HOUND DOG war eine der am meisten verkauften Platten von Elvis Presley (1935-1977), Symbolfigur des amerikanischen Rock ‘n’ Roll der 1950er Jahre und populärster Repräsentant der Popkultur des 20. Jahrhunderts.
I. Entstehungsgeschichte
HOUND DOG wurde 1952 von dem später legendär gewordenen Autoren- und Produzententeam Jerry Leiber (1933-2011) und Mike Stoller (*1933) ursprünglich für die afroamerikanische Blues-Sängerin Willie Mae “Big Mama” Thornton (1926-1984) geschrieben, die ihn im August 1952 in den Studios von Radio Recorders in Los Angeles für das texanische Jazz- und R&B-Label Peacock Records unter der Leitung der beiden jugendlichen Songschreiber aufnahm. Es war der dritte Song, den die beiden unterbrachten und zugleich der erste, dessen Aufnahme sie betreuten, auch wenn offiziell Johnny Otis (*1921) als Produzent firmierte (über die genauen Entstehungsumstände geben Leiber/Stoller in ihrer Autobiografie detailliert Auskunft; vgl. Leiber/Stoller 2009: 61ff.). Die 78er/10inch-Single erreichte im April 1953 Platz 1 der Billboard Rhythm&Blues-Charts und hielt sich dort sieben Wochen lang. In der Zwischenzeit waren mit Einspielungen von Billy Starr, Betsy Gay, Tommy Duncan And The Miller Bros., Eddie Hazelwood, Cleve Jackson And His Hound Dogs sowie Jack Turner And His Granger County Gang mehrere Country-Versionen des Songs erschienen, der sich auf diese Weise seinen Weg ins Live-Repertoire vieler Bands bahnte. Auch der Italo-Amerikaner Freddie Bell (Ferdinando Dominick Bello, 1931-2008), der mit seinen Belly Boys zu den ersten weißen Bands gehörte, die sich in den 1950er Jahren mit afroamerikanischen Hits einen Namen machten, hatte ihn im Programm. Dominic Joseph Fontana, der Schlagzeuger aus Presleys damaliger Band, hat in einem Interview beschrieben, wie der Song auf Elvis Presley wirkte, als er eine der Shows von Freddie Bell and the Bell Boys in Las Vegas besuchte. Presley übernahm ihn in sein Repertoire und spielte ihn ab Mai 1956 als Schlusstitel seiner Auftritte. Als er ihn im Juni 1956 im Rahmen der Milton Berle Show sowie kurze Zeit später in der Steve Allen Show – beides Institutionen des amerikanischen Unterhaltungsfernsehens der 1950er Jahre – vor einem landesweiten Publikum aufführte, waren die Reaktionen sowohl beim Publikum wie in der Presse überwältigend. Die Studioversion entstand dann am 2. Juli 1956 in den New Yorker RCA-Studios unter Leitung des Produzenten Steve Sholes (1911-1968). Sie ist das Resultat von 31 Takes, der letzte wurde schließlich freigegeben. Die Veröffentlichung erfolgte als B-Seite der Single “Don’t Be Cruel” am 13. Juli 1956 parallel im 78er/10inch- und 45er/7inch-Format.
II. Kontext
Die Veröffentlichung von HOUND DOG auf dem Höhepunkt der Rock’n’Roll-Begeisterung amerikanischer Teenager markierte die erdrutschartigen Verschiebungen, die die Entdeckung Jugendlicher als Tonträger-Käufer auf den Musikmärkten zur Folge hatte. Der Song war einer der ersten wirklichen Crossover-Hits, insofern er sich in allen Sparten des nach Käufergruppen gegliederten US-Musikmarktes der 1950er Jahre – Pop, Country & Western, Rhythm & Blues – gleichzeitig platzierte. Während solche Parallelplatzierungen als Indikator für Veränderungen später immer eine Anpassung der Strukturen des Musikgeschäfts zur Folge hatte, blieb dies damals ebenso unverstanden wie unerwünscht. Die Rock’n’Roll-Begeisterung Jugendlicher, die mit Elvis Presley einem Kulminationspunkt zustrebte, galt als eine vorübergehende Erscheinung, hinter der sich neben den weidlich publizierten Konflikten zwischen den Generationen in den amerikanischen Mittelschichten auch eine heftige Auseinandersetzung innerhalb der US-Musikindustrie verbarg. Im Schlepptau des Erfolges von Elvis Presley gelangte eine Menge Musik in die Charts, deren Copyright nicht von der American Society of Composers, Authors and Publishers (ASCAP) kontrolliert wurde, die sich mit moralisierenden Kampagnen gegen diese Entmachtung zur Wehr setzte. Elvis Presley gab mit seinem Hüftschwung und dem lasziven Performance-Stil nicht nur das ideale Ziel dafür ab. Der ursprünglich von einer farbigen Sängerin bekannt gewordene Song ließ sich, obwohl von zwei weißen Mittelklasse-Sprößlingen geschrieben, zum direkten Angriff auf die familiäre Mittelschicht-Idylle aufbauen, zumal er in der Interpretation von Presley eine sexuelle Lesart nahezulegen schien.
III. Analyse
Elvis Presleys Version von HOUND DOG unterscheidet sich signifikant von der Originalfassung, die Leiber und Stoller für Willie Mae “Big Mama” Thornton geschrieben hatten. Nicht nur ist das Tempo deutlicher schneller, sondern auch der Text ist gravierend modifiziert worden. Die Veränderungen gehen auf Freddie Bell zurück, dessen Version Presley in sein Repertoire übernahm. So sind die sexuellen Konnotationen des Originaltextes, der mit der Metapher des Hundes anstelle eines Mannes spielt, getilgt. Eine ganze Strophe des Originals ist aus diesem Grund gestrichen (“You made me feel so blue, you made me weep and moan…”). Die Passage “you can wag your tail…” ist ersetzt durch “well, you ain’t never caught a rabbit…”. Bei der Wiederholung tritt an Stelle des “well” dann das “girl” (“girl, you ain’t never caught a rabbit…”), womit die ursprüngliche Ausrichtung des Textes nicht nur dem Geschlecht des Sängers angepasst, sondern in pure Nonsense-Komik transformiert ist, die den Gender-Stereotypen im weißen Mittelklasse-Amerika der 1950er Jahre eher entsprach als eine sich über ihren nichtsnützigen Ehemann echauffierende Frau, wie sie der Originaltext verkörpert. Während das Original die erste Strophe an dritter und fünfter Stelle wiederholt, so dass sich die für den Rhythm & Blues charakteristische Songarchitektur von ABACA ergibt, wobei die Strophen jeweils nach dem zwölftaktigen Bluesschema (AAB) gebaut sind, basiert Presleys Version auf nur zwei Textstrophen, die im Wechsel wiederholt werden. In der Mitte des Songs ist die Wiederholung der ersten Strophe zweimal durch ein instrumentales, mit Background-Chor hinterlegtes Gitarrensolo ersetzt, bevor der Song mit der Wiederholung der ersten Strophe abgeschlossen wird. Aus der Reihungsform des Originals wird so eine modifizierte vierteilige Chorusform (AABA), wie sie den Normen des Pop-Mainstreams damals entsprach. Ansonsten kommt der Song mit einigen wenigen musikalischen Elementen aus, da der Schwerpunkt auf der vokalen Performance liegt. Den wiederholten kleingliedrigen Melodiephrasen, die den Text tragen, ist eine mit Ausnahme der Gitarrensoli in den instrumentalen Zwischenspielen durchgängig gespielte, auf- und absteigende Bassfigur (walking bass) unterlegt. Bemerkenswert ist der Habanera-Rhythmus, der die Aufnahme durchzieht, denn er wurde fortan zu einem häufig kopierten Markenzeichen von Presley. Die in Achteln gespielte E-Gitarre betont die acht Achtel in klassischer Habanera-Manier jeweils auf 1, 4 und 7, was durch das parallel laufende Hand Clapping zusätzlich akzentuiert ist. Das harmonische Gerüst bilden vier Akkorde in der Abfolge I-IV/IV7- V7-I7. Das einzig auffällige Element sind die Schlagzeugwirbel (single-stroke drum rolls) nach jeder Strophe. Der Song ist so gebaut, dass er der Vokalperformance jeden Raum lässt, wovon in beiden Versionen ausgiebig Gebrauch gemacht wird. Presley bedient sich dabei einer Gesangstechnik, die die Singstimme zusätzlich rhythmisiert und die Textphrasen durchgängig auf ihr Ende hin betont (“You-ain’t ah-nuh thin-but ah-Hound Dog”). Was der Text an sexuellen Konnotationen verloren hat, ersetzt er auf diese Weise durch eine rhythmisch explosive körperbezogene Sinnlichkeit, die ihre Wirkung nicht verfehlte.
IV. Rezeption
HOUND DOG erreichte unabhängig von “Don’t Be Cruel”, die A-Seite der Single, im September 1956 die Spitzenposition in allen drei Kategorien der amerikanischen Billboard-Charts und hielt sich dort mehrere Wochen, ebenso wie auch die A-Seite der Single. Bei späteren Veröffentlichungen wurden deshalb beide Seiten der Single von der RCA A-Seiten bezeichnet. Somit war dies die erste dieser sehr seltenen Doppel-A-Singles. Der Song erschien auf zahllosen Kompilationen, die bis heute von seiner anhaltenden Attraktivität zeugen. Auch die Zahl der Cover-Versionen ist immens. Zu den bekanntesten gehören die Einspielungen von John Enwistle (1944-2002), dem Bassgitarristen der Who, auf seinem Solo-Album Rigor Mortis Sets In (1973), von Jimi Hendrix auf seinem posthum veröffentlichten Live-Album The Jimi Hendrix Experience BBC Sessions (1969/1998), von Eric Clapton (*1945) auf seinem Album Journeyman (1989) und von Frank Zappa (1940-1993) und seinen Mothers of Invention auf ‘Tis the Season To Be Jell (1991).
PETER WICKE
Credits
Kompositionen/Text: Jerry Leiber, Mike Stoller
Vocals & Rhythm Guitar: Elvis Presley
Lead Guitar: Scotty Moore
Piano: Shorty Long
Bass: Bill Black
Schlagzeug: D.J. Fontana
Backing Vocals: The Jordinaires – Gordon Stoker (lead/Tenor), Neal Matthews (Tenor), Hoyt Hawkins (Bariton), Hugh Jarrett (Bass)
Produzent: Steve Sholes
Aufnahemetechnik: Ernie Ulrich
Aufnahme: 2. Juli 1956
Veröffentlichung: 13. Juli 1956
Länge: 2:15 (Single Version)
Recordings
Original Song
- Willie Mae “Big Mama” Thornton. “Hound Dog”, Hound Dog / Night Mare,1953, Peacock, 1612, US (10″/Single).
Elvis Presley
- Elvis Presley. “Hound Dog”, Don’t Be Cruel / Hound Dog, 1956, RCA Victor, 20-6604, US (10″/Single).
- Elvis Presley. “Hound Dog”, Don’t Be Cruel / Hound Dog, 1953, RCA Victor, 47-6604, US (7″/Single).
Covers
Thornton Covers
- Billy Starr. “Hound Dog”, Hound Dog / Borrowed Heart, 1953, Imperial, 45-8186, US (10″/Single).
- Betsy Gay. “Hound Dog”, Hound Dog / This Is My Last Night In Town, 1953, Intro Records, 45-6070, US.
- Tommy Duncan And The Miller Bros.. “Hound Dog”, Hound Dog / I Guess You Were Right, 1953, Intro Records, 45-6071, US.
- Eddie Hazelwood. “Hound Dog”, Hound Dog / I’m Startin’ Again Sweetheartin’, 1953, Intro Records, 45-6069, US.
- Cleve Jackson And His Hound Dogs. “Hound Dog”, Hound Dog / Has A Chicken Got A Leg, 1953, Herald Records, H-1015, USA.
- Jack Turner And His Granger County Gang. “Hound Dog”, Hound Dog / I Couldn’t Keep From Crying, 1953, RCA Victor, 47-5267, US (10″/Single).
Elvis Presley Covers
- John Entwistle. “Hound Dog”, Rigor Mortis Sets In, 1973, Repertoire Records, REP-4621, US (LP/Album).
- Eric Clapton. “Hound Dog”, Journeyman, 1989, Reprise, 260742, US (LP/Album).
- The Mothers of Invention. “Hound Dog”, ‘Tis the Season To Be Jell, 1991, Rhino Records, R2 70542, US (CD/Album).
- Jimi Hendrix. “Hound Dog”, The Jimi Hendrix Experience BBC Sessions, 1998, MCA, MCD-11742, US (3xLP).
References
- J. Leiber / M. Stoller (mit D. Ritz): Hound Dog. The Leiber and Stoller Autobiography. New York: Simon & Schuster 2009, S. 61ff.
- Peter Guralnick: Last Train to Memphis. The Rise of Elvis Presley. Boston, New York: Little, Brown & Co. 1994, 297ff.
- Arjan Deelen. Interview with D. J. Fontana. URL: http://www.elvis.com.au/presley/interview_djfontana.shtml [1.12.2011].
Links
- http://www.bbc.co.uk/radio2/soldonsong/songlibrary/covers/hounddog.shtml [01.12.2011].
- http://www.elvisrecords.us/dont-be-cruel-hound-dog/ [01.12.2011].
- http://www.elvis.com.au/presley/interview_with_mike_stoller.shtml [01.12.2011].
About the Author
All contributions by Peter Wicke
Citation
Peter Wicke: “Hound Dog (Elvis Presley)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/hounddog, 12/2011 [revised 10/2013].
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