1977 lieferte der Produzent Giorgio Moroder mit Donna Summers I FEEL LOVE seine Zukunftsvision der Musik und ein Bindeglied zwischen Kraftwerk und Techno.
I. Entstehungsgeschichte
Geschrieben wurde das 1977 veröffentlichte I FEEL LOVE von dem italienischen Produzenten Giorgio Moroder zusammen mit der Sängerin Donna Summer, die beide gemeinsam bereits zwei Jahre vorher mit “I Love To Love You Baby” einen weltweiten Diskomusik-Hit hatten. Produziert wurde der Titel von Moroder in seinem Münchner Tonstudio zusammen mit Pete Bellotte. Es war der letzte Titel auf Donna Summers Album I Remember Yesterday (1977); auf dieser Platte sollte jeder Titel ein anderes Jahrzehnt darstellen und der Diskomusiktitel I FEEL LOVE sollte die Zukunft repräsentieren. In der Diskomusik wurden neben Schlagzeug, Gitarre, Bass und Gesang auch weitere Instrumente wie etwa Streich- und Blasinstrumente zur Erzeugung eines vollen Klangbilds verwendet. Die Neuerung bei I FEEL LOVE war, dass hier ausschließlich mit Synthesizern gearbeitet wurde. Der Bass wurde mit einem modularen Moog-Synthesizer und mit diesem und anderen Moog-Synthesizern wurden weitere Klänge und das Schlagzeug erstellt (vgl. Buskin 2009).
II. Kontext
Die 70er Jahre waren insgesamt geprägt von zwei gegensätzlichen Tendenzen: einerseits der von verzerrten E-Gitarren geprägte Rock und Punk als Fortführung des Rock’n’Roll und andererseits die Diskomusik als im Studio produzierte Musik, die die Funktionalität als Tanzmusik deutlich hervorhob und auf hedonistischen Musikkonsum ausgelegt war. Die Diskomusik entstand Anfang der 70er Jahre vor allem von schwarzen Musikern und bei kleinen Labels. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre wurde die Diskomusik zunehmend kommerzialisiert und massentauglich gestaltet. Die Diskomusik lieferte eine Neuerung: sie veränderte die Musikproduktion, da nicht – wie bisher – eine live spielende Band im Vordergrund stand, sondern ein federführender Produzent, der sich die Musiker bei Bedarf ins Studio holte. Auch der Aufführungsort der Musik wurde von der Bühne in die Diskothek verlegt und die Klubkultur nahm ihren Anfang. In der Diskomusik generierte der DJ durch ineinander Überblenden der Titel und Angleichen des Tempos einen durchgängigen Rhythmus und ermöglichte so stundenlanges Tanzen. Intensiviert wurde die zum Tanzen animierende Wirkung der Musik durch hohe Lautstärke, Lichteffekte, repetitive Muster, druckvolle Klangbilder, Betonung des Bass und Rhythmus und zum Teil durch die Verwendung stimulierender Drogen. In diesem Umfeld entstand 1977 I FEEL LOVE. Durch die ausschließliche Verwendung elektronischer Klänge und dem tanzbaren repetitiven und im Vordergrund stehenden Rhythmus stellt es ein Bindeglied zwischen Kraftwerk und Techno dar. Kraftwerk präsentierten 1974 mit Autobahn eine der einflussreichsten Platten der Popgeschichte. Stilprägend waren die repetitiven Rhythmen und Melodien sowie die ausschließliche Verwendung von Synthesizern. Moroder kombinierte diese von Synthesizern geprägte Musik mit einem durchgängigen, tanzbaren sogenannten “Four-On-The-Floor”-Rhythmus (also einer Bassdrum auf jeder Zählzeit eines 4/4-Taktes) und stellte diesen in den Vordergrund, so dass eine tanzbare Variante der elektronischen Popmusik entstand.
III. Analyse
Das Stück beginnt mit einem klanglich modulierten Synthesizer-Flächenklang und nach wenigen Sekunden setzen die mit dem Synthesizer erzeugte Bassdrum, HiHat und Snare zusammen mit einem Basslauf und einem repetitiven 16tel-Synthesizerpattern ein, das zusätzlich durch einen Flanger/Chorus moduliert und teilweise im Stereopanorama bewegt wird. Der Rhythmus ist zwar noch nicht so basslastig und dick wie im Techno und House ab den 80er Jahren, aber zeigt die für diese Musik typischen Merkmale mit einer Four-On-The-Floor-Bassdrum und abwechselnd auf den Und-Zählzeiten (auf den Offbeat) gespielter HiHat. Das repetitive Pattern, der Basslauf und der Rhythmus erzeugen eine hypnotische und gleichzeitig nervöse, anregende Wirkung. Mit heutiger Hörerfahrung klingt der instrumentale Teil von I FEEL LOVE nicht ungewöhnlich, aber damals waren diese synthetisch-repetitiven Patterns nicht verbreitet und wirkten außergewöhnlich und neuartig. Unterstützt wurde dies durch die oft verwendete Bewegung der Klänge im Stereopanorama. Die Nutzung von Sequenzern wird durch die streng metronomische Anordnung ohne jegliche mikrorhythmische Abweichung deutlich und verursacht eine maschinenartige Wirkung. Zusätzlich wird unter anderem ein Synthesizer mit Filtermodulation eingesetzt (im Stereopanorama erst rechts, dann links), so dass ein volles, lebendiges und klanglich variiertes Klangbild entsteht. Insgesamt wird ausschließlich mit Synthesizerklängen ein ähnlich volles Klangbild wie in der mit traditionellen Instrumenten gespielten Diskomusik erzeugt. Die Bewegung im Stereopanorama wird insgesamt auffällig oft verwendet. In der ersten Strophe (die folgende Analyse bezieht sich auf die Album-Version) wird gegen Ende der Gesangsphrasen ein Halleffekt verwendet, was diesem Teil einen unrealen Charakter verleiht. Im Chorus kommt eine höhere zweite Stimme dazu und es werden sphärische Klangflächen unterlegt. In der zweiten Strophe wird als Steigerung zur ersten Strophe eine zusätzliche zweite Stimme hinzugefügt, dafür fehlt der Halleffekt am Ende der Phrasen. Im zweiten Chorus wird die HiHat auf den Und-Zählzeiten lauter, was die anregende Wirkung des Rhythmus verstärkt. Am Ende des zweiten Chorus wird der Gesang ausgeblendet und es folgt eine verhältnismäßig lange Bridge mit Bassdrum, dem Basslauf und dem 16tel-Pattern, dann setzt die durch einen Tonhöheneffekte veränderte Snaredrum ein (die Tonhöhe fällt bei jedem Schlag ab, was bei einer nicht-elektronischen Snare nicht vorkommt) und kann in diesem klanglich ausgedünnten Teil zur Geltung kommen, so dass dieser Teil fremdartig-elektronisch wirkt. Kurz darauf setzen wieder die HiHat (in 16teln im rechten und auf die Und-Zählzeiten auf dem linken Kanal) und verschiedene Synthesizerklänge ein und leiten in die dritte und letzte Strophe. Diese dritte Strophe ist als Steigerung dreistimmig gestaltet. Die Gesangsstimmen werden dabei im Stereopanorama angeordnet: die Hauptstimme befindet sich in der Mitte, die zweite Stimme links und die dritte rechts. Nach dem dritten und letzten Chorus folgt der Anfang der Bridge, der nach wenigen Sekunden ausgeblendet wird.
Das harmonische Material setzt sich aus der Dur-Akkordfolge A-C-D-E zusammen, wobei in der Strophe jeder Akkord mehrere Takte gehalten wird, so dass sich durch die aufsteigende Akkordfolge C, D, E eine Steigerung ergibt, die in den Chorus leitet. Hier werden die vier Akkorde nicht mehr für jede Phrase ausgehalten, sondern wechseln jeden Takt zu dem melismatisch gesungenen “Love”. Der Text zeigt, wie in der Diskomusik meistens üblich, keine hohe Komplexität oder tiefgreifende Aussagen; er beschränkt sich auf wenige Phrasen wie zum Beispiel “It’s so good…I feel love…you and me”.
IV. Rezeption
I FEEL LOVE wurde einer der größten Diskomusik-Hits. Der Titel wirkte damals neu und futuristisch, wurde aber auch oft kritisiert, da er zu repetitiv und musikalisch zu reduziert war; vor allem die synthetisch-maschinenartige instrumentale Gestaltung und die fehlende Verwendung “echter” Instrumente gab oft Anlass zur Kritik. I FEEL LOVE erreichte hohe Platzierungen: Platz eins in den UK Singles Charts, in den Niederland und in Österreich, Platz sechs in den Billboard Hot 100, Platz neun in den Hot Soul Charts, Platz fünf in Schweden, Platz drei in Deutschland und Platz zwei in der Schweiz. I FEEL LOVE war die Blaupause für Techno und House, wobei die soul- und funk-lastigere Diskomusik der Vorläufer von House, und I FEEL LOVE – die weniger vom Soul- und Funk beeinflusste Version der Diskomusik, die als Eurodisko und später als Hi-NRG bekannt wurde – eher für die Entwicklung des härteren Detroit Techno stilprägend war. Brian Eno sagte 1977, als er I FEEL LOVE das erste Mal hörte, dass dieser Titel den Sound der Klubmusik für die nächsten 15 Jahre ändern würde (vgl. Buskin 2009) und lag damit richtig.
HEIKO WANDLER
Credits
Songwriter: Donna Summer, Giorgio Moroder, Pete Bellotte
Gesang: Donna Summer
Produzenten: Giorgio Moroder, Pete Bellotte
Label: Casablanca (U.S.), GTO Records (UK)
Länge: 3:46 (Single-Version)
5:55 (Album-Version)
8:15 (12″-Version)
Recordings
- Donna Summer. “I Feel Love”, I Remember Yesterday, Casablanca, 1977, B003MXKDL8 (LP).
- Donna Summer. ” I Feel Love”, I Remember Yesterday, 1994, Island/Mercury, B000001FEC (CD).
- Donna Summer. ” I Feel Love”, I Feel Love, 1977, Atlantic ATL 10 963/ Single Casablanca BF 18578 (7″/Single).
- Donna Summer. ” I Feel Love”, I Feel Love, 1977, Groovy GR 1226/ GTO GT 100 (UK), (7″, Single).
- Donna Summer. ” I Feel Love”, I Feel Love, 1977, Casablanca NBD 20104 (US), (12″, Promo-Maxi).
- Donna Summer. “I Feel Love”, I Feel Love, 1982, Polygram, B000NZKK0M, (12″, Maxi).
Links
- Richard Buskin: Classic Tracks: Donna Summer ‘I Feel Love’, in: Sound on Sound, Oktober 2009. URL: http://www.soundonsound.com/sos/oct09/articles/classictracks_1009.htm, [25.11.2011].
- Artist homepage: http://www.donnasummer.com/ [25.11.2011].
- Database: http://www.discogs.com/Donna-Summer-I-Feel-Love/master/85840 [25.11.2011].
- Download: http://www.dailymotion.com/video/x21dx4_donna-summer-i-feel-love_music [19.12.2011].
- Lyrics: http://www.lyricsfreak.com/d/donna+summer/i+feel+love_20042256.html [25.11.2011].
About the Author
All contributions by Heiko Wandler
Citation
Heiko Wandler: “I Feel Love (Donna Summer)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/ifeellove, 11/2011 [revised 10/2013].
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