songs auf einem Text des Sängers Till Lindemann (*1963), während die Musik von der Band kollektiv entwickelt wurde. Der Song entstand im Rahmen der Vorproduktion des Albums Mutter zwischen September und Dezember 1999 im Ostseebad Heiligensee, wobei Rohfassungen der Songs als Ausgangsmaterial für die eigentliche Studioproduktion provisorisch aufgenommen werden. Die Produktion fand dann von Mai bis Juni 2000 in dem 1977 entstandenen südfranzösischen Studio Miraval in Correns nahe der französischen Riviera statt, das sich angesichts seiner vorzüglichen Ausstattung und einer attraktiven Residenz mit vielen großen Namen der Rock- und Popmusik schmücken kann. Eine erste Mischung erfolgte im Juni 2000 in den belgischen Galaxy Studios in Mol durch die Band selbst, unterstützt durch den dort tätigen niederländischen Toningenieur Ronald Prent (*1962), der schon für die Mischung ihrer ersten beiden Alben verantwortlich zeichnete. Da das Ergebnis jedoch nicht zufriedenstellend ausfiel, bat der schwedische Produzent des Albums, Jacob Hellner (*1961), seinen Kollegen Stefan Glaumann (*1955), die Aufnahmen in den Stockholmer MVG Studios erneut abzumischen, diesmal zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Das Mastering übernahm der mit über 2.000 Mastering Credits seit 1977 legendär gewordene Howie Weinberg von der New Yorker Firma Masterdisk.
LINKS 2 3 4 erschien als zweiter Track des Albums Mutter am 2. April 2001 auf Motor Music, einem bei Universal Music beheimateten Label. Vorab war eine 5-Track-Promo-CD mit dem Song plus der B-Seite der Single und drei Mix-Versionen, die sich später auf der CD-Maxi-Single wiederfanden, an die Medien gegangen. Eine Demo-Version des Songs hatte die Band schon zu Weihnachten 2000 zum Download auf ihrer Webseite eingestellt. Am 14. Mai 2001 wurde LINKS 2 3 4 dann als zweite Single aus dem Album zusammen mit dem bis dahin unveröffentlichten „Halleluja“ ausgekoppelt. Die Veröffentlichung erfolgte in drei Formaten: als 2-Track- CD-Single, als CD-Maxi-Single mit drei zusätzlichen Mixen, die separat auch auf Vinyl veröffentlicht wurden – „Geradeaus Mix“ von der schwedischen Heavy Metal Band Clawfinger, „TechnoLectro Mix“ und „Hard Rock Café Bonus Mix“ vom deutschen Techno-DJ Westbam – und auf DVD. Die am 28. Mai 2001 veröffentlichte DVD enthielt neben den Tracks der Maxi-Single das von Zoran Bihać (*1965) mittels aufwendigen Computeranimationen gedrehte Video zum Song, ergänzt mit einem „Making of“ des Videos und einer Foto-Galerie. Das vom Frankfurter Künstler-Ehepaar Daniel & Geo Fuchs gestaltete Cover aller Formate zeigt das angeschnittene Gesicht von Schlagzeuger Christoph Schneider (*1966) auf grünem Grund.
LINKS 2 3 4 findet sich auch auf der 2011 in mehreren Editionen erschienen Best-of-Kompilation Made in Germany 1995–2011.
II. Kontext
LINKS 2 3 4 entstand als Antwort auf die nicht abreißenden Behauptungen in der deutschen Medienöffentlichkeit, die Band sei rechtsradikal oder sympathisiere zumindest mit rechtem Gedankengut. Zwar können diese Vorwürfe einer seriösen Betrachtung des Rammstein-Œuvres in keinerlei Hinsicht standhalten, doch hat die Band solche Reaktionen durchaus gezielt provoziert. Insbesondere das rollende „R“ von Sänger Till Lindemann, die martialischen Bühnenshows der Band, die 1930er-Jahre-Bildsprache und -ästhetik in vielen ihrer Videos und das ambivalente Verhältnis zu Gewalt und Gewaltfantasien haben zu solchen Deutungen Anlass gegeben, auch wenn es dabei eigentlich darum ging, das heutige Deutschland mit dem Fortwirken seiner unheilvollen Vergangenheit zu konfrontieren. Eben deshalb sah sich die Band veranlasst, sich mit einem Song dieses Themas direkt anzunehmen. Lindemann erklärte dazu der Musikzeitschrift Rolling Stone: „Wir kommen aus dem Osten und sind als Sozialisten aufgewachsen. Wir waren früher entweder Punks oder Gruftis – wir hassen Nazis! Und dann kommt auf einmal so ein an den Haaren herbeigezogener Vorwurf. Wir machen heute noch genau das Gleiche, und niemand in Amerika oder Mexiko würde auf die Idee kommen, uns so ein Zeug anzudichten. Das passiert nur hier in Deutschland. Unsere Antwort auf diese Anfeindungen war ‚Links 2 3 4‘, damit haben wir klargestellt, wo wir politisch einzuordnen sind“ (Rolling Stone 2025).
III. Analyse
Auch wenn Rammstein mit LINKS 2 3 4 ihre politische Haltung mit Nachdruck als „links“ verorten wollten, erfolgte diese als Klarstellung gemeinte Positionierung mit der für Rammstein so typischen virtuosen Uneindeutigkeit. So heißt es im Text zwar zunächst unmissverständlich: „Sie wollen mein Herz am rechten Fleck / Doch sehe ich dann nach unten weg / Da schlägt es links“ – eine Anspielung auf Oskar Lafontaines Autobiographie Das Herz schlägt links (Lafontaine 1999). Aus dem mehrfach wiederholten „Links“ wird im Stahlgewitter des Rammstein-Sounds zum zackigem Marsch-Rhythmus des Refrains dann aber ein „Links zwo, drei, vier“, das ganz andere Assoziationen weckt. Der den Song einleitende militante Klang einer Marschkolonne tut das Seine, um Bilder heraufzubeschwören, die eher an die militanten Aufmärsche der Rechten denken lassen. Die Position, die der Song ungeachtet der Ambivalenzen erkennbar werden lässt, ist mithin weder „Rechts“ noch „Links“, so oft das „Links“ auch wiederholt wird, insgesamt 42 Mal. Eher schon passt dazu die Sprachprovokation des österreichischen Dichters Ernst Jandl, der daraus ein „lechts und rinks“ gemacht hat (Jandl 1966). Musik, Text, aber auch Live-Performance und visuelle Umsetzung im Musikvideo verbinden sich zu einer Inszenierung von Widersprüchen und Uneindeutigkeiten, die eines aber auf keinen Fall zulassen: der Band eine rechte Gesinnung zu unterstellen.
Der musikalische Aufbau folgt einer dreiteiligen AAA-Form. In den zweigeteilten A-Abschnitten, die auf eine zwölftaktige Einleitung folgen, sind die drei Textstrophen (1. „Kann man Herzen fragen …“, 2. „Können Herzen singen …“, 3. „Kann man Herzen fragen …“) mit ihren Refrains („Sie wollen mein Herz am rechten Fleck …“) untergebracht, die sich musikalisch als Verse und Chorus darstellen. Die Einleitung beginnt mit dem Klang einer Marschkolonne, die in Takt vier in das von Schlagzeug und E-Gitarren beherrschte eintaktige Hauptmotiv des Songs übergeht. Dieses besteht aus einer von Tonrepetitionen verbundenen viertönigen aufsteigenden Figur, die auf dem dritten, fünften, sechsten und achten Achtel des Viervierteltaktes auf einem Terzschritt jeweils zwei Sekundschritte folgen lässt. Im Hintergrund scheint dabei eine fahle Synthesizerlinie durch. Die drei Strophen sind jeweils achttaktig und nahezu geflüstert gesungen. Im Kontrast dazu steht der Refrain, der aber nun abweichend vom Formschema in unterschiedlicher Länge gehalten ist, sodass sich die drei Teile des Liedes nur bedingt entsprechen. Er ist selbst wieder zweigeteilt. Die ersten vier Takte enthalten die drei einleitenden Textzeilen („Sie wollen mein Herz am rechten Fleck / Doch seh’ ich dann nach unten weg / Dann schlägt es“), die musikalisch als Prechorus angelegt sind. Danach beginnt der eigentliche Chorus zu den Worten „Links, zwo, drei, vier“, nach der ersten Strophe jedoch nur bis zum wiederholten „Links“, dann bricht der Refrain ab und der Chorus wird instrumental weitergeführt. Nach der zweiten Strophe wird das „Links, zwo, drei, vier“ zunächst bis zum „zwo“, danach zu Ende buchstabiert und unterstrichen von flächigen Background-Vocals so oft wiederholt, bis der sechzehntaktige Chorus zu Ende gebracht ist. Nach der dritten Strophe ist der Prechorus mit den einleitenden Textzeilen auf acht Takte erweitert und der Chorus geht in ein achttaktiges Gitarrensolo über, bevor er zum Abschluss des Songs noch einmal in voller Länge wiederholt wird. Dass im Verlauf des Songs die ihn konstituierenden Strukturteile mit jeder Wiederholung durch Dehnung von Refrain, Prechorus und Chorus länger werden, gibt dem Song trotz des insistierenden Marschrhythmus eine spannungsreiche Dynamik. Die eingesetzten künstlerischen Mittel sind einfach, aber ungemein wirkungsvoll zur Anwendung gebracht.
Auch das von dem in Deutschland lebenden serbischen Videoregisseur Zoran Bihać aufwendig realisierte Video zu LINKS 2 3 4 greift die Ambivalenz des Songs auf, transformiert sie aber auf eine weitere Ebene. Der Reiz des Videos besteht in der Übertragung der Bilder, die Text und Musik assoziieren: ins Tierreich, auf eine Ameisenkolonie, real und computeranimiert. Die Militanz wird mit einer an Kinderfilme erinnernden Animation aufgefangen. Dabei waltet ein spielerischer Witz, wenn in der Eingangssequenz krabbelnde Tierchen Fußball spielen – hier sind es reale Ameisen – oder aber als computeranimierte Wesen in ein Rammstein-Konzert strömen. Die Band steht im Video dann vor einem eifrig mitzappelnden Ameisenpublikum. Als Reminiszenz an das „Links“ formt sich das Logo der Band aus einer Überblendung des sozialistischen Hammer-und-Sichel-Symbols. Auch hier sind die Bilder mehrfach gebrochen. Die spielerische Idylle erhält mit den Beklemmung auslösenden Tunnelröhren des Ameisenbaus und der Düsternis der Bilder etwas Bedrohliches. Erst das gegen die feindlichen Eindringlinge in Form großer schwarzer Käfer in Formation marschierende Ameisenheer ist dann in gleißend helles Licht getaucht. Wenn die Eindringlinge schließlich vernichtend geschlagen sind, sich die siegreichen Ameisen-Formationen in den Umrissen eine Blume auflösen und ein versöhnliches Ende erreicht scheint, bricht in einer weiteren Drehung die Realität in Form einer von Ameisen übersäten Leichenhand am unteren Rand ins abschließende Bild.
Dass Rammstein-Songs als Skripte ihrer Inszenierung fungieren, gilt auch für die Bühnenperformanz, die mit dem Song verbunden ist. Live stolzieren die Musiker dabei im chaplinesken Stechschritt auf der Stelle, und lassen in ihrem Aufzug das militante Getöse des LINKS 2 3 4 zur Groteske werden.
IV. Rezeption
LINKS 2 3 4 positionierte sich kurz nach der Single-Veröffentlichung am 28. Mai 2001 auf Platz 26 der deutschen Single-Charts und hielt sich dort neun Wochen bis zum 30. Juli, zuletzt auf Platz 100. Das Album Mutter allerdings, als dessen Auskopplung der Song erschien, erreichte mit Chart-Eintritt am 16. April 2001 sofort die Spitzenposition der Album-Charts, auf der es sich vier Wochen lang hielt und, nach mehreren Unterbrechungen, erst am 14. Januar 2022 endgültig mit Platz 64 aus den Charts ausschied. In Österreich, Schweiz und in Finnland fand die Single ebenfalls ihren Weg in die Charts, allerdings nur für jeweils einen guten Monat und nicht auf einen der vorderen Plätze. Dennoch war die Rezeption bemerkenswert, was vor allem dem spektakulären Video von Zoran Bihać geschuldet war, das allein auf YouTube bis Ende 2021 über 85 Millionen Aufrufe verzeichnete. Wie bei Rammstein immer, gehört zur Rezeption ihrer Musik ein ungemein professionell inszeniertes Medienecho. So hat auch LINKS 2 3 4 von allen größeren Zeitungen in Deutschland eine entsprechende Würdigung erfahren.
PETER WICKE
Credits
Music: Rammstein
Text: Till Lindemann
Vocals: Till Lindemann
Lead guitar, vocals: Richard Z. Kruspe-Bernstein
Rhythm guitar, vocals: Paul Landers
Bass guitar, vocals: Oliver Riedel
Keyboards: Christian Lorenz
Drums: Christoph Schneider
Production: Jacob Hellner, Rammstein
Mixing: Stefan Glaumann
Engineer: Ulf Kruckenberg
Mastering: Howie Weinberg
Published: 2001
Lable: Motor Music
Length: 3:36
Recordings
- „Links 2 3 4“. On: Mutter, 2001, Motor Music, 549 639-2, Germany (CD/Album).
- „Links 2 3 4/Halleluja“, 2001, Motor Music, 587 118-2, Germany (CD/Single).
- „Links 2 3 4/Halleluja/Links 2 3 4 (Clawfinger Geradeaus Remix)/Links 2 3 4 (WestBam Technolectro Mix)“, 2001, Motor Music, 587 095-2, Germany (CD/Maxi-Single).
- „Links 2 3 4“, 2001, Motor Music, 587 095-9, Germany (DVD).
- „Links 2 3 4“. On: Made in Germany 1995–2011, Universal Music, 0602527864259, Germany (CD/Compilation).
- Rammstein vs. WestBam. „Links 2 3 4“, 2001, Motor Music, [withoutcatalogue number], Germany (12’’/Single).
References
- Jandl, Ernst: Lichtung. In: Ders.: Laut und Luise. Olten: Walter 1966.
- Lafontaine, Oskar: Das Herz schlägt links. Berlin: Econ 1999.
- Rolling Stone: Rammstein: Exklusives Interview mit Till Lindemann und Flake. In: Ders., 09.02.2025. URL: https://www.rollingstone.de/rammstein-exklusives-interview-mit-till-lindemann-und-flake-lorenz-343190/ [20.03.2025]
- Wicke, Peter: 100 Seiten Rammstein. Stuttgart: Reclam 2019.
Links
- Rammstein – Links 2 3 4. URL: https://www.youtube.com/watch?v=Ph-CA_tu5KA [06.03.2022].
About the Author
All contributions by Peter Wicke
Citation
Peter Wicke: „Links 2 3 4 (Rammstein)“. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://www.songlexikon.de/songs/links-2-3-4, 04/2025.
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