GRIECHISCHER WEIN ist ein Schlager des österreichischen Sängers, Pianisten und Komponisten Udo Jürgens aus dem Jahr 1974.
I. Entstehungsgeschichte
GRIECHISCHER WEIN entstand im Züricher Wohnort von Udo Jürgens (eigentlich Jürgen Udo Bockelmann, seit 2010 Udo Jürgens Bockelmann, 1934–2014) nach einem Urlaub auf Rhodos, nach eigener Aussage in nicht einmal 20 Minuten (Kammertöns 2005: 32). Allerdings brauchte es dann zwei Jahre bis ein geeigneter Text gefunden war. Den lieferte schließlich der Liedtexter, Schriftsteller und Librettist Michael Kunze (*1943). Als Produzent konnte Ralph Siegel (*1945) gewonnen werden, der im gleichen Jahr auch den 1975 veröffentlichten Jürgens-Megahit „Ein ehrenwertes Haus“ produzierte.
Die Veröffentlichung erfolgte zunächst als Single mit dem Jürgens-Titel „Gestern war es noch Liebe“ als B-Seite und kurz darauf als Eröffnungssong auf dem von Ralph Siegel produzierten Album Meine Lieder. 1975 fungierte das Lied auch als Titelsong eines Kompilationsalbums, das in der Ariola-Club-Reihe erschien. Davon abgesehen findet sich das Lied in unzähligen Kompilationen mit Jürgens-Songs. Eine Neuaufnahme erfolgte im Jahr 2000 für die CD Mit 66 Jahren (Was wichtig ist), eine leicht modifizierte Neufassung 2004 für die Tournee „Es lebe das Laster“, erschienen 2013 auf der Kompilation Best of Live – Die Tourneehöhepunkte.
In Frankreich wurde das Lied 1975 als „À mes amours“ (Text: Mick Micheyl) mit der 1972 entstandenen französischen Version von „Zeig mir den Platz an der Sonne“ als B-Seite veröffentlicht. 1976 entstand eine griechische Version, „Phile kerna krassi“ (Text: Χenofon Fileris), veröffentlicht auf dem KompilationsalbumEuropa nach Noten – Eine musikalische Reise mit Udo Jürgens, die in Griechenland zu einer Art Volkslied wurde. Und schließlich erschien 1980 eine ebenfalls zunächst von Udo Jürgens eingespielte englische Version als „Come Share the Wine“ (Text: Don Black), veröffentlicht auf einer Kompilation seiner internationalen Erfolge.
II. Kontext
Ausgelöst durch die musikalische Vielseitigkeit der Rockmusik in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre, die von Classic Rock bis Hard Rock eine breite musikalische Spanne ausschritt, und den gesellschaftskritischen Impuls, der von dieser Musik ausging, befand sich das Image der als Gegenpol dazu empfundenen Gattung Schlager auf einem Tiefpunkt. Das drückte sich nicht zuletzt in einem deutlichen Rückgang der Tonträgerkäufe aus, da die Altersgruppe mit den intensivsten Musikkonsum, die Gruppe der 14- bis 24-jährigen, im Schlagerpublikum kaum noch zu finden war. Das bedeutete auch für Udo Jürgens, dass nach einer Phase, in der er auch international ein gefeierter Schlagstar war und von Verkaufserfolg zu Verkaufserfolg eilte, die Plattenkäufe stagnierten. Auch er begann nun, sich mit seinen künstlerischen Möglichkeiten kritisch mit seiner Zeit auseinanderzusetzen. GRIECHISCHER WEIN, obwohl musikalisch ganz bestimmt nicht eines seiner stärksten Lieder, ist eines der ersten Beispiele dafür, thematisiert es doch die Stimmungslage griechischer Gastarbeiter in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren. Beginnend mit der Türkei schloss die Bundesrepublik zwischen 1955 und 1965 Anwerbeabkommen mit verschiedenen Ländern, darunter 1960 auch mit Griechenland. Sie kamen auf Initiative der Entsendeländer zustande, um Zahlungsbilanzdefizite gegenüber der Bundesrepublik auszugleichen. Den Staatsangehörigen dieser Länder wurde ein zeitlich unbefristeter Aufenthalt zur Erzielung eines Erwerbseinkommens gewährt. Ab 1960 führte das zu einer Einwanderungswelle griechischer Staatsbürger in die Bundesrepublik, die hier aber, ähnlich den Einwanderern aus anderen Ländern, nicht zur Integration gelangten, sondern kulturelle Enklaven bildeten, die von der deutschen Bevölkerung zunächst auch durchaus willig angenommen wurden. Da die Einwanderer aus Ländern kamen, die wie Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, Türkei oder Tunesien bei den Bundesbürgern als Urlaubsländern beliebt waren, bedeuteten diese kulturellen Enklaven ein Stück Urlaubsatmosphäre direkt vor der Haustür. Das führte zu einer eigenartigen Mischung aus Sehnsucht und Erinnerung, bei den Zuwanderern an ihre Heimat, bei den Einheimischen an ihren vergangenen oder geplanten Urlaub. GRIECHISCHER WEIN traf genau diesen Ton und hob sich damit, obwohl musikalisch aus einer Urlaubserinnerung geboren, von der Masse der meist kitschigen Reiseschlager ab, die schon seit dem Ende der 1940er Jahre und dem Lied „Capri Fischer“ von Ralph Maria Siegel (1911–1972), dem Vater des Komponisten und Produzenten Ralph Siegel, ein eigenes Genre innerhalb des deutschen Schlagers bildeten. Udo Jürgens GRIECHISCHER WEIN war das erste Lied, das auf die Gastarbeiterproblematik Bezug nahm.
III. Analyse
Die Struktur des Liedes ist einfach und übersichtlich. Die vier Textstrophen sind musikalisch jeweils mit einer Zehntaktgruppe verbunden, die im Verlauf zwischen Zweiviertel-, Dreiviertel- und Viervierteltakt wechselt. Die von Tonrepetitionen und abwärtsgeführten Sekundschritten beherrschte Melodik erhält durch den ständigen Taktwechsel einen erzählenden, fast rezitativen Charakter, der an den Sprechgestus angelehnt ist und den Text in den Vordergrund treten lässt. Der Chorus mit dem Refrain setzt nach der zweiten Strophe ein und lässt mit einer in Auf- und Abwärtsbewegung geführten Melodik im Gegensatz zu den Strophen den Gesang und die Singstimme in den Vordergrund treten. Er besteht eigentlich aus einem wiederholten Achttakter. Doch was musikalisch als Wiederholung erscheint, wird textlich modifiziert, sodass sich der Refrain über die 16 Takte des wiederholten achttaktigen Chorus erstreckt. So heißt es beim ersten Mal im Refrain „Griechischer Wein ist wie das Blut der Erde …“. Das aber wird nicht einfach wiederholt, wie es der musikalische Aufbau nahelegen würde, sondern zu „Griechischer Wein und die altvertrauten Lieder …“ abgeändert. Das ist ein im Schlager, im Unterschied zum Popsong, häufig angewendeter Kunstbegriff, um durch Wiederholung den Chorus eindringlicher zu machen, mit dem Text aber den redundanten Charakter solcher kleinteiligen Wiederholungen abzuschwächen. Der Aufbau von einer wiederholten Zehntaktgruppen mit einer wiederholten Achttaktgruppe für den sich anschließenden Refrain ist für die Strophen drei und vier identisch. Vorangestellt ist dem Lied eine viertaktige Einleitung, die die Melodik der Strophe instrumental vorwegnimmt und zugleich als Coda dient. Eine Besonderheit des Liedes ist die Verbindung von Gitarre und Mandoline im Arrangement, womit der Klang der Bouzouki, der griechischen Langhalslaute, imitiert wird, die für die Volks- und Tanzmusik Griechenlands charakteristisch ist.
IV. Rezeption
GRIECHISCHER WEIN wurde zum Kultschlager und erreichte sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Platz eins der Single-Charts, in Österreich Platz zwei. Dort hielt er sich 54 Wochen lang in den Charts, in Deutschland 38 Wochen, davon 20 Wochen in den Top Ten, und in der Schweiz 21 Wochen. Noch im Veröffentlichungsjahr erhielt das Lied den „Goldenen Löwen“ von Radio Luxemburg, einem renommierten Hörfunk- und Fernsehpreis des Senders. Angesichts des Erfolgs des Liedes insbesondere auch in der griechischen Migranten-Community sah sich der damalige griechische Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis veranlasst, die beiden Autoren, Udo Jürgens und Michael Kunze, zu einem Empfang zu laden, eine für Schlagerkünstler eher ungewöhnliche Ehrung.
Die von José Vélez (*1951) gesungene spanische Version des Liedes, „Vino Griego“ (Text: José Vélez), wurde zur Hymne des Rugby-Vereins im südfranzösischen Bayonne.
Das Lied wurde vielfach gecovert, vor allem in unterschiedlichen Sprachen. Neben der spanischsprachigen Version von José Vélez sind vor allem die von Bing Crosby sowie Al Martino gesungene englischsprachige Version „Come Share the Wine“ (Text: Donald Blackstone), die portugiesische „Verde Vinho“ (Text: Paolo Alexandre) von Paolo Alexandre, die finnische „Sinne Ainiaaksi Jään“ (Text: Arja Havakka) von Esko Rahkonen und die polnische „Greckie wino“ (Text: Jan Zalewski) von Anna German zu nennen. Cover-Versionen des Originals nahmen u.a. Heino, Ricky King, Dieter Thomas Kuhn, Die Fantastischen Vier, die Folk-Rock-Band dArtagnan und die griechische Reggae-Band Locomondo auf. Stefan Mross spielte auf der Trompete eine Instrumentalversion ein.
Auch parodiert wurde das Lied mehrfach, erstmals 1977 von Jürgen von Manger als „Bottroper“. In diesem Stil gibt es von Adam und die Mickys „Kriech ich en Wein“ (1988), von Otto Waalkes „Friesischer Wein“ (2001) und von der Heavy-Metal-Band J.B.O. „Fränkisches Bier“ (2010). Hape Kerkeling machte 2010 daraus den „Griechischen Weihnachtsmann“.
PETER WICKE
Credits
Music: Udo Jürgens
Text: Michael Kunze
Vocals: Udo Jürgens
Producer: Ralph Siegel
Label: Ariola
Published: 1974
Length: 4:04
Recordings
- Udo Jürgens. „Griechischer Wein/Gestern war es noch Liebe“, 1974, Ariola, 13 700 AT, Germany (7’’/Single).
- Udo Jürgens. „Griechischer Wein“. On: Meine Lieder, 1974, Ariola, 88399 IT, Germany (LP/Compilation).
- Udo Jürgens. „À mes amours/Dis-moi le nom de ton ile“, 1975, Ariola, 16148 AT, France (7’’/Single).
- Udo Jürgens. „Phile kerna krassi“. On: Europa nach Noten – Eine musikalische Reise mit Udo Jürgens, 1976, Das Beste, ENN518, Germany (LP/Kompilation).
- Udo Jürgens. „Come Share the Wine“. On: Seine internationalen Erfolge, 1980, Intercord, INT 154041, Germany (2 LP/Kompilation).
- Udo Jürgens. „Griechischer Wein (Neuaufnahme)“. On: Mit 66 Jahren (Was wichtig ist …), 2000, Ariola, 74321750724, Germany (CD/Album).
- Udo Jürgens. „Griechischer Wein (Neufassung)“. On: Best of Live – Die Tourneehöhepunkt Vol 1, 2013, Ariola, 88883705712, Germany (CD/ Kompilation).
Covers
- „Griechischer Wein“. On: Das Suedwester Lied, 1976, EMI, EMCJ(L) 5093, Germany (LP/Album).
- José Vélez. „Vino Griegio/Sientate“, 1976, Columbia, MO 1597, Spain (7’’/Single).
- Esko Rahkonen. „Sinne Ainiaaksi Jään“. On: Laaksojen Laulu, 1976, Satsanga Records, SATLP 1023, Finland (LP/Album).
- Jürgen von Manger. „Bottroper Bier/Der Bettler und sein Hund“, 1977, Philips, 6003 608, Germany (7’’/Single).
- Paulo Alexandre. „Verde Vinho“ . On: Vino Verde (Verde Vinho), 1978, Tower Tapes And Records SRL, TW-12002, Venezuela (LP/ Album).
- Bing Crosby. „Come Share the Wine“. On: Come Share the Wine,1980, United Artists Records, UAG 30294, UK (LP/Album).
- Ricky King. „Griechischer Wein“. On: Lieder gehen um die Welt, 1982, Epic, EPC 85658, Germany (LP/Album).
- Adam und die Micky’s. „Kriech ich en Wein“. On: Die Große Hitparaden-Parodie, 1988, Telefunken, 6.28357 DP, Germany (2xLP/Album).
- Anna German. „Greckie wino“. On: Bal U Posejdona, 1999, Pomaton EMI, 7243 5 23710 2 0, Poland (CD/Album).
- Dieter Thomas Kuhn & Band. „Griechischer Wein“. On: Mein Leben für die Musik, 1995, WEA, 0630 19810-2, Germany (CD/Album).
- Al Martino. „Come Share The Wine/Maria Dolores“, 2001, White Records/BMG, 74321 82242 2, Germany (CD/Single).
- Otto Waalkes. „Friesischer Wein“. On: Otto’s Ostfriesland und mehr, 2001, Polydor, 589 004-2, Germany (CD/Compilation).
- Stefan Mross. „Griechischer Wein“. On: Die Goldene Hitparade der Volksmusik, 2004, LaserLight Digital, 32 505, Germany (CD/Compilation).
- B.O. „Fränkisches Bier“. On: 2000 Jahre J.B.O., 2010, Megapress, MP0104-0017, Germany (CD/Album).
- Die Fantastischen Vier. „Griechischer Wein“. On: Live In Stuttgart, 2003, Sony Music, FOR 515153 2, Germany (CD/Album).
- Hape Kerkeling. „Griechischer Weihnachtsmann“. On: Hapes zauberhafte Weihnachten, 2010, Sony Music, 88697 80832 2, Germany (CD/Album).
- „Griechischer Wein“. On: Best of Locomondo, 2011, Monopol Records, M 2387 941002, Germany (LP/Album).
- „Griechischer Wein“. On: Feuer & Flamme, 2021, Sony Music, 19439844122, Germany (CD/Album).
References
- Bischoff, Lisbeth: Udo Jürgens „Merci“. Die Biographie. Wien: Amalthea Signum 2015.
- Jürgens, Udo: Smoking und Blue Jeans. Jahre eines Traumtänzers. Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe 1988.
- Jürgens, Udo: … unterm Smoking Gänsehaut. Autobiographie. München: Goldmann 1997.
- Jürgens, Udo: Ich, Udo. Gespräche mit Christian Simon. München: LangenMüller 2016.
- Kammertöns, Hanns-Bruno: Der Mantel der Geschichte. In: Die Zeit, 30.06.2005, 32.
Links
- Udo Jürgens – Griechischer Wein. URL: https://www.youtube.com/watch?v=QBkPARPm-Mc [06.03.2022].
About the Author
All contributions by Peter Wicke
Citation
Peter Wicke: „Griechischer Wein (Udo Jürgens)“. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, https://www.songlexikon.de/songs/griechischer-wein, 04/2025.
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