1982
Paul McCartney & Stevie Wonder

Ebony and Ivory

EBONY AND IVORY ist eines der erfolgreichsten Lieder von sowohl Paul McCartney als auch seinem Duopartner Stevie Wonder. Es thematisiert die erstrebenswerte Harmonie und das friedliche Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben.

I. Entstehungsgeschichte

EBONY AND IVORY ist der zwölfte und letzte Track auf McCartneys viertem Solo-Album Tug of War (zu Deutsch: Tauziehen) und erschien vorab als Single-Auskopplung am 29. März 1982 über Columbia Records (USA) bzw. Parlophone/EMI (UK). Die 7”-Single hatte den Song “Rainclouds” (McCartney/Laine) als B-Seite, während die 12”-Single zusätzlich eine Solo-Version von EBONY AND IVORY enthielt.

Bereits bei Proben von McCartneys Band “The Wings” im Jahr 1980 wurde der Song gespielt. Eine erste Demoaufnahme stammt vom August 1980. Da sich die Band während der Aufnahmen zu ihrem nächsten Album auflöste und das Album nicht mehr erschien, nutzte McCartney den Song für sein nächstes Soloalbum.

Als am 8. Dezember 1980 sein ehemaliger Songwriting-Partner und Beatle John Lennon ermordet wurde, zog sich McCartney zunächst aus der Öffentlichkeit zurück und begann mit den Aufnahmen zu Tug of War. Produziert wurde das Album von McCartneys langjährigem Weggefährten George Martin, der bereits als Arrangeur und Produzent mit den Beatles arbeitete und auch McCartneys gemeinsamen Song mit den Wings zum gleichnamigen James-Bond-Film Live and Let Die im Jahr 1973 produzierte.

Die Aufnahmen zum Song fanden im AIR-Studio auf der karibischen Insel Montserrat statt, was McCartney die Möglichkeit bot, ungestört vom britischen Pressetrubel am neuen Album zu arbeiten.

II. Kontext

Die Idee zum Song kam Paul McCartney, als er in einer Fernsehsendung den irischen Komiker, Schriftsteller und Jazz-Musiker Spike Milligan sah, der den Satz sagte: “Black notes, white notes, and you need the two to make harmony, folks!” Diese Redewendung geht wiederum zurück auf den schwarzen Intellektuellen James Aggrey, der sich bereits in den 1920ern für Minderheiten einsetzte.

McCartney kam Mitte der 1960er Jahre mit den Beatles in die USA und damit erstmals in Kontakt mit der (afroamerikanischen) Bürgerrechtsbewegung, die sich zu diesem Zeitpunkt unter der Führung von Martin Luther King Jr. und dessen Strategie des “Zivilen Ungehorsams” (einem friedlichen Protest) auf dem Höhepunkt befand. Nach eigener Aussage McCartneys komme der Song vielleicht ein oder zwei Dekaden zu spät, aber da es immer noch Spannungen und Rassendiskriminierung gebe, sei der Song nach wie vor aktuell.

III. Analyse

Der Song spielt mit der Metapher der Klaviertastatur, die ursprünglich aus dunklem Ebenholz (ebony) und weißem Elfenbein (ivory) hergestellt wurde. Sie dient hier als Symbol für das wort- und sprichwörtliche Harmonieren von Schwarz und Weiß, sowohl auf der Klaviertastatur als auch zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe. Allein die Cover-Hülle der Single spielt mit dem Kontrast von Schwarz und Weiß. McCartney steht komplett in Schwarz gekleidet vor einer Wand, die eine Klaviertastatur darstellt. Ein Foto von Stevie Wonder verweist darauf, dass es sich um ein gemeinsames Stück der beiden Künstler handelt. Der Schriftzug des Titels wird farblich durch eine Diagonale strukturiert, so dass sowohl “Ebony” als auch “Ivory” in Schwarz und Weiß erscheinen.

Der Song steht im Viervierteltakt sowie in der Grundtonart E-Dur und erklingt zunächst – nach einem kurzen Fill-in des Schlagzeugs – mit einem zweitaktigen Synthesizer-Intro, das an Fanfaren erinnert. Die Akkorde modulieren von cis-Moll über H-Dur, gis-Moll, A-Dur und fis-Moll (also allen direkt verwandten Tonarten), bis die Grundtonart E-Dur erreicht wird und das Lied unmittelbar mit dem Refrain beginnt.

Durch das fanfarenartige Intro wird die Wichtigkeit, aber auch die “Feierlichkeit” der zugrundeliegenden Song-Botschaft suggeriert. Die Modulation durch alle verwandten Tonarten bis zur “erlösenden” Grundtonart E-Dur verstärkt diese Suggestion. Nicht umsonst wird mit der Tonart E-Dur häufig etwas Erhabenes und Feierliches assoziiert, und so kreiert auch EBONY AND IVORY durchweg eine (manch Kritiker würde behaupten: naive) positive Grundstimmung.

Der Refrain lautet: “Ebony and ivory / Live together in perfect harmony, / Side by side on my piano keyboard, / Oh Lord, why don’t we”.

Mit der letzten Zeile des Refrains überträgt McCartney das harmonische Bild der Klaviertastatur auf den Menschen und fragt, warum es uns nicht gelingt, in dieser Weise harmonisch neben- und miteinander zu leben. Musikalisch gibt es an dieser Stelle eine aufsteigende Akkordreihe, die – wie die (absteigende) Modulation zuvor – für die Suche nach der richtigen Antwort zu stehen scheint und schließlich wieder in E-Dur endet, als nüchtern gefragt wird “why don’t we?”.

Im Refrain wechseln die Akkorde zwischen E-Dur (auf den Wörtern “ebony” und “together”) und einem fis-Moll-Septakkord (auf den Wörtern “ivory” und “harmony”). Auffallend und von McCartney mit Finesse bedacht ist die Tatsache, dass die erklingenden Akkorde bei “ebony” und “ivory” jeweils weiße sowie schwarze Tasten beinhalten, in der Gesangsmelodie jedoch bei “ebony” ausschließlich Töne gesungen werden, die auf dem Klavier mit schwarze Tasten (gis, fis) und bei “ivory” ausschließlich mit weißen Tasten (a, h, e) belegt sind. Erst mit dem Einsetzen der zweiten Stimme ab “live together in perfect harmony” erklingen beide Farben gleichzeitig, sowohl auf der (gedachten) Klaviatur als auch in Verkörperung von McCartney und Wonder. Mit diesem geschickten Kompositionstrick spiegelt sich der Text in den Noten wider und umgekehrt die Noten im Liedtext.

Als Überleitung zur Strophe erklingen erneut die Fanfaren. In der Strophe wird impliziert, dass der Mensch nur durch Zusammenhalt und Toleranz überleben könne und Charakterzüge unabhängig von der Hautfarbe eines Menschen seien: “We all know that people are the same wherever you go. / There is good and bad in everyone. / We learn to live, we learn to give each other what we need to survive / Together alive”.

Im Bass finden sich an vielen Stellen im Lied Quintfälle und Quartsprünge, die ein weiteres typisches Motiv aus dem Spielrepertoire des Bassisten McCartney darstellen.

Nach dem erneuten Refrain folgt ein C-Teil im doppelten Tempo und in der Zwischendominante Fis-Dur. Parallel zur modulationsbedingten Hinzunahme weiterer schwarzer Tasten steigt in der Instrumentierung auch der Anteil typischer Elemente “schwarzer” Musik in Form von Percussion, Hand-Clapping und einer deutlichen Funk-Klangfarbe (besonders betont durch die E-Piano-Improvisation von Stevie Wonder). Die Botschaft des Songs wird hier auf das Grundsätzliche reduziert und vielfach wiederholt: “Ebony / ivory / living in perfect harmony”. Dieser Teil wird nach der wiederholten Strophe und dem dritten Erklingen des Refrains bis zum Fade-Out wiederholt, diesmal aber in der Grundtonart E-Dur.

Der simpel gehaltene Text und die vielen Wiederholungen sorgen dafür, dass die Botschaft von Harmonie zwischen den Rassen im Vordergrund steht und schließlich im Gedächtnis bleibt.

Paul McCartney ist bekannt dafür, dass viele seiner Songs entweder mit dem Refrain oder zumindest mit dem Titel des Songs beginnen (z. B. “Penny Lane” und “Yesterday”). So verhält es sich auch bei EBONY AND IVORY, wodurch von Anfang an klar wird, worum es in dem Lied geht.

Das dazugehörige Musikvideo greift die Metapher der schwarzen und weißen Klaviertasten auf, indem die Kleidung der beiden Musiker jeweils komplementär in Schwarz und Weiß gehalten ist und beide gemeinsam an einem Flügel sitzen. Aufgrund von Terminkonflikten mussten die Einstellungen mit Wonder und McCartney jeweils separat voneinander gefilmt und nachträglich in einer Sequenz zusammengefügt werden.

Beim Blick in die Credits fällt auf, dass sich McCartney und Wonder nicht nur den Gesang teilen, sondern auch alle Instrumente von den beiden Künstlern eingespielt wurden, um die Botschaft des Songs weiter zu bekräftigen, wie McCartney verrät: “Stevie am Schlagzeug und ich am Bass. Ich erinnere mich noch, dass es George Martins Idee war, dass nur wir beide diesen ‘Job’ tun sollten, also machten wir ein ‘McCartney-Wonder-Werk’. Wir sangen gemeinsam die Hintergrundstimmen, es war eine richtige Koproduktion. Es war, worum es ja auch im Song geht, eine gute Zusammenarbeit zwischen einem Schwarzen und einem Weißen.”

IV. Rezeption

EBONY AND IVORY war sowohl für Paul McCartney als auch für Stevie Wonder ein riesiger Erfolg. Die Single debütierte auf Rang 29 und stieg fünf Wochen später an die Spitze der Charts. Sie hielt sich 7 Wochen auf Platz 1 der US Billboard Hot 100 und löste “Chariots of Fire” vom griechischen Komponisten Vangelis ab. Für beide Künstler stellte es die längste Platzierung an der Spitze der Charts ihrer gesamten Solokarrieren dar. Nur gemeinsam mit den Beatles schaffte es McCartney, mit “Hey Jude”, noch eine Woche länger auf Platz 1 vertreten zu sein. Neben dem US-amerikanischen Markt belegte die Single auch weltweit Spitzenplätze, unter anderem in Deutschland (5 Wochen) und in Großbritannien (3 Wochen). Es war außerdem der erste Song eines Beatles-Mitglied, der in den R&B-Billboard Charts vertreten war. EBONY AND IVORY wurde zum 28. Nummer-1-Hit in der Karriere McCartneys und stellte einen neuen Rekord dar. Für Stevie Wonder war es der siebte Nummer-1-Hit. Es war der viertgrößte Hit in den Jahrescharts 1982 und belegte in den All-Time-Charts der Billboard Hot 100 den 69. Platz.

Aufgrund der oftmals als kitschig empfundenen Komposition und dem nicht minder kitschigen Musikvideo bietet der Song seit jeher Angriffsfläche für Parodien in allen möglichen Feldern der Popkultur. Dies mag auch der Grund sein, warum das Lied im Oktober 2007 von den Hörern des Senders BBC Radio 6 Music zum schlechtesten Duett aller Zeiten gewählt wurde. Im Jahr 2009 platzierte das Magazin Blender den Song auf Platz 10 der schlechtesten Lieder aller Zeiten.

Der Song wurde während der Apartheid in Südafrika verboten, weil Stevie Wonder 1985 den Oscar für “Best Original Song” (für den Hit “I Just Called to Say I Love You”) im Namen Nelson Mandelas akzeptierte. Mit Mandelas Freilassung im Jahr 1990 wurde auch das Verbot aufgehoben.

McCartneys Album Tug of War erhielt eine Grammy-Nominierung in der Kategorie “Album des Jahres”, während die Singleauskopplungen EBONY AND IVORY und “What’s That You’re Doing” (eine weitere Kollaboration mit Stevie Wonder) in der Kategorie “Song des Jahres” nominiert wurden.

Tug of War war McCartneys siebtes und letztes Nummer-1-Album in den USA und sein einziges Nummer-1-Album in Deutschland. Es war nicht nur ein kommerzieller Erfolg, auch bei den Kritikern erntete McCartney Lob. So vergab Stephen Holden vom Rolling Stone dem Album fünf von fünf Sternen, nannte es ein “Meisterwerk” und hob besonders die musikalische Vielfältigkeit und das herausragende Songwriting hervor.

EBONY AND IVORY passt mit seinem Ruf nach Einigkeit und Harmonie zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben stimmig ins Konzept des Albums, das sich mit dem “Tauziehen” zwischen und der Vereinigung von (vermeintlich) Gegensätzlichem befasst. Für McCartney war es eine Zeit voller Kollaborationen. Neben Wonder sind auch der ehemalige Beatles-Gefährte Ringo Starr (Drums auf “Take It Away”) und McCartneys Jugendidol Carl Perkins (Gitarre & Gesang auf “Get It”) vertreten. In der Folgezeit verzeichnete McCartney noch eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Michael Jackson auf dessen Album Thriller (1982) mit “The Girl Is Mine” sowie auf seinem eigenen Nachfolge-Album Pipes of Peace (1983) mit “Say, Say, Say” und “The Man”. Jahrzehnte später sollte McCartney gemeinsam mit Rihanna und Kanye West und der Single “FourFiveSeconds” (2015) an einer weiteren erfolgreichen Kollaboration mit schwarzen Musikern beteiligt sein, wodurch er einer ganz neuen Generation von Hörern zugänglich gemacht wurde.

Beide Künstler performten den Song mehrmals live im Laufe ihrer Karriere, jedoch nie gemeinsam. Erst im Zuge einer Preisverleihung an McCartney spielten sie gemeinsam im Jahr 2010 im Weißen Haus auf Einladung des ersten schwarzen Präsidenten Barack Obama das Lied vor symbolträchtiger Kulisse. McCartney wurde als bis dato dritter Person nach Paul Simon (2007) und Stevie Wonder (2009) der “Library of Congress Gershwin Prize for Popular Song” verliehen, ein Award für herausragende Beiträge zur Populären Musik. Für das McCartney-Album Kisses on the Bottom(2012) steuerte Stevie Wonder dreißig Jahre nach den ersten gemeinsamen Aufnahmen ein Mundharmonika-Solo zum Song “Only Our Hearts” bei.

EBONY AND IVORY war für beide ein ausgesprochen großer Erfolg. Allerdings ist das Stück im Vergleich zu vielen anderen Hits der Künstler weniger gut gereift und wird heutzutage, im Gegensatz zur Zeit der Veröffentlichung, aufgrund seiner naiven, oberflächlichen Betrachtung eines tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Problems und der kitschigen Produktion, trotz wohl gemeinter Intention, belächelt, parodiert oder – noch schlimmer – vergleichsweise selten im Radio gespielt.

 

NIKOLAS CHAILARIDIS


Credits

Lead-Gesang, Bass, Gitarre, Piano, Synthesizer, Vocoder, Percussion, Background-Gesang: Paul McCartney
Lead-Gesang, E-Piano, Synthesizer, Drums, Percussion, Background-Gesang: Stevie Wonder
Musik: Paul McCartney
Text: Paul McCartney
Produzent: George Martin
Label: Parlophone/EMI (UK), Columbia (USA)
Veröffentlichung: 29. März 1982
Länge: 3:41

Recordings

  • Paul McCartney/Stevie Wonder. “Ebony and Ivory”. On: Tug of War, 1982, Parlophone, PCTC 259, UK (LP/Album).
  • Paul McCartney/Stevie Wonder. “Ebony and Ivory/Rainclouds”. 1982, Parlophone, R 6054, UK, (Vinyl, 7″, 45 RPM, Single).
  • Paul McCartney/Stevie Wonder. “Ebony and Ivory/Rainclouds”. 1982, Parlophone, 12R 6054, UK, (Vinyl, 12″, 45 RPM).

References

  • Anonymous. “Ebony and Ivory voted worst duet”. In: BBC News. URL: http://news.bbc.co.uk/2/hi/entertainment/7031695.stm [11.02.2016].
  • Anonymous. “Run for Your Life! It’s the 50 Worst Songs Ever!”. URL: https://web.archive.org/web/20050124091143/http://www.blender.com:80/guide/articles.aspx?id=819 [14.05.2017].
  • Anonymous. “Paul Receives Gershwin Prize from president Barack Obama”. URL: http://www.paulmccartney.com/news-blogs/news/paul-recieves-gershwin-prize-from-president-barack-obama [11.02.2016].
  • McCartney, Paul. “From the Archive: Ebony and Ivory”. URL: https://www.youtube.com/watch?v=T8i4BXqEHGQ [11.02.2016].
  • Pedersen, Erik: “Paul McCartney and Stevie Wonder’s ‘Ebony and Ivory’: A History of the Hit 30 Years after its Release”. URL: https://www.hollywoodreporter.com/news/ebony-ivory-paul-mccartney-stevie-wonder-snl-305404 [11.02.2016].
  • Philipp, Judit/Simon, Ralf: Listen to What the Man Said. Paul McCartney und seine Songs. Eine komplette Werkschau der Platten, Videos und Filme. Bielefeld: Pendragon 1991.
  • Zeitz, Petra: Paul McCartney. Leben und Musik. Berlin: Henschel 1993.

Links

  • Homepage. URL: http://www.paulmccartney.com/ [11.02.2016].
  • Lyrics. URL: http://www.paulmccartney.com/albums/songs/ebony-and-ivory [11.02.2016].

About the Author

Analysis written in a course of Prof. Dr. Thomas Krettenauer at the University of Paderborn.
All contributions by Nikolas Chailaridis

Citation

Nikolas Chailaridis: “Ebony and Ivory (Paul McCartney & Stevie Wonder)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/ebonyandivory, 05/2018.

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