1981
Falco

Der Kommissar

DER KOMMISSAR war der erste große Hit des österreichischen Pop-Stars Falco (Johann “Hans” Hölzel, 1957-1998), der damit die Ära des deutschsprachigen Rap einleitete.

I. Entstehungsgeschichte

 

DER KOMMISSAR ist eine im Sommer 1981 entstandene Komposition des österreichischen Musikproduzenten Robert Ponger (*1948), die dieser eigentlich für den aus dem Vorarlberg stammenden Sänger und Musiker Reinhold Bilgeri (*1950) geschrieben hatte. Bilgeri gefiel das Stück jedoch nicht, also bot Ponger es Falco an, der damals bei dem gleichen Wiener Kleinlabel wie Bilgeri, GiG Records, unter Vertrag stand. Falco war mit dem Label als Bassist der Anarcho-Band Drahdiwaberl bekannt geworden, die das Album Psychoterror (1981) dort eingespielt hatte. Auf diesem befindet sich mit “Ganz Wien” auch eine Solo-Nummer von Falco, die Label-Chef Markus Spiegel (*1952) so gut gefiel, dass er ihn gleich für drei Alben unter Vertrag nahm. Falco ließ sich darauf ein, auf den weitgehend abgemischten Instrumentaltrack der Ponger-Komposition einen Text zu schreiben und den Song dann mit Ponger am Mischpult aufzunehmen. Der Text bezog sich auf den Titelhelden der satirischen Krimi-Serie Kottan ermittelt, die zwischen 1976 und 1984 nicht nur im österreichischen Fernsehen, sondern auch in Deutschland und der Schweiz mit großem Erfolg lief. Falco hatte zudem ein besonderes Verhältnis zu dieser Ikone der Fernsehunterhaltung, da er im Frühjahr 1981 in einer Episode als Pianist mitgewirkt hatte.

Bevor DER KOMMISSAR erschien war es Markus Spiegel gelungen, einen Lizenz-Vertrag mit der deutschen Teldec in Hamburg abzuschließen, der von Horst Bork (*1946), dem späteren Manager von Falco, betreut wurde. Die Teldec gehörte damals nicht nur zu den Marktführern auf dem deutschsprachigen Tonträgermarkt. Über den britischen Mutterkonzern Decca Records und ein Matritzentauschabkommen mit Capitol Records in den USA besaß das Unternehmen auch einen direkten Zugang zu den internationalen Märkten, was dem KOMMISSAR sehr zugute kam. Horst Bork war es auch, der Falco dazu überredete, den ursprünglich für die A-Seite der Single vorgesehenen Falco-Song “Helden von Heute” auf die B-Seite zu nehmen. Die Vorbehalte Falcos gegen den Song, der ihn binnen eines Jahres zu einem internationalen Star machte, resultierten aus dem Umstand, dass die Musik deutliche Anklänge an die Motown-Produktion “Super Freak” (1981) des afroamerikanischen Sängers und Songschreibers Rick James (1948-2004) aufwies, eine Komposition von James und Alonzo Miller (*1946). Falco war die Musik deshalb für die A-Seite einer Single nicht originell genug. Der erfahrene A&R-Manager Horst Bork lag mit seiner Empfehlung jedoch völlig richtig, denn dem Erfolg des Songs stand das von James geborgte Riff nicht im Wege.

Die in Österreich produzierte, aber in Deutschland von der Teldec gemasterte Single erschien am 12. Dezember 1981 zeitgleich in beiden Ländern als Vorabveröffentlichung des im Frühsommer 1982 auf den Markt gebrachten ersten Falco-Albums Einzelhaft. Das 1982 entstandene Musikvideo zum Song wurde von Rudi Dolezal und Hannes Rossacher (DoRo) produziert, für die es der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit war, die alle wichtigen Falco-Videos umfasste. Der Song erschien 1991 noch einmal in einer neu abgemischten Version als DER KOMMISSAR (PART II). Unter dem Titel DER KOMMISSAR (RAP THAT) wurde 1999 posthum eine Live-Version veröffentlicht. Eine 1998 entstandene Neuaufnahme des Songs enthält das 1999 posthum veröffentlichte Album The Final Curtain – The Ultimate Best of Falco als DER KOMMISSAR 2000. Eine Orchesterversion wurde für das anlässlich des 10. Todestages von Falco 2008 erschienene Album Falco ‎– Symphonic aufgenommen.

II. Kontext

DER KOMMISSAR geriet mitten in die als Neue Deutsche Welle (NDW) vermarkteten deutschsprachigen Punk- und New Wave-Produktionen. Er hatte damit zwar nichts zu tun, geriet dadurch aber auf einen für deutschsprachige Produktionen aufnahmebereiten Markt. Auf einer ganzen Reihe von NDW-Kompilationen findet er sich zwischen die auch als “Neue Deutsche Tanzmusik” bezeichneten einschlägigen Produktionen vor allem aus Deutschland eingereiht. Falco selbst steht dagegen in der Tradition des schon Mitte der 1960er Jahre aufgekommenen Austropop, womit eine Musik, die überwiegend im Wiener Dialekt gesungen wird, bezeichnet ist. Vor allem in den 1970er Jahren gab es u.a. mit Marianne Mendt (*1945), Wolfgang Ambros (*1952) und Georg Danzer (1946-2007) eine regelrechte Dialektwelle, die einerseits im Kabarett verankert war, andererseits mit André Heller (*1947), Ludwig Hirsch (*1946) und Sigi Maron (*1944) von einer eigenständigen österreichischen Chanson- und Liedermacher-Szene gespeist wurde. Ein weiterer Strang waren die in der linksgerichteten Studentenbewegung verankerten Politrockbands wie die in den 1970er Jahren sehr erfolgreichen Schmetterlinge oder die Anarcho-Band Drahdiwaberl, der Falco ab 1978 als Bassist angehörte und das bis 1983 auch blieb, obwohl seine Solo-Karriere zu diesem Zeitpunkt längst in Fahrt gekommen war. Die ironisch distanzierte Grundhaltung des Falco-Textes, die eingestreuten englischen Textzeilen und sein eigenwilliger Rap-Stil brachten einen völlig neuen Ton in den Anfang der 1980er Jahre vor einem Generationswechsel stehenden Austropop.

III. Analyse

Der Song kombiniert, wie auch viele der späteren Falco-Songs, einige wenige, durchgängig wiederholte Grundelemente, riffartige harmonisch-melodische Floskeln, mit irregulär dazwischen geschobenen Wendungen und einer verschachtelten Songarchitektur, womit die Gefahr der Redundanz konsequent vermieden ist. Bereits der Aufbau des Songs verschränkt die klassische, vierteilige (Chorus) Grundform des Popsongs mit einer irregulär aufgebauten Strophenliedform. Der Kern des Songs mit den ersten beiden, unmittelbar aufeinanderfolgenden Textstrophen, dem Refrain (Chorus) und der dritten Textstrophe entspricht musikalisch dem AABA-Schema, hier von den obligaten 32 auf 64 Takte erweitert. Die Strophen sind aus vier viertaktigen, musikalisch nur leicht variierten Zweizeilern zusammengesetzt, die dem gerappten Text ein straffes Tempo geben. Der sich ebenfalls über 16 Takte erstreckende Refrain folgt erst nach der zweiten Strophe. Auch er ist aus Zweizeilern aufgebaut, die musikalisch jedoch deutlich gegeneinander abgesetzt sind und zudem den Refrain nach acht Takten noch einmal zweiteilen. Der erste Zweizeiler ist auch im Melodieverlauf wie ein Kinderlied gestaltet (drah di net um – oh, oh, oh | Schau, schau der Kommissar geht um – oh, oh, oh…). Es folgt entgegen der Erwartung nicht der musikalisch nur leicht variierte nächste viertaktige Zweizeiler. Vielmehr verlässt dieser den Kinderliedton und fügt eine Passage mit ganz neuem melodischen Material an (Er wird dir anschauen, und du weißt warum | Die Lebenslust bringt dich um…). Die dritte viertaktige Phrase durchbricht das Zweizeilerprinzip und enthält nur den Zwischenruf “Alles klar, Herr Kommissar?”, bevor die letzte Viertaktgruppe musikalisch die Strophe wieder aufgreift und den Refrain mit der nachfolgenden dritte Strophe verzahnt, obwohl diese Viertaktgruppe dem Refrain zugehörig ist und ihn mit einer nicht rhythmisierten Textpassage (Hey man, wanna buy some stuff man? | Did you ever rap that thing Jack, so rap it to the beat) abschließt. Insgesamt ergibt sich damit für den Kern des Songs der formale Aufbau A(a-a’-a’-a’)–A(a’-a’-a’-a’-)–B(b-c-d-a)–A(a-a’-a’-a’), wobei der Teil B musikalisch dem Chorus und textlich dem Refrain entspricht.

Diesen 64 Takten sind jedoch noch einmal 32 Takte voran- und 96 Takte nachgestellt, die zugleich die Funktion von Intro und Outro mit übernehmen. So sind die ersten 16 Takte mit einer springenden Synthesizer-Figur zwar wie ein Intro gestaltet, doch mit den Worten “Check it out Joe, ha” beginnt nicht die erste Strophe, sondern vielmehr folgen noch einmal 16 Takte mit dem berühmten Kommissar-Motiv, das nahezu tongetreu Rick James “Super Freak” entnommen ist, entsprechende Stelle kann hier eingesehen werden.

Es ist als Riff den Strophen unterlegt, womit diese zweiten einleitenden 16 Takte als Vorstrophe in diese überleiten.

Die letzten 96 Takte, die die Hälfte des ganzen Songs ausmachen, basieren auf dem Refrain bzw. Chorus. Obwohl der Kern des Songs mit dem wieder aufgenommen A-Teil, mit dem die dritte Textstrophe korrespondiert, ja eigentlich abgeschlossen ist, verlangt der Text erneut nach dem Refrain. Der bleibt diesmal musikalisch und textlich am Kinderlied und bildet die Grundlage für einen neuen AABA- Formzyklus. Dem wiederholten Refrain (B) folgt ein achttaktiger instrumentaler Überleitungsteil (C = Middle Eight), dem sich noch einmal der sechzehntaktige Refrain (B) anschließt, so dass sich mit der Abfolge BBCB ein der AABA-Form analoger Aufbau ergibt. Dem schließt sich als Outro die dreimalige Wiederholung des 16taktigen Refrains an, der in diesem zweiten Teil des Songs freilich textlich und musikalisch die Funktion des Refrains verloren hat.

Die komplex verschachtelte Songarchitektur ist das Ergebnis der geschickten Funktionsverschiebung und Gruppierung einiger weniger, kaum variierter Viertaktgruppen, die sich mit geradezu hypnotischer Wirkung dem Hörer aufdrängen. Entscheidend für die Wirkung war zweifellos der im Drogenmilieu angesiedelte Text des KOMMISSARs, der mit seinem Zynismus eine wohlverstandene Provokation darstellte, auch wenn sie durch den Charme des Wiener Dialekts eine ironische Brechung erfährt, die von Falcos exaltiertem Vokalstil noch unterstrichen ist. Der rhythmisierte Sprechgesang des Rap, mit dem die Textstrophen auf die Musik gelegt sind, lässt den Text hier zwangsläufig in den Vordergrund treten. Die Kombination des Drogenthemas mit einem Kinderreim im Refrain setzt der Provokation dann die Spitze auf.

IV. Rezeption

Schon vier Wochen nach der Veröffentlichung fand sich DER KOMMISSAR mit Beginn des Jahres 1982 auf Platz 1 der österreichischen Single-Charts, in Deutschland erreichte er Anfang April 1982 die Spitzenposition. Als das Jahr zu Ende ging, hatte die Single in fast allen wichtigen europäischen Märkten sowie in Japan die Nr.1-Platzierung in den jeweiligen Charts erreicht, in Österreich mit einer Verweildauer von 16 Wochen. In der Schweiz, Norwegen, Frankreich und Schweden hatte es zwar nicht zu Platz 1 gereicht, aber auch hier war der Song unter den Top Five der am meisten verkauften Singles. Geradezu sensationell war die Platzierung einer deutschsprachigen Produktion in den englischsprachigen Ländern, in Neuseeland Platz 4, in Kanada Platz 11, in Australien Platz 7 und in den USA Platz 72 der jeweiligen Single-Charts. Der US-DJ Afrika Bambaataa (Kevin Donovan, *1957), der eine maßgebliche Rolle für die Entwicklung des HipHop spielte, machte aus dem KOMMISSAR einen New Yorker Club-Hit.

Der enorme Erfolg des Songs führte zu zahlreichen Nachproduktionen. So erschien 1982 in Frankreich eine französischsprachige Version unter dem Titel “Clair, Commissaire” mit Matthew Gonder (*1958). Auch in Italien kam 1982 eine Nachproduktion mit dem dort lebenden US-Sänger Ronnie Jones (*1937) auf den Markt. Die britische New Wave Band After the Fire brachte 1982 eine englischsprachige Version heraus, bei der lediglich das “Eins, zwei drei…” der ersten Textzeile und der Zwischenruf “Alles klar, Herr Kommissar!” deutschsprachig geblieben sind. In dieser Version erreichte der Song Platz 5 der US-Single-Charts. Mit einem Cover dieser Version unter dem Titel “Deep In The Dark” (1983), produziert von dem deutschen Musikproduzenten Jack White (Horst Nußbaum, *1940), war die amerikanische Pop-Sängerin Laura Branigan (*1957) in den englischsprachigen Ländern sehr erfolgreich. Die Pop-Version der in Paris lebenden Amerikanerin Suzy Andrews (*1963) ging dagegen im Schatten des Originals unter. 1990 brachte der ostdeutsche Sänger Dirk Zöllner (*1962) mit seiner Band Die Zöllner noch einmal eine bemerkenswerte deutschsprachige Cover-Version in mehreren Mixen auf den Markt. Falco war mit den meisten der Cover-Versionen zwar überhaupt nicht einverstanden, konnte sie aber als Autor lediglich des Textes und mit einem unvorteilhaften Newcomer-Vertrag mit dem Hermann Schneider Musikverlag in Wien in der Tasche, bei dem die Rechte an dem Song lagen, auch nicht verhindern. Am Ende sollte sich der Song in allen seinen Versionen bis Mitte der 1980er Jahre jedoch 7 Millionen Mal verkauft haben.

 

PETER WICKE


Credits

Komposition & Arrangement: Robert Ponger
Text: Johann Hölzel (Falco)
Produktion: Robert Ponger

Recordings

  • Falco. Der Kommissar / Helden von heute, 1981, GiG Records, GIG 111 117, A ‎(7″-Single).
  • Falco. “Der Kommissar (Part II)”, The Remix Hit Collection (Part 2), 1991, Sire Records Company, 9 26796-2, US (CD).
  • Falco. “Der Kommissar (Rap’ That)” (Live), Live Forever, 1999, EastWest, 8573-80781-2, DE (CD/Album).
  • Falco. “Der Kommissar 2000”, The Final Curtain – The Ultimate Best Of Falco, 1999, EMI Electrola,  7243 4 99610 2 9, EU (CD/Album).
  • Falco. “Der Kommissar”, Falco ‎– Symphonic, 2008, Sony BMG Music Entertainment, 88697223542, A (CD).

Covers

  • Matthew Gonder. “Clair, Commissaire” (Der Kommissar) / “A Part Of Me”, Der Kommissar, 1982, Aquarius, AQS1 220030, FR (Vinyl/7″-Single).
  • Ronnie Jones. Don’t Turn Around (The Kommissar) / Laser Love, 1982, F1 Team, P 656, I (Vinyl/7″ Single).
  • After The Fire. Der Kommissar / Der Kommissar, 1982, Epic, 49-03490, US (Vinyl/12″ Single).
  • Suzy Andrews. “Der Kommissar – Don’t Turn Around”, Suzy Andrews, 1982, X Records, XR 002, DE (Vinyl/LP).
  • Laura Branigan. “Deep In The Dark”, Deep In The Dark, 1983, Atlantic Records, A 9817, UK (Vinyl).
  • Die Zöllner. Der Kommissar (Extended Version) / Der Kommissar (Swing Club Mix) / Der Kommissar (Radio Version) / Der Kommissar (Popek Hardcore Mix) / Mit Dir Bin Ich Allein, 1990, Musicolor, 013.20016,  DE (Vinyl/12″-Maxi-Single).

References

  • Bork, Horst: Falco – Die Wahrheit. Wie es wirklich war – Sein Manager erzählt. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2009.
  • Kraus, Herbert: “Seit “Kottan” geht Falcos Kommissar um”. In: Kurier, Artikel vom 17.12.1982, 12. URL: http://www.kottan.info/pdf_zeitschriften/falcos_kommissar.pdf [21.10.2014].
  • Lanz, Peter: Falco: Die Biografie. Berlin: Ueberreuter 2013.

Links

  • http://www.youtube.com/watch?v=QPxoEX37SzU [21.10.2014].
  • https://www.youtube.com/watch?v=QYHxGBH6o4M [21.10.2014].
  • https://www.youtube.com/watch?v=tJC5BqKTzzc [21.10.2014].
  • https://www.youtube.com/watch?v=N-mA7R0ZQg4 [21.10.2014].
  • http://www.youtube.com/watch?v=823aeo0WU_k [21.10.2014].

About the Author

Prof. Dr. Peter Wicke is a retired professor of musicology. From 1992 to 2016 he held the chair for "Theory and History of Popular Music" at the Humboldt University Berlin.
All contributions by Peter Wicke

Citation

Peter Wicke: “Der Kommissar (Falco)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/falcoderkommissar, 01/2014 [revised 10/2014].

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