1964
Shirley Bassey

Goldfinger

GOLDFINGER ist der Titelsong des gleichnamigen dritten James-Bond-Films. Filmkomponist John Barry schuf mit ihm einen der populärsten Bond-Songs überhaupt.

I. Entstehungsgeschichte

Der Film Goldfinger kam im September 1964 in die US-amerikanischen und im Januar 1965 in die bundesdeutschen Kinos. Als Texter des gleichnamigen Titelsongs zeichnen Anthony Newley und Leslie Bricusse verantwortlich; Komponist ist John Barry. Produziert wurde der Song von Beatles-Produzent George Martin. Parallel zum Film erschien im Herbst 1964 die Single mit der B-Side “Strange How Love Can Be”. Komponist Barry setzte sich zum Ziel, eine musikalische Charakterisierung des gleichnamigen Filmbösewichts vorzunehmen. Während des Schreibprozesses orientierte er sich am Song “Die Moritat von Mackie Messer” aus der Dreigroschenoper, den er in Hinsicht auf die musikalische Ausdeutung eines Schurken-Charakters als vorbildhaft ansah. Dass der Schreibprozess durchaus arbeitsintensiv war, zeigt Barrys Umgang mit der Melodieführung, die, so die Erinnerungen von Textdichter Bricusse, zwischenzeitlich eine allzu große Ähnlichkeit mit der Filmballade “Moon River” aufwies (vgl. Burlingame 2012: 38). Dieser (unbeabsichtigte) Effekt konnte schließlich entschärft werden, doch konnte dies nicht verhindern, dass das Endprodukt auf Seiten des verantwortlichen Filmproduzenten Harry Saltzman auf wenig Gegenliebe stieß. In einem Radiointerview erinnerte sich Barry, dass Saltzman den Song in jeder Hinsicht ‚hasste’, ihn jedoch letztlich akzeptierte, da nicht genügend Zeit vorhanden war, um ein neues Stück zu komponieren. Eine weitere Besonderheit des Songs besteht darin, dass er in zwei Versionen, mono und stereo, aufgenommen wurde. Während die Stereo-Version in Film und Soundtrack einging, wurde die Mono-Version als Single ausgekoppelt.

II. Kontext

Titelsongs von Bond-Filmen wird aufgrund der crossmedialen Allianz mit dem Kino eine öffentlichkeitswirksame Präsentationspattform geboten. Im dichten Ereignisstrom popkultureller Medienprodukte nehmen sie damit eine herausgehobene Stellung ein. Nichtsdestotrotz gilt es ihre Bedeutung als Artefakte der Populärkultur vor dem Hintergrund ihrer Funktion als Filmmusik zu ermessen. Der funktionale Charakter äußert sich nicht zuletzt durch den Songtitel, der dem englischsprachigen Originalfilmtitel entspricht. Letztlich handelt es sich bei Bond-Songs um ‚klassische’ Auftragsarbeiten. So werden die Musikstücke auf Anfrage der Filmproduzenten hin geschrieben, entweder von renommierten Songwritern oder angesagten Pop-Künstlern, parallel werden die passenden Interpreten ausgesucht, wodurch vor allem die Frage der gesanglichen Darbietung in den Fokus des Interesses gerückt wird. Fällt die Wahl auf angesagte Pop-Künstler (Solo-Künstler oder Bands), werden Songwriting, Einspielung und Produktion mitunter von derselben Person bzw. Band übernommen. Zur funktionalen Einbindung der Songs in den filmischen Produktionsprozess gehört es andererseits auch, dass ihnen im finalen Produkt eine exponierte Stellung eingeräumt wird. Sie stellen eine Art Prolog dar, der in klanglicher und textlicher Weise in die filmische Erzählwelt einführt. Die Wirkung dieser Einführung ist primär atmosphärischer Art, demnach werden Plot, Setting und Figuren weniger in inhaltlich-thematischer denn in musikalisch-assoziativer und sprachbildlicher Weise vorbereitet. Dieser atmosphärischen Wirkung zuträglich sind die in den Vorspannsequenzen eingesetzten filmischen Gestaltungsmittel, die im Verlauf von nunmehr einem halben Jahrhundert mehr oder weniger ikonische Qualität erlangt haben. Im vorliegenden Fall meint dies die Aneinanderreihung von Projektionen einzelner Szenen des Films auf mit Goldfarbe bemalte attraktive Frauen vor schwarzem Bildhintergrund. Die Filmhandlung lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Sie entspinnt sich um die Figur des Auric Goldfinger (gespielt von Gert Fröbe), einem vermögenden Geschäftsmann, der den Plan verfolgt, Fort Knox auszurauben, und dem Vorhaben des britischen Geheimagenten (gespielt von Sean Connery), dieses Unterfangen zu unterbinden – was schließlich in buchstäblich letzter Minute gelingt.

Der Song ist einer der größten kommerziellen Erfolge in der Karriere der Sängerin Shirley Bassey. Zum Zeitpunkt der Produktion galt sie im Vereinigten Königreich bereits als Star. Ihre Karriere begann sie in den späten 1950er Jahren mit radio- und fernsehtauglichen Pop-Stücken, zumeist – wie zu dieser Zeit durchaus üblich – mit orchestralem Arrangement. Nicht selten handelte es sich um Balladen mit akzentuierter Liebesthematik. GOLDFINGER steht, wenn auch nicht textlich, so doch stilistisch in einer Reihe mit ihrem bis dato praktizierten Repertoire. Der entscheidende Unterschied ergab sich aus der Rezeption der Single, konkret: dem Erfolg in den USA. So ist GOLDFINGER bis heute der einzige Top-Ten-Hit Basseys in den Vereinigten Staaten.

III. Analyse

Der Song wurde in einem für die frühen 1960er Jahre typischen Arrangement für Gesangsstimme, Orchester und ‚rhythm section’ (E-Bass und Schlagzeug) komponiert. Er hat eine Dauer von 2:48 Minuten und ist im mittleren Tempo gehalten (ca. 100 bpm). Sein formaler Aufbau konstituiert sich in der Abfolge A A’ B A B A B’. Dem geht ein achttaktiges Intro voraus, in dem das charakteristische Riff, ein Akkordwechsel von der Tonika E-Dur zur Großterz-Untermediante C-Dur, vorgestellt wird – im Verlauf des Films wird dieses Riff leitmotivisch als klangliche Charakterisierung von bedrohlichen Situationen verarbeitet. In das Riff spielt eine “schmetternde[…] Jazztrompete” (Bullerjahn 2009: 113) mit einem Kurzmotiv bestehend aus den Tönen e und gis hinein. Hierdurch erklingt der C-Durakkord zwischenzeitlich als übermäßiger Akkord (C+). Der Schlussteil B’ stellt eine sich wild auftürmende Coda dar, die in ‚klassischer’ Manier in einem fulminanten Finalakkord im Fortissimo endet. Das harmonische Konzept des Songs ist geprägt durch besagte Mediant-Verbindung, also dem Hinzufügen des C-Dur-Akkords, der den Tonika-Grundton E beinhaltet, aber sonst aus den tonleiterfremden Tönen C und G besteht sowie durch Septakkorde und Modulationen. Letztere vollziehen sich zwischen den Formteilen A bzw. A’ und B bzw. B’. In erstgenannten Abschnitten liegt das tonale Zentrum E-Dur vor – die Untermediante C-Dur ließe sich hiernach als Parallelklang der Moll-Subdominante deuten, der gegen Ende des A-Abschnitts auftretende Dis-Mollakkord als Gegenklang der Dominante –, während zweitgenannte Abschnitte in Dis-Moll erklingen. Die ersten zwei Takte des B-Teils lassen sich wiederum als Bridge interpretieren, in der im Sinne eines intertextuellen Verweises die chromatisch auf- und abwandernde Melodie des James-Bond-Themas verarbeitet wird (vgl. Bullerjahn 2009: 113). Insgesamt erhält das Stück durch die eingesetzten Akkorde und harmonischen Wendungen eine ‚jazzige’ Klangfärbung.

Tragend für das gesamte Arrangement ist Basseys Gesangspart, welcher mit kraftvoller Bruststimme in mittlerer Lage vorgetragen wird. Mit ihren zum Teil markigen Akzentuierungen und mit starkem Vibrato versehenen Spitzentönen unterstützt Bassey den martialischen Gestus des Arrangements. In textlicher Hinsicht wird der Filmbösewicht Auric Goldfinger charakterisiert. Hierbei wird eine auktoriale Erzählperspektive eingenommen. Es werden hauptsächlich Sprachbilder verwendet, die Gefahr, Manipulation und Verführung ausdrücken, so z.B. “The man with the Midas touch”, “Such a coldfinger”, “It’s the kiss of death from Mister Goldfinger”. Das Moment der Verführung wird auf der Folie des Motivs einer jungen attraktiven Frau hergestellt (“Pretty girl, beware of his heart of gold”). Eine konkrete Bezugnahme auf die Filmerzählung lässt sich hierin nicht erkennen, allenfalls eine Anspielung auf die weibliche Nebenrolle der Pussy Galore, die zunächst im Dienst von Goldfinger steht, sich jedoch letztlich geläutert von ihm abwendet. Einer solchen Interpretation ist jedoch anzufügen, dass die Beziehung zwischen Goldfinger und Galore für den Fortlauf des Plots keine maßgebliche Rolle spielt. Erklärlich wird dieses Motiv wohl eher durch die Einsicht, dass textlich jener patriarchale Unterton transportiert wird, der eine Fülle von Pop-Songs (und Bond-Filmen) zu jener Zeit bestimmt hat.

IV. Rezeption

GOLDFINGER wurde weltweit zu einem großen kommerziellen Erfolg. Für Shirley Bassey entwickelte sich der Song im Verlauf ihrer Karriere zu einem Markenzeichen. Darüber hinaus gilt der Song vielen als Bond-Song schlechthin. Untrügliches Zeichen dieser allgemeinen Wertschätzung sind die vielen Coverversionen, Parodien und Adaptionen, die innerhalb der Popkultur ein Eigenleben entwickelt haben. Im Segment der Coverversionen zählen Tom Petty, Céline Dion und der britische Gitarrist Hank Marvin (ehemals The Shadows) zu den prominentesten Interpreten. Die mannigfachen Adaptionen und Parodien sind vor allem filmischer und televisueller Natur. Zu den bekanntesten zählen die innerfilmische Einspielung in der britischen Produktion Little Voice (1998) sowie die filmmusikalische Untermalung des Dr.-Evil-Charakters in der Agentenfilm-Parodie Austin Powers: The Spy Who Shagged Me (1999). Im Jahr 2000 produzierte das britische Produzenten-Duo Propellerheads einen Remix für das Album Diamonds Are Forever: The Shirley Bassey Remix Album. Dieses kam einer musikalischen Ehrerbietung vor der bereits zum damaligen Zeitpunkt eindrucksvollen, über vier Jahrzehnte währenden Karriere der walisischen Sängerin gleich.

 

CHRISTOFER JOST


Credits

Gesang: Shirley Bassey
Autoren: Anthony Newley, Leslie Bricusse (Text) und John Barry (Musik)
Produzent: George Martin
Arrangement und Dirigat: John Barry
Label: EMI
Spieldauer: 2:48

Recordings

  • Shirley Bassey. “Goldfinger”, Goldfinger, 1964, EMI, DB7360, UK (Vinyl/Single).
  • Shirley Bassey. “Goldfinger”, Goldfinger, 1964, United Artists, UA 1648, USA (Vinyl/Single).
  • Shirley Bassey. “Goldfinger”, Goldfinger (Original Motion Picture Score), 1964, United Artists, ULP 1076, Europa (Vinyl/Compilation).
  • Shirley Bassey. “Goldfinger”, Goldfinger (Original Motion Picture Sound Track), 1964, United Artists, UAL 4117, USA (Vinyl/Album).
  • Shirley Bassey und Propellerheads. “Goldfinger”, Diamonds Are Forever: The Shirley Bassey Remix Album, EMI, 7243 525873 2 2, Europa (CD/Compilation)

Covers

  • Hank Marvin. “Goldfinger”, Marvin at the Movies, 2000, Universal Music, 157057-2, UK (CD/Album)
  • Tom Petty & The Heartbreackers. “Goldfinger”, The Live Anthology, 2009, Universal, 0060257249773, Europa (CD/Box Set).

References

  • Burlingame, John: The Music of James Bond.Oxford: Oxford University Press 2012.
  • Duncan, Paul: The James Bond Archives. Köln: Taschen.
  • Williams, John: Miss Shirley Bassey. London: Quercus Books 2011.

About the Author

PD Dr. Christofer Jost is research associate at the Zentrum für Populäre Kultur und Musik, University of Freiburg, and teaches media studies at the University of Basel.
All contributions by Christofer Jost

Citation

Christofer Jost: “Goldfinger (Shirley Bassey)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/basseygoldfinger, 08/2013 [revised 03/2014].

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