1956
Boris Vian

Le Déserteur

Ein simples Chanson genügte Boris Vian, die Welt in Aufruhr zu versetzen: LE DESERTEUR ist ein antimilitaristisches Stück, in dem Vian dem französischen Präsidenten in Briefform seine Kriegsdienstverweigerung mitteilt. Das Lied erfuhr Zensur und Boykott und wird heute als Protestsong schlechthin angesehen.

 

I. Entstehungsgeschichte

Das antimilitaristische Chanson LE DESERTEUR stammt aus der Feder des vielseitigen französischen Künstlers Boris Vian (1920–1959). Vian schuf LE DESERTEUR als klassischer Auteur-Compositeur-Interprète, Harold Berg unterstützte ihn beim Harmonisieren der Melodie. 1954 trat Boris Vian mit dem Chanson an die Öffentlichkeit. Obwohl der schüchterne Künstler schon in einer Reihe von Filmen kleinere Rollen gespielt hatte, musste er für öffentliche Auftritte viele Hemmungen überwinden (vgl. Völker 1989: 115) und wagte anfangs nicht, den DESERTEUR selbst zu interpretieren. Vian bot mehreren Künstlern an, sein Chanson zu singen; nur der bekannte Chansonnier Mouloudji war interessiert. Mouloudji störte sich jedoch an einigen Textpassagen und änderte sie mit der Zustimmung Vians leicht ab. Die Ansprache “Monsieur le Président” wurde durch das harmlosere, weil vage “Messieurs qu’on nomme grands” ersetzt (vgl. Mathis 1984: 120). Genauso wurde “ma décision est prise, je m’en vais déserter” zu “les guerres sont des bêtises, le monde en a assez”. Vor allem die letzten vier Verse des Chansons (“Si vous me poursuivez / Prévenez vos gendarmes / Que j’emporte des armes / Et que je sais tirer”) waren Moudjouli ein Dorn im Auge. Er sah ein Paradox im bedrohlichen Ende dieses eigentlich pazifistischen Lieds und modifizierte es: “Si vous me poursuivez, prévenez vos gendarmes, que je n’aurai pas d’armes, et qu’ils pourront tirer”. Mouloudji nahm LE DESERTEUR in sein Repertoire auf und sang es zum ersten Mal am 8. Mai 1954 im Théatre de l’Oeuvre in Paris. Das Publikum schien das Chanson zu mögen, Mouloudji interpretierte es von nun an regelmäßig auf der Bühne (vgl. Boggio 1993: 404–405). Am 14. Mai 1954 spielte Mouloudji diese erste abgemilderte Version des Chansons auf einer 78er Schallplatte der Marke Philips ein.

Ein Jahr später wurde der französische Musikproduzent Jacques Canetti auf Boris Vian aufmerksam und hatte den Wunsch, ihn persönlich kennenzulernen. Vian, der mittlerweile mit dem Gedanken spielte, eine Reihe seiner jüngst entstandenen Lieder selbst vorzutragen, wurde von Canetti dazu ermutigt, im Rahmen seiner Variétés-Programme in seinem Kabarett Les Trois Baudets in Paris aufzutreten. Als erfahrener Jazztrompeter waren Vian Showeinlagen zwar nicht fremd, doch als Chansonnier musste Vian ohne jegliches Requisit auskommen. Vian erarbeitete sich eine bescheidene und auf inhaltlichen Aspekten beruhende Vortragstechnik. Seine fast schon schamvolle, hochkonzentrierte Bühnenpräsenz und seine knappen sarkastischen Kommentare bewirkten ein engagiertes Mitgehen des Publikums (vgl. Völker 1989: 114–115). Einige Monate lang trat Vian fast jeden Abend im Kabarett Les Trois Baudets auf. Im Sommer 1955 veranstaltete Canetti eine Tournee durch Europa mit dem Programm “Die täglichen Aufzeichnungen des Major Thompson”, in das ein Zwanzig-Minuten-Auftritt für Vian eingebaut war (vgl. ebd.). Die musikalische Begleitung übernahm Jimmy Walter mit Orchester. Vian sang den ursprünglichen Text, seine endgültige Version behielt jedoch die pazifistischen Schlussverse Moudjoulis bei.

Am 22., 27. und 29. April 1954 nimmt Boris Vian LE DESERTEUR gemeinsam mit weiteren antimilitaristischen Titeln auf einer 45er Schallplatte von Philips auf. Die im Apollo-Tonstudio in Paris produzierte Schallplatte trägt den Namen Chansons Possibles et Impossibles (vgl. Simsolo 1999: 86). Zeitgenossen Vians wie Georges Brassens oder Leo Ferré finden anerkennende Worte für den Künstler; der junge Lucien Ginsbourg, der später als Serge Gainsbourg berühmt werden sollte, erklärt gar, er habe erst durch Vian angefangen sich für das Genre des Chansons zu interessieren (vgl. Juillard 2007: 289). Trotzdem verkauften sich anfangs nicht mehr als 2000 Exemplare der Schallplatte.

 

II. Kontext

Das Chanson LE DESERTEUR entstand in einer Periode kriegerischer Auseinandersetzung. Das französische militärische Engagement im südostasiatischen Festland sowie der Algerienkrieg waren Ereignisse, die den Künstler Vian dazu veranlassten, Partei zu ergreifen und seine Kunst zu politisieren (vgl. Völker 2001: 17). LE DESERTEUR ist dem Genre des “Chanson Engagée” zuzuordnen und stellt damit eine politische Manifestation dar. Moudjouli singt LE DESERTEUR erstmalig just am Tag, an dem Frankreichs Militär in Diên Biên Phu eine herbe Niederlage erlitt. In Indochina tobte zwischen Frankreich und der “Liga für die Unabhängigkeit Vietnams” ein von 1946 bis 1954 andauernder Krieg mit hunderttausenden Opfern. Frankreich kämpfte angesichts militanter Aufständischer für die Erhaltung seiner Kolonialmacht. Die verlorene Schlacht in Diên Biên Phu bedeutete für Frankreich jedoch eine unerwartete Niederlage, die die französische Kolonialherrschaft in Südostasien beendete. Frankreichs Außenminister Pierre Mendès-France handelte bei der Genfer Indochina-Konferenz im April 1954 einen sofortigen Waffenstillstand aus und setzte sich für ein Ende jeglicher kolonialer Aktivität Frankreichs in Afrika ein.

Kurz nach Veröffentlichung von LE DESERTEUR bahnte sich in Algerien ein weiterer Kolonialkrieg an. Diese historisch-politischen Umstände brachten Vian dazu, im DESERTEUR seine tiefe Abscheu Krieg gegenüber publik zu machen; LE DESERTEUR ist seitdem zur emblematischen Hymne von Pazifisten geworden (vgl. Simsolo 1999: 85).

 

III. Analyse

Im DESERTEUR wendet sich das lyrische Ich in Form eines offenen Briefes an den Präsidenten der Republik, die oberste staatliche Gewalt Frankreichs. Zur damaligen Zeit bekleidete René Coty dieses Amt. Die zwei präsenten Gesprächspartner beziehen gegensätzliche Positionen: Während der Hörer das lyrische Ich als fühlend und leidend wahrnimmt, ist das Bild des Präsidenten – als offizielle Verfügungsgewalt über die Macht – durch Distanz zur Realität geprägt (vgl. Mathis 1984: 124). Durch die direkte Ansprache “Monsieur le Président” und die häufige Verwendung von Personalpronomen manifestiert sich eine starke Präsenz beider Gesprächsteilnehmer im Text, die deren konträre Grundeinstellung bzw. Weltanschauung plastisch macht. In den Strophen 3 und 11 fällt der direkte Appell an den Präsidenten mit den brisanten Stellen der Kriegsdienstverweigerung zusammen, der hierdurch mehr Schärfe und Eindringlichkeit erfährt. Der Brief ist in zwölf einfachen Vierzeilern geschrieben und in drei Strophen unterteilt. Form und Aufbau des Chansons nutzt Vian, um dem Präsidenten – und noch mehr dem Hörer – seine Motivation so überzeugend wie möglich darzustellen. Die klassische Strukturierung in drei argumentative Abschnitte ‒ einleitende Skizzierung, anschließende Darlegung der Beweggründe und finale Präzisierung mit einer verbalen Attacke auf den Präsidenten – erlauben Vian eine schlüssige argumentative Steigerung.

An mehreren Stellen des Textes sind vermeintlich neutrale Formulierungen vorzufinden. Dies wird deutlich etwa in der ironisch ausgedrückten Hoffnung, der Präsident würde den Brief tatsächlich lesen. In Wirklichkeit wird jedoch impliziert, dass das Volk und seine Wünsche für den Präsidenten nebensächlich sind. Dasselbe Phänomen lässt sich in Strophe Zwei feststellen, “wo die lakonische Feststellung der Kurzfristigkeit der Einberufung auf eine gezielte Überrumpelungstaktik schließen lässt” (Mathis 1984: 124). Dem Protagonisten ist kein Spielraum zum Denken gewährt. Genauso täuschend sachlich erscheint die Stellungnahme in Strophe Vier und Fünf: “Monsieur le Président / Je ne veux pas la faire / Je ne suis pas sur terre / Pour tuer de pauvres gens. […] Je m’en vais déserter.” Dieser erste Höhepunkt des Chansons, in dem das lyrische Ich seine Kriegsdienstverweigerung ankündigt, zeigt mit seiner Direktheit und Einfachheit, ja sogar unterschwelligen Aggression die Diskrepanz zwischen Scheinhöflichkeit und wahrer Intention des Ich (vgl. ebd.); “Tuer” und “Président” werden in gedankliche Beziehung gesetzt, was den Präsidenten als Urheber von Leid und Tod darstellt.

Im nächsten Abschnitt bezieht sich das lyrische Ich auf persönliche Erfahrungen in der Vergangenheit. Das präsente Motiv des Leides stützt auf emotionaler sowie argumentativer Ebene die Entscheidung des lyrischen Ichs, zu desertieren. Das Leidmotiv erfährt eine sukzessive Steigerung: Erst besingt der Protagonist die gefallenen Brüder und den toten Vater, dann die aus Trauer verstorbene Mutter, schließlich den Verlust seiner Frau als Kriegsgefangener. Der Verlust dieser wertvollen menschlichen Bezüge geht mit einem Identitätsverlust des Protagonisten (“On m’a volé mon âme”) einher, der aufgrund dieser Entwurzelung und Leere die Desertion als einzig logische Schlussfolgerung zulässt. Auffällig ist hierbei der sehr simple, anaphorische Satzbau (“On m’a volé”). Vian reiht die Verse ohne Satzverknüpfung aneinander und bedient sich sowieso nur ganz vereinzelt stilistischer Mittel; insofern ist das Gedicht im Stil der Alltagssprache gehalten. Dies führt zu einer Intensivierung und erhöhten Glaubwürdigkeit des Inhalts.

Der dritte Abschnitt zeichnet die Zukunft, die den Deserteur erwarten wird. Die Verbformen im Futur verdeutlichen seine unwiderrufliche Entscheidung, dem Kriegstreiben fernzubleiben. Bevor das Motiv der Verweigerung zum gedanklichen Höhepunkt kommt, vollzieht Vian einen Übergang vom isolierten Ich zum “nous”: Das lyrische Ich appelliert nun an die Gesamtheit des französischen Volkes, womit sich “eine Gefahr der Solidarisierung und Mobilisierung aller Gleichgesinnten” abzeichnet (ebd.: 125). Der vierfach tautologische Imperativ ist als offene Anweisung zu Ungehorsam und Desertion zu verstehen (“Refusez d’obéir / Refusez de la faire / N’allez pas à la guerre / Refusez de partir”). Dies stellt eine beachtliche Provokation dar, die den Zorn von Patrioten und Veteranen auf das Chanson in Teilen zu erklären vermag. Der unterschwellig herausfordernde und ironische Tonfall des Chansons erfährt seine Spitze in Strophe elf. Hier attackiert das Ich die Obrigkeit sarkastisch, indem es den Präsidenten zum Rollentausch auffordert. Die letzte Strophe verdeutlicht die Wehrlosigkeit und Unschuld des Ich, gleichzeitig aber auch eine verblüffende Selbstverständlichkeit, mit der das Ich dem Schicksal ins Auge blickt und selbst sein Leben zu opfern bereit ist.

Der Text ist in einem gewissen raumzeitlichen Rahmen verankert; “Les routes de France”, “Avant mercredi soir” oder etwa “le Président” zeigen dies. Der konkrete soziokulturelle Hintergrund eines verheerenden vergangenen und eines neuen, seine Schatten vorauswerfenden Krieges und des damit zusammenhängenden Leides verleihen dem Chanson seine große Aussagekraft (vgl. ebd.: 126). Nichtsdestotrotz ist im DESERTEUR eine Tendenz zur Anonymisierung und Generalisierung erkennbar, die das Chanson zu einer allgemeingültigen, zeitlosen Hymne macht; Vian spart vermutlich bewusst konkrete Angaben über Zeit, Krieg oder Identität des Präsidenten aus.

Auf formaler Ebene sind die extreme Regelmäßigkeit sowie das Fehlen des Refrains auffällig. Auch die Isometrie der strikt sechssilbigen Verse trägt zu Spannungsanstieg und Progression der Argumentation bei. Das dreihebige jambische Versmaß wird durch den punktierten Rhythmus der Singstimme unterstrichen. Diese Regelmäßigkeit lässt sich auf zwei Weisen deuten: Sie vermittelt Ruhe und Beständigkeit, umgekehrt klingt in ihr aber auch benebelnde Monotonie eines Marschrhythmus an, “der sowohl Hilflosigkeit als auch Resignation zugrunde liegen können” (ebd.: 127). Zwei Abweichungen in der Reimumarmung des sonst einheitlichen umarmenden Reimschemas markieren die drei großen Textabschnitte. Vian setzt hinsichtlich Syntax vor allem auf Einfachheit und Verständlichkeit; Rekurrente Phänomene sind Anaphern und parallel gebaute Sätze, deren Wirkung durch koinzidierende Hebungen wie der in Strophe 3 auf “ne” und “pas” verstärkt wird – die Negation der Kriegsteilnahme wird unterstrichen.

Die musikalische Ebene und ihre dynamischen Wechselbeziehungen zum Text sind im DESERTEUR durchaus bemerkenswert. Jede Verszeile umfasst einen vollen Takt und jede Strophe beinhaltet einen in sich abgeschlossenen Melodieteil. Insgesamt ergibt sich in der musikalischen Form eine Vierteiligkeit mit dem Schema a-a-b-a; die ersten zwei Strophen haben dieselbe Melodie, in Strophe 3 beginnt ein neuer Melodieteil, der einen musikalischen und inhaltlichen Höhepunkt darstellt und in Strophe 4 wiederum in die Anfangsmelodie mündet. Ein solches Schema wird als Reprisenbarform bezeichnet. Die drei Abschnitte des Chansons folgen jeweils diesem Schema, instrumentale Zwischenspiele heben sie voneinander ab. Diese insgesamt monotone Abfolge geht mit der oben bereits erwähnten benebelnden Wirkung des Chansons einher. Auch strophenintern setzen Vian und Berg auf eine Komposition der Einfachheit und Redundanz. Das simple Motiv des zweiten Verses wird im jeweils folgenden Vers aufgegriffen und auf einer tieferen Harmoniestufe wiederholt; dasselbe geschieht in der musikalisch etwas modifizierten dritten Strophe, wo das simple Motiv lediglich vereinfacht wird, um anschließend ebenfalls auf einer tieferen Stufe wiederholt zu werden. Dieses simple musikalische Material, das sich konsequent im gesamten Chanson wiederholt, unterstreicht den Inhalt des Textes und lässt Raum für seine provozierende Grundaussage.

Die Begleitung des DESERTEUR in der Originalfassung übernahm Jimmy Walter mit seinem kleinen Orchester. Das Chanson ist für Klavier, Holzblasinstrumente, Trompete, Violine, Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug arrangiert. Auswahl und Einsatz der Instrumente sind bewusst sehr sparsam gewählt; die Violine untermalt die Darstellung des Leides, das Schlagzeug wird ab “Quand j’étais prisonnier” mit größerer Härte eingesetzt und spielt einen Marschrhythmus, um das schreckliche Schicksal des lyrischen Ichs zu evozieren. Vian gelingt es, “mit einer seltenen Einheitlichkeit von Text, Musik, Arrangement und Interpretation einen glaubwürdigen” und sensiblen Protest gegen den Krieg zu setzen (ebd.: 131).

 

IV. Rezeption

Als Mouloudji LE DESERTEUR sang, zeigte die breite Öffentlichkeit eine positive Resonanz. Die im Zuge des Indochinakriegs erlittenen Verluste bewirkten einen Stimmungswandel in der Gesellschaft und eine gewisse Skepsis dem Krieg gegenüber. Zusätzlich bot das Chanson aufgrund des von Mouloudji entschärften Textes weniger Angriffsfläche. Anders verhält es sich, als Vian selbst LE DESERTEUR interpretierte. In Paris schien die schnörkellose und introvertierte Vortragstechnik Vians bei großen Teilen des Publikums Anklang zu finden; bei der Tournee im Sommer 1955 kam es jedoch in einigen Städten der französischen Provinz zu Buhrufen und Protestaktionen gegen den Auteur-Compositeur-Interprète, als dieser das Lied vom DESERTEUR sang (vgl. Völker 2001: 21). Nach den Vorstellungen diskutierte er einige Male mit denen, die für feindliche Stimmung gesorgt hatten, seine unkriegerische Haltung (vgl. Völker 1999: 115).

Wendepunkt der Tournee war Vians Auftritt in Nantes 1955. Seit diesem Auftritt folgte eine Gruppe älterer Herren Vian jeden Abend an die Orte seiner Darbietungen mit dem Ziel, diese zu stören. Als Vian die Bühne betrat, begannen sie ihn johlend und kreischend zu übertönen, ihn am Singen zu hindern. In Dinard skandierte die Gruppe, deren Anführer der Bürgermeister dieser Stadt war: “Nach Russland! Nach Russland!” Die Störenfriede hielten Vian in einer Zeit eines antikommunistischen Klimas aufgrund seines Vornamens für einen Russen. Schnell war klar: Es handelte sich um Kriegsveteranen, die sich in ihrem Vaterlandsstolz verunglimpft fühlten (vgl. Boggio 1993: 416–417). Das Chanson wurde von den Militärs so entschieden abgelehnt, da der Verfasser destruktiv argumentiere, “wie ein trotziges Kind, dem Begriffe wie Bürgerpflicht, Patriotismus keinen Eindruck machen können” (Völker 2001: 21). In den Augen der radikalen Linken dahingegen war das Chanson damals nicht engagiert genug; doch für Vian war allein die Entscheidung nicht am Krieg teilzunehmen wichtiger als der Protest gegen ihn (vgl. ebd.).

LE DESERTEUR wurde dank der feindlichen Interventionen der Veteranen schlagartig berühmt, regionale und nationale Zeitungen berichteten über den Skandal. Paul Faber, ein Mitglied des Rates des Departements Seine und selbst ein Veteran, forderte erfolgreich das Sendeverbot des Liedes im Radio; gleichzeitig wurde der Verkauf des Chansons verboten und Vian enttäuscht über den sich einstellenden Misserfolg (vgl. Juillard 2007: 300). Bis Ende des Algerienkrieges 1962 währte die Zensur und ließ den DESERTEUR allmählich in Vergessenheit geraten. Doch in den 60er Jahren erfuhr das Chanson im Rahmen des Vietnamkriegs nach Vians Tod 1959 eine posthume Wiederbelebung. Peter, Paul and Mary machten es in einer zweisprachigen Version zum berühmten Protestsong gegen den Vietnamkrieg und trugen so maßgeblich zu seiner umfassenden Popularisierung bei. Seitdem hat sich das Chanson zur antimilitaristischen Hymne schlechthin entwickelt und wurde etliche Male neu interpretiert, darunter von Joan Baez, Richard Anthony, Serge Reggiani, Renaud und Wolf Biermann.

 

JONATHAN MÜLLER


Credits

Vocals: Boris Vian
Orchestra: Jimmy Walter und Ensemble
Music: Boris Vian und Harold Berg
Writer/Songwriting: Boris Vian
Label: Philips
Published: 1956
Length: 03:32

Recordings

  • Boris Vian. “Le Déserteur”. On: Chansons “Possibles” et “Impossibles“, 1956, Philips, N 76.042 R, France (Vinyl/Album).
  • Mouloudji. “Le Déserteur”. On: Le Déserteur, 1964, Disques Mouloudji, France (Vinyl/Album).

Covers

  • Joan Baez. “Le Déserteur”. On: Tournée Européene, 1980, Portrait, 40-84791, France (Kassette/Album).
  • Peter, Paul And Mary. “Le Deserteur”. On: In Concert, 1964, Warner Bros. Records, WS 1555 (1-2), Germany (Vinyl/Album).
  • Renaud. “Déserteur”. On: Morgane de Toi…, 2000, Polydor, 815 300-2, France (CD/Album).
  • Richard Anthony. “Le Déserteur”. On: Disque d’Or, 1978, Pathé Marconi EMI, 2C 064-16049, France (Vinyl/Kompilation).
  • Serge Reggiani. “Le Déserteur”. On: Le Déserteur, 1968, Sonoplay, SBP-10098, Spain (Vinyl/Album).
  • Wolf Biermann. “Der Déserteur”. On: Der Deserteur, 1983, Musikant, 1c 006 20 00398 7, Germany (Vinyl/Single).

References

  • Boggio, Philippe: Boris Vian. Paris: Flammarion 1993.
  • Julliard, Claire: Boris Vian. Paris: Gallimard 2007.
  • Mathis, Ursula: Le Déserteur von Boris Vian. Eine Fallstudie zum französischen Chanson. In: Sprachkunst. Beiträge zur Literaturwissenschaft 15 (1984), 118–133.
  • Saka, Pierre: La Grande Anthologie de la Chanson Française. Paris: Librairie Générale Française 2001.
  • Simsolo, Noël: Boris Vian. L’hymne de la Désobéissance. In: Magazine Littéraire. Ernest Hemingway 377 (1999), 85–88.
  • Vian, Boris: Der Deserteur. Chansons, Satiren und Erzählungen. Berlin: Wagenbach 2001.
  • Völker, Klaus: Boris Vian. Der Prinz von Saint-Germain. Berlin: Wagenbach 1989.

About the Author

Analysis written in a course of Dr. Hartmut Nonnenmacher at the University of Freiburg.
All contributions by Jonathan Müller

Citation

Jonathan Müller: “Le Déserteur (Boris Vian)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://songlexikon.de/songs/le-deserteur/, 06/2021.

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