1957
Johnny Cash

Folsom Prison Blues

FOLSOM PRISON BLUES ist ein Countrysong des Künstlers Johnny Cash, der den Song erstmalig am 30. Juli 1955 mit den Tennessee Two aufnahm und diesen auf seinem Debüt-Album With His Hot and Blue Guitar (1957) veröffentlichte. Bekanntheit erlangte der Song vor allem durch die Live-Aufnahme aus dem Jahr 1968 im gleichnamigen Folsom State Prison.

 

I. Entstehungsgeschichte

Johnny Cash schrieb den Song 1953, als er sich in Deutschland als US-Soldat aufhielt. Die Inspiration kam ihm durch den Film Inside The Walls of Folsom Prison (vgl. Leim 2018). Die Dokumentation handelt von einer der härtesten Strafvollzugsanstalten im US-Bundesstaat Kalifornien. Während seiner Zeit als Soldat verbrachte Cash viel Zeit damit, Stücke mithilfe einer Mundharmonika zu komponieren. Geleitet durch die aus dem Film gewonnenen Eindrücke komponierte er so auch den Titel FOLSOM PRISON BLUES (vgl. Hauke 2018).

Allerdings stammen die Melodie sowie große Teile des Textes ursprünglich aus dem Song “Crescent City Blues” von Gordon Jenkins (1953). Cash machte sich diesen in leicht abgewandelter Form und kleinen Veränderungen am Text zu eigen. Nach dem Erfolg des Songs kam es so zu einem Rechtsstreit und Cash musste 75.000 US-Dollar an Jenkins zahlen, um ihn weiterhin spielen zu dürfen (vgl. Wikipedia – Folsom Prison Blues).

Zum ersten Mal erschien der Song auf dem Album With His Hot and Blue Guitar aus dem Jahr 1957. Aufgenommen wurde er mit den Tennessee Two (Luther Perkins an der Gitarre und Marshall Grant am Bass) und Cashs damaligem Produzenten Sam Philipps. Zu einem “Signature”-Song Cashs wurde er jedoch erst, als er 1968 auf dem Konzert-Album At Folsom Prison erschien. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Band bereits erweitert und trat nun mit W.S. Holland am Schlagzeug als die Tennessee Three auf. Als weiterer Gitarrist wurde Carl Perkins für das Gefängniskonzert hinzugeholt (vgl. Leim 2018).

Jahrelang plante Cash, ein Gefängniskonzert aufzunehmen und als Live-Platte rauszubringen, doch seine Plattenfirma lehnte dies ab. Nie zuvor hatte sich jemand an ein derartiges Live-Album gewagt – und Johnny Cash wollte der Erste sein. Als Cash im Jahr 1967 anfing, zusammen mit seinem neuen Produzent Bob Johnston von der Plattenfirma Columbia zu arbeiten, änderte sich dies. Das Konzert im Folsom State Prison wurde zu einem der wichtigsten Ereignisse in der Karriere des Künstlers und seiner Band (vgl. Wohlrab 2018).

 

II. Kontext

Johnny Cash gehört zu den wenigen Musikern, die bislang Konzerte in Gefängnissen gaben. Das erste dieser Art fand bereits am 1. Januar 1958 im Hochsicherheitsgefängnis St. Quentin im US-Bundestaat Kalifornien statt. Seine Plattenfirma konnte er erst spät überzeugen, eine solche Darbietung aufzunehmen. Das erste Gefängniskonzert, welches dann auch live aufgenommen wurde, spielte er am 13. Januar 1968 im Folsom Prison. Durch diesen Auftritt gelang dem Song der Durchbruch und erreichte erst dann die heutige Popularität. Der Song gilt als eines seiner größten Werke und die damit direkt in Verbindung gebrachten Gefängniskonzerte stellen einen Wendepunkt in der Karriere des “Man in Black” dar. Die Jahre vor diesen Aufnahmen waren bestimmt von Drogenkonsum und Medikamentenmissbrauch des Musikers (vgl. Wohlrab 2018). Erst kurze Zeit zuvor begab sich Cash in Entzug. Das Konzert sollte live komplett mitgeschnitten werden, da nicht abschätzbar war, wie gut die Aufnahme des gerade erst wieder stabil wirkenden Musikers funktionieren würde. Es wurden zwei identische Konzerte angesetzt – eins am Vormittag um 9:40 Uhr und eins am Nachmittag um 12:40 Uhr. Zu jedem dieser Konzerte wurden rund tausend Häftlinge als Publikum zugelassen, unter ihnen Schwerstverbrecher wie Mörder und Bankräuber (vgl. Hauke 2018). Die Konzerte fanden im Speisesaal statt. Während des Auftritts standen an den Seiten des Saals die Wärter mit geladenen Gewehren, um bei möglichen Übergriffen bereit zu stehen und sofort einschreiten zu können. Die Stimmung war durchweg aufgeheizt, aber friedlich. Die Aufnahmen verliefen letztendlich so gut, dass auf der Live-Platte fast ausschließlich das Material der ersten Session verwendet wurde (17 von 19 Songs) (vgl. Wohlrab 2018).

Johnny Cash galt schon zu jener Zeit als Person, die für die “Ausgestoßenen” Partei ergriff. In den 1970er-Jahren setzte er sich für eine Reform des Strafvollzugs ein. Auf den Konzerten im Hochsicherheitstrakt stellte er sich mit den Gefangenen auf eine Ebene, fluchte mit ihnen über die geltenden Bedingungen im Gefängnis und verurteilte das herrschende soziale Gefälle. Er ging sozusagen auf die Insassen zu und wurde bei jedem seiner Konzerte dieser Art von ihnen vollständig akzeptiert. Seine Intention war dabei folgende: “Wenn wir bessere Menschen aus den Gefangenen machen, wird es weniger Verbrechen auf den Straßen geben. Dann werden unsere Familien sicherer sein, wenn diese Menschen aus den Gefängnissen entlassen werden” (Wohlrab: 2018).

Generell bezog er immer wieder kritisch Stellung zu den verschiedensten gesellschaftlichen Themen, so setzte er sich unter anderem für die Rechte der First Americans ein, äußerte Kritik am Vietnamkrieg und kritisierte die soziale Ungleichheit (vgl. Neumayer 2018). Mit seinen rebellischen Texten wird Johnny Cash Ende der 1960er-Jahre zu einer Schlüsselfigur der Outlaw-Bewegung im Country-Genre, die sich vor allem gegen das Nashville-Establishment stellte (vgl. Wikipedia – Outlaw Bewegung). Seine Musik wird daher auch häufig als Outlaw-Country bezeichnet.

 

III. Analyse

Der Song ist in einer sogenannten Strophen-Songform aufgebaut, sodass er keinen Refrain beinhaltet. Nach einem kurzen Intro beginnt das Stück mit den ersten beiden Strophen, gefolgt von einem Gitarrensolo. Nach der dritten Strophe folgt wieder ein kurzes Solo, welches letztlich in die vierte und letzte Strophe einleitet.

Wie bereits erwähnt, orientiert sich der Song sehr stark an dem zuvor geschriebenen Jenkins-Song, sowohl textlich als auch musikalisch. Dennoch drückt Johnny Cash ihm durch seine tiefe unverkennbare Stimme und die prägnanten zusätzlichen Textpassagen seinen Stempel auf.

Thematisch handelt der Song von einem Gefängnisinsassen, der nach einem begangenen Mord über sein Leben nachdenkt. Dieses Thema der sogenannten prison songs ist häufiger in der Country-Musik zu finden. Johnny Cash fühlt sich in diesen Insassen hinein und liefert mit der Textzeile “I shot a man in Reno / Just to watch him die” (Cash 1953: 8) nach eigenen Aussagen den schlimmsten Beweggrund für einen Mord (vgl. Vensky 2012). Zuvor erinnert sich der Protagonist noch an seine Kindheit und seine Mutter, die er jetzt enttäuscht hat: “When I was just a baby / My Mama told me, Son / Always be a good boy / Don’t ever play with guns” (Cash 1953: 6-7). Der Insasse weiß, dass er zurecht im Gefängnis sitzt und ärgert sich dennoch über die reichen Leute, die Kaffee trinkend und Zigarre rauchend in den Zügen sitzen: “I bet there’s rich folks eatin’ / In a fancy dining car / They’re probably drinkin’ coffee / And smokin’ big cigars” (Cash 1953: 10-11) und sehnt sich danach, ebenfalls in Freiheit in diesem Zug zu fahren (vgl. Stack 2014). Der Song wird somit mit einem weiteren typischen Motiv aus der Folkmusik ergänzt, dem sogenannten train song.

Neben der textlichen Referenz auf den Zug und bewegungsbeschreibenden Wörtern wie “rolling” und “moving”, orientiert sich die musikalische Umsetzung ebenfalls an diesem Motiv. Der Rhythmus ist eingängig gehalten und mit einem für Johnny Cash typischen einfachen Akkord- und Zupfschema der Gitarre untermalt, das sich in vielen seiner Songs wiederfindet. Im treibenden Bass wird, gleichsam klangsymbolisch, das Motiv des fahrenden Zuges aufgegriffen. Für den Insassen scheint die Zeit innerhalb seiner Zelle, in der nichts Neues passiert und in der er über sein Leben nachdenkt, nicht zu vergehen: “time keeps draggin’ on” (Cash 1953: 4) und der Zug bildet den drastischen Kontrast zu seinem Dasein: “But that train keeps a-rollin’ on down to San Antone” (Cash 1953: 5). Musikalisch kann der bluesig angehauchte Song auch in die Kategorie des “Twelve Bar Blues” eingeordnet werden. Letzterer besteht typischerweise aus drei Grundakkorden, die sich immer wieder in einem Abschnitt von zwölf Takten wiederholen. Johnny Cash nutzt in seinem Musikstück folglich eine der gängigsten und bekanntesten Akkordfolgen der Musikgeschichte.

Da Cash das Konzert At Folsom Prison mit diesem Song beginnt, findet sich am Anfang der Live-Aufnahme seine Begrüßung mit den legendären Worten “Hello, I am Johnny Cash” wieder, mit denen er jedes seiner Konzerte eröffnete. Während des Liedes hört man die durch die Musik aufgeheizte Stimmung der Gefängnisinsassen, welche jubeln und grölen. Die Aufnahme, die hinterher auf der Platte erschien, wurde wenig bearbeitet, sodass diese Klänge alle mit auf der Aufnahme zu hören sind. Das Jubeln, dass nach der Zeile zu dem Mordbeweggrund “I shot a man in Reno / Just to watch him die” zu hören ist, wurde allerdings nachträglich im Studio eingefügt, da sich in diesem Moment die Insassen aus Angst vor Konsequenzen der Wärter verhalten zeigten (vgl. Johnny Cash Trail 2018).

 

IV. Rezeption

At Folsom Prison war nicht das erste Gefängniskonzert, das Johnny Cash spielte, allerdings das Erste, aus dem eine Live-Aufnahme entstand.

Die Erstaufnahme des Songs erreichte Platz 4 in den US Country Charts, wohingegen die spätere Live-Aufnahme auf den ersten Platz stieg und sich dann über 90 Wochen in den Top 100 hielt. Cash wurde ferner ein Grammy Award in der Kategorie “Beste männliche Gesangsdarbietung – Country” verliehen. In den Hot 100 Charts kletterte der Song bis auf Platz 32 (vgl. Johnny Cash Trail 2018).

Im Juni 2014 wurde der Song vom Musikmagazin Rolling Stone auf Platz 51 der 100 besten Country-Songs aller Zeiten gewählt.

Das dazugehörige Live-Album At Folsom Prison wurde ebenfalls vom Rolling Stone in die Liste der 500 besten Musikalben aller Zeiten auf Platz 88 aufgenommen. Bis heute wurde das Album mehr als sechs Millionen Mal verkauft und erreichte viermal Platin und einmal Gold (vgl. Wikipedia – At Folsom Prison). Generell wird das Album überaus positiv bewertet. Kritiker Patrick Carr äußerte sich wie folgt: “[…] das heutige Äquivalent wäre eine Gangsta-Rap-Scheibe, die bei den Grammy-Awards alles abräumt” (Wohlrab 2018: 19-20).

U2-Sänger Bono betont das Außergewöhnliche von Cash mit den Worten: “Wir sind alle Weicheier im Vergleich zu Johnny Cash” (Wohlrab 2018: 94). Johnny Cash verstand es, Grenzen zu überschreiten und Neues auszuprobieren. Dabei blieb er stets authentisch und man merkte ihm das Bemühen an, sein musikalisches Wirken nicht an Profitinteressen, sondern an seinen Überzeugungen und Ansichten und dem Wunsch nach Veränderungen in der Gesellschaft auszurichten.

In dem biographischen Film Walk the Line des Regisseurs James Mangold aus dem Jahr 2005 wird der Titel FOLSOM PRISON BLUES somit zurecht als ein Leitsong durch den gesamten Film hinweg verwendet, der ihn dort zu einem Produzenten und zur Aufnahme eines neuen Albums führt. Da es im Film keine Originalaufnahmen des legendären “Knastkonzertes” gibt, wurden die Szenen mit Joaquin Phoenix in der Rolle des Johnny Cash aufgearbeitet und rekonstruiert. Letztendlich wurde der Film im Jahr 2006 mit einem Oscar für die beste Hauptdarstellerin, Reese Witherspoon in der Rolle der June Carter, und mehreren Golden Globe Awards ausgezeichnet (vgl. Wikipedia – Walk the Line).

 

PASCAL MICHELS


Credits

Vocals: Johnny Cash
Acoustic Guitar: Johnny Cash
Guitar: Luther Perkins, Carl Perkins
Bass: Marshall Grant
Drums: W.S. Holland
Music/Songwriting: Johnny Cash
Producer: Bob Johnston
Label: Columbia
Recorded: 1968
Published: 1968
Length: 2:43

Recordings

  • Johnny Cash. “Folsom Prison Blues”. On: At Folsom Prison, 1968, Columbia, CS 9639, US (LP, Album).
  • Johnny Cash. “Folsom Prison Blues”. On: With His Hot And Blue Guitar, 1957, SUN, LP 1220, US (LP, Album).

References

Films

  • Walk The Line. Regie: James Mangold. Drehbuch: James Mangold / Gill Dennis. 20th Century Fox, 2005. (DVD/ B000F1II8K).

About the Author

Analysis written in a course of Prof. Dr. Fernand Hörner at the University of Applied Sciences Düsseldorf.

Citation

Pascal Michels: “Folsom Prison Blues (Johnny Cash)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/folsom-prison-blues, 12/2019.

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