1966
The Jimi Hendrix Experience

Hey Joe

HEY JOE war einer der ersten Songs der Band The Jimi Hendrix Experience und damit auch des Gitarristen Jimi Hendrix. Die Single begründete seinen Erfolg und wurde zur Inspiration für eine Vielzahl weiterer Musiker.

I. Entstehungsgeschichte

Der Song HEY JOE von The Jimi Hendrix Experience ist eine Interpretation des gleichnamigen US-amerikanischen Folksongs ohne eindeutigen Urheber. Auf den meisten Aufnahmen wird William Moses “Billy” Roberts als Urheber angegeben, auf einigen aber Dino Valenti oder die Band The Leaves. Manchmal wird er aber auch als traditionelles Liedgut ausgewiesen. So umgibt den Song seit den Anfängen auch die mystische Aura eines alten, überlieferten Folksongs. Tatsächlich liegt sein Ursprung frühestens in den 1950er Jahren (vgl. Hicks 1999: 41-43; Miller 2011). Im Laufe des 20. Jahrhunderts gab es sehr viele Versuche den Song als Blues-, Pop- oder Rockcover zu interpretieren. Namhafte Interpreten wie Deep Purple, Lenny Kravitz, Patti Smith oder ZZ Top haben eigene Fassungen von HEY JOE aufgenommen.

Die bekannteste und einflussreichste ist dennoch die Aufnahme von The Jimi Hendrix Experience aus dem Jahr 1966. Die genauen Umstände der Entstehung von Hendrix’ HEY JOE – woher er den Song und welche Aufnahmen er kannte – sind unbekannt. Kurz nach der Gründung von The Jimi Hendrix Experience im Jahr 1966 war HEY JOE aber bereits Teil des Repertoires der Band. Die erste Tour der in London gegründeten Band führte sie zunächst nach Paris. Auf dem ersten Konzert als Trio am 13. Oktober 1966 wurden drei Stücke gespielt, darunter HEY JOE. In Frankreich gab es positive Reaktionen auf die Musik, im nächsten Konzert in London dagegen eher negative. Danach spielte die Band in München, und Hendrix erfand durch Zufall sein Ritual der Zerstörung seines Instruments auf der Bühne – es sollte später sein Markenzeichen werden (vgl. Theweleit/Höltschl 2008: 123). Trotz erfolgreicher Tour lehnte das Plattenlabel Decca das Tape von HEY JOE ab. Erst mithilfe des Managers der Band The Who wurde Polydor für Vertrieb und Finanzierung der ersten Single gewonnen. HEY JOE (mit der B-Side “Stonefree”) wurde am 16.12.1966 in der britischen Musiksendung Ready, Steady, Go! gespielt und erschien am selben Tag. Die Single war direkt erfolgreich, verblieb 11 Wochen in den Charts und schaffte es sogar bis auf Platz 6. Das Management hatte dem etwas nachgeholfen, indem es selbst einen Teil der Platten aufkaufte (vgl. ebd.) Damit bildete die Single den ersten Schritt in Hendrix’ erfolgreicher Karriere und der Song wurde noch zu Lebzeiten zu einer seiner wichtigsten Aufnahmen. Bis zum Ende seiner Karriere blieb HEY JOE im Repertoire von Hendrix (so beendete er etwa seine berühmt gewordene Woodstock-Improvisation mit einer verlängerten Version des Songs). In seinem letzten Auftritt auf dem Love-and-Peace-Festival der Insel Fehmarn 1970 wurde der Song ebenso gespielt.

II. Kontext

Wer schrieb den Song HEY JOE? Diese einfache Frage führt zu weitreichenden Antworten. “Anyone who wants to see how a song can come to belong to everyone – and no one – as it travels from artist to artist should consider ‘Hey Joe'” (Hicks 1999: 39). Einerseits sind die ersten veröffentlichten Versionen Anfang der 1960er entstanden, andererseits gingen viele Künstler bereits in den 60ern davon aus, dass HEY JOE traditionelles Liedgut sei, das nur darauf warte, interpretiert zu werden. Das erklärt die unzähligen Aufnahmen von HEY JOE, die in den 60ern, aber auch in späteren Jahrzehnten und bis heute veröffentlicht wurden (vgl. ebd.: 39-42).

Der Name “Joe” war gerade zur Nachkriegszeit in den 50er und 60er Jahre ein Allerweltsname in den USA und “Joe” konnte jeden US-Amerikaner meinen. Es gab eine regelrechte Welle von “Joe”-Songs, darunter zahlreiche HEY JOE-Songs (vgl. ebd.: 40 f.) Im umtriebigen New Yorker Greenwich Village probierten sich zahlreiche Folksänger aus und präsentierten viele neue Songs an nur einem Abend. Es ist vorstellbar, dass HEY JOE dort seinen Ursprung hat und dann aufgegriffen und in die Welt getragen wurde (vgl. ebd.: 44). Etliche Künstler beanspruchten die Autorschaft des Songs, so beispielsweise Billy Roberts, Dino Valenti, Tim Rose, The Leaves, The Surfaris oder The Byrds. Der erste dokumentierte HEY JOE-Song, der zudem sehr erfolgreich wurde, stammt von dem Country-Sänger Carl Smith aus dem Jahr 1953. Die Aufnahme verkaufte sich über eine Million Mal, weist bis auf den Titel aber keinerlei Ähnlichkeit mit den späteren Fassungen auf.

Die erste in dieser Hinsicht relevante Version ist von Billy Roberts aus dem Jahr 1962. Roberts sicherte sich das Copyright auf Text und Musik, nahm den Song aber nicht auf. Seine Fassung enthält bereits das Frage-Antwort-Schema, die textliche Basis, die grundlegende Melodie und die Akkorde der späteren Coverversionen. Die Frage der Autorschaft ist bereits hier nicht ganz eindeutig. Roberts verteidigte seine Urheberschafft und hat das erste nachgewiesene Copyright auf den Song, aber es gab Anschuldigungen, er sei nicht der wirkliche Urheber (vgl. ebd.: 42; Miller 2011) Eine Vermutung über den Ursprung ist die, Roberts habe den Song in Greenwich Village bei anderen Musikern gehört und daraufhin übernommen. Eine andere Vermutung besagt, er habe den Song von seiner damaligen Freundin Niela Miller adaptiert und als HEY JOE rechtlich schützen lassen. Miller, selbst Sängerin, hat ihren Song “Baby, Please Don’t Go to Town” nach eigenen Aussagen etwa 1955 geschrieben, sich aber erst 1964 das Copyright sichern lassen. Sie selbst äußert sich dazu in diversen Internetquellen, etwa auf heyjoeversions.wordpress.com, und behauptet, sie habe kurz davorgestanden, Roberts juristisch dafür zu belangen (vgl. Miller 2011). Tatsächlich weist ihr Song auffällige Gemeinsamkeiten mit Roberts späterem HEY JOE auf. Sowohl das prägnante Akkordmuster als auch das melodische Gerüst und das Frage-Antwort-Schema lassen sich bereits bei Miller finden. Im Nachhinein lässt sich dies aber nicht genau rekonstruieren, weshalb Roberts der rechtmäßige Urheber bleibt.

An eine breitere Öffentlichkeit gelangte HEY JOE allerdings erst durch den Sänger Dino Valenti. Valenti hat sich ebenfalls eine Zeit lang im Umfeld von Greenwich Village aufgehalten und ist dort aufgetreten – unter anderem mit dem Song HEY JOE. Valenti nahm den Song 1965 auf und veröffentlichte ihn über das Label Third Story Music. Auf der Platte wurde zunächst Valenti als Urheber genannt. Kurze Zeit später verhandelte Roberts mit dem Label und wurde forthin als Urheber gehandelt und entlohnt. In dieser Zeit verbreitete sich der Song unter verschiedenen Bands und viele spielten ihn, ohne jedoch Aufnahmen zu machen. The Byrds, The Leaves, The Love, The Surfaris und andere Bands spielten ihn bereits bei ihren Auftritten, und sie alle wollten den prestigeträchtigen Song als Erste aufnehmen. John Beck von The Leaves beschreibt es so: “We were smart enough to know that whoever put it out first was going to have a hit record with it” (Hicks 1999: 46). Im selben Jahr nahmen The Surfaris eine Interpretation auf, veröffentlichten diese aber erst 1966. Schließlich waren es The Leaves, die die erste Aufnahme auf den Markt brachten. Auf der Platte ist John Beck als Urheber von Text und Musik genannt. Die erste Aufnahme erregte kaum Aufmerksamkeit und die Band nahm deshalb eine leicht veränderte Version auf – diese erreichte im Frühling 1966 die Top 40 der US-amerikanischen Charts. Es folgte eine Vielzahl von HEY JOE-Aufnahmen, die sich oft an der Version von The Leaves orientierten.

Einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Songs lieferte der Sänger Tim Rose. Ebenso in Greenwich Village tätig, nahm er im April 1966 seine eigene Version von HEY JOE auf. Seine Interpretation unterscheidet sich vor allem durch die unterschiedliche Tonart, statt in A-Dur spielte er den Song nun in E-Dur. Außerdem senkte er das Tempo beträchtlich und erzeugte dadurch eine größere dramatische Wirkung, welche die tragische Seite des Texts besser zur Geltung bringt. Ebenso fügte er Chor und Halleffekte hinzu. Das Copyright sah er damit bei sich selbst, auf der Veröffentlichung steht: “Arranged and Adapted by Tim Rose” (Hicks 1999: 51). Damit verwies er gleichzeitig auf einen anonymen Urheber, dessen Version er arrangiert und adaptiert hat. Es entwickelte sich hier bereits der Mythos des traditionellen Liedes HEY JOE. Roses Version stellte die wichtigste Basis für die Fassung von Jimi Hendrix dar. Hendrix Aufnahme übertraf in ihrer Wirkung alle vorherigen und wurde zum Standard, an dem sich folgende Generationen messen sollten.

Einige Liebhaber des Songs interessieren sich auch besonders für dessen Entstehungsgeschichte. Der Blog heyjoeversions.wordpress.com zeigt dies auf eindrückliche Weise. Er widmet sich allem, was mit dem Song zu tun hat. Neben einer eindrucksvollen Liste von Coverversionen, die bis heute (Stand: 01.05.2017) über 1800 Aufnahmen umfasst, ist der Blog auch eine wichtige Kommunikationsplattform. Neben Niela Miller sind es viele andere Zeitzeugen und ehemalige Freunde von Roberts, die hier Geschichten über ihn, die damalige Zeit und HEY JOE auf dem Blog verbreiten.

Auf den meisten Aufnahmen ist Billy Roberts als Urheber im juristischen Sinne angegeben (siehe coverinfo.de [2016]).

III. Analyse

Der Text des Songs handelt von Joe, dessen Frau ihn mit einem anderen Mann betrügt, woraufhin er sie erschießen will. Anschließend flieht er nach Mexiko, um der Justiz zu entgehen. Die ernste Thematik – es ist Mord aus niederen Beweggründen – wird in einer lockeren Art und Weise vermittelt. Als Erzählform dient der Dialog. Der fiktive Mann Joe wird von einem lyrischen Ich, dem Erzähler, befragt. Durch das Frage-Antwort-Schema erfährt der Zuhörer dann die ganze Geschichte. Die Performance Persona von Hendrix stellt die Fragen und beantwortet sie auch gleichzeitig – er verkörpert also zwei Charaktere, ist sowohl das fragende Ich als auch der antwortende Joe.

Der Text ist in verschiedene Entwicklungsstufen gegliedert. Im ersten Stadium fragt der Gesprächspartner: “Hey Joe, where you goin’ with that gun in your hand?”, worauf Joe antwortet: “I’m goin’ down to shoot my old lady, you know I caught her messin’ round with another man.” Noch ist es nur eine Absicht, seine Frau zu erschießen. Im zweiten Stadium klagt der Gesprächspartner Joe bereits an, seine Frau erschossen zu haben. Im dritten Stadium bezeugt Joe es persönlich: “Yes, I did, I shot her.” Und beide, Gesprächspartner und Joe, wirken zufrieden mit dieser Entwicklung, feiern es beinahe: “Shoot her one more time again, baby!” Im vierten Stadium wird Joe gefragt, wohin er nun nach der Tat gehen werde und wie er der Justiz entkommen wolle: “Where you gonna run to now?” Joe antwortet, er wolle in den Süden, nach Mexiko, um so dem “hangman”, dem Henker, zu entgehen und verabschiedet sich vom Gesprächspartner: “I gotta go now!”

Die musikalische Grundlage für HEY JOE wird von einer Folge von fünf Akkorden gebildet (im Folgenden: Chord Cycle). In der Interpretation von Hendrix ist diese auf E-Dur aufgebaut und umfasst folgende Entwicklung: C-Dur–G-Dur–D-Dur–A-Dur–E-Dur. In dieser Sequenz von quintverwandten Akkorden kreist die Folge immer und immer wieder. Auf der Aufnahme kann man sie im E-Bass und dem Begleitgesang durchgängig hören. Die Besetzung auf der Aufnahme ist: Leadgesang, Begleitgesang, E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug. In den Live-Versionen trat die Band als Trio auf, dementsprechend gab es keinen Begleitgesang und Hendrix spielte sowohl Rhythmus- als auch Sologitarre. Die Form des Songs wird im Grunde nur durch das Gitarrensolo und die Dialogform des Texts bestimmt. Nach einem kurzen Gitarrenintro beginnt der rotierende Chord Cycle in Bass, Gitarre und Begleitgesang und endet im Fade-out. Der Gesang wird etwa in der Mitte des Songs vom Gitarrensolo durch Hendrix unterbrochen. Es ist mit ca. 20 Sekunden relativ kurz und besteht aus zwei fast gleichlangen Phrasen. Trotzdem nutzt Hendrix die Zeit effektiv, um seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Phrasen bestehen aus kurzen, prägnanten Licks und sind mit vielen Bendings angereichert. Das Solo umschreibt, auf die Handlung bezogen, den Mord Joes an seiner Frau. Das sprachlich Unsagbare wird im Gitarrensolo zum Ausdruck gebracht. Wollte man etwas in die Töne hineininterpretieren, so könnte man die Bendings vom d zum e als Pistolenschüsse wahrnehmen. Von diesen Bendings aus entwickeln sich in der ersten Hälfte die kurzen Phrasen, gefolgt von einzelnen e-Bendings, die für Nachschüsse stehen könnten. Eine solche Analyse bleibt spekulativ, auch wenn man um solche Assoziationen nicht umher kommt, da das Solo genau in dem Teil der Handlung einsetzt.

Gitarrensolo, 1:39–2:01 (eigene Darstellung)

Die harmonische und formale Einfachheit von HEY JOE ist gleichzeitig auch die Stärke des Songs. Einerseits ist er sehr eingängig und übt gleichzeitig eine Sogwirkung auf den Zuhörer aus. Andererseits erlaubt er dem Interpreten, in Kontrast zu der harmonischen Vorhersehbarkeit zu treten und das Stück mit Umspielungen gesanglicher und instrumentaler Art anzureichern. Dies macht letztendlich auch den Reiz von Hendrix’ HEY JOE aus und hebt es von den zahlreichen anderen Versionen ab.

Hendrix’ Version orientiert sich musikalisch und auch textlich an der Fassung von Tim Rose, beinhaltet aber Einflüsse von anderen Interpreten des Songs, wie Billy Roberts, The Surfaris, The Leaves, The Standells. Der maßgebliche Unterschied zwischen diesen und Roses bzw. Hendrix’ HEY JOE ist das Tempo. Sind diese bei weit über 120 BPM angesiedelt, so singen Rose und Hendrix gemächlich bei etwa der Hälfte des Tempos. Weiterhin lässt sich Hendrix großzügig von der von Rose benutzten Tonart E-Dur inspirieren sowie von dem eröffnenden Gitarrenriff, dem Begleitchor, den starken Halleffekten und der dadurch entstehenden Dramatik. Der Text ist ebenso an Rose angelehnt, aber um eigene Elemente ergänzt, die Hendrix’ Verwurzelung im Rhythm and Blues deutlich werden lassen. So spricht er von “Old Lady” statt von “Woman” und benutzt Wortspielereien wie “Shot her down, shot her down to the ground now” und Kommentare wie “That ain’t too cool”. Aber auch von anderen HEY JOE-Varianten lässt sich Hendrix inspirieren. Er greift die Basslinie von The Leaves’ Jim Pons auf und moduliert sie zu einer Bass- und Gitarrenlinie. Arpeggiert Pons lediglich vom Grundton die weiteren Töne des Akkords, so macht Hendrix daraus eine dynamische Halbtonbewegung. Vom Grundton wird in die Terz hinuntergesprungen, um dann in Halbtönen zum nächsten Grundton zu gelangen.

Bass- und Gitarrenlinie (eigene Darstellung)

Von The Standells übernimmt Hendrix das Fade-out. Dadurch verstärkt sich der Anschein eines unendlichen Kreislaufs, der bereits durch den immer wiederkehrenden Chord Cycle erweckt wird.

Hendrix’ Verdienst ist es sicherlich, dass er von all den HEY JOE-Varianten die passenden Elemente in einen Song zusammen gebracht hat. Seine Fähigkeiten auf der Gitarre konnte er in dem langsamen Tempo von Rose am besten zur Geltung bringen. Hendrix selbst ging offensichtlich davon aus, dass HEY JOE ein traditionelles Lied ist und Roses Version ebenso nur eine Interpretation. So ist auf der Platte angegeben: “trad. arr. Jimi Hendrix”.

Hendrix hat HEY JOE bei seinen Auftritten in verschiedenen Besetzungen immer wieder variiert. Die bekannteste Variation ist wohl die beim Woodstock-Festival im Jahr 1969 gespielte. Hendrix trat nicht mit der The Jimi Hendrix Experience auf, sondern zusammen mit anderen Musikern unter dem Namen Gypsy Suns and Rainbows. Am Sonntag, als die meisten Besucher schon gegangen waren, spielten sie ihr Set und als letzten Song eine verlängerte Fassung von HEY JOE. Über 4 Minuten lang wird mit den melodischen, textlichen und perkussiven Elementen des Songs spielerisch umgegangen. Die Gitarrenstimme, die Melodie, der Wortlaut des Texts und der Schlagzeugeinsatz werden bis ans Äußerste ausgereizt. Statt wie auf der Aufnahme mit der Gitarre sparsam den Gesang zu umspielen, drängt Hendrix die Gitarre schon vor dem Solo in den Vordergrund. Melodie und Wortlaut des Gesangs passt er diesem Stil an. Es sind nur kleinere Abweichungen wie schnellerer Gesang und mehrfache Wiederholungen der letzten Worte einer Phrase, aber sie lockern die Stimmung des Songs deutlich auf. Auch das Schlagzeug tritt in dieser Fassung weiter in den Vordergrund und ist ständig mit kleineren Fill-ins zu hören. Mit einem zusätzlichen, 40 Sekunden langen Gitarrensolo wird der Song abgeschlossen. Die Woodstock-Fassung hat den Charakter einer Jamsession, was angesichts der Formation auch naheliegend ist. Trotzdem zeigt sie exemplarisch Hendrix’ Umgang mit HEY JOE, aus vorhandenen Elementen etwas Eigenes, Interessantes und Originales zu schaffen. Trotz der Inspiration durch und der Nähe zu Rose ist Hendrix’ Fassung eine ganz persönliche Interpretation, die sich im Ausdruckcharakter von allen anderen Versionen unterscheidet.

IV. Rezeption

Im Gegensatz zum schnellen Erfolg in Großbritannien brauchte Hendrix in den USA einen weiteren Anlauf. In Großbritannien als erste Single von Hendrix erschienen und direkt auf Platz 6 der Charts geklettert, kam HEY JOE in den USA nur auf dem Album heraus. Are you Experienced? wurde dort Ende August 1967 veröffentlicht und erreichte Platz 5 der dortigen Charts.

Hendrix’ HEY JOE wurde 1967 von Cher und 1969 von Wilson Pickett gecovert. Seine Interpretation galt fortan als Referenz für weitere Herangehensweisen an den Song, welche es auch in den 1970ern noch reichlich gab. Ein wichtiger Impuls ging 1974 von Patti Smith aus, die HEY JOE eine persönliche Note gab und den Song in eine neue Generation der Rockmusik trug: den Punk. Smith verlangsamte das Tempo nochmals, gestaltete die Gesangsmelodie um und bezog die damals aktuelle Entführungsgeschichte um die Millionärserbin Patty Hearst mit ein. Der angeblich traditionelle Song wurde trotz aller Urheberrechtsfragen tatsächlich zu einer überlieferten Tradition, die Zeiten und Genres überwunden hat. 1990 erschien eine Reggae-Version von Black Uhuru, 1992 eine Bluegrass-Version von Jerry Douglas und 1994 eine lateinamerikanische von Willy DeVille. 2005 und 2009 nahmen sich die Hip-Hopper Styles of Beyond und Fat Joe des Songs an und sampleten ihn in ihren Tracks “Bleach (Jimi Remix)” und “Joey Don’t Do It”.

“Perhaps the test of any purported standard is whether it can survive its own popularity: will a new generation of performers still want to invest the energy to learn something that might seem dated or outmoded?” (Hicks 1999: 55), schreibt Michael Hicks über die Geschichte von HEY JOE. Blickt man auf die unzähligen Coverversionen seit den 1960ern und addiert die vielen Live-Interpretationen dazu, die nicht kommerziell aufgenommen wurden, kann man die historischen Spuren des Songs erahnen und die Frage bejahen.

 

PETER LELL


Credits

Musik/Text: trad. arr. Jimi Hendrix
Gesang: Jimi Hendrix
Gitarre: Jimi Hendrix
Bass: Noel Redding
Schlagzeug: Mitch Mitchell
Produzent: Chas Chandler
Label: Polydor Records Ltd.
Veröffentlichung: 16. Dez 1966
Länge: 3:30

Recordings

  • Carl Smith. “Hey Joe”. On: Hey Joe/Loose Talk, 1963, Columbia, 4-33052, USA (Vinyl/7”-Single).
  • The Jimi Hendrix Experience. “Hey Joe”. On: Hey Joe/Stonefree, 1966, Polydor, 56139, UK (Vinyl/7”-Single).
  • The Leaves. “Hey Joe!”. On: Hey Joe!, 1966, Mira Records, LPS 3005, USA (Vinyl/12″-Album).
  • The Standells. “Hey Joe, Where You Gonna Go?”. On: Dirty Water, 1966, Tower, T 5027, USA (Vinyl/12″-Album).
  • Cher. “Hey Joe”. On: Hey Joe, 1967, Liberty, 15 017, Germany (Vinyl/7″-Single).
  • Deep Purple. “Hey Joe”. On: Shades of Deep Purple, 1968, Parlophone, PCS 7055, UK (Vinyl/12″-Album).
  • Wilson Pickett. “Hey Joe”. On: Hey Joe/Night Owl, 1969, Atlantic, 45-2648, USA (Vinyl/7″-Single).
  • Patti Smith. “Hey Joe (Version)”. On: Patti Smith – Hey Joe (Version)/Piss Factory, 1974, Mer Records, 601, USA (Vinyl/ 7”-Single).
  • Black Uhuru. “Hey Joe”. On: Now, 1990, Rhino Records, R1 79021, US (Vinyl/12″-Album).
  • Jerry Douglas. “Hey Joe”. On: Slide Rule, 1992, Sugar Hill Records, SH-CD-3797, USA (CD/Album).
  • Lenny Kraviz. “Hey Joe”. On: Unplugged and Cover Versions, 1992, Unofficial Release, USA (CD/Album).
  • Willy deVille. “Hey! Joe”. On: Hey Joe, 1992, Fnac Music, 4509-91101-2, Germany (CD/Maxi-Single).
  • Jimi Hendrix. “Hey Joe”. On: Live at Woodstock, 1999, MCA Records, MCD 11987, Europe (2xCD/Album).
  • Styles of Beyond. “Bleach (Jimi Remix)”. On: DJ Green Lantern Presents Fort Minor: We Major, 2005, Machine Shop Recordings, –, USA (CD, Mixed).
  • Fat Joe. “Joey don’t do it”. On: Jealous Ones Still Envy 2 (J.O.S.E. 2), 2009, Terror Squad Entertainment, 5069324182, Europe (CD/Album).
  • Niela Miller. “Baby Don’t Go To Town”. On: Songs of Leaving, 2009, Numerophon, 44001, USA (Vinyl/12″-Album).
  • ZZ Top. “Hey Joe”. On: Double Down Live 1980-2008, 2009, Eagle Vision, EV302869, Europe (2xDVD/DVD-Video).

References

  • Hicks, Michael: Sixties Rock: Garage, Psychedelic, and other Satisfactions. Urbana: University of Illinois Press 1999.
  • Kemperer, Peter: Jimi Hendrix. Leben, Werk, Wirkung. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2009.
  • Miller, Niela: “Mail from Niela (Halleck) Miller, ex-girlfriend of Billy Roberts”. In: heyjoeversions.wordpress.com. URL: http://heyjoeversions.wordpress.com/2011/01/17/mail-from-niela-halleck-miller-ex-girlfriend-of-billy-roberts/ [15.06.2016].
  • Perry, John: Electric Ladyland. New York u. a.: Continuum 2007.
  • Theweleit, Klaus/Höltschl, Rainer: Jimi Hendrix. Eine Biografie. Berlin: Rowohlt 2008.
  • Ullrich, Corinne: Jimi Hendrix. München: Dt. Taschenbuch-Verl. 2000.
  • Webb, Robert: 100 Greatest Cover Versions. New York: McNidder and Grace Limited 2013.

Links

  • Heyjoeversions. URL: https://heyjoeversions.wordpress.com/ [15.06.2016].
  • “Hey Joe” bei Coverinfo. URL: http://www.coverinfo.de/start.php?wert=12&lang=1&suchoption=xsearch&xsuchbegriff=%22Hey+Joe%22&xjahr=&xoption=standard&xfor1 =&xfor2=Titel&xin1=Cover&xin2=Original&xid=&xwhat=Komplett&sort=2&tabelle=1&xpert=1&seite=1 [15.06.2016].
  • Heyjoecovers. URL: http://www.heyjoecovers.fr/index.html [15.06.2016]

About the Author

Peter Lell is studying Transcultural Music Studies (M.A.) at the University of Music FRANZ LISZT Weimar. The analysis was written in a course of Prof. Dr. Martin Pfleiderer.
All contributions by Peter Lell

Citation

Peter Lell: “Hey Joe (The Jimi Hendrix Experience)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/heyjoe, 06/2017.

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