1976
ABBA

Fernando

FERNANDO ist ein Song der schwedischen Pop-Gruppe ABBA aus dem Jahr 1976.

 

I. Entstehungsgeschichte

FERNANDO wurde im Sommer 1975 von Benny Andersson (*1946) und Björn Ulvaeus (*1945), der männlichen Hälfte des Pop-Quartetts ABBA, auf einen schwedischen Text des Managers der Gruppe, Stig Anderson (1931–1997), geschrieben. Der Song trug zunächst den Arbeitstitel „Tango“ und entstand ursprünglich für das zweite Solo-Album von ABBA-Sängerin Anni-Frid Lyngstad (*1945), Frida ensam (1975). Sie hatte schon vor ihrer Zeit mit ABBA eine erfolgreiche Solo-Karriere begonnen und führte diese auch weiter, als sie gemeinsam mit ihrem Freund und späteren Ehemann Benny Andersson und dessen Freund Björn Ulvaeus sowie seiner Ehefrau Agnetha Fältskog (*1959) das Unternehmen ABBA, ein Akronym der Vornamen der vier, startete. Bei der Aufnahme wurde schnell klar, dass FERNANDO ein enormes Hit-Potenzial besaß, sodass es nahelag, den Song für das 1976 geplante Kompilationsalbum Greatest Hits des Pop-Quartetts noch einmal in einer englischen Version aufzunehmen. Da Ulvaeus der etwas kitschige schwedische Text des Songs über den Verlust einer großen Liebe missfiel, schrieb er für die englische Fassung einen neuen, in dem Fernando zum lateinamerikanischen Freiheitskämpfer wurde.

Die Aufnahme sowohl der schwedischen wie der englischen Version des Songs erfolgte im Kontext der Produktion des vierten Studio-Albums von ABBA Arrival (1976). Die Aufnahme lag in den Händen des schwedischen Produzenten und Toningenieurs Bo Michael Tretow (*1944). Ein erster Versuch am 5. August 1975 im Glenstudio, dem Studio der schwedischen Rock- und Popsängerin Karin Glenmark (*1952) in Stocksund, wurde verworfen, da er von der Gruppe vor allem in rhythmischer Hinsicht als zu schwerfällig befunden worden war. Ein einminütiger Ausschnitt dieses Takes fand erst 1994 in der Kompilation ABBA Undeleted, die als Teil einer 4-CD-Box mit ABBA-Songs erschien, einen Weg in die Öffentlichkeit. Der zweite Anlauf am 3. September 1975 im Stockholmer Metronome Studio ihrer Plattenfirma Polar fand dann die Zustimmung aller Beteiligten. Am 12. September wurden die Streicher-Overdubs eingespielt. Der Vokalpart der Lyngstadt-Version mit dem schwedischen Text entstand am 4. September 1975 im Studio der Königlichen Musikhochschule Schweden, dem KMH Studio in Stockholm. Hier sind am 21. und 29. September weitere Overdubs hinzugefügt worden, darunter die Trommel am Beginn des Songs mit dem Schlagerzeuger Robert Palm (*1949) und die Background Vocals. Mit der Aufnahme der Flötenparts von Jan Kling (*1949) am 10. Oktober 1975 wieder im Metronome Studio ist die Aufnahme der Instrumentaltracks dann abgeschlossen worden. Sie fanden sowohl für die ebenfalls von Lyngstad gesungene englische Version als auch für die ABBA-Version Verwendung. Nur der Gesang ist in beiden Versionen etwas anders abgemischt. Die Abmischung der Lyngstad-Version erfolgte am 10. Oktober im Anschluss an die Aufnahme der Overdubs durch Janne Hannson (*1949), einem Inhouse-Ingenieur von Metronome. Die englische Version ist am 3. Dezember mit Unterstützung von Andersson und Ulvaeus ebenfalls im Metronome Studio von Polar abgemischt worden. Im Februar 1976 entstanden dann noch ein Mono- und ein Stereo-Mix ohne Vocals für Playback-Aufführungen auf der Bühne und im Fernsehen.

Die schwedische Lyngstad-Version erschien im Rahmen ihres Albums Frida ensam am 10. November 1975, die Singleauskopplung am 17. November. Eine separate Single-Veröffentlichung der englischsprachigen ABBA-Version war zunächst nicht vorgesehen, um Lyngstad kein konkurrierendes Produkt an die Seite zu stellen. Die Erstveröffentlichung von ABBAs FERNANDO wurde stattdessen der norwegischen und dänischen Version ihres Kompilationsalbum ABBA, das ebenfalls am 17. November 1975 erschien, als Eröffnungstrack hinzugefügt. Das je nach Veröffentlichungsland entweder als Greatest Hits oder Best of ABBA bezeichnete Kompilationsalbum, für das die englische Version produziert worden war, erschien ab Frühjahr 1976 sukzessive in fast 70 Ländern mit leicht variierter Titelliste, aber immer mit FERNANDO darunter. Eine Single mit FERNANDO und „Hey Helen“ von ihrem 1975er Album ABBA als B-Seite wurde am 3. März 1976 dann aber doch veröffentlicht. Nicht nur war nach „Mamma Mia“ (1975) für eine neue Single die Zeit reif, laut Andersson stand FERNANDO mit seinem melancholischen Ton auch im reizvollen Kontrast zu „Mamma Mia“und bot damit die Chance, das Quartett von einer neuen Seite zu zeigen (Palm 2007: 81).

Obwohl nicht als Single geplant, sollte es die erfolgreichste Single-Veröffentlichung ihrer gesamten Karriere werden. Allerdings erfolgte die Erstveröffentlichung nicht in Schweden, sondern in Norwegen, bevor die Scheibe mit unterschiedlichen B-Seiten dann sukzessive in mehr als 50 Ländern auf fast allen Kontinenten erschien. In Deutschland und einem großen Teil Europas enthielt die B-Seite der Single „Tropical Loveland“(1975), in den USA „Rock Me“ (1975), in Mexiko und einer Reihe spanischsprachiger Länder „Mamma Mia“, alle vom gleichen Album wie die B-Seite der Erstveröffentlichung. In Frankreich und einer Reihe französischsprachiger Länder war FERNANDO mit „Dance (While The Music Still Goes On)“ vom Vorgänger-Album Waterloo (1973) gekoppelt.

1980 ist FERNANDO sind die Vokaltracks für das spanischsprachige Album Gracias Por La Música(1980) noch einmal neu aufgenommen worden und wurden für die Veröffentlichung in spanischer Sprache ausgetauscht. Der Song findet sich auf insgesamt 18 Kompilationsalben von ABBA.

Für FERNANDO drehte der renommierte schwedische Filmregisseur Lasse Hallström (*1946) rechtzeitig vor dem Single-Start am 3. und 4. Februar 1976 ein Musikvideo. Dabei handelte es sich um eine Low-Budget-Produktion, die die Gruppe am Lagerfeuer vor einer aus einer Zeitung abfotografierten Landschaft und unter einem Sternen-Himmel zeigt, der aus einem schwarzem Schirm mit eingestochenen Sternen bestand.

 

II. Kontext

FERNANDO trägt deutliche Spuren des schwedischen Kontextes, in dem der Song entstand. Das relativ dünn besiedelte Land mit einer geografisch weit verstreuten Bevölkerung macht es schwierig, ein homogenes Publikum aufzubauen, das es Musikerinnen und Musikern ermöglicht, mit einer spezialisierten Musikrichtung ein Auskommen zu finden. Schweden hat deshalb eine lange Tradition, Musikstile zu mischen, die anderswo für unvereinbar gehalten werden. Auch der musikalische Background der ABBA-Mitglieder, der sich in ihrer Musik wiederfindet, ist ausgesprochen divers. Agnetha Fältskog wuchs in Jönköping (Småland) auf, einer Region mit starker Volks- und Kirchenliedtradition, und begann schon als Teenager ihre Karriere als Sängerin einer Band, deren Tanzmusik-Stil in den musikalischen Traditionen der Region verwurzelt war. Ab 1965 bewegte sie sich dann in Schweden und Deutschland im Schlagergenre, wobei ihr hymnischer Intonationsstil auf die Kirchenliedtradition ihrer Heimat verwies. Anni-Frid Lyngstad, die ihre Karriere als Sängerin ebenfalls schon im frühen Teenager-Alter begonnen hatte, war im Swing und Mainstream-Jazz musikalisch sozialisiert worden. Björn Ulvaeus gehörte in den 1960er Jahren als Gitarrist der in Schweden sehr populären Folkgruppe Hootenany Singers an, die zunächst mit internationaler Folk Music angloamerikanischer Prägung in der Art von Pete Seeger und den Almanac Singers unterwegs war, dann aber in die kommerziellere Richtung des Kingston Trio umschwenkte. Benny Andersson spielte in den 1960er Jahren Keyboards in einer lokalen schwedischen Rockband, war aber auch mit der schwedischen Volksmusik sehr vertraut, da sein Vater als Amateur-Akkordeonist in einer Volksmusikgruppe mitwirkte. Ulvaeus und Andersson begannen schon in den 1960er Jahren als Songschreiber zusammenzuarbeiten, wenn auch nicht auf einer regulären Basis. Das brachte sie in Kontakt mit der Musik der politischen Alternativbewegung in Schweden, denn in dieser Zeit war das der einzige Platz für schwedische Musik in schwedischer Sprache. Die Popmusik bestand damals, wie in vielen anderen Ländern auch, aus einem rein anglo-amerikanischen Repertoire. Dagegen mobilisierte sich gegen Ende der 1960er Jahre eine politisch-kulturelle Bewegung, die die aktuellen Popmusikstile in einen explizit schwedischen musikalischen Kontext zu integrieren suchte.

Damit sind zugleich die Ingredienzien benannt, die in ABBAs Musikstil zusammenkamen und die es angesichts ihrer Heterogenität ermöglichten, dass ABBAs Musik sowohl in Schweden als auch international als eine Musik von ausgeprägter Anschlussfähigkeit gehört werden konnte. Der Eklektizismus ihrer Musik machte sie mit den Kulturen nahezu überall auf der Welt kompatibel und entsprechend sensationell war ihr Erfolg. Hinzu kommt, dass in der Zeit eines tiefgehenden Generationskonfliktes die Musik von ABBA eine All-Generationen-Musik war, ein ausgesprochenes Novum in der damaligen Zeit. Auch das hat mit dem schwedischen Kontext zu tun, denn in dem vergleichsweise reichen und sozialdemokratisch regierten Schweden besaß der Konflikt zwischen den Generationen nie das Ausmaß wie anderswo.

FERNANDO steht mit seinen lateinamerikanischen Anklängen noch mit einem weiteren Aspekt der Zeitgeschichte in Zusammenhang. Die Welt befand sich Mitte der 1970er Jahre noch immer in Aufruhr über den Militärputsch in Chile am 11. September 1973 gegen die Regierung der Unidad Popular von Salvadore Allende, die sich eines großen Zuspruches vor allem seitens der Jugend in vielen Ländern der Welt erfreut hatte. Im Zusammenhang damit tauchten auch in den Charts immer häufiger lateinamerikanische Songs auf. Erinnert sei nur an das zum Evergreen gewordene „El Condor Pasa (If I Could)“ (1970), die englischsprachige Version eines peruanischen Volksliedes von Simon and Garfunkel. Der Putsch, der ungefiltert über die Fernsehschirme in aller Welt flimmerte, löste eine weltweite Solidaritätsbewegung aus, zumal das Pinochet-Regime besonders brutal gegen die Kulturschaffenden des Landes vorgegangen war. Insbesondere der Sänger und Musiker Victor Jara (1932–1973), einer der großen Vertreter des Nueva Canción (Neuen Liedes) in Lateinamerika, wurde nach seiner Ermordung durch die Putschisten am 16. September 1973 im Fußball-Stadion von Santiago de Chile mit seinen Liedern zum Symbol der weltweiten Solidaritätsbewegung, die durch fast alle politischen Lager ging. Und auch wenn Pop-Songs keine politischen Statements sind und von allzu direkten politischen Aussagen in der Regel frei bleiben, so ist es doch kaum ein Zufall, dass ausgerechnet zu dieser Zeit ein Song entstand und derart populär wurde, der deutliche musikalische Anklänge an eine Musik aufwies, die durch Gruppen chilenischer Exilmusikerinnen und -musiker auf den Straßen und Plätzen der Großstädte des Westens überall präsent war. Andersson erklärte damals, dass er mit dem Freiheitskampf, den der Text anspricht, nichts Bestimmtes gemeint habe: „We just want to create the atmosphere to have [people’s] own imagination going, which is better“ (Palm 2017: 169). Später behauptete er, der Text beziehe sich auf den mexikanisch-amerikanischen Krieg von 1846–1848, in dem die USA ihr Territorium nach Südwesten ausdehnten (ebd.), wohl um eine allzu platte Lesart des Textes als Kommentar zu den Ereignissen in Chile auszuschließen.

 

III. Analyse

FERNANDO ist eine Ballade, das heißt ein eher langsames, melancholisches Musikstück erzählenden Charakters. Allerdings hat der Begriff in der Rock- und Popmusik mit der Ballade als Charakterstück in der Musik des 19. Jahrhunderts ebenso wenig etwas zu tun wie mit der Ballade als Literaturgattung. Hier bezieht er sich ausschließlich auf die Dominanz des Narrativen in einem Song, die an eine meist nach außen verlagerte Erzählerperspektive gebunden ist.

FERNANDO ist die Geschichte eines nicht näher bestimmten Freiheitskämpfers, eben jenes Fernando, erzählt aus der Perspektive eines Erzählers, der sie aus seiner Erinnerung jenem, nun alt gewordenen, Fernando berichtet. Diese indirekte Erzählerperspektive gibt dem Song seinen balladesken Charakter, denn die Erzählung adressiert nicht die Hörenden, sondern die lyrische Figur des Fernando.

Musikalisch gehört der Titel in einen stilistischen Kontext, der als Middle of the Road bekannt war, und musikalisch ebenso unspezifisch wie seine Bezeichnung ist. Gemeint war damit ein musikalisches Erscheinungsbild, das die Popmusik über ihre identitätsstiftenden Bindungen an bestimmte soziale und kulturelle Milieus hinweg für einen möglichst unbegrenzten Massenmarkt kompatibel macht. Und so ist auch dieser Song in einem schwer definierten Zwischenfeld zwischen Schlager, Disco Music und Ethno Pop angesiedelt.

Das Lied weist eine Zweiteilung auf. Nach der 16-taktigen Einleitung (Intro) folgt ein erster Abschnitt mit dem Aufbau AAB, wobei der wiederholte zwölftaktige Teil A den ersten beiden Textstrophen zugeordnet ist, während der 16-taktige Teil B mit dem Refrain des Textes verbunden ist. Der zweite Abschnitt, der sich nach der modifizierten und auf fünfeinhalb Takte verkürzten Wiederholung der Einleitung als Bridge anschließt, besteht aus denselben Elementen, jetzt aber in der Abfolge ABB, also dritte Textstrophe und zweimal wiederholter Refrain. Die abschließende Coda wiederholt den 16-taktigen Refrain ein drittes Mal, der aber nun nach acht Takten ausgeblendet wird. Insgesamt ergibt das folgenden Aufbau: Intro A A B Bridge A B B Coda. Diese an sich simple und scheinbar auch recht redundante Songarchitektur erhält durch das kunstvolle Arrangement eine innere Spannung, die einerseits darüber hinwegträgt, dass die Hälfte des Songs, 56 von 114 Takten, aus dem wiederholten Refrain besteht, der seinerseits aus einer mehrfach wiederholten melodischen Figur zusammengesetzt ist. Diese ihn tragende Figur wird so oft wiederholt, insgesamt 14-mal in den vier Minuten des Songs, dass sie sich in das Gehör der Hörerin und des Hörers förmlich einbrennt. Ein genauerer Blick auf den Refrain offenbart das Erfolgsgeheimnis des Songs. Die viertaktige melodische Figur besteht aus zwei unterschiedlichen Motiven, ein auf Tonrepetitionen basierendem Motiv (a) und ein aus einem Sekundschritt abwärts gebildeten Motiv (b).

Obwohl die melodischen Konturen dieses motivischen Materials bei jeder Wiederholung die gleichen bleiben, sind sie im Arrangement und in der Harmonisierung modifiziert und zwar so, dass ein Drive mit einem starken Vorwärtsimpuls entsteht. Beim ersten Auftreten dieser dreitaktigen melodischen Figur („There was something in the air that night the stars were bright, Fernando“) erscheinen diese Motive zweistimmig gesungen und harmonisiert mit den Grundakkorden A E7 A, wobei der wiederholte und nach Auflösung drängende Dominantseptakkord des in A-Dur stehenden Songs für diesen vorwärtsdrängenden Impuls zum Auslöser wird. Die Harmonisierung wird mit einer Synthesizerfläche gestützt, die jeden Takt mit dem entsprechenden Akkord grundiert. Für die Instrumentalbegleitung sorgen ansonsten eine Flötenfigur, die sich durch den Song hindurchzieht und zu der eine Violinstimme parallel geführt ist, die akkordisch gespielte E-Gitarre, eine akkordisch gespielte Akustik-Gitarre sowie das Schlagzeug mit einer synkopiert gespielten Bass Drum. Die erste Wiederholung erfolgt lediglich mit verändertem Text („They were shining there for you and me, for liberty, Fernando“). Die zweite Wiederholung („Though we never thought that we could lose, there’s no regret“) ist auf zwei Takte verkürzt und einstimmig unisono gesungen, harmonisiert in der Paralleltonart e-Moll, wobei die Melodietöne hier die Grundakkorde mit der Sexte und Septime, letztere aber nicht den Dominantakkord, sondern die Doppeldominante, also den Dreiklang über fis ergänzen. Über die Vokalstimme wird so Spannung und eine zusätzlich Farbe hineingebracht. Die dritte Wiederholung („If I had to do the same again I would, my friend, Fernando“) setzt mit dem Septakkord der Mollparalle über h ein, die aber nicht zu e-Moll zurückgeführt wird, sondern zur Dominante der Grundtonart E-Dur, aber mit hinzugefügter Septime. Dies erzeugt einen harmonischen Schwebezustand, der dann in die Grundtonart aufgelöst wird. Die vierte Wiederholung schließlich scheint den Kreis zu schließen, indem sie der Anfangsfigur entspricht. Allerdings wird diese nicht, wie zu Beginn, in die Grundtonart nach A-Dur, sondern in die Subdominante der Grundtonart nach D-Dur aufgelöst. Das ergibt ein offenes Ende, das erst durch zwei angehängte Überleitungstakte, die melodisch von der Flöte und den Violinen bestritten werden, mit dem Dreiklang der Grundtonart, der Tonika, geschlossen wird. „Das Gleiche immer wieder anders“ – so lässt sich das Gestaltungsprinzip des Songs beschreiben. Auch die Abschnitte der Strophen des Liedes folgen dem gleichen Muster. Hier ist es ein zweitaktiges Motiv, das durch die Verwendung von Triolen allerdings zusätzlich noch rhythmisch modifiziert wird.

Der Song wird von einem Bolero-Rhythmus in der Snare Drum durchzogen, der lediglich im Refrain aussetzt und ihm den treibenden Charakter gibt, zugleich einen militärischen, kämpferischen Hintergrund assoziiert, der die Lesart des Textes lenkt. Das klangliche Signum des Songs liefern jedoch die zwei Blockflöten, die den Sound einer Quena, einer Andenflöte, imitieren. Sie ziehen sich girlandenartig durch den Song, in den Refrains einstimmig, sonst zweistimmig, und geben dem Lied nicht nur das unverwechselbare Lateinamerika-Kolorit, sondern bilden sein zentrales Erkennungsmerkmal.

 

IV. Rezeption

Als FERNANDO im März 1976 veröffentlicht wurde, befand sich die Begeisterung für ABBA und deren Musik auf einem Höhepunkt. Die Vorgänger „Mamma Mia“ (1975) und „SOS“ (1975) waren sensationelle internationale Erfolge geworden und FERNANDO erfüllte die Erwartung nach einer Fortsetzung der Erfolgskurve. Die Single stieg in 23 Ländern sofort in die Charts ein. In Deutschland, Österreich, Schweiz, Großbritannien, Irland, Belgien, Niederlanden, Australien, Neuseeland, Portugal, Mexiko und Südafrika war der Song ein Nummer-eins-Hit. In allen Ländern, in denen die Single veröffentlicht wurde, platzierte sie sich unter den Top Ten. Schon im Erscheinungsjahr wurden sie mehr als sechs Millionen Mal verkauft und sollte zur meistverkauften ABBA-Single werden. Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung überstieg der Verkauf die Zehn-Millionen-Grenze. In Deutschland belegte FERNANDO insgesamt sieben Wochen die Spitzenposition der Singlecharts und wurde mit mehr als 600.000 verkauften Einheiten zur einzigen ABBA-Single, die in Deutschland Gold-Status erreichte. Auch in Frankreich und Großbritannien wurde ihr der Gold-Status zuteil, in Portugal, Kanada und Neuseeland erreichte sie Platin. In der Schweiz, in Belgien, Portugal und Neuseeland behauptete sich FERNANDO zudem jeweils als erfolgreichste Single des Jahres. In Australien belegte sie 14 Wochen Platz eins der Charts und stellte mit 40 Wochen in den Single-Charts einen Rekord auf, der erst 2017 durch Ed Sheeran gebrochen wurde. FERNANDO erzielte dort 25-fach Gold. Ebenfalls in Australien wurde der Song im Sommer 1976 für eine Werbekampagne von Panasonic benutzt. Auch wenn das zu dem beispiellosen Erfolg des Songs dort beigetragen hat, gab ABBA danach keinen ihren Songs mehr für Werbezwecken frei.

Unter dem Titel „Fernando (… und der Himmel war zum Greifen nah)“ erschien im Sommer 1976 eine deutsche Cover-Version mit der schwedischen Schlagersängerin Lena Andersson (*1955). Weitere Cover-Versionen wurden 1997 vom deutschen Dancefloor-Projekt E-rotik, 2006 von der neuseeländische Sängerin Wing (*1960) und 2018 von der amerikanischen Sängerin Cher (*1946) veröffentlicht. Ihre Version entstammte dem Soundtrack des britisch-amerikanischen Film-Musicals Mamma Mia! Here We Go Again (Regie: Ole Parker 2018), dessen Handlung entlang diverser ABBA-Songs gestrickt war.

 

PETER WICKE


Credits

Music: Benny Andersson
Text: Björn Ulvaeus
Vocals: Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog, Benny Andersson, Björn Ulvaeus
Acoustic guitar: Björn Ulvaeus, Michael Areklew
Electric guitar: Lasse Wellander
Keyboards: Benny Andersson
Bass: Rutger Gunnarsson
Drums: Ola Brunkert, Roger Palm
Flute: Jan Kling
Producers: Benny Andersson & Björn Ulvaeus
Engineer: Bo Michael Tretow
Mixing: Janne Hansson
Label: Polar
Published: 1976
Length: 4:15

Recordings

  • „Fernando“/„Hey Helenv, 1976, Polar, POS 1224, Norway (7’’/Single).
  • „Fernando [ABBA Undeleted (Medley Of Outtakes)]“. On: Thank You For The Music, 1994, Polar/Polydor, 523 472-2, EU (4xCD/Box-Set).
  • Anni-Frid Lyngstad. „Fernando“/„Ett Liv I Solen (Anima Mia)“, 1975, Polar, POS 1221, Norway, (7’’/Single).

Covers

  • Lena Andersson. „Fernando (… und der Himmel war zum Greifen nah)“/ „Kaliforniens Gold“, 1976, Polydor, 2001 661, BRD (7″/Single).
  • E-rotik. „Fernando“. On: Thank You For The Music, 1997, Intercord, INT 8 22606 2, BRD (CD/Album).
  • „Fernando“. On: Dancing Queen, 2006, WING / CD Baby – 47941213, New Zealand (CD/Album).
  • Cher, „Fernando“. On: Dancing Queen, 2018, Warner Bros., 573237-2, US (CD/Album).

References

  • Charley, Peter: The ABBA Album. Hongkong: Horwitz Publications 1977.
  • Palm, Carl Magnus: ABBA − The Complete Recording Sessions. Revised and Expanded Edition: Stockholm: CMP / CPI Group 2017.
  • Palm, Carl Magnus: ABBA. Story und Songs kompakt. Berlin: Bosworth Music 2007.
  • Palm, Carl Magnus: Licht und Schatten. ABBA − Die wahre Geschichte. Berlin: Bosworth Edition 2006.
  • Tagg, Philip: Fernando the Flute. Fourth Edition. Larchmont, NY: Mass Media Music Scholars’ Press 2019.

Links

  • ABBA – Fernando (Official Music Video). URL: https://www.youtube.com/watch?v=dQsjAbZDx-4 [06.03.2022].

About the Author

Peter Wicke is a musicologist and professor emeritus at the Humboldt University of Berlin.
All contributions by Peter Wicke
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