1989
Hans Söllner

Der Huaba

Der bayerische Mundart-Liedermacher Hans Söllner kommentiert in seinen sozialkritischen Texten seit Jahrzehnten das gesellschaftliche und politische Leben im Freistaat. DER HUABA richtet sich als Anti-Rechts-Statement gegen die Wahlerfolge der Partei Die Republikaner in den 1980er Jahren und dokumentiert somit ein Stück deutscher Zeit- und Kulturgeschichte.

I. Entstehungsgeschichte

DER HUABA wurde erstmals 1989 auf Hans Söllners viertem Album Hey Staat! veröffentlicht. Ebenso wie die anderen auf Hey Staat! enthaltenen Lieder, entstammt DER HUABA dem Mitschnitt eines Live-Auftritts in der Münchner Kultur- und Kabarettstätte Schlachthof aus demselben Jahr. Neben Gesang und zugehöriger Gitarrenbegleitung durch den Künstler sind daher auf der Aufnahme auch die in typischer Söllner-Manier gehaltenen Interaktionen mit dem Publikum sowie Zwischenrufe und Parolen zu hören, wodurch das Stück einen gewissen Kundgebungs- und Protestcharakter erhält. Die von Söllner übergeordnet behandelten Themenkomplexe Ausländerfeindlichkeit, Drogenlegalisierung, Konservatismus und Sexualmoral konkretisieren sich auf Hey Staat! noch durch die namentliche Kritik an politischen Figuren wie Franz-Josef Strauß, Heiner Geißler, Fritz Zimmermann oder Franz Schönhuber auf einer persönlichen Ebene. Dies wurde Söllner auf späteren Albenwerken mit zahlreichen Rechtsklagen untersagt.

II. Kontext

Das Album Hey Staat! stellt einen Wendepunkt im Schaffen des Bad Reichenhaller Liedermachers dar. Während auf nachfolgenden Alben eine zunehmende Hinwendung zum Reggae erfolgt, bleibt Söllner auf Hey Staat! zwar seinem kabarettistischen Vortragsstil mit Gitarrenbegleitung noch treu, radikalisiert und politisiert sich inhaltlich jedoch im Vergleich zu seinen Vorgänger-Alben deutlich. Die aggressiver und zugleich schwermütiger gewordenen Texte stehen in Zusammenhang mit den seit Ende der 1980er-Jahre erfolgten Zensurversuchen und juristischen Klagen durch den bayerischen Staats, mit denen sich Hans Söllner konfrontiert sah.

Söllner, der vor Beginn seiner Bühnenkarriere 1979 zwei Lehren als Koch und Automechaniker absolviert hatte, etablierte sich innerhalb des Freistaates zunehmend als scharfer Kritiker der Staatsmacht, für ihn verkörpert in Politik und Polizei. Die oftmals derbe und ungeschliffene Wortwahl des Künstlers, von sexuellen Anspielungen über verbale Attacken bis hin zu Hitler-Vergleichen reichend, führte zu Spielverboten im Bayerischen Rundfunk sowie einer Verfolgung durch Polizei und Justiz, die bis heute andauern und in einer massiven Verschuldung des Liedermachers auf Grund zahlreicher verlorener Prozesse kulminierte.

Vor allem im Jahr 1988, kurz vor Erscheinen von Hey Staat!, häuften sich Strafverfahren wegen Ehrbeleidigungen durch hochrangige bayerische Politiker wie beispielsweise Edmund Stoiber und Franz Josef Strauß, die persönliche Strafantragsbestätigungen durchgeführt hatten. Söllner reagierte auf die vermehrte Überwachung seiner Konzerte und Beschneidung seiner Redefreiheit zunächst trotzig ‒ später erwirkte die Zunahme von hohen Geldbußen die von Seiten der Kläger erwünschte Einstellung konkreter Personenbeleidigungen ‒ und so greift er die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse im Freistaat auf Hey Staat! vehementer an als zuvor.

Im Fokus des Liedermachers steht auf dem Album neben anderen sozialkritischen Themen die Zunahme von rechtsradikalem Gedankengut, welche er einerseits auf populärkultureller Ebene behandelt ‒ manifestiert in dem Stück “Der deutsche Tourist (Mei Nega)”, andererseits angesichts ihrer tatsächlichen politischen Ausprägungen in DER HUABA.

Den Nährboden für diese Strömungen bildete die Enttäuschung gewisser Teile der Wählerschaft über die Folgen des 1983 erfolgten Regierungswechsels auf Bundesebene hinsichtlich der Frage der deutschen Wiedervereinigung. Auch der rechte Flügel der CDU/CSU hatte sich von der christlich-liberalen Koalition unter der Kanzlerschaft Helmut Kohls, die weiterhin auf eine Entspannungspolitik gegenüber der DDR setzte, ein Zeichen gegen die Manifestation der Teilung erhofft. Hinzu kam im selben Jahr der Skandal um den Milliardenkredit an die SED-Regierung durch den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, bis dahin als lautstarker Kritiker des kommunistischen Regimes bekannt. Diese radikale Kehrtwende führte zu einem enormen Verlust in der Glaubwürdigkeit seiner Person. Es folgte eine Welle an Parteiaustritten.

Einige ehemalige national-konservative CSU-Mitglieder gründeten daraufhin aus Protest 1983 die Partei Die Republikaner, deren Vorsitz 1985 nach parteiinternen Querelen das Gründungsmitglied Franz Schönhuber übernahm. Unter Schönhubers Amtszeit gelangen den Republikanern beachtliche Wahlerfolge, so konnte die nationalistisch ausgerichtete Partei bei der Europawahl 1989 ‒ eben diese aktuelle Entwicklung greift Söllner in DER HUABA auf − in Gesamtdeutschland 7,1 Prozent, in Bayern sogar 14,6 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. Im Hinblick auf die deutsche Teilung, eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung gegenüber des geplanten Beitrittes zur Europäischen Gemeinschaft sowie eine steigende Arbeitslosenquote gelang es der Partei, Ängste vor einer “Überfremdung” zu schüren und durch das Versprechen, nationale Interessen zu wahren, erhebliche Unterstützung zu gewinnen. Angesichts dieser Wahlergebnisse zugunsten rechter Parteien wird für die 1980er Jahre von einem generellen Rechtsruck in der Bundesrepublik gesprochen.

Vor allem die starke Ausrichtung der Republikaner auf ihren eloquenten und durch die Moderatorenschaft der Sendung Jetzt red i im Bayerischen Fernsehen bekannten Vorsitzenden Franz Schönhuber führte zu einer “Salonfähigkeit” der Republikaner innerhalb der Politlandschaft. Seine beruflichen Tätigkeiten, welche die Chefredaktion der Zeitung tz, den zeitweisen Vorsitz des Bayerischen Journalistenverbandes sowie eine Mitgliedschaft im Deutschen Presserat umfasst hatten, verhalfen Schönhuber zu einflussreichen gesellschaftlichen Kontakten. Zwar führte die Veröffentlichung der Biographie Ich war dabei, in der Schönhuber eine Relativierung der deutschen Kollektivschuld im Zweiten Weltkrieg vorgenommen hatte, zur fristlosen Entlassung aus dem Bayerischen Rundfunk, allerdings brachte weder diese Tatsache noch das Eingestehen der ehemals freiwilligen Mitgliedschaft in der Waffen-SS den Verlust seiner hohen Popularität und Machtbeziehungen mit sich.

Für den linksgerichteten Hans Söllner stellte die Akzeptanz der Republikaner im Parlament einen Ausdruck der von ihm vielfach angegriffenen Unaufrichtigkeit und Heuchelei innerhalb von Politik und Gesellschaft dar, deren Kritik bis heute zentraler Bestandteil seines musikalischen Schaffens ist und sich auch aus der eigenen biographischen Rebellion gegen ein bayerisch-konservatives Umfeld speist.

III. Analyse

Der Aufbau des 7-strophigen Textes von DER HUABA lebt vom narrativen Charakter des Liedes, der seine Auflösung in einem Wortspiel mit dem Namen Schönhuber findet. Wie alle Werke Söllners ist DER HUABA in bayerischer Mundart gehalten und beinhaltet wiederholte Interaktionen mit dem Publikum sowie eine einleitende Ansage.

Der zunächst allgemein gehaltenen Werdegang einer Person namens “Huber” beschreibt deren Aufstieg vom “gloana Dorfdepp” zum rechtsradikalen Politiker, wobei Huber sich durch Eigenschaften wie Eigenliebe, Machtmissbrauch und Redegewandtheit auszeichnet. Der rasche Ausbau ihrer Macht gelingt Söllners Figur durch das Verbreiten von rassistischem Gedankengut und durch die “Dummheit” ihrer Wähler, welche von Söllner angesichts ihrer Gedankenlosigkeit und Leichtgläubigkeit ebenso kritisiert werden wie der Politiker selbst. In der sechsten Strophe findet ein Wechsel vom allgemeinen “guad Huaba” zum konkreten “schön Huber” bzw. “Schönhuber” statt, der vom Publikum durch Gelächter und Klatschen frequentiert wird. Die konkrete Bezugnahme auf die Person Franz Schönhuber wird begleitet durch eine Zukunftsvision, in der Deutschland abermals von “Nazis” regiert wird. Im Anschluss daran folgt − den Geschichten-Charakter unterstreichend ‒ eine “Moral”, die eine Verurteilung von faschistoidem Gedankengut beinhaltet und in einer pragmatischen “Nazis-raus”-Parole mündet, die wiederum durch Zurufe aus dem Publikum unterstützt wird.

Neben der Bezugnahme auf rechtsradikale Tendenzen in den 1980er-Jahren lässt sich DER HUABA auch als Kritik am bayerischen Politbetrieb im Allgemeinen interpretieren, der es durch personale Korruptions- und Machtverhältnisse sowie ausgeprägten Populismus erlaubte, Figuren wie Schönhuber erst hervorzubringen.

Wie bei den meisten Hans Söllner-Liedern stehen auch bei DER HUABA Text und Gesang des Stückes im Vordergrund und die Begleitung durch Konzertgitarre dient lediglich der Untermalung, weswegen die musikalische Struktur aus einer einfachen Kadenz im 2/4-Takt besteht.

Das Vorspiel führt in Anlehnung an bayerische Volkmusikstrukturen − umgangssprachlich auch als “Gangerl” bezeichnet und in diesem Beispiel aus den Tönen Gis, Ais, C (Leitton) und schließlich dem Zielton bestehend ‒ mit einem Basslauf in die Haupttonart Cis-Dur über. Das gesamte Lied wird zudem durch die Gitarre im Begleitmuster Bass plus Nachschlag bzw. Wechselbass plus Nachschlag untermalt und erinnert dabei an die im bayerischen Alpenvorland weit verbreitete Form des “Gstanzls”, das ausschließlich in dieser Zupfversion begleitet wird. Allerdings entlehnt Söllner lediglich Fragmente der bayerischen Volkmusik und wandelt sie für seine Form des musikalischen Ausdrucks um − so steht ein “Gstanzl” im Gegensatz zu DER HUABA immer im ¾-Takt.

Die Analogie zur bayerischen Stilform des Spaß- bzw. Spottgesanges ist jedoch bewusst gewählt, denn auch im “Gstanzl” werden oftmals politische Begebenheiten auf unterhaltsame Art und Weise angesprochen und kritisiert. DER HUABA lässt sich allerdings nicht in traditionelle Volksmusikkategorien einordnen, da der Liedermacher diese lediglich adaptiert, anschließend jedoch neu arrangiert und mit anderen Stilrichtungen mischt. Auf Grund dieser Neuinterpretation traditioneller Volksmusikelemente wird Söllner teilweise auch zum Musik-Genre der Neuen Volksmusik gezählt. Auch das Albumcover zu Hey Staat!, auf dem Söllner sich in Jamaica-Shirt mit Rastalocken inszeniert, gleichzeitig aber Lederhose trägt, unterstreicht dieses Image. Hier findet ebenso wie in der Musik selbst eine transkulturelle Symbiose von traditional-bayerischen Kulturelementen mit internationalen Einflüssen statt, die einerseits der Gegenüberstellung, andererseits aber auch der Verbindung von Tradition und Rebellion in der Figur Hans Söllner dient.

IV. Rezeption

Hey Staat! verkaufte nach Angaben des Labels Trikont seit seiner Veröffentlichung 1989 über eine halbe Million Exemplare. Diese Popularität eines bayerischen Liedermachers ist nicht nur wegen des starken Dialektes bemerkenswert, der auf Grund von Verständnisschwierigkeiten zu einer begrenzten regionalen Reichweite führen dürfte, sondern auch der Tatsache, dass Hans Söllner im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen nicht gespielt oder rezipiert wird, was auf die oftmals derbe und politisch-inkorrekte Wortwahl in seinen Texten sowie die bereits angesprochenen staatlichen und juristischen Repressionen zurückzuführen ist.

Die Bekanntheit des Künstlers über die Grenzen des Freistaates hinaus fußt daher vor allem auf seiner Rolle als Repräsentant einer Widerstands- und Rebellionskultur, auf Grund derer die Rezeption seiner Lieder nicht im öffentlich-medialen Raum sondern in einer zumeist linksorientierten, jugendlichen Independentkultur erfolgt, wo Lieder wie “Mei Vadda” oder “Edeltraut” längst Kultstatus erlangt haben.

 

BARBARA WITTMANN


Credits

Gesang, Gitarre: Hans Söllner
Text: Hans Söllner
Liveaufnahme: Schlachthof München, 1989
Produzent: Achim Bergmann
Tontechnik: Tom Batoy, Uwe Binnberg
Länge: 04:24

Recordings

  • Hans Söllner. “Der Huaba”, Hey Staat!, 1989, Trikont, TRIKONT US-0161, Deutschland (Album).
  • Hans Söllner. “Mei Vadda”, Nachdenkliches zum Schmunzeln – Endlich eine Arbeit, 1982, Powerplay Music Records, 09040154, Deutschland (LP, Album).
  • Hans Söllner. “Edeltraut”, … Der Charlie, 1992, Trikont, TRIKONT US-01862, Deutschland (CD/Album).

References

  • Hirsch, Kurt: Schönhuber. Der Politiker und seine Kreise. Frankfurt/Main: Eichborn 1989.
  • Leggewie, Claus: Die Republikaner. Ein Phantom nimmt Gestalt an. Berlin: Rotbuch 1990.
  • Karnik, Olaf/Philipps, Helmut: Reggae in Deutschland. Köln: KiWi-Paperback 2007.
  • Söllner, Hans: Bloß a Gschicht. München: Eichborn 2005.
  • Söllner, Hans: Bilderbuch. München: Trikont 2006.
  • Süddeutsche Zeitung: Hans Söllner. “Einmal Singen kostete mich 40.000 Euro”, München 20.03. (2012).

Links

  • Homepage: http://www.soellner-hans.de/ [23.05.2013].
  • Plattenfirma: http://trikont.de/category/musik/kunstler/hans-sollner/ [23.05.2013].

About the Author

Analysis written in a course of Dr. Manuel Trummer at the Universität Regensburg.
All contributions by Barbara Wittman

Citation

Barbara Wittmann: “Der Huaba (Hans Söllner)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/derhuaba, 10/2012 [revised 10/2013].

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