1983
Hansi

Leberkäs mit Ei

Hansis bis heute im bayerischen Radio gerne gespielte Hymne auf den Leberkäse entstand 1983 zur Hochzeit der neuen Deutschen Welle, bedient aber eher die Tradition komischer Schlagerlieder über Alltagsbanalitäten.

 

I. Entstehungsgeschichte

Der “Leberkäs”Song wurde vom Sänger selbst (alias Hansi Goldfuss) und Jörg Evers komponiert und getextet. Auf der B-Seite der Single persifliert sich der Interpret, der später weitere Hitversuche mit “Im Freibad” und “Kalt duschen” unternahm, selbst, indem er an die Stelle von LEBERKÄS MIT EI die Alternative “Leberkäs ohne Ei” stellt. Dementsprechend zeigt das Cover der Single einen von einem Spiegelei bedeckten Leberkäse, der allerdings nicht nur auf einem Teller ruht, sondern Teil eines sehr feierlich anmutenden Abendmenüs zu sein scheint. Eine Kerze, Silberbesteck für mindestens drei Gänge (Suppenlöffel, Dessertlöffel, zweimal Messer und Gabel, einmal groß, einmal klein) sowie ein Schnapsglas sind zu sehen, außerdem eine kleine Semmel, allerdings keine Serviette. Die edle Anrichtung passt nicht so recht zu dem doch sehr schlichten Gericht, womit der Gegensatz, der textlich entfaltet und musikalisch durch die Mischung aus Schlager und modernen Rhythmen angedeutet wird, hier visuell in Erscheinung tritt.

 

II. Kontext

Obwohl das Essen im menschlichen Leben zweifelsohne eine vitale Rolle spielt, wird in der Pop- und Rockmusik im Allgemeinen sehr wenig über den Vorgang des Essens, noch weniger über spezifische Gerichte und Spezialitäten gesungen. Dies ist zweifelsohne auf die Traditionslinie der Lyrik zurückzuführen, die für die Populärmusik zu veranschlagen ist und gemäß der das Banal-Alltägliche allenthalben im niederen Stil abzuhandeln war. Während also das Sprechen vom Essen im Lied zumeist komisierend oder karnevalesk realisiert wird, kommt dem Essen mitten in der den Traditionsbruch zum Konzept erhebenden Neuen Deutschen Welle eine durchaus interessante Rolle zu, wobei der Beitrag von Hansi mit dem Titel LEBERKÄS MIT EI zwischen einer klamaukhaften komischen Brechung und der bewussten affirmierenden Auseinandersetzung mit dem deutschen Liedgut oszilliert und sich somit weder eindeutig der Neuen Deutschen Welle noch dem klassischen Schlager zuordnen lässt. Am ehesten fällt der Song in die Kategorie des “Bayerischen Pop” (analog zu Austropop und nicht an der Verwendung von Dialekt festzumachen) (siehe Haindling, Spider Murphy Gang, Relax).

 

III. Analyse

Der Sänger, der mit jugendlichem Elan ein scheinbar wiederkehrendes Erlebnis zum Besten gibt, scheint von Anfang an seine große Faszination, ja sogar seine große Liebe zum Thema des Liedes zu machen. Medias in res beginnt die erste Strophe mit “Jedes Mal wenn ich dich seh” und scheint eine dialogische Sprechsituation aufzubauen. Die Geliebte scheint braungebrannt zu sein, was das lyrische Ich (oder die Song-Persona) die Selbstkontrolle verlieren lässt: “Ich muss dich haben”. Diese Analogie erschließt sich rasch beim Hören, wird aber konsequent weitergeführt, indem die Situation der:des Konsument:in geschildert wird, der:die nicht widerstehen kann und das angesprochene Du partout nach Hause tragen muss. Dort gibt es ein Stelldichein bei Kerzenlicht, das vom Backgroundchor mit den Worten “so heiß” zweideutig kommentiert wird.

Mit dem Refrain wird dann aber enthüllt, wer so unwiderstehlich vor ihm liegt: der Leberkäse. Und zwar mit Ei und einer Semmel dazu, den das lyrische Ich morgens wie abends zu essen pflegt, ab und zu statt mit Ei auch mit Kartoffelsalat. Komisch wird der Refrain dann insbesondere, wenn die Hymne auf dem Leberkäse mit den Worten “Ich brauch Leberkäs zum Leben, wir brauchen Leberkäs zum Glücklichsein” überhöht wird.

Der Leberkäse selbst bindet das lyrische Ich im Lied durchaus an die Verneinung intimer Abenteuer, wenn in der zweiten Strophe von einem Erlebnis im spanischen Benidorm an der Costa Blanca, das der hübschen “knackigen” Mädchen wegen aufgesucht wurde, berichtet wird. Die Enttäuschung über die Zurückweisung wirft das lyrische Ich wieder auf den treuen Leberkäse zurück, von dem dieses Mal der Backgroundchor wiederum “Du bist so heiß” zu sagen weiß. Alleine gelassen mit dem frischen Leberkäse ertönt dann erneut die Hymne in Gestalt des Refrains, der Leberkäse zum Frühstück wie zum Nachtisch anpreist und damit das skurrile Moment der geschilderten Essgewohnheiten hervorhebt.

Die Thematisierung von Essen im Lied erscheint zur Zeit der Neuen Deutschen Welle als nicht ungewöhnlich, gehört aber nicht notwendigerweise zum Standardrepertoire dazu. Neben “Carbonara” von Spliff (1982) und “Zuppa Romana” von Schrott nach 8 (1984), die die Italianità besingen, indem repräsentative italienische Gerichte (Spaghetti Carbonara bzw. ein Sammelsurium den Deutschen bekannter italienischer Produkte von Calamari bis Chianti) genannt werden, finden sich jedoch nur wenige Beispiele, die die regionalspezifische Kulinarik ansprechen wie etwa die Baguette bei Bläck Fööss’ “Frankreich, Frankreich” (1984). Dabei wird einerseits die Tendenz zum volkstümlichen Liedgesang, banalem Schlager oder Klamauksong auf die Schippe genommen: Vor der Folie der Sauerkraut-Polka (Gus Backus 1962) oder den Salzburger Nockerln (1938) reiht sich “Leberkäs” somit ein in ein freudig zünftiges Besingen der Brotzeit und all dem, was dazu gehört. Auch nach der Neuen Deutschen Welle funktioniert Essen (und Trinken) im Schlager und der Popmusik eigentlich nur unter komisierenden Vorzeichen, man denke an “Fleisch” (Mundstuhl, 2002), an “Ich bin ein Döner” (Tim Toupet, 2008) oder “Pump ab das Bier” (Werner Wichtig, 1989). Sicherlich können auch Modeerscheinungen behandelt werden (“Popcorn” von Hot Butter, 1972) oder alkoholische Getränke mehr oder weniger ernsthaft bzw. kommerziell angepriesen werden (“A Glass of Champagne” von Sailor 1976; “Bacardi Feeling” von Kate Yanar, 1991, Zehn kleine Jägermeister von Die Toten Hosen, 1996) und der Bruch mit der Ernsthaftigkeit zum Gewinn von Aufmerksamkeit benutzt werden (“Aserejé” von Las Ketchup, 2002). Ab und an werden insbesondere Früchte oder typische Produkte zur Thematisierung von Exotik, Alterität oder sozialen Missständen eingesetzt (“Griechischer Wein” 1975, “Day-O” (Banana Boat Song) 1955 oder Zwei Apfelsinen im Haar 1968) sowie nationale Stereotypen aufgerufen (Dschinghis Khan Moskau 1979: “Liebe schmeckt wie Kaviar”).

Der Leberkäse allerdings ist per se durchaus ein deutliches Zeichen für eine Abkehr von der elitären Kultur, für die auch die negativ konnotierten, arroganten abweisenden Frauen der Schickimicki-Szene im Lied Pate stehen. Hingegen steht Leberkäse für eine einfache Ernährung, für die Brotzeit von – im physischen Sinne – hart arbeitenden Menschen, für ein simples Essen, dessen Zubereitung genauso schlicht ist. In dieser Weise scheint er auch in Georg Danzers Lied “Ruaf mi ned an” (1976) auf, wo die Zeile “Der Leberkas schmeckt ausn Zeidungspapier” als Ausdruck einer einfachen, aber herzlichen Lebenseinstellung genutzt wird. Das lyrische Ich klagt über den Verlust der Geliebten, die sich nunmehr einen Neureichen geangelt hat und jetzt mit diesem jeden Abend fein essen gehe. Gleichzeitig erinnert der Leberkäse sie an ihre Wurzeln und an die Reinheit der Liebe, indem darauf hingewiesen wird, dass man bei wahrer Liebe auch ohne großen Aufwand Glück finden kann, eben im in Zeitungspapier von der Metzgerei eingeschlagenen Leberkäse.

Diese Schlichtheit erlaubt es, dass Leberkäse heute durchaus in der volkstümlichen Musik besungen werden kann. Schon 1960 hatten die Isarspatzen ein Lied herausgebracht, das im Grunde die intertextuelle Vorlage für Hansi bietet. Ein Mann-Frau-Duo singt “Leberkäs, du passt so gut zu mir”. Auch hier wird schon die Parallele “Leberkäse-Geliebte” gezogen und mit einigen Plattitüden versetzt, die überdies vom Stöhnen der bajuwarischen Dame unterstrichen werden. Heutzutage findet sich bei einer YouTube-Recherche auch “Vollgas Leberkäs” der volkstümlichen Gruppe Die Spritbuam. Denkt man nicht an den Leberkäse, sondern an das Spiegelei, so wäre als Referenz auf die Einfachheit des Lebens neben dem ebenfalls als kulinarisches Lied (zumindest im Refrain) zum Klassiker avancierten, letztlich aber eindeutig komisierend konzipierten “Früh-Stück” der Gebrüder Blattschuss (1984; “Noch ein Toast, noch ein Ei”) auch Hanne Hallers “Bratkartoffeln mit Spiegelei” aus dem Jahr 1990 zu nennen, das schon vielmehr mit der Zweideutigkeit des “Bratkartoffelverhältnisses” spielt. Bei den Brüdern Blattschuss kommt eine ganze Palette des deutschen Familienfrühstücks vor. Vom Toast über das Ei bis zu Brei, Marmelade und Konfitüre gibt es eine breite Auswahl zum obligaten Kaffee. Geborgenheit und Zugehörigkeit gehen damit eine Symbiose mit dieser Art Hausmannskost ein, was auch andere Beispiel belegen: Herbert Grönemeyer etwa empört sich in “Was soll das?” (1988) darüber, dass nun der Rivale von der Freundin sein Leibgericht gekocht bekommt.

Das Leberkäs-Lied von Hansi wird im Grund bis heute als lustiges Zwischenstück immer wieder mal gerne im Radio gespielt und ist gerade in Süddeutschland allgemein sehr bekannt. Neben “Currywurst” von Herbert Grönemeyer ist es sicherlich das bekannteste nicht-vegan-taugliche Lied der deutschen Popgeschichte und zeigt auch, inwieweit die deutsche Esskultur untauglich für die Verarbeitung im Lied ist. Während in Liedern italienischen oder italo-amerikanischen Ursprungs gerne über die Pizza gesungen (Aurelio Fierro; Bonnie Bianco) oder wenigstens ab und zu Pasta (Toto Cutugnos L’Italiano aus dem Jahr 1983: “gli spaghetti al dente”) thematisiert oder ein Panino verspeist wird (Al Bano & Romina Power in Felicità 1982; Adriano Celentano in Una festa sui prati 1967), sind in deutschsprachigen Liedern unorthodoxe Aussagen wie “Ich ess‘ Blumen” (Die Ärzte; 1988) oder “Pizza wundaba” (Die Höhner; 1989) enthalten – zuweilen auch in Gassenhauern (siehe Ibo mit “Ibiza”, 1989, dank des Refrains “ich kann Paella nicht mehr sehn”, aber auch DJ Ötzis “Burger Dance”, 2003). Wenn überhaupt, dann besingt man die Nachspeise (man denke an zahlreiche Eis-Lieder oder den Udo Jürgens Hiterfolg “Aber bitte mit Sahne”, 1976) und meint dabei gerne etwas Anderes (siehe auch “Ich will keine Schokolade” von Trude Herr, 1959). Getränke werden indes gern besungen (“Erst ein Cappuccino”, “Der Kaffee ist fertig”, “Karambo karacho ein Whisky”, “Der Wein von Samos”). Es wird ferner gefrühstückt (“Himbeereis zum Frühstück”, “Breakfast in America”, 1979), man trifft sich zum Dinner, geht fein essen (Lucilectric: “Mädchen”, 1993) oder lässt sich Milch liefern (Herman’s Hermits, 1966, “No Milk Today”).

Doch gilt für das Thema Essen eben nicht, was Stephan Remmler treffend mit “Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei” (1986) besingt. Wo es im Volkslied nicht so ungewöhnlich erscheint, dass das Backen thematisiert wird (Kinderlieder wie “Backe, backe Kuchen” oder “In der Weihnachtsbäckerei”, siehe aber auch “Nussecken” bei Guildo Horn in “Guildo hat euch lieb”, 1998, oder “wenn wir sie besuchten, roch es schon nach Kuchen” in Karel Gotts “Babička”, 1979) oder in der Tradition der Minnelyrik auch im anspruchsvollen Lied und in der Klassik alle möglichen Früchte auftauchen, so beißt sich die Sehnsucht des üblichen Liedinhalts mit der alltäglichen Banalität der Nahrungsaufnahme. Schon das Brot kommt nur selten vor (Hans Hartz in “Die weißen Tauben sind müde”, 1982: “ab morgen gibt’s statt Brot nur Wein”), Butter ist gar noch seltener (Niemann, “Im Osten”, 2001: “Dass die Butter hier mehr nach Butter schmeckt”). Hinzu kommt der relativ geringe Stellenwert, den das Essen in Deutschland, mehr noch in den angloamerikanischen Ländern und in Nordeuropa, einnimmt, während im Süden Europas, in Asien und auch in Lateinamerika Nationalgerichte eine wichtigere kulturelle Rolle spielen. Nur dort, wo gleichsam Bierseligkeit und Brotzeit romantisch verklärt werden, oder wo in satirischer Manier (Reinhard Meys “Heiße Schlacht am kalten Büffet”, 1970) übertriebene Kulinarik bzw. manierenloses Verhalten aufs Korn genommen wird, funktioniert Essen auch im populären Song. Wo Peter Alexander “Die kleine Kneipe” (1976) schildert, dort gibt es in der kleinbürgerlichen Welt eben nur schlichtes Essen: “Wer Hunger hat, der bestellt Würstchen mit Kraut, weil’s andere Speisen nicht gibt.” Nur wo ausnahmsweise im Musical als Figuren ein Milchmann (Anatevka) oder in “Excerpt from a Teenage Opera” die Figur des Lebensmittelhändlers Grocer Jack (Keith West, 1967) behandelt werden, können eben auch Milch und andere Naturalien auftauchen (“No milk, no eggs, no marmalade labels”).

 

IV. Rezeption

LEBERKÄS MIT EI ist insofern als Dauerbrenner zu bezeichnen, als im Nachgang andere bayerisch-österreichische, meist weniger professionelle Songaufnahmen entstanden, die mit dem Leberkäse immer auch Bezug auf Hansis Song nehmen: Guido ft. Pizzaboy, Bada X AKZSZ, Austria Einz, Die Spritbuam, Die 3 lustigen Moosacher, DJ Wurstwampe, Hanse Schoierer, Mc Afaci und Emir sind auf der Website www.hektar.at als die ‘besten’ “Leberkas-Songs” aufgelistet. Goletz lieferte mit “Auf a’m Banandendampfer gibt’s keinen Leberkäs”, 2012, einen Wiesn-Hit, und die selbsternannten Volksmusik-Hits-Sänger Kaos-Duo gaben “Ich ess gern Leberkäs” und “Leberkäs mit Kauffmann Senf” zum Besten.

 

Christoph Oliver Mayer


Credits

Musik/Text: Hansi Goldfuß, Jörg Evers
Produktion: Jörg Evers, Hansi Goldfuß

Recordings

  • Hansi: Leberkäs mit Ei, 1983, Mercury 6005 274, Germany (Single).

About the Author

PD Dr. Christoph Oliver Mayer teaches Romance Studies at the TU Dresden.
All contributions by Christoph Oliver Mayer

Citation

Christoph Oliver Mayer: “Leberkäs mit Ei (Hansi)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://www.songlexikon.de/songs/leberkaes-mit-ei, 06/2025.

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