Der Song JE VEUX verschaffte 2010 der Sängerin Zaz, gebürtige Isabelle Geffroy, den großen Durchbruch in Europa und sorgte in Frankreich, aber auch in vielen anderen Ländern, für ein Wiederaufleben des französischen Chansons und dem damit verbundenen Lebensgefühl des Savoir-vivre.
I. Entstehungsgeschichte
Das Album ZAZ und der darin enthaltene Song JE VEUX wurden im Jahr 2010 zum ersten Mal veröffentlicht. Es war Kerredine Soltani, der die Sängerin Isabelle Geffroy als erster entdeckte und somit den Beginn ihrer Karriere als internationale Sängerin ermöglicht hat. Das Debütalbum ZAZ wurde von ihm unter dem Label Play On produziert. Außerdem wurde die Hitsingle JE VEUX von ihm geschrieben und komponiert (vgl. Narcis 2018: 667).
Die Entstehungsgeschichte der Single und auch des Albums ist eher untypisch für eine Newcomerin. Die 1980 in Tours geborene Französin war bereits 30 und nicht neu in der Musikszene, als sie durch nur ein Album zuerst in Frankreich und daraufhin weltweit bekannt wurde. Isabelle Geffroy träumte bereits als Kind von einer Karriere als Sängerin. Obwohl ihr Umfeld versuchte, sie von diesem Berufswunsch abzubringen, war für sie schnell klar, dass es das Einzige ist, was für sie Sinn ergeben würde: im beruflichen sowie auch im privaten Leben (vgl. Dallach 2011). Ihre musikalische Ausbildung in Musikgeschichte, Geige, Klavier und Gitarre begann als Kind an dem Konservatorium von Tours und später wurde sie als junge Erwachsene am Konservatorium von Bordeaux angenommen (vgl. Narcis 2018: 665). Parallel zu ihrer klassischen Ausbildung ließ sich Zaz von weiteren Musikrichtungen inspirieren “und sang gleichzeitig in einer Latin-Band, einer Jazz-Band und einer Blues-Gruppe” (Hummel 2019). Nach der Zeit in Bordeaux bereiste die junge Sängerin die Welt und ging dorthin, wo sie als Musikerin und Sängerin Arbeit und Inspiration fand. Unter anderem tourte sie mit einem Tanzorchester aus dem Baskenland, erprobte sich im Kabarett und arbeitete breitflächig von Ägypten über Russland bis nach Asien (vgl. Anonym 2012). Zwischendurch, im Jahr 2007, zog sie nach Paris, wo sie zwischen den Auslandsaufenthalten und bei finanziellen Engpässen auf den Straßen von Montmartre auftrat (vgl. Narcis 2018: 667). Es war zu der Zeit, als sie die Bekanntschaft mit ihrem späteren Produzenten und Manager ihres Debütalbums machte: Zaz stieß online auf eine Annonce von dem französischen Sänger, Songschreiber und Komponisten Kerredine Soltani, der auf der Suche nach einer rauen und rockigen Frauenstimme war und fühlte sich direkt angesprochen. Der Sänger war unmittelbar von dem Talent und der Einzigartigkeit ihrer Stimme überzeugt und bot ihr kurze Zeit später die Arbeit an einem gemeinsamen Album an (vgl. Hummel 2019). Während der Produktionsdauer von drei Jahren konnte Zaz ihr musikalisches Wissen und ihre vielseitige Ausbildung anwenden und schrieb nicht nur das Lied “Trop sensible” selbst, sondern war ebenfalls beteiligt an der Komposition von “Les passants”, “ Le long de la route”, “Prends garde à ta langue”, “J’aime à nouveau” und “Ni oui ni non”. Des Weiteren wurde auch der Popsänger Raphaël Haroche auf die Newcomerin aufmerksam und produzierte mit ihr die Lieder “Éblouie par la nuit”, “Port Coton” und “La fée” des Debütalbums (vgl. Narcis 2018: 667). Nach drei Jahren im Studio wurde schließlich im Mai 2010 zuerst die digitale Version der Hit-Single JE VEUX veröffentlicht und im darauffolgenden Monat gab es das dazugehörige Album ZAZ als CD im Handel zu kaufen (vgl. Hung o. J.). Im Anschluss an die Single kam das vierminütige Musikvideo von JE VEUX am 10. Mai 2010 heraus (vgl. IMDb o. J.) und die außergewöhnliche Stimme des neuen Chanson-Stars bekam ein Gesicht. Zaz wurde zu dem Zeitpunkt eine offiziell anerkannte Interpretin und Performerin in der Musikindustrie.
II. Kontext
Der Song JE VEUX hat Zaz zu ihrem Durchbruch als erfolgreiche Sängerin verholfen und wird bis heute mit der wahren Isabelle Geffroy gleichgesetzt. In dem Lied geht es um die Einfachheit des Lebens, die kleinen Dinge, die mehr zählen als alle Luxusartikel und Statussymbole zusammen. Die Fusion des Textes und die im Musikvideo raffiniert angepasste Schlichtheit der Darstellung der Interpretin und der Kulisse erzeugten im Allgemeinen vermehrt die Annahme, dass die gebürtige Isabelle Geffroy aus eher einfachen Verhältnissen stammen würde. Besonders zu Beginn einer Karriere hat die Inszenierung einer Person des öffentlichen Lebens viel Macht über die Wahrnehmung seitens der Außenwelt. Im Fall von Zaz und ihren Anekdoten über die Zeit, in der sie als Straßenmusikerin durch Paris gewandert ist, hat dies darin resultiert, dass ihr Song JE VEUX in den Medien einerseits als eine Rebellion gegen Konsumismus und Materialismus dargestellt und andererseits mit ihrem persönlichen soziokulturellen Hintergrund und ihren politischen Ansichten gleichgesetzt wurde. Die Sängerin hat daraufhin in Interviews klargestellt, dass sie zwar aus einem gutbürgerlichen Haushalt stammt, aber die Werte in dem Lied dennoch mit ihren eigenen Lebenseinstellungen übereinstimmen. Sie selbst beschreibst sich als eine rebellische Person, die sich dafür entschieden hat, ihre Leidenschaft nicht nur zu ihrem Beruf, sondern auch zu ihrem Lebenssinn zu machen. Trotz des plötzlichen und auch finanziell sehr großen Erfolges bleibt die Sängerin weitgehend ihren Werten des einfachen Lebens und denen einer Weltenbummlerin treu (vgl. Dallach 2011). Wie viel davon ihrer wahren Person entspricht oder auch eine Form der Darstellung ihres Charakters als Performerin und Interpretin ist, bleibt offen (vgl. Auslander 2004: 6–7).
Der ‘realen’ Person Isabelle Geffroy zufolge hatte sie es als junger Mensch nicht einfach. Sie war ein sehr aktives und lautes Kind, das schon früh seine Stimme einsetzte und damit bei seinen Eltern und in der Schule aneckte. Lange hatte sie das Gefühl, sie würde einfach nicht ins System passen. Die Musik war von Anfang an ihre Art, sich auszudrücken und sich einen Weg durch das Leben zu bahnen, bis sie schließlich auf Kerredine Soltani stoß und JE VEUX entstand (vgl. Hummel 2019). Es ist ein Zusammenspiel aus dem Text, der Erscheinung, der außergewöhnlichen Präsenz und Energie der Sängerin sowie der kraftvollen Stimme, das dem Lied eine besondere Wirkung verleiht und beim Publikum potenziell ein Gefühl des Aufschwungs, der Auflockerung des Alltags und der Besinnung auf das wirklich Wichtige erzeugt. Somit bedient es Bedürfnisse, nach denen sich die Menschen in der Konsumgesellschaft vermehrt sehnen. Es ist ein Lied entstanden, das zu dem im gleichen Jahr in Frankreich und anschließend international erschienenen Essays Empört Euch (Rühle 2014) passt, die soziale, politische und wirtschaftliche Unzufriedenheit vieler Menschen spiegelt und gleichzeitig zu einem Umdenken und Eigeninitiative motiviert. In dem Lied ist die Sehnsucht nach der Freude und der Liebe am Leben elementar und das ist es auch, was das Lied universell verständlich macht und die Menschen unabhängig von ihrem kulturellen oder sozialen Kontext berührt und zusammenbringt. Die Erfolgsgeschichte des Songs hat dementsprechend auch mit dem Inhalt zu tun, der weltweit bekannt ist und im Zeitalter der Globalisierung weltweit die Menschen betrifft.
III. Analyse
Zaz und ihre Musik sind schwer einzuordnen. Aufgrund ihrer vielseitigen und langjährigen Erfahrungen mit unterschiedlichsten Musikrichtungen bereits vor ihrer Bekanntschaft mit Kerredine Soltani fließen in dem Debütalbum ZAZ und der Single JE VEUX unterschiedliche Genres zusammen. Der Musikstil der französischen Sängerin wird oft als eine Melange aus französischem Chanson, US-amerikanischen Blues und Latin Jazz angesehen (vgl. Schwilden 2013). Gleichzeitig entsprechen die Inszenierung und die Vermarktung der Interpretin den ästhetischen Normen der Popmusik.
Der Song JE VEUX wirkt auf den ersten Blick eher einfach komponiert. Der Aufbau des Textes und auch die Melodie entsprechen einem klassischen Popsong, in dem sich der Refrain bei einer Länge des Liedes von 03:38 Minuten viermal wiederholt und unverkennbar das Zentrum des Stücks ausmacht, was der Wiedererkennung zuträglich ist. Der Rhythmus ist körperlich animierend und die verschiedenen Instrumente, die immer an unterschiedlichen Abschnitten mal mehr, mal weniger rauszuhören sind, erinnern sehr an den “Gypsy”-Jazz. Textlich steht die Freude am Leben im Zentrum. Im Refrain heißt es: ‘‘Donnez-moi une suite au Ritz, je n’en veux pas. / Des bijoux de chez Chanel, je n’en veux pas! […] Je veux d’l’amour, d’la joie, de la bonne humeur” (Schwilden 2013). Das lyrische Ich wünscht sich weder ein Jetset-Leben noch irgendwelche Luxusartikel, sondern nur die einfachen Dinge und die besonderen zwischenmenschlichen Momente. Lebensnah wird die Ablehnung von Statussymbolen in dem Text durch Metaphern wie die Suite im Ritz oder der Schmuck von Chanel veranschaulicht (vgl. Friedrich 2010: 47). Um die Wichtigkeit dieser Zeilen gleichsam zu unterstreichen und mehr Aufmerksamkeit auf sie zu richten, gewinnt die stimmliche Darbietung kurz vor dem Refrain an Intensität, um schließlich die Kernaussage des Liedes in aller Deutlichkeit hervortreten zu lassen. Überhaupt dürfte es vor allem die unverkennbare Stimme von Zaz gewesen sein, die das Lied innerhalb kürzester Zeit und in vielen Ländern – auch in jenen, wo Französisch keine Amtssprache ist – zum Sommerhit 2010 gemacht hat. Isabelle Geffroys Stimme ist rau, manchmal sogar kratzig. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Stimme wird Geffroy immer wieder mit der französischen Musiklegende Édith Piaf verglichen und für das Comeback des französischen Chansons gefeiert (vgl. ebd.).
Die visuelle Inszenierung von Zaz und der Hitsingle im Musikvideo rundet das “Gesamtpaket” der von den gesellschaftlichen Erwartungen befreiten jungen Frau ab. Dort wird die besungene Einfachheit des Lebens widergespiegelt, indem die Interpretin in lockerer Kleidung zwar in einem schicken Zimmer mit antiken Möbeln aufwacht, dann aber singend durch die Straßen von Paris läuft und immer wieder an Straßenmusiker:innen entlang tanzt, die sie im Hintergrund begleiten. Anstatt die Luxusartikel, von denen gesungen wird, zu zeigen, umarmt sie Fußgänger:innen, simuliert mit der Hand das Spiel einer Trompete und tritt am Ende in einer alten Kneipe auf.
Das Plattencover ist in einem ähnlichen Stil gehalten: Zaz sitzt auf dem Bordstein vor einer Garagentür, die mit ihrem Künstlernamen (der auch der Albumtitel ist) besprayt ist, und schaut in die Ferne. Sie trägt ein Tuch in den Haaren, was zu einem ihrer Markenzeichen gehört, ein schwarzes Top und eine weite karierte Hose. Die gesamte Inszenierung der jungen Künstlerin wirkt ungeplant und ohne großen Aufwand, wie es auch oft im Jazz der Fall ist. Es wird der Anschein vermittelt, als würde die Kamera sie in ihrem alltäglichen Leben einfangen und sie genauso darstellen wie sie eben ist: einfach, echt und glücklich ohne viel schmückendes Beiwerk. Dies sollten letztlich auch die tragenden Elemente ihres Star-Images werden.
IV. Rezeption
Das Album und die Single wurden quasi über Nacht erfolgreich. Letztere wurde mit doppeltem Platin in Frankreich ausgezeichnet; der Song gewann die Auszeichnung für den “Revelation Song” (Narcis 2018: 667) im Jahr 2010 der Académie Charles Cros in Paris, die in Frankreich einem Grammy gleichkommt. Das Album und die Single JE VEUX haben in kürzester Zeit an Reichweite gewonnen, indem die Sängerin in der Fernsehsendung Taratata auftrat und daraufhin wiederkehrend in Radio und Fernsehen zu hören und zu sehen war. Durch die große Nachfrage kam es noch im gleichen Jahr zu einer Tour in Frankreich und Europa sowie im frankophonen Teil von Kanada (vgl. ebd.). Viele wollten die imposante und mitreißende Chanson-Stimme der Moderne hören und sich gewissermaßen von dem positiven Lebensgefühl anstecken lassen.
Auch wenn sich die Französin in ihrem Heimatland aufgrund des Songs und des Textinhalts immer wieder der Kritik ausgesetzt sah, dass sie mittlerweile selbst zu den “Reichen und Schönen” dieser Welt gehöre und ihr Image nicht mehr authentisch sei, konnte sich der Hype um Zaz schnell nach Deutschland ausweiten, was vermutlich auch darin begründet war, dass das französische Chansons mit gewissen Klischees behaftet war (und nach wie vor ist), welche von Zaz bedient wurden (vgl. Hörner/Mathis-Moser 2014: 7). In Deutschland hatte sie auch ihren ersten Auftritt abseits der Heimat. Die Interpretin fühlt seitdem eine besondere Verbindung zu deutschen Fans und das Interesse in Deutschland an der französischen Chanson Sängerin scheint einigermaßen stabil (vgl. Anonym 2016). Mit JE VEUX schuf Zaz einen internationalen Erfolgshit (vgl. Rühle 2014).
THERESA TRIPLER
Credits
Drums, Tambourin: Bruce Cherbit
Contrabass: Antoine Reininger
Acoustic Guitar: Fred Lafage
Electric Guitar: Alban Sautour
Vocals: Isabelle Geffroy
Music/Writer/Songwriting: Kerredine Soltani
Producer: Kerredine Soltani, Alban Sautour
Label: Play On
Recorded: Tryss, Studio Audiolane
Mixed: Laurent Binder, Studio Question au Son
Published: 2010
Length: 3:38
Recordings
- Zaz. “Je Veux”. On: ZAZ, 2010, Play On, 88697667032, France (CD).
References
- Anonym: Zaz fühlt besondere Verbindung zu deutschen Fans. In: zeit-online, 24.06.2016. URL: https://www.zeit.de/news/2016-06/24/leute-zaz-fuehlt-besondere-verbindung-zu-deutschen-fans-24075603 [14.04.2025].
- Anonym: Zaz stellt sich vor. In: Augsburger Allgemeine, 09.05.2012. URL: https://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Musik-Zaz-stellt-sich-vor-id9432026.html [14.04.2025].
- Auslander, Philip: “Performance Analysis and Popular Music: A Manifesto”. In: Contemporary Theatre Review 14/1 (2004), 1–13.
- Dallach, Christoph: “Auf der Straße habe ich gelernt, wie man ein Publikum unterhält”. In: zeit-online, 14.04.2011. URL: https://www.zeit.de/2011/16/Traum-Zaz [14.04.2025].
- Friedrich, Thomas/Schweppenhäuser, Gerhard: Visuelle Rhetorik. In: Bildsemiotik. Basel: Birkhäuser 2010, 44–72.
- Hörner, Fernand/Mathis-Moser, Ursula: Einleitung. In: Das französische Chanson im Spiegel seiner medialen (R)evolutionen. Ed. by Fernand Hörner and Ursula Mathis-Moser. Würzburg: Königshausen & Neumann, 7–22.
- Hummel, Katrin: “Du musst dich selbst an die Hand nehmen”. In: faz.net, 12.01.2019. URL: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/zaz-ein-treffen-mit-der-franzoesischen-saengerin-in-paris-15973163.html [14.04.2025].
- Hung, Steffen: ZAZ-JE VEUX. In: hitparade.ch. URL: https://hitparade.ch/song/Zaz/Je-veux-692208 [14.04.2025].
- IMDb: Zaz: Je veux. In: imdb.de: URL: https://www.imdb.com/title/tt10038202/ [14.04.2025].
- Narcis, Stephane: ZAZ (1980-): [Isabelle Geffroy] Une artiste pas comme les autres. In: An Anthology of French and Francophone Singers from A to Z: “Singin’ in French”. Ed. by Michael Abecassis and Marcelline Block. Newcastle upon Tyne: Cambridge Scholars Publishing 2018, 665–670.
- Rühle, Alex: Euren Plunder brauch ich nicht. In: Süddeutsche Zeitung. URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/saengerin-zaz-euren-plunder-brauch-ich-nicht-1.2209698-0 [14.04.2025].
- Schwilden, Frédéric: Die fabelhafte Welt der Zaz. In: welt.de, 05.08.2013. URL: https://www.welt.de/print/welt_kompakt/kultur/article118692518/Die-fabelhafte-Welt-der-Zaz.html [14.04.2025].
About the Author
All contributions by Theresa Tripler
Citation
Theresa Tripler: “Je Veux (Zaz)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/je-veux, 06/2025.