1966
The Beach Boys

Good Vibrations

Der Song GOOD VIBRATIONS ist einer der bekanntesten und kommerziell erfolgreichsten Hits der Beach Boys und wird heutzutage gemeinhin als Meisterwerk der Popmusik gehandelt.

I. Entstehungsgeschichte

GOOD VIBRATIONS wurde am 10. Oktober 1966 als Single inkl. der B-Side “Let’s Go Away For Awhile” veröffentlicht. Erste kompositorische Skizzen und Aufnahmen entstanden bereits während der Produktion des im Frühjahr 1966 erschienenen Albums Pet Sounds. Komponiert wurde der Song vom Kopf der Band, Brian Wilson; der Songtext wurde in Kooperation mit Bandmitglied Mike Love verfasst. Die Arbeit an dem Song war Bestandteil der Sessions zu dem inzwischen als legendär gehandelten, weil in seiner ursprünglichen Konzeption nie veröffentlichten Album Smile. Musikalisch markiert der Song eine Weiterentwicklung des bis dato bandtypischen Surf-Sounds. In seiner künstlerischen Ambitioniertheit stellt er zudem eine Emanzipation vom eigenen allzu eng gestrickten Image der kalifornischen Sonnyboys dar.

II. Kontext

Kulturhistorisch betrachtet, trat der Song in eine Entwicklungsphase der Popmusik ein, die sich durch ein hohes Maß an Experimentierfreude auszeichnete. Verschiedene Bands und Produzenten unternahmen seinerzeit den Versuch, Klangwelten zu kreieren, die in formaler, rhythmischer, harmonischer, melodischer und produktionstechnischer Hinsicht über die Gestaltungsprinzipien von Rock ‘n’ Roll, Schlager und Rhythm & Blues hinausgingen. Stilprägend in dieser Hinsicht waren sicherlich die Beatles, die mit ihrem 1966 erschienenen Album Revolver neue klangästhetische Maßstäbe setzten – aber eben auch besagte Beach Boys, allen voran ihr Mastermind Brian Wilson, der sich in einer Art kreativem Wettstreit mit den Beatles wähnte. In diese “Selbstfindungsphase” der frühen Popkultur spielten auch gesellschaftliche und politische Faktoren hinein. So formierte sich in den 1960er Jahren im Zuge der kulturrevolutionären Bewegungen in Westeuropa und Nordamerika eine jugendliche Gegenkultur, die in radikaler Weise mit den Normen der Erwachsenengeneration brach und neue Ausdrucksweisen und Lebensmodelle für sich erschloss. Der Ablehnung gegenüber dem Alten und Überkommenen wurde nicht zuletzt auf dem Terrain von Musik und Popkultur Ausdruck verliehen.

III. Analyse

Der Song dauert 3:35 Minuten und baut auf einem komplexen Instrumental- und Vokal-Arrangement auf. Neben Hauptgesang und diversen mehrstimmigen Nebengesangsparts kommen folgende Instrumente zum Einsatz: Theremin, Hammond Orgel, E-Bass, Honky-Tonk-Piano, Cembalo, Mundharmonika, Cello, Kontrabass, Schlagzeug, Percussion (Shaker, Tamburin). Ein hervorstechendes Merkmal des Songs sind die abrupt einsetzenden Wechsel zwischen den einzelnen Formteilen. Insgesamt können sieben verschiedene Abschnitte in folgender Anordnung ausgemacht werden: 1. Strophe (–0:25), Refrain (–0:51), 2. Strophe (–1:16), Refrain (–1:41), Bridge 1 (–2:14), Bridge 2 (–2:58), Refrain (–3:14), Bridge 3 (–3:27), Outro (bis Ende). Die Strophen werden durch eine reduzierte Besetzung geprägt: Hauptgesang/Carl Wilson, Hammond Orgel (akkordisches Spiel im Viertelimpuls), E-Bass (versatzstückartige Motive synkopisch gespielt, bestehend aus größeren Intervallsprüngen) und Schlagzeug (kurze Fill-Ins) gehalten. Harmonisch betrachtet basieren die Strophen auf einer vom tonalen Zentrum Esm absteigenden Akkordfolge auf den Stufen VII, VI und V♯. Der Songtext thematisiert aus der Perspektive des singenden (männlichen) Ich-Erzählers heraus das Wohlgefühl, das besagtem Erzähler durch die Präsenz einer Frau vermittelt wird. Dabei wird die sinnliche Breite der Begegnung wiedergegeben – u.a. wird auf visuelle (“colorful clothes”), olfaktorische (“her perfume”) und auditive (“sound of a gentle word”) Reize Bezug genommen. Schließlich wird das besungene Erlebnis gar ins Traumhafte transzendiert (“When I look in her eyes. She goes with me to a blossom world”). Der Refrain markiert eine signifikante klangliche Weiterentwicklung. So geht das Schlagzeug in einen Beat über, ebenso wechselt der Bass in ein zweitaktiges, ostinat fortlaufendes Pattern (in Blues-Tonalität). Parallel zur Basslinie bewegt sich der Leadgesang (gesungen von Mike Love), der im weiteren Verlauf des Refrains durch einen mehrstimmigen Nebengesang kontrapunktiert wird. Zusätzlich setzen Theremin, Cello und Kontrabass ein. Das harmonische Fundament bildet eine reale in zwei Ganztonschritten aufsteigende Sequenz. In textlicher Hinsicht wird das Motiv der intimen, erotischen Begegnung auf den titelgebenden Aspekt der “guten Schwingungen” hin verdichtet (“I’m pickin’ up good vibrations”). Die drei Bridges schließlich tragen in nicht unerheblichem Maße dazu bei, dass dem Song der Eindruck des Komplexen und Avancierten anhaftet – mitunter versinnbildlicht im Begriff des Sinfonischen (vgl. Schmidt-Joos/Kampmann 2002: 50). Entscheidend für die Entstehung dieses Eindrucks ist, dass die für Pop-Songs typische Periodizität von Strophe und Refrain abrupt durchbrochen wird. In der ersten Bridge wechseln Bass und Schlagzeug in einen Half-Time-Modus, das Honky-Tonk-Piano setzt ein und über die Dauer von zwölf Takten wird lediglich auf einen Akkord (B7) zurückgegriffen. Eine signifikante Beruhigung des Klanggeschehens findet sodann in der zweiten Bridge statt. Die Hammond Orgel spielt in mittlerer Lage und in langen Notenwerten Akkorde (ganze und doppelte ganze Noten), während der Shaker einen Viertelimpuls vorgibt. Nachdem Gesang und Bass eingesetzt haben, tritt am Ende dieser Bridge die Mundharmonika mit einer leicht und verspielt anmutenden Melodie in den Vordergrund. Mit einem abrupt einsetzenden mehrstimmigen Gesangspart wird letztmalig in den Refrain gewechselt, bevor das Stück in der kurzen Outro und dem finalen Fade-Out schließt.

IV. Rezeption

GOOD VIBRATIONS war der dritte Nummer-Eins-Hit der Beach Boys in den USA (nach “I Get Around” und “Help Me, Rhonda”). Zudem erreichte der Song die höchste Chart-Platzierung in Großbritannien und markierte somit den Status der Band als internationale Superstars. Seine heutige Rezeption wird vor allem durch die weitläufige Anerkennung als ingeniöse Hervorbringung der Popkultur bestimmt. So wird GOOD VIBRATIONS beispielsweise in der vom Rolling Stone Magazine herausgebrachten Liste der “500 Greatest Songs of All Time” auf Platz 6 geführt. Zudem findet er sich in der unter dem Signum der Rock and Roll Hall of Fame veröffentlichten Liste der “500 Songs that Shaped Rock and Roll” wieder. Der Song ist fester Bestandteil der aktuellen Reunion-Tour der Beach Boys.

 

CHRISTOFER JOST


Credits

Lead Vocals: Mike Love
Lead Vocals, Electric Guitar, Percussion: Carl Wilson
Vocals: Al Jardine, Bruce Johnston,
Vocals, Organ: Brian Wilson
Vocals, Hammond Organ: Dennis Wilson
Hammond Organ: Larry Knechtel
Drums, Percussion: Hal Blaine
Drums: Jim Gordon
Electric Guitar: Glen Campbell
Electric Bass: Carol Kaye, Ray Pohlman
Contrabass: Jimmy Bond, Lyle Ritz
Harpsichord: Don Randi
Honki-Tonk-Piano: Al de Lory
Harmonica: Tommy Morgan
Theremin: Paul Tanner
Cello: Jesse Ehrlich
Writers: Brian Wilson, Mike Love
Producer: Brian Wilson
Recorded: February–September 1966
Released: October 10th, 1966
Length: 3:39

Recordings

  • The Beach Boys. “Good Vibrations”, Good Vibrations/Let’s Go Away For Awhile, 1966, Capitol, K 12328, Germany (7″/Single).
  • The Beach Boys. “Good Vibrations”, Smiley Smile, 1967, Capitol, SMK 74330 (LP/Album).
  • Smile, Director: Brian Wilson. Warner 2004 (2xDVD/0349704152).

References

  • Reckwitz, Andreas: Das hybride Subjekt. Eine Theorie der Subjektkulturen von der bürgerlichen Moderne zur Postmoderne. Weilerswist: Velbrück 2006.
  • Kampmann, Wolf/Schmidt-Joos, Siegfried: Pop-Lexikon. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2002.
  • Leaf, David: The Beach Boys and the California Myth. New York: Grosset & Dunlap 1978.
  • The 500 Greatest Songs of All Time. In: Rolling Stone Magazine 963 (2004).
  •  500 Songs that shaped Rock and Roll: www.rockhall.com [16.07.2012].

About the Author

PD Dr. Christofer Jost is research associate at the Zentrum für Populäre Kultur und Musik, University of Freiburg, and teaches media studies at the University of Basel.
All contributions by Christofer Jost

Citation

Christofer Jost: “Good Vibrations (The Beach Boys)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/goodvibrations, 07/2012 [revised 10/2013].

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