1980
Judas Priest

Breaking the Law

BREAKING THE LAW ist eine sehr bekannte Heavy Metal Hymne und zeigt exemplarisch, wie nahe sich Heavy Metal und Pop kommen können. Dass für das Stück noch vor MTV ein konzeptuelles Promotionvideo gedreht wurde, unterstreicht die Wichtigkeit des visuellen Images für diese gefahrlose Annäherung von Heavy Metal an Pop. Das zugehörige Album British Steel markiert zudem den weltweiten kommerziellen Durchbruch für Judas Priest und definiert den Heavy Metal Gitarrensound mit.

I. Entstehungsgeschichte

BREAKING THE LAW wurde Anfang 1980 im zu den Startling Studios gehörenden Landsitz in Ascot unter der Ägide von Produzent Tom Allom aufgenommen. Haus und Studio gehörten John Lennon, der beides 1973 an Ringo Starr verkaufte. Das in der Bridge des Songs hörbare zersplitternde Glas stammt laut Aussage der Band von zersplitternden Milchflaschen, die in Ringo Starrs Landsitz vorgefunden wurden, die Polizeisirenen wurden von Gitarrist K.K. Downing über eine Kombination von Gitarrenfeedback und Tremolohebel erzeugt (Classic Albums: British Steel 2001). Die Komposition stammt von K.K. Downing und Glenn Tipton, dem anderen Gitarristen der Band. Den Songtext schrieb Sänger Rob Halford. BREAKING THE LAW war nach “Living after Midnight” die zweite Single Auskopplung aus dem Album British Steel. Das Video wurde von Julian Temple gedreht, der vorher bei dem Sex Pistols Film The Great Rock’n’Roll Swindle Regie führte.

II. Kontext

Parallel zu Punk entstand in Großbritannien auch die New Wave of British Heavy Metal (NWoBHM), die Bands wie Iron Maiden, Saxon, Diamond Head oder Def Leppard hervorbrachte. Sowohl die NWoBHM als auch Punk reagierten auf die miserable ökonomische Situation (inklusive hoher Arbeitslosigkeit) im Großbritannien der ausgehenden 1970er-Jahre. Allerdings blieben sich die Protagonisten beider Szenen weitgehend fremd. Die NWoBHM borgte sich vom Punk jedoch die Do-it-yourself Attitüde, kleine unabhängige Heavy Metal Labels wie Neat Records, Fanzines usw. wurden gegründet.

Judas Priest waren eigentlich schon zu lange aktiv, um noch als Teil dieser diffusen Welle wahrgenommen zu werden. Die Band wurde bereits 1969 in Birmingham gegründet, das Debüt erschien bereits 1974, im gleichen Jahr komplettierte sich auch die Besetzung, die mit Ausnahme des häufiger wechselnden Schlagzeugers auf BREAKING THE LAW zu hören ist.

Parallel zur erstarkenden NWoBHM ändern Judas Priest radikal ihr Image von bunten Kostümen aus weichen, fließenden Stoffen hin zu schwarzem Leder, Nieten, Handschellen und Peitsche. Das neue Image macht eindeutige Anleihen bei der Ikonografie schwuler sadomasochistischer Subkultur, zu der sich Sänger Rob Halford hingezogen fühlt. Obwohl Halford bereits 1977 in einem Songtext (“Raw Deal”) offen schwule Sexualität thematisiert, wird das neue Judas Priest Image nicht in diesen Zusammenhang gebracht und Halfords sexuelle Vorlieben bleiben bis zu seinem offiziellen Outing 1991 ein (offenes) Geheimnis. Das Leder-und-Nieten-Image mutiert stattdessen zu einem eindeutig heterosexuell konnotierten Heavy Metal Klischee. Hilfreich ist dafür die Herkunft von Judas Priest aus Birmingham sowie der Titel des Albums British Steel. Die Band unterstreicht damit die Verbindung von Arbeiterklasse und Heavy Metal, sowie die klangliche Assoziation der Stahlwerke ihrer Heimatstadt Birmingham mit Heavy Metal. Gleichwohl sind derartige Analogien mit Vorsicht zu genießen, besonders wenn sie sich verselbstständigen. Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre kommen mit Duran Duran und Dexy’s Midnight Runners auch stilistisch völlig anders gelagerte Bands aus Birmingham.

Mit British Steel und dem Arbeitslosigkeit thematisierenden BREAKING THE LAW werden Judas Priest zu Ehrenmitgliedern der NWObHM.

III. Analyse

BREAKING THE LAW wird klanglich von verzerrten Gitarren und dem Tenor von Sänger Rob Halford dominiert. Halford verzichtet jedoch auf die für seinen Gesangsstil typischen, hohen und lang ausgehaltenen Schreie zugunsten eines sehr am Text orientierten Vortrags. Der stark verzerrte Gitarrensound mutet eher spitz oder hohl an. Dieser spezifische und bis dato unübliche Klang wird durch eine Betonung der hohen und tiefen Frequenzbereiche erreicht, während der mittlere Frequenzbereich stark abfällt.

Formal handelt es sich bei BREAKING THE LAW um einen Standard Rock Song mit Intro, zweimaliger Wiederholung des Verses, Bridge und Playout (Moore 2001: 150). Das Intro gestalten Judas Priest über ein prägnantes Gitarrenriff, das am Ende der Bridge wieder aufgegriffen wird und im Verbund mit dem häufig wiederholten Stücktitel auch das Playout dominiert. Die rhythmisch-melodische Gestaltung verleiht dem Riff einen vorwärts drängenden und gleichzeitig sich im Kreis drehenden Charakter. Die zugrunde liegende Skala ist a-äolisch, Anfangston ist der Grundton, Endton die II. Stufe, die harmonisch der Terz der Dominate der Durparallele G entspricht. Rhythmisch führt die auf drei einleitende Viertelnoten folgende Achtel zu einer Synkopierung der nächsten beiden Viertel und zu einer Beschleunigung des Riffs. Die abschließende Gruppe aus einem Achtel und zwei Vierteln hat zwar schließenden Charakter, löst die dem Riff innewohnende Spannung jedoch nicht auf.

Da Vers, Pre-chorus und Chorus ausschließlich mit harmonisch uneindeutigen Powerchords gestaltet sind, lässt sich eine tonale Zuordnung der Harmonien nur aus der Gesangslinie erschließen. Vers und Pre-chorus entwickeln sich dabei von der Tonika a-moll zur Dominante E-Dur, während die Bridge die Subdominante des grundlegenden D-Powerchords G und damit gleichzeitig die Dominante der Durparallele C der Ausgangstonika a-moll als Schluss vorzieht und so zum Riff zurückführt, dass im folgenden Breakdown wieder erklingt: Die beiden Gitarren bieten das Riff in Oktavparallelen dar, während Bass und Schlagzeug aus- und kurze Zeit später sukzessive wieder einsetzen. Derartige Breakdowns sind im Heavy Metal ein unverzichtbares Gestaltungselement geworden, häufig jedoch in variierten und erheblich komplexer angelegten Ausformungen.

Die Annäherung von BREAKING THE LAW an Popsongstandards besteht in der formalen Anlage als Rocksong, der einfachen tonalen Gestaltung mit einer prägnanten Hookline, der achtfachen Wiederholung dieser Hook im Playout und dem sehr eng am Text orientierten Gesangsvortrag. Zudem opfern Judas Priest das Gitarrensolo der formalen Eingängigkeit und beweisen damit quasi nebenbei, dass ein Heavy Metal Klassiker kein Gitarrensolo haben muss.

Inhaltlich behandelt BREAKING THE LAW Arbeits- und Perspektivlosigkeit, die dazu führt, dass das lyrische Ich zum Gesetzesbrecher wird. Das Video konkretisiert die Geschichte als einen von der Band durchgeführten Banküberfall. Die Musik betört den Sicherheitsbeamten der Bank, der deshalb nichts gegen den Überfall unternimmt. Im Tresor, der mit seinen Gitterstäben eher an eine Gefängniszelle aus einem Western erinnert, findet die Band eine Goldene Schallplatte ihres Albums British Steel. Die Assoziation an (Italo-)Western wird durch die Kostümierung der beiden Gitarristen als Priester mit langen schwarzen Mänteln und Hüten noch unterstützt. Der mitgeführte Gitarrenkoffer wird so zum Waffenbehältnis und die Gitarre zur Waffe. Die Musik eröffnet einen Ausweg aus der thematisierten Arbeitslosigkeit, der über die goldene Schallplatte sogar ökonomische Perspektiven bieten kann. Interessanterweise ist Sänger Halford mit Jeans, Jackett, Krawatte und Nietenarmband bekleidet und bietet so visuelle Assoziationen an damals aktuelle Post-Punk-Kleidungsstile. Da Halford normalerweise das Leder und Nieten Image der Band, das gerade durchgesetzt ist, am vordergründigsten verkörpert, ist diese Änderung ebenfalls als Sprengung des Heavy Metal Kosmos und Annäherung an Pop-Standards zu interpretieren.

IV. Rezeption

BREAKING THE LAW erreichte Platz zwölf der britischen Charts, British Steel sogar Platz vier und markiert damit den bis dato größten kommerziellen Erfolg der Band. Das Stück ist einer der Klassiker von Judas Priest und darf bei fast keinem Konzert fehlen. Es ist auf allen Best-of Veröffentlichungen und fast allen Konzertmitschnitten der Band vertreten und wurde mehrfach als Single B-Seite und Teil von EPs wiederveröffentlicht. Dass BREAKING THE LAW eine der wichtigsten Heavy Metal Hymnen ist, unterstreicht die Tatsache, dass der Song von mindestens 20 Bands aus unterschiedlichen Subgenres des Heavy Metal gecovert wurde. Das prägnante Gitarrenriff dient zudem als Sample in dem HipHop Stück “Rumble” von Afru-Ra.

Der Gitarrensound von British Steel gilt in der journalistischen Fachpresse als sehr einflussreich. So schreibt Jürgen Ehneß in der Zeitschrift Guitar: “Der Titel ist Programm und genauso klingen auch die Gitarren. Und alle anderen von Saxon bis Iron Maiden orientieren sich an diesem Gitarrensound” (Ehneß 2008: 53). Auch der Produzent Kevin Shirley beschreibt im Interview für die DVD Heavy Metal: Louder Than Life, einen typischen Heavy Metal Gitarrensound analog dem auf British Steel zu hörenden.

 

DIETMAR ELFLEIN


Credits

Stimme: Rob Halford
Gitarre: K.K. Downing, Glenn Tipton
Bass: Ian Hill
Schlagzeug: Dave Holland
Text und Musik: Rob Halford, Glenn Tipton, K.K. Downing
Produzent: Tom Allom
Toningenieur: Lou Austin
Aufnahme: Januar-Februar 1980
Veröffentlichung: April 1980
Länge: 2:35 (Single Edit)
2:34 (Album Version)

Recordings

  • Judas Priest. “Breaking The Law”, Breaking The Law, 1980, CBS, S CBS 8644, UK (7″/Single).
  • Judas Priest. “Breaking The Law”, British Steel, 1980, CBS 84160, UK (LP/Album).
  • Judas Priest. “Breaking The Law”, British Steel, 1980, Columbia, JC 36443, USA (LP/Album).
  • Afu-Ra. “Rumble”, State Of The Arts, 2005, Life Force Records, DCN 23 CD, Europa (CD/Album).

References

  • Judas Priest. “Raw Deal”, Sin After Sin, 1977, CBS, CBS 32005, Niederlande (LP/Album).
  • Heavy Metal: Louder Than Life. Regie: Dick Carruthers. Fremantlemedia, 2005 (2xDVD/FHED 1857).
  • Classic Albums: British Steel. Regie: Tim Kirby. Eagle Vision, 2001 (DVD/EREDV 163).
  • Elflein, Dietmar: Schwermetallanalysen. Die musikalische Sprache des Heavy Metal. Bielefeld: transcript 2010.
  • Ehneß, Jürgen: British Steel. In Guitar (2008).
  • Moore, Allan F.: Rock: The Primary Text. Aldershot u.a.: Ashgate 22001.

Links

  • Band homepage: http://judaspriest.com/home/default.asp [09.11.2011].
  • Lyrics: http://judaspriest.com/disc/brilyr.asp [09.11.2011].

About the Author

Dr. Dietmar Elflein teaches music and music education at the TU Braunschweig and at the University of Popular Arts GmbH.
All contributions by Dietmar Elflein

Citation

Dietmar Elflein: “Breaking the Law (Judas Priest)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/breakingthelaw, 10/2011 [revised 10/2013].

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