1976
Ramones

Blitzkrieg Bop

BLITZKRIEG BOP wurde 1976 als erste Singleauskopplung des Debütalbums der Ramones veröffentlicht und gehört bis heute zu den weltweit bekanntesten Punkrocksongs.

 

I. Entstehungsgeschichte

Die Ramones absolvierten ihr erstes Konzert im März 1974 in New York und existierten daher schon vor der als Blütezeit des Punk geltenden Phase in den Jahren 1976 und 1977. Ein Markenzeichen der Band sollen bereits in ihren Anfangstagen die kurzen und äußerst schnell gespielten Songs gewesen sein, weswegen die frühen Konzerte lediglich 15 Minuten dauerten. Auftrittsmöglichkeiten bot häufig der heute als ‘legendär’ geltende Club CBGB im New Yorker Stadtteil Manhattan, der als Brutstätte des frühen Punkrock und avantgardistischer Rockmusik in der US-amerikanischen Metropole gilt. Neben den Ramones traten hier unter anderem Blondie, die Talking Heads und Patti Smith auf (vgl. True 2002: 27–30). Nach der Produktion erster Demoaufnahmen unterschrieb die Band 1976 schließlich ihren ersten Plattenvertrag mit Sire Records, um das Debütalbum Ramones aufzunehmen. Die Aufnahme der 14 Songs soll inklusive Mix nur fünf Tage gedauert und rund 6.000 US-Dollar gekostet haben (vgl. ebd.: 51 ff.). Der Opener BLITZKRIEG BOP wurde von Schlagzeuger Tommy Ramone komponiert und getextet, abschließend jedoch durch textliche Ideen des Bassisten Dee Dee Ramone ergänzt. Tommy Ramone erinnert sich, er habe einen Song schreiben wollen, der einen Schlachtruf beinhalte und sich dabei vom Rolling Stones-Cover des Rufus Thomas-Songs “Walking the Dog” inspirieren lassen, insbesondere von der Zeile “Hi Ho’s nipped her toes”. So sei die Ramones-Zeile “Hey ho, let’s go” entstanden. Während der Song ursprünglich “Animal Hop” heißen sollte, geht der endgültige Titel ebenso auf Dee Dee Ramone zurück wie die Zeile “Shoot ’em in the back now”, die zunächst “They’re shouting in the back now” lautete (vgl. ebd.: 59).

 

II. Kontext

Das Ursprungsnarrativ des Punk ist geprägt von einer Ästhetik des Dilettantischen, Selbstgemachten und der Provokation. Die ablehnende Grundhaltung richtete sich in musikalischer Hinsicht vor allem gegen den ‘Mainstream-Rock’ der 1970er-Jahre und dessen prononcierte instrumentaltechnische Virtuosität, aber auch gegen zeitgenössische Disco-Produktionen und Stars der Rock- und Popmusik. Punk war ein Aufbegehren gegen all dies und die Musik sollte minimalistisch und dilettantisch gespielt werden (vgl. Hecken 2017: 73 f.). Hierzu passt freilich die Schilderung der äußerst schnellen und kostengünstigen Aufnahme des ersten Albums der Ramones, wenngleich die Band musikalisch nicht zu den radikalsten Vertretern des Genres zu zählen ist und in ihren Songs bisweilen sogar Elemente des Surf Rock vermutet wurden (vgl. True 2002: 29). Ironischerweise war der Sänger der Band, Joey Ramone, zeitweilig in der Glam Rock-Band Sniper aktiv gewesen und hatte infolgedessen selbst Musik produziert, die in Punk-Kreisen geächtet wurde (vgl. Stratton 2005: 82).

Das Provokationspotenzial des Punk fand indes nicht nur in den musikalischen Darbietungen seinen prägnanten Ausdruck, sondern vor allem im Auftreten der Musikerinnen und Musiker und ihrer Fans. Musiker wie Sid Vicious, Bassist der britischen Punkband Sex Pistols, schmückten sich bisweilen mit Symbolen des Nationalsozialismus wie dem Hakenkreuz, und wie der Soziologe John Stratton (2005) ausführt, wurde in den Songtexten bisweilen der Holocaust verarbeitet. Stratton thematisiert in diesem Zusammenhang auch BLITZKRIEG BOP, dessen Titel freilich Assoziationen zum Nationalsozialismus zulässt. Dem Militärhistoriker Karl-Heinz Frieser (1995: 14) zufolge bezeichnete der Begriff Blitzkrieg zu Beginn des Zweiten Weltkrieges eine militärische Taktik, gemäß derer vermeintlich überlegene Gegner durch schnelle Entscheidungsschlachten bezwungen werden sollten. Der Begriff fand sich bereits in den 1930er-Jahren in Militärzeitschriften, hielt aber erst 1940 nach dem Sieg der deutschen Truppen in Frankreich Einzug in das Vokabular der nationalsozialistischen Propaganda. Nach dem Scheitern des vermeintlichen Blitzkrieges 1941 gegen die Sowjetunion wurde der Terminus von den nationalsozialistischen Machthabern hingegen gemieden und gar als propagandistischer Kampfbegriff der Briten dargestellt. Tatsächlich hielt der Begriff alsbald Einzug in den anglophonen Sprachgebrauch und unterlag infolgedessen Umdeutungen und Bedeutungsverschiebungen. So ist inzwischen auch im Kontext von Sportberichterstattungen von ‘Blitzkriegen’ zu lesen (vgl. ebd.: 5 ff.).

Der 1951 geborene Dee Dee Ramone, auf den sowohl der Titel des Songs als auch die Zeile “Shoot ’em in the back now” zurückgeht, verbrachte seine Jugend als Sohn eines in München stationierten US-amerikanischen Kriegsveteranen in Deutschland und soll in dieser Zeit mit Nazi-Paraphernalien in Berührung gekommen sein. Der letzte Song des Albums Ramones, “Today Your Love, Tomorrow the World”, handelt von einem Nazi, was die folgenden, mehrmals wiederholten Zeilen verdeutlichen: “I’m a shock trooper in a stupor, yes I am / I’m a nazi schatze, you know I fight for fatherland”. Somit verweisen sowohl der erste als auch der letzte Song des Albums auf den die Zeit des Nationalsozialismus. Victor Bockris, Journalist und Autor mehrerer Biografien im Bereich der Popmusik (u. a. zu Blondie und Patti Smith) argumentiert: “Punk was the last great reaction to the Second World War” (zit. n. True 2002: 59). Als Angehörige der ersten Nachkriegsgeneration hätten viele Punktmusikerinnen und -musiker durch Verweise auf den Nationalsozialismus und durch das provokante Spiel mit nationalsozialistischer Ikonografie vor allem versucht, der medialen Omnipräsenz des Zweiten Weltkrieges und den Nachkriegstraumata entgegenzuwirken. Insbesondere der in Deutschland aufgewachsene Dee Dee Ramone mag hierfür, so Bockris, besonders sensibilisiert gewesen sein (vgl. ebd.).

 

III. Analyse

BLITZKRIEG BOP weist eine Dauer von 2:12 min und ein Tempo von etwa 175 bpm auf und passt infolgedessen in das Schema der verhältnismäßig kurzen und schnell gespielten Songs der Ramones. Die sprichwörtlichen drei Akkorde, die sinnbildlich für den Minimalismus des Punk stehen, dominieren den Song: BLITZKRIEG BOP beginnt mit der Akkordfolge A | D E | A | D E | A | D E | A E | A. In diesem Intro sind Schlagzeug, E-Bass und E-Gitarre zu hören. Das Schlagzeug spielt überwiegend Achtelakzente auf der Hi-Hat und akzentuiert die Zählzeiten 1 und 3 (Downbeats) auf der Bass-Drum sowie 2 und 4 (Backbeats) auf der Snare-Drum. Hieraus ergibt sich ein für Punk typisches Schlagzeugpattern, zu dem der Bass durchgehend im Achtelrhythmus die Grundtöne betont. Die verzerrte E-Gitarre gleicht sich diesem Muster rhythmisch an, steuert jedoch Powerchords bei, d. h. Grundton und Quinte erklingen simultan. Im Anschluss an das Intro folgt der ‘Schlachtruf’ des Songs: “Hey ho, let’s go”, zunächst nur vom Schlagzeug begleitet, während Bass und Gitarre sukzessive wieder einsetzen. Nun erklingt die Akkordfolge des Intros erneut zweimal, während der Gesang Joey Ramones hinzutritt. Die Abfolge der Harmonien wird folgend für acht Takte und mit dem Einsatz der Zeile “Hey ho, let’s go / Shoot ’em in the back now” geändert und lautet nunmehr D | D | A | D A | D | D | Bm | D E. Dieser Abschnitt wird zudem von gesungenen Haltetönen auf dem Vokal ‘u’ begleitet und setzt chorische Akzente, die in Songs der Ramones häufig vorkommen und vermutlich Assoziationen zur Surf Music wecken (s. o.). Der genannte Ablauf wird einmal exakt wiederholt, anschließend erklingt abermals die Akkordfolge des Intros inklusive Gesang. Der ‘Schlachtruf’ bringt den Song anschließend zum Abschluss. Hinsichtlich der Spielweise der Instrumente und des formalen Ablaufs ist BLITZKIREG BOP ein typisches Beispiel für frühen Punkrock und zeichnet sich durch minimalistische Harmonik, Melodik und Formsprache aus. Auch der Songtext besteht nur aus wenigen Zeilen. Zur genauen Bedeutung des Textes und vor allem zum nationalsozialistisch geprägten Vokabular soll sich die Band indes nie explizit geäußert haben, weswegen die obskur anmutenden Lyrics bis heute Anlass für Spekulationen geben (vgl. Fengels 2016).

 

IV. Rezeption

In kommerzieller Hinsicht konnten weder das Album Ramones noch die erste Single BLITZKRIEG BOP nennenswerte Erfolge verzeichnen. Lediglich 7.000 Exemplare des Albums wurden in den ersten Monaten nach der Veröffentlichung verkauft und nur wenige Radiosender erklärten sich bereit, die Songs der Ramones zu spielen. Möglicherweise waren diese zu kurz und in zu hohen Tempi gespielt, um das Interesse kommerzieller Radioprogramme wecken zu können, wenngleich sich die Band bemüht habe, die Songs für die Albumproduktion langsamer zu spielen als während ihrer Livekonzerte (vgl. True 2002: 55 f.). Im Nachhinein erlangte der Song BLITZKRIEG BOP indes große Aufmerksamkeit, bekannte Coverversionen stammen unter anderem von den Toten Hosen (1991) und Rob Zombie (2003). 1991 fand der Song Verwendung in einem Werbespot für die Biersorte “Bud Light” des Brauereikonzerns Anheuser-Busch (vgl. ebd.: 265), zudem wird der ‘Schlachtruf’ des Songs vor den Heimspielen der Baseballmannschaft New York Yankees abgespielt (ebd.: 43). In den 2000er-Jahren begann der schwedische Textilkonzern H&M, T-Shirts mit dem Logo der Band zu verkaufen, manche der Kleidungsstücke ziert die Zeile “Hey ho, let’s go”. Allem anfänglichen Misserfolg zum Trotz rangiert der Song in der Liste “500 Greatest Songs of All Time” des Magazins Rolling Stone auf Platz 92 (vgl. rolling-stone.com).

 

BENJAMIN BURKHART


Credits

Gesang: Joey Ramone
Gitarre: Johnny Ramone
Bass: Dee Dee Ramone
Schlagzeug: Tommy Ramone
Songwriting: Tommy Ramone, Dee Dee Ramone
Producer: Craig Leon
Label: Sire
Veröffentlicht: 1976
Length: 2:12

Recordings

  • Ramones. “Blitzkrieg Bop”, Blitzkrieg Bop, 1976, Sire, SAA-725, USA (7”/Single).
  • Ramones. “Blitzkrieg Bop”, Ramones, 1976, Sire, SASD-7520, USA (LP/Album).
  • Rufus Thomas.” Walking the Dog”, Walking the Dog, 1963, Stax, 704, USA (LP/Album).
  • The Rolling Stones. “Walking the Dog”, The Rolling Stones, 1964, Decca, LK 4605, UK (LP/Album).

Covers

  • Die Toten Hosen. “Blitzkrieg Bop”, Learning English, Lesson One, 1991, Virgin, CDVIR 11, Deutschland (CD/Album).
  • Rob Zombie. “Blitzkrieg Bop”, We’re a Happy Family. A Tribute to the Ramones, 2003, Columbia, CK 86352, USA (CD/Album).

References

  • Fengels, Heiko: The Ramones – Songs ‘n’ Things – Eine kurze Geschichte der besten Band der Welt & 20 ihrer größten Songs. Norderstedt: Books on Demand 2016.
  • Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg-Legende. Der Westfeldzug 1940 (= Operationen des Zweiten Weltkrieges 2). München: Oldenbourg 1995.
  • Hecken, Thomas: Punk. In: Handbuch Popkultur. Hg. von Thomas Hecken und Marcus S. Kleiner. Stuttgart: J.B. Metzler 2017, S. 72–77.
  • Ramones. ‘Blitzkrieg Bop’. In: Rolling Stone. URL: https://www.rollingstone.com/music/lists/the-500-greatest-songs-of-all-time-20110407/ramones-blitzkrieg-bop-20110526 [12.04.2018].
  • Stratton, Jon: Jews, Punk and the Holocaust: from the Velvet Underground to the Ramones – the Jewish-American Story. In: Popular Music 24/1 (2005), S. 79–105.
  • True, Everett: Hey Ho Let’s Go. The Story of the Ramones. London u. a.: Omnibus 2002.

About the Author

Benjamin Burkhart is senior scientist at the Institute for Jazz Research at the University of Music and Performing Arts Graz.
All contributions by Benjamin Burkhart

Citation

Benjamin Burkhart: “Blitzkrieg Bop (Ramones)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/blitzkrieg-bop, 12/2022.

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