1970
Black Sabbath

Black Sabbath

BLACK SABBATH ist einer der ersten Songs, der zentrale Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal definiert und steht stellvertretend für den immensen Einfluss, den die gleichnamige Gruppe Black Sabbath in ihrer bis 1978 bestehenden Originalbesetzung auf die Geschichte des Genres genommen hat. Er darf bis heute weder auf einer “Best of”-Zusammenstellung von Black Sabbath noch in Geschichten der Entstehung des Heavy Metal fehlen.

I. Entstehungsgeschichte

BLACK SABBATH wurde 1969 komponiert, zu einem Zeitpunkt als die Band Black Sabbath noch unter dem Namen Earth firmierte. Der Titel bezieht sich auf den englischen Titel eines 1963 entstandenen Horrorfilms von Mario Bava, der im Original I Tre volti della paura (die drei Gesichter der Angst bzw. des Schreckens) hieß. Die Komposition wird allen Bandmitgliedern zu gleichen Teilen zugeschrieben, der Songtext soll von Sänger Ozzy Osbourne stammen und auf einen Traum bzw. ein “paranormales” Erlebnis von Bassist Geezer Butler Bezug nehmen. BLACK SABBATH wurde im November 1969 in den Londoner Trident Studios unter der Ägide von Produzent Roger Bain höchstwahrscheinlich live und in einem Take aufgenommen (vgl. Wilkinson 2006: 44). Der Song eröffnet das 1970 erschienene, gleichnamige Debütalbum von Black Sabbath, es existiert jedoch weder ein Musikvideo, noch wurde der Song jemals als Single veröffentlicht.

II. Kontext

Black Sabbath respektive Earth waren Ende der 1960er Jahre eine von unzähligen britischen Blues- Rock Bands mit geringem kommerziellen Erfolg. Wie viele ihrer Kollegen arbeitet die Band an der musikalischen Überwindung der Fesseln des 12-taktigen Blues-Schemas und sucht sowohl einen eigenständigeren musikalischen Ausdruck als auch ein hervorstechendes Image. Mit der Wahl von Black Sabbath als Name der Band gelingt ihnen dies. Neben dem Bezug zu Horrorfilmen stellen sie sich auch in eine bereits existente Tradition okkulter Rockmusik, für die in Großbritannien z.B. Black Widow und in den USA Coven stehen. Neu ist jedoch ihr musikalischer Stil, der sich stark von den eben genannten Bands unterscheidet. Parallel zur Namenswahl von Black Sabbath verliert das Interesse an Okkultismus als eine Ebene der Hippie/Gegenkultur über die Morde der Manson Family an Sharon Tate und vier anderen Menschen im August 1969 und dem Mord an Meredith Hunter durch einen Hells Angel während des von den Rolling Stones organisierten Freikonzertes in Altamont im Dezember des gleichen Jahres seine Unschuld. Zusammen mit der ein Jahr vorher erfolgten Ermordung von Martin Luther King und der zum Teil brutalen und blutigen Niederschlagung von Studentenprotesten gegen den weitergehenden Vietnamkrieg sowohl in den USA als auch in Europa tritt Ernüchterung ein. Black Sabbath werden in diesem Zusammenhang als Gegenpol oder sogar Antithese zur Hippiebewegung rezipiert, auch wenn die Band in späteren Songtexten (z.B. der Anti-Atombomben Song “Children of the Grave”) an den Idealen von Love & Peace festhält. Ein Radiowerbespot zur US- Veröffentlichung des Albums beschreibt die Musik des Albums beispielsweise als offene Wunde. Die vermeintliche Affinität der Band zu Okkultismus wird durch das Plattencover und den Songtext von BLACK SABBATH, in dem das Wort “Satan” vorkommt, noch verstärkt. Allerdings hatte die Band beim Design der LP gar kein Mitspracherecht und sowohl das mystisch-romantische Coverfoto als auch das umgedrehte Kreuz und ein Gedicht ungeklärten Ursprungs auf der Innenhülle der LP müssen den Marketinginteressen der Plattenfirma zugeschrieben werden, die wohl Aufmerksamkeit erregen wollte.

Laut einigen Autoren (Exemplarisch: Moore 2009: 143-160) tritt bei Black Sabbath an die Stelle gegenkulturellen Protests eine Vertonung des Klangs und Rhythmus der Stahlwerke ihrer Heimatstadt Birmingham bzw. genauer Aston bei Birmingham. So wird Heavy Metal interpretiert als Sound der Stahlwerke oder als Reaktion auf die Deindustrialisierung. Dies wird auch damit begründet, dass die Mitglieder von Black Sabbath Arbeiterklassenkinder sind und auch, im Gegensatz zu vielen Musikerkollegen, keine Art School besucht haben. Allerdings stammen nicht nur Black Sabbath aus Birmingham sondern z.B. auch ihre Zeitgenossen The Moody Blues, so dass derartige Analogien mit Vorsicht zu behandeln sind.

III. Analyse

BLACK SABBATH dauert 6:19 Minuten und besteht aus vier leicht identifizierbaren Formteilen. Auf ein 38-sekündiges Intro aus Regen, Donnergeräuschen und einer (Kirchen?-) Glocke folgen drei Teile, die jeweils durch ein Gitarrenriff definiert sind. In den Formteilen zwei (B) und drei (C) erklingt zudem Gesang, Formteil vier (D) besteht aus einem begleiteten Gitarrensolo und einer Schlusswendung. Dabei bildet B zeitlich betrachtet den Hauptteil, denn er nimmt mit vier Minuten fast zwei Drittel der Stücklänge ein. Das aus drei Tönen bestehende Gitarrenriff von B stellt das Intervall des Tritonus aus. Die Tonfolge ist Grundton, Oktav des Grundtons und Tritonus, wobei der Tritonus genau so lang erklingt, wie die anderen beiden Töne zusammen. Der Tritonus teilt die Oktave in der temperierten Stimmung in zwei Hälften. Er gilt in der abendländischen Musikgeschichte als instabil und wurde zeitweise auch als zu vermeidender diabolus in musica, Teufelsintervall bezeichnet. Gleichwohl finden sich in der Geschichte der europäischen Kunstmusik viele Beispiele seiner Verwendung. Im Blues nutzt man den Tritonus als Annäherung an eine der Blue Notes. Das Riff wird in zwei v.a. dynamischen Varianten gespielt. Zum einen Fortissimo mit stark verzerrtem Gitarrenklang, einem Powerchord über dem Grundton, einer Schlagzeugbegleitung, die die Rifftöne deutlich mitbetont und einem Triller zwischen Tritonus und Dominante, der die Wurzeln des Tritonus bei Black Sabbath im Blues verortet. Zum anderen in einer eher leisen Version als Gesangsbegleitung, die auf den Powerchord und den Triller verzichtet. Die Schlagzeugbegleitung umspielt das Riff anstatt die Rifftöne parallel zu betonen.

Da BLACK SABBATH das Debüt von Black Sabbath eröffnet, bildet die Kombination aus Regen, Donner, Glockenklang und Tritonus eine ideale Folie, um das gewünschte Image zu unterstützen. Hier ist keine fröhliche Musik zu erwarten. Dass die geweckten Erwartungen dann über weite Strecken des Albums nicht wirklich erfüllt werden, stört zumindest in Bezug auf das zu vermarktende Image kaum.

Der Songtext zu B beschreibt in zwei Strophen eine Angst einflößende Situation des lyrischen Ichs. Es fleht in der Konsequenz Gott um Hilfe an, um der schwarzen Figur der ersten Strophe, die in der zweiten als Satan konkretisiert wird, zu entkommen. Trotz dieser zumindest ambivalenten Haltung wird BLACK SABBATH häufig und in Unterstützung des gewünschten Images als Ausdruck satanischer Gesinnung (miss-) verstanden. Viel eher trifft die Analogie zu Horrorfilmen wie dem namensgebenden Black Sabbath zu: Man verbreitet musikalisch und lyrisch Angst und Schrecken, um zu unterhalten.

Eine dritte, inhaltlich das Thema leicht variierende Strophe wird in C gesungen. Das begleitende Riff markiert jedoch einen Bruch zu A und B. Der Puls wechselt vom binären ins ternäre, während gleichzeitig das Tempo deutlich schneller wird, der Grundton als verbindendes Element wird jedoch beibehalten. Der abschließende Teil D hält das Tempo von C und besteht aus dem Wechsel von zwei Akkorden, die als Solobegleitung dienen. Das Solo ist ein Overdub, gespielt von Tony Iommi, der auch die Rhythmusgitarre eingespielt hat.

IV. Rezeption

Das Debüt von Black Sabbath war mit Platz acht in den britischen Charts ein kommerzieller Erfolg. Dagegen waren die Kritiken aus der schreibenden Zunft meist vernichtend. Der einflussreiche US- amerikanische Rockkritiker Robert Christgau (1970) bezeichnete Black Sabbath als “the worst of counterculture on a plastic platter” (das schlechteste der Gegenkultur auf einer Plastikscheibe). Im deutschen Musikmagazin Sounds schreibt Rainer Blome: “Black Sabbath […] haben an Originalität nichts, an Plagiaten aber alles zu bieten. Solche Platten gehören in die Diskotheken, wo es auf musikalisch-ästhetische Werte ohnehin nicht ankommt” (Blome 1979: 109). Selten hat sich die Kritikerschaft so geirrt, sowohl in Sachen musikhistorischen Einflusses, als auch in Sachen Originalität. Der US-amerikanische Musiker Rob Zombie bewertet Black Sabbath im Interview für den Film Metal – A Headbanger’s Journey (2005) dementsprechend mittlerweile völlig anders: “Jedes coole Riff wurde bereits von Black Sabbath geschrieben. Alle Riffs, die andere jetzt schreiben, sind eigentlich bei ihnen geklaut. Man kann sie leicht verändert, rückwärts, schneller oder langsamer spielen, aber […] sie haben alles schon mal gemacht” (Transkription und Übersetzung D.E.).

Wegen der herausgehobenen Verwendung des Tritonus gilt Black Sabbath häufig als wichtig für die Entwicklung des Heavy Metal. Allerdings findet sich im Classic Metal von beispielsweise Judas Priest und Iron Maiden kaum eine derartige Betonung dieses Intervalls. Der Tritonus gewinnt erst im Extreme Metal in der Folge von Slayer wieder eine ähnliche Bedeutung wie bei BLACK SABBATH. Slayer zitieren in “Raining Blood” auch das Regen- und Donner-Intro. Wegweisend für die Entwicklung des Heavy Metal ist vielmehr die formale Struktur der Reihung von Formteilen oder Riffs, ein von der reinen Begleitungsfunktion losgelöstes Schlagzeugspiel mit virtuosem Potential, die Parallelbetonung wichtiger Riffelemente im Arrangement sowie der harsche Bruch zwischen den Formteilen B und C inklusive des Wechsels vom binären in den ternären Puls. Hier ist die für Metal später typische Kontrastierung von Formteilen unterschiedlicher Dynamik, Dichte, Lautstärke, Rhythmik oder unterschiedlichen Tempos bereits angelegt.

Vielleicht auch aus Respekt vor den Gründungsvätern wurde BLACK SABBATH jenseits von Tribut-Alben an die Band bisher eher selten gecovert. Das Regen und Donner Intro und das Tritonus Riff werden dagegen immer mal wieder im HipHop- (Ice-T “Shut up, be happy” und “Midnight”; Chain of Command “Rogue State”) und Elektronik- (Enigma “Mea Culpa”) Kontext gesampelt.

 

DIETMAR ELFLEIN


Credits

Gesang: Ozzy Osbourne
Gitarre: Tony Iommi
Bass: Terry “Geezer” Butler
Schlagzeug: Bill Ward
Text und Musik: Butler, Iommi, Osbourne, Ward
Produzent: Roger Bain
Aufnahme und Mix: Tom Allom, Barry Sheffield
Aufnahme: November 1969
Veröffentlichung: 1970
Länge: 6:22 (Album Version)

Recordings

  • Black Sabbath. “Black Sabbath”, Black Sabbath,1970, Vertigo, 847903 VTY, Europa (LP/Album).
  • Black Sabbath. “Black Sabbath”, Black Sabbath, 1970, Warner Bros. Records, WS 1871, USA (LP/Album).
  • Black Sabbath. “Black Sabbath”, Black Sabbath, 1986, Castle Communications, CLACD 196, UK (CD/Album/Reissue).
  • Black Sabbath. “Black Sabbath”, Black Sabbath, 1987, Warner Bros. Records, 18712, USA (CD/Album).

Covers

  • Ice-T. “Shut Up, Be Happy”, The Iceberg (Freedom of Speech… Just Watch What You Say), 1989, Sire Records, 7599260281, Deutschland (LP/Album).
  • Ice-T. “Midnight”, O.G. Original Gangster, 1991, Sire Records, 7599264922, Deutschland (CD/Album).
  • Enigma. “Mea Culpa”, MCMXC a.D., 1990, Virgin, 261209, Deutschland (CD/Album).
  • Chain of Command. “Rogue State”, Rogue State, 2007, Merciless Records, UK (CD/EP).

References

  • Blome, Rainer: Black Sabbath. In: Sounds. Platten 66-77. 1827 Kritiken. Frankfurt/Main: Zweitausendeins 1979, 109.
  • Cope, Andrew L.: Black Sabbath and the Rise of Heavy Metal Music. London: Ashgate 2010.
  • Elflein, Dietmar: Schwermetallanalysen. Die musikalische Sprache des Heavy Metal. Bielefeldt: transcript 2010.
  • Moore, Ryan M.: The Unmaking of the English Working Class: Deindustrialization, Reification and the Origins of Heavy Metal. In: Heavy Metal in Britain. Ed. by Gerd Bayer. London: Ashgate 2009, 143-160.
  • Wilkinson, Paul: Rat Salad. Black Sabbath – The Cl assic Years 1969-1975. London: Pimlico 2006.
  • A Headbanger’s Journey, Regie/Drehbuch: Dunn, Sam/McFadyen, Scot/Wise, Jessica Joy. Seville Pictures, 2005 (DVD/HC 083678).

Links

  • Christgau, Robert: Black Sabbath. Consumer Guide Reviews. URL: http://www.robertchristgau.com/get_artist.php?name=Black+Sabbath [11.10.2011].
  • Homepage: http://blacksabbath.com/ [11.10.2011].
  • Database: http://www.discogs.com/Black-Sabbath-Black-Sabbath/master/723 [11.10.2011].
  • Download: http://www.musicload.de/black-sabbath/black- sabbath/musik/album/6763937_2 [11.10.2011].
  • Lyrics: http://www.black-sabbath.com/discog/blacksabbath.html#lyrics [11.10.2011].

About the Author

Dr. Dietmar Elflein teaches music and music education at the TU Braunschweig and at the University of Popular Arts GmbH.
All contributions by Dietmar Elflein

Citation

Dietmar Elflein: “Black Sabbath (Black Sabbath)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/blacksabbath, 10/2011.

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