1982
Men at Work

Down Under

DOWN UNDER ist eine Warnung an Australien, seine kulturelle Identität nicht zu verlieren. Der Song warnt gleichzeitig vor der Amerikanisierung der australischen Kultur und führt in Text und Musikvideo auf ironische Weise australische Stereotypen vor.

I. Entstehungsgeschichte

Das Lied entstand 1978. Ursprünglich kam Colin Hay, Leadsinger von Men at Work, die Idee für DOWN UNDER durch ein Bass-Riff, das sein Bandkollege Ron Strykert auf einer Kassette aufgenommen hatte. Es wurde begleitet durch eine eingängige Percussion-Melodie, die er auf mit Wasser gefüllten Flaschen spielte. Hay sagt dazu:  “I really loved it, it had a real trance-like quality to it. I used to listen to it in the car all the time. When I was driving along one day in Melbourne, the chords popped out and a couple of days later I wrote the verses.” (Songfacts). Erst zwei Jahre später improvisierte Greg Ham bei einer Probe den berühmten Flötenpart, der 2010 zu einem Plagiatsprozess führen sollte.

Men at Work nahmen 1980 in Melbourne zunächst eine Version von DOWN UNDER auf, die im selben Jahr als B-Seite ihrer ersten Single Keypunch Operator in einer Auflage von 300 Kopien veröffentlicht wurde (vgl. Ford 2012). Die heute verbreitete Version erschien zum ersten Mal 1981 auf dem ersten Album der Band, Business as Usual. Men at Work koppelten mit “Who can it be now?” die am erfolgreichsten verkaufte Single des Jahres aus, die den Weg für das zweite Stück DOWN UNDER ebnete. Dieses hielt sich 5 Wochen auf Platz 1 in Australien und führte im folgenden Jahr sogar gleichzeitig die US-amerikanischen und britischen Charts an. Dass es sich im Ausland bei Men at Work keinesfalls um ein One-Hit-Wonder handelte, beweist die Tatsache, dass sich das Album Business as Usual ebenfalls in den erwähnten Ländern Platz 1 erkämpfte, dabei in Amerika mit 15 Wochen sogar 5 Wochen länger als in ihrem Heimatland Australien (vgl. Stambler 1989: 461/2).

II. Kontext

Zu Beginn des Songs wird die “Hippie Trail” erwähnt, die Überlandroute von Europa nach Asien, die in den sechziger und siebziger Jahren von den Anhängern der Hippie-Bewegung im Zuge ihrer kollektiven Sinnsuche bereist wurde. Damit wird auch auf die dem Song vorausgegangene Zeit angespielt, die mit ihren Idealen im harten Kontrast zu dem im Refrain angeprangerten Identitätsverlust durch “overdevelopment” steht.

Inspiriert wurde Colin Hay auch von einer Figur des Komikers Barry Humphries, nämlich Barry McKenzie “who was a beer-swilling Australian who traveled to England, a very larger-than-life character” (Songfacts). Die ironische Art und Weise wie schon Humphries seinen Charakter darstellte, findet man auch im Liedtext von DOWN UNDER. Eine besondere Referenz ist hierbei das Wort “chunder” (dt.: kotzen, sich erbrechen), das oft von McKenzie benutzt wurde.

In den siebziger Jahren verfolgte die australische Regierung eine multikulturelle Politik, die den Einwanderern ermöglichte, ihre eigene Kultur weiter auszuleben (vgl. Vogel 2010). In den Augen einiger Australier bedeutete die zunehmende Globalisierung den Verlust der eigenen nationalen Identität (vgl. Moran 2005: 49). Ebenso wurde seinerzeit kritisiert, dass Australien zu materialistisch werde (vgl. ebd.: 64). Die gewünschte Rückbesinnung auf bzw. den Aufruf zur Bewusstmachung der eigenen kulturellen Identität thematisiert DOWN UNDER.

III. Analyse

DOWN UNDER besteht aus drei Strophen und einem Refrain, der leicht abgewandelt fünfmalig wiederholt wird. Der Ich-Erzähler trifft in den Strophen fern seiner Heimat auf drei verschiedene Menschen, die alle im Refrain zu ihm sprechen, nachdem sie ihn als Australier erkennen. Die häufige direkte Rede sowie die Details schaffen eine Mimesis-Illusion, man sieht also förmlich alles vor sich. Verstärkt wird dies durch das Musikvideo, das in den Versen nah am Text bleibt.

Sowohl sprachlich als auch visuell werden australische Stereotypen und Klischees behandelt. Einerseits die, die Menschen außerhalb Australiens hegen, andererseits typische Gemeinsamkeiten innerhalb der australischen Gesellschaft: Die erste Strophe greift die Reiselust des weltoffenen Australiers auf. Der “Hippie Trail” war auch bei Australiern sehr beliebt. Der “fried-out combie”, der stereotype VW Bus, und “zombie”, also Marihuana, sind in Text und Video präsent. Dabei wird die kulturelle Zugehörigkeit zu Australien verstärkt: Im Video steht auf der Motorhaube des Busses “Tanelorn rules” (00:16 min). Tanelorn war ein Musikfestival in Stroud NSW im Oktober 1981, bei dem die bekanntesten australischen Bands auftraten. Diese Tatsache und die Verwendung des australischen Slangs “zombie” für “marihuana” sowie “chunder” (s.o.) (2. Refrain) können ohne Erklärung zunächst nur von australischen Rezipienten verstanden werden, richten sich also an eine definierte kulturelle Gruppe. Besonders stark wird die Eigentümlichkeit der australischen Kultur durch das “Vegemite Sandwich” zum Ausdruck gebracht. Vegemite ist ein australischer Brotaufstrich aus konzentrierter Hefe, der sich aufgrund seiner außerordentlichen Beliebtheit gar als kulturelles Symbol begreifen lässt. Dies wird im Song auch dadurch ausgedrückt, dass der Australier in Brüssel seinem Landsmann auf die Frage “Do you speak my language?” lächelnd ein Vegemite Sandwich schenkt und diese damit für ihn bejaht.

In derselben Strophe findet sich auch ein Stereotyp für einen männlichen Australier: “six foot four and full of muscle”. Im Ausland hält sich das Klischee des großen muskulösen Surfers mit sonnengebleichten Haaren,‒ im Video gespielt von Schlagzeuger Jerry Speiser. Ironischerweise musste sich dieser für die Rolle auf einen Stuhl stellen und eine blonde Perücke tragen, was die Angemessenheit dieses Stereotyps entsprechend in Frage stellt. Auch die australischen Frauen werden im Ausland als besonders attraktiv eingeschätzt (“where women glow”). Daneben besteht auch noch das Stereotyp des australischen ‚Convicts’ (“men plunder”). Zwar waren die ersten Europäer, die den Inselkontinent besiedelten britische Gefangene, bald folgte jedoch eine weitaus größere Einwanderungswelle, die sich aus freien Bürgern speiste. Trotzdem hält sich außerhalb Australiens auch dieses Klischee. Die Darstellung von Klischees im Video lässt sich indes auch auf das emphatisch ausgeschenkte und getrunkene Bier (01:20 – 01:34) ausweiten. Obwohl das Label entfernt ist, erkennt man die Dosen unzweifelhaft als “Foster’s”, eine australische Biermarke, die im Ausland bekannt ist, in Australien selbst aber eher selten getrunken wird. Ebenso finden sich die mit Australien assoziierten Koalas und Kängurus – oder vielmehr deren distinktives Fortbewegungsverhalten, das Men at Work im Video nachahmen (01:53 – 02:00).
In Bezug auf das Trinkverhalten greifen Men at Work jenes Klischee auf, wonach Australier gerne große Mengen an Bier trinken und gelegentlich wieder loswerden, so wird die Zeile “where beer does flow and men chunder” von der Figur des “Australiers” gesungen der Slang-Ausdruck “chunder” unterstreicht das australische Kolorit. Die erwähnte Zeile sowie die Erwähnung von “Vegemite” sind vermutlich auch für die patriotische Begeisterung verantwortlich, die den Song besonders bei Sportereignissen zu einer heimlichen Nationalhymne werden ließ. Australien bzw. die australische Lebensweise wird gefeiert – nicht zuletzt in der Zeile “I come from the land of plenty”. Man lebt also im Schlaraffenland.

Und doch spricht der Refrain eine ganz andere Sprache. In jeder Wiederholung wird eine Warnung ausgesprochen sowie der Rat, Schutz zu suchen. Konkret wird vor “thunder” gewarnt. Nun könnte man dies auf die australischen Tropenstürme beziehen, die oft von schweren Gewittern begleitet werden. Allerdings weist der Gesamtzusammenhang eher darauf hin, dass das Gewitter für eine andere Gefahr steht. “”I wrote it at a time when there was a lot of overdevelopment in this country,” he [Colin Hay] told the Herald Sun paper, “and we were in danger of becoming Americanised.”” (Connor 2009). Visualisiert wird dies im Musikvideo zum einen durch den Mann mit Hemd und Krawatte, der mit seinem Schild, das er in die Landkarte der Reisenden rammt, symbolisch die Überentwicklung des Landes und kommerzielle Vereinnahmung der Natur ausdrückt (00:38 – 00:49). Ebenso deutlich wird die Einschränkung des natürlichen Lebensraumes durch den Stoffkoala, der an einer Schnur zunächst vom Ast eines Eukalyptusbaumes baumelt und den schließlich ein Bandmitglied immer auf dem Boden hinter sich her schleift. Vor allem aber begleitet die Kamera am Ende des Liedes zur mehrmaligen Wiederholung des Refrains eine Art Trauerzug (02:38 – 03:41). Vorneweg die Bandmitglieder in weißen Outfits, dahinter ganz in schwarz gekleidete Roadies, die einen großen Technikkoffer wie einen Sarg auf den Schultern halten. Die Identität Australiens, das eigentliche kulturelle Erbe des Landes, wird gewissermaßen zu Grabe getragen. Zwar wird im Text nicht auf die Aborigine-Kultur eingegangen und auch im Video sind keine “Indigenious People” zu sehen, aber man kann die farbliche Konstrastierung in dieser Schlussphase des Videos symbolisch deuten. Die “Weißen”, also die zugewanderten Europäer oder Asiaten leiten den Zug, geben die Richtung an; sie laufen auf den einzigen Strommasten in der Wüste zu, in diesem Fall ein Zeichen für Entwicklung und Fortschritt. Ihnen folgen die “Schwarzen”, demnach die Ureinwohner Australiens, mit dem “Sarg”. Auf ihren Schultern werden Kultur und Natur des Landes, und damit ihre Identität, zu Grabe getragen. Sänger Colin Hay fasst zusammen: “The chorus is really about the selling of Australia in many ways, the overdevelopment of the country. It was a song about the loss of spirit in that country. It’s really about the plundering of the country by greedy people. It is ultimately about celebrating the country, but not in a nationalistic way and not in a flag-waving sense. It’s really more than that.” (Songfacts).

IV. Rezeption

Das Lied wird oft als patriotische Hymne missverstanden. Hay vergleicht die Rezeption des Song mit der eines Bruce Springsteen-Hits: “If you listen to ‘Born In The USA,’ it’s a similar song in that there’s a lot of nuance missed because people like drinking beer and throwing their arms up in the air and feeling nationalistic. It’s ultimately a song about celebration, but it’s a matter of what you choose to celebrate about a country or a place. White people haven’t been in Australia all that long, and it’s truly an awesome place, but one of the most interesting and exciting things about the country is what was there before. The true heritage of a country often gets lost in the name of progress and development.” (Songfacts). Er beschreibt das Thema des Songs als “being ‘about the selling of Australia’. […] Men at Work’s success in the US also coincided with a period of growing fascination with Australian movies – another instance of ‘selling’ Australia” (Ford 2012).

Trotz der ursprünglichen Intention wurde der Song durch den Sieg Australiens beim America’s Cup 1983 zur heimlichen Nationalhymne und landete erneut in den Top 40. Auch das schrullige selbstproduzierte Video wurde beim neuen Sender MTV ein großer Hit und verhalf Gruppe und Song zu größerer Beliebtheit. 1982 gewannen Men at Work den Grammy für den “Best New Artist” (Stambler 1989: 461/2). Nach der Trennung 1985 schlossen sich Men at Work im Jahr 2000 noch einmal zusammen, um DOWN UNDER bei der Abschlusszeremonie der Olympischen Spiele in Sydney zu performen.

Man findet den Song in einem Trailer und der Werbung für den Animationsfilm Finding Nemo (2003), ebenso in Fernsehanzeigen für die australische Airline Qantas (2008). Der besondere Humor von Men at Work bzw. deren Leadsänger zeigt sich auch in der Folge “My Hard Labour” der Serie Scrubs, in der Colin Hay in einem Tagtraum des Protagonisten J.D statt eines Babys zur Welt kommt und dabei auf einer Akustikgitarre DOWN UNDER performt. Der Protagonist daraufhin: “Now I understand what the song is about!”.

2009 kam es zum Prozess, da ein Jahr zuvor in der australischen Fernsehshow Spicks and Specks geäußert wurde, Hams markanter Flötenpart in DOWN UNDER sei einer Tonfolge des beliebten australischen Kinderliedes “Kookaburra sits in an Old Gumtree” sehr ähnlich. Larrikin Music, welche die Rechte am 1932 von der Lehrerin Marion Sinclair geschriebenen Lied besaßen, verklagten Men at Work wegen Plagiats und gewannen (vgl. Hardie 2012).

Zuletzt wurde DOWN UNDER (ohne Flötenpart) in Anzeigen des australischen Mobilfunkanbieters Telstra verwendet, die während der Olympischen Spiele in London ausgestrahlt wurden. Im Clip wird eine neue Version des Songs von Australiern in der ganzen Welt gesungen. So sieht man verschiedene Gruppen, u.a. typisch australische Zusammenkünfte wie Rugby spielende Männer, eine Runde im Pub, Mädchen in Schuluniform, mit denen Colin Hay das Lied interpretiert. Das Gemeinschaftsmoment wird gewissermaßen wiederbelebt.

 

CHRISTINA KLAHR


Credits

Artwork By [Front Cover Illustration]: John Dickson
Bass: John Rees (2)
Drums: Jerry Speiser
Effects [Telephone, Calculator]: Russell Deppeler
Engineer: Jim Barbour, Peter Mclan
Engineer [Additional]: Paul Ray (3)
Guitar: Colin Hay, Ron Strykert
Lyrics By: Colin Hay (tracks: 1 to 4, 7 to 10)
Music By: Colin Hay (tracks: 1 to 4, 7, 9, 10), Greg Ham (tracks: 5, 7, 10), Ron Strykert (tracks: 3, 6, 8, 10)
Producer: Peter Mclan
Saxophone, Flute, Keyboards, Other [Fiddly Things]: Greg Ham
Vocals: Colin Hay, Greg Ham, Jerry Speiser, John Rees (2), Ron Strykert
Label: Columbia
Release: 1982 US
Length: 3:45

Recordings

  • Men at Work. “Down Under”, Business as Usual, 1982, Columbia, CK 37978, US (CD/Album).

Covers

  • Telstra Werbung London 2012: http://www.youtube.com/watch?v=Qd8sFivSpys [14.10.2012].
  • Qantas Werbung 2008: http://www.youtube.com/watch?v=78D3IYZ2W5o [15.10.2012].

References

  • Connor, Alan: “Down under-covered. Vegemite sandwiches, chunder and a “head full of zombie”. What’s going on in Down Under?”. In: BBC News Magazine. URL: http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/magazine/8178913.stm [16.09.2014].
  • Ford, Martin: “Down Under. Curator’s notes” In: australian screen. URL: http://aso.gov.au/titles/music/down-under/notes/ und http://aso.gov.au/titles/music/down-under/clip1/ [16.09.2014].
  • Hardie, Giles: “Down Under loses its infringing flute. Down Under is back for the Olympics, without the Kookaburra” In: The Sydney Morning Herald. URL: http://www.smh.com.au/entertainment/music/down-under-loses-its-infringing-flute-20120727-22yte.html [16.09.2014].
  • Länderprofil. Australien (= focus Migration 21). Ed. by Dita Vogel. Hamburg: Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) 2010.
  • Moran, Anthony: Australia. Nation, Belonging and Globalization. New York/London: Routledge 2005.
  • Stambler, Irwin: Encyclopedia of Pop, Rock & Soul. Revised Edition. New York: St. Martin’s Press 1989.

Links

  • Red. von Songfacts: Down Under (Men at Work) http://www.songfacts.com/detail.php?id=2962 [16.09.2014].

About the Author

Analysis written in a course of Prof. Dr. Fernand Hörner at the University of Freiburg.
All contributions by Christina Klahr

Citation

Christina Klahr: “Down Under (Men at Work)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/downundermenatwork, 09/2014 [revised10/2014].

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