2006
Clueso

Chicago

CHICAGO ist ein klassischer Popsong mit typischem AABA-Aufbau, einfacher harmonischer Struktur und der geradezu maßgeschneiderten Radiolänge von 3:30 Minuten. Durch seinen einfachen harmonischen Aufbau, seine Sprachmelodie und den eingängigen Refrain mit den vielen Wortwiederholungen ist CHICAGO einer der bekanntesten und beliebtesten Songs von Clueso.

I. Entstehungsgeschichte

Der Song CHICAGO entstand laut Clueso in seiner damaligen WG-Küche, so kommuniziert er es zumindest auf seinen Konzerten. Jedoch stammt der Text von seinem Rapper-Kollegen Steer M. Cluesos Karriere begann eher im Hip Hop. Er ist Mitglied des Zughafens Erfurt, einem freien Netzwerk von Künstlern, Organisatoren, Firmen und Projekten. Vor allem junge Künstler werden dort unterstützt. Clueso ist seit der Gründung des Zughafens 2002 dort aktiv und nutzt das Netzwerk rund um diese Institution. So ist es nicht verwunderlich, dass auch CHICAGO in den Zughafen Studios Erfurt aufgenommen wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zughafen kein eigenes Studio besitzt. Clueso und Band nehmen immer in einem unbekannten Tonstudio in Spanien auf, aber unter dem Namen und mit Hilfe des Zughafens. Den entscheidenden produktionstechnischen Schliff bekam CHICAGO dann allerdings im Tucan Tonstudio Kornwestheim von Ralf Christian Mayer. Dieser arbeitet für viele namhafte vor allem deutsche Künstler, beispielsweise für Xavier Naidoo, Die Fantastischen Vier, Herbert Grönemeyer, Cro oder Mark Forster. Mayer lässt sich als Cluesos “Stammproduzent” bezeichnen, da er bereits zu Beginn an den Alben mitarbeitete. Das 2014 erschiene Album Stadtrandlichter produzierte Clueso dann selbst.

CHICAGO lässt sich als konventionelle Rock/Pop-Produktion bezeichnen, die durch keinerlei Besonderheiten auffällt. So gibt es etwa neben dem Bandarrangement keinerlei elektronische Beats.

CHICAGO stammt aus dem am 19. Mai 2006 erschienenen Album Weit weg, welches das dritte Album von Clueso ist und das erste, mit dem er Gold-Status erreichte. Weit weg hielt sich in Deutschland 13 Wochen auf Platz 12 der Charts.

Die Single CHICAGO wurde bereits am 21. April 2006, noch vor dem Erscheinen des Albums, veröffentlicht, stieg bis auf Platz 60 der Charts und hielt sich dort 10 Wochen.

Neben der Single wurde auch ein Musikvideo veröffentlicht.

II. Kontext

Der Text des Songs CHICAGO befasst sich mit dem Thema des Drogenkonsums junger Menschen in Deutschland. Um die Jahrtausendwende nahmen ca. 10 % aller 18- bis 39-jährigen illegale Drogen. Jährlich kamen zwischen 1000 und 2000 Menschen durch den Konsum ebendieser ums Leben. Ein lyrisches Ich beschreibt in CHICAGO das Leben und die Gefühle eines drogenabhängigen Mädchens, das vermutlich auch als Prostituierte arbeitet, um an Geld für ihre Drogen zu kommen. Es wird erzählt, wie sie regelmäßig versucht, sich aus ihrem Alltag wegzuträumen, und wie sie schließlich an einer Überdosis stirbt.

Die Textzeile “Und wenn dort frisches Zeug durch die Adern fließt” lässt einen eindeutigen Rückschluss auf den Drogenkonsum des Mädchens zu. “Nimmt sie dich mit für eine Nacht” kann als Hinweis auf Prostitution gedeutet werden. Die Überdosis lässt sich in der Zeile “Und diesmal ist sie nicht gekommen, vielleicht hat sie’s nicht gepackt” erkennen und der damit verbundene Tod als Ausweg in “Ich komm nie mehr, ich bin in Chicago”.

III. Analyse

Auffällig am Text ist die ständige Wiederholung und Betonung des Wortes Chicago, das als Traum oder als Metapher für einen Ausweg zu verstehen ist. Der einzige Moment im Text, der die Realität mit ihren Konsequenzen aufzeigt, ist die Bridge. Darin wird ersichtlich, wie gefangen das Mädchen bereits in ihrer problematischen Lebenslage ist. In Cluesos Text könnte man das Wort “Mädchen” auch in Verbindung mit einer Minderjährigen bringen. Drogenkonsum im Zusammenhang mit Minderjährigkeit ist ein brisantes Thema, das laut Statistik durchgehend präsent ist. Insgesamt scheint das harte Thema des Drogenkonsums von Clueso geradezu liebevoll verpackt. Denn neben dem doch nicht ganz offensichtlichen Text, der viel Freiraum für Interpretation gibt, lässt auch die harmonische Struktur keinen direkten Rückschluss auf so ein heikles Thema zu.

CHICAGO ist in einer Verse-Chorus(-Bridge)-Form aufgebaut:

Verse I Chorus Verse II Chorus Bridge Verse III Chorus
A A B A

 

Diese Art von Aufbau ist klassisch und entsprechend bei vielen anderen bekannten Songs zu finden.

CHICAGO steht im 4/4 Takt und weist eine achttaktige Grundgliederung auf. Alle Teile, sowohl jeder Verse als auch Chorus und Bridge, sind jeweils 8 Takte lang. Das Tempo ist mit ca. 80 bpm eher langsam, aber auch nicht auffällig. Die Instrumentierung entspricht einer typischen Bandbesetzung von Gitarre, Bass, Schlagzeug, Klavier und Gesang, wobei diese von Beginn des Liedes bis zum Einsatz des ersten Chorus aufgebaut wird. Auffallend ist außerdem das komplette ‘Herunterfahren’ der Band nach der Bridge und der nachfolgende Einsatz des 3. Verse in kleiner Besetzung (nur Gesang und Klavier). Im letzten Chorus hingegen ist wieder die komplette Band zu hören.

Die harmonische Analyse zeigt ebenfalls nur einige wenige Auffälligkeiten. CHICAGO beginnt mit einem kurzen Intro in D-Dur. Im Verse lässt sich der erklingende D-Dur-Akkord dann als eine Art Tonika heraushören und identifizieren. Der Verse ist sehr einfach aufgebaut und wechselt halbtaktig zwischen G-Dur und D-Dur. Auch der Gesang, der eher als Sprechgesang zu bezeichnen ist, unterstützt diese Einfachheit. Der Chorus, der in e-Moll (II. Stufe) beginnt, der Paralleltonart zu G-Dur, ist gekennzeichnet durch halb- bzw. ganztönige Rückungen. Harmonisch endet er auf A-Dur, der Dominante. Der Gesang lässt sich in diesem Teil eher schon als Melodie bezeichnen und ist geprägt durch die Wiederholungen des Wortes “Chicago”. Der harmonisch auffallendste Teil aber ist die Bridge, die als tonales Zentrum B-Dur hat, eine Hauptmediante von D-Dur. Dadurch entsteht auch das Gefühl eines harmonischen ‘Entrücktseins’, und die Sonderrolle, die die Bridge im Text spielt, wird somit harmonisch nochmals bekräftigt. Diese Ausnahme wird auch durch die Melodie unterstrichen, denn diese spielt sich hier größtenteils im oberen tonalen Bereich des gesamten Liedes ab. Die Bridge endet dann auf C-Dur, der Doppeldominante von B-Dur und verbindend zu D-Dur auf der VII. Stufe.

Der Song endet nicht auf der Tonika, sondern der Subdominante, und hat durch die Septime im Akkord einen offenen Charakter. Dadurch wirkt der Schluss etwas diffus bzw. unklar und verschwommen.

IV. Rezeption

Cluesos Durchbruch gelang ihm 2006 mit dem Album Weit weg, das in Deutschland Gold erreichte und auch CHICAGO enthält.

2007 trat Clueso mit der STÜBAphilharmonie aus Jena im Berliner Postbahnhof auf. Dort wurde unter anderem auch CHICAGO in einem Arrangement für Orchester aufgeführt. Diese Zusammenarbeit wurde später auch auf einer DVD den Fans zugänglich gemacht.

 

KATHARINA JUBELT


Credits

Vocals: Clueso
Guitar: Christoph Bernewitz, Clueso
Bass: Daniel Bätge
Drums: Paul Tetzlaff
Piano: Philipp Milner
Trombone: Christian Kohlhaas
Lyrics: Steer M
Other (song idea): Clueso
Arrangement: Clueso & Band
Producer: Ralf Christian Mayer
Label: Four music
Recorded: Zughafen Studios Erfurt
Mixed & mastered: Tucan Tonstudio Kornwestheim
Published: 2006
Length: 3:30

Recordings

  • Clueso. “Chicago”. On: Weit weg, 2006, Four Music, FOR 82876822522, Germany (CD, Album).
  • Clueso. Stadtrandlichter, 2014, Text und Ton Schallplatten, 8481793, Germany, Austria & Switzerland (CD/Album + DVD V).

References

  • Kaiser, Ulrich: “Formbegriffe der Pop- und Rockmusik”. In: Musikanalyse, 7 April 2013. URL: www.musikanalyse.net/tutorials/popformeln [13.06.2017].
  • “Clueso”. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Clueso [13.06.2017].
  • “Clueso/Diskografie”. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Clueso/Diskografie [13.06.2017].
  • “Künstler im Zughafen”. In: Zughafen. URL: http://www.zughafen.de/zughafen-2/kuenstler-im-zughafen/ [13.06.2017].
  • “Referenzen”. In: Ralf Christian Mayer’s Tucanstudio. URL: http://www.tucanstudio.de/referenzen.html [13.06.2017].
  • “Anzahl der Drogentoten in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2016”. In: Statista (2017). URL:
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/403/umfrage/todesfaelle-durch-den-konsum-illegaler-drogen/ [13.06.2017].

About the Author

Analysis written in a course of Prof. Dr. Martin Pfleiderer at the University of Music FRANZ LISZT Weimar.
All contributions by Katharina Jubelt

Citation

Katharina Jubelt: “Chicago (Clueso)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost. http://www.songlexikon.de/songs/chicago, 03/2017.

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