1998
Britney Spears

… Baby One More Time

1998 veröffentlichte Britney Spears ihre Debütsingle … BABY ONE MORE TIME, mit der die Sängerin auf Anhieb einen internationalen Hit verzeichnen konnte. Der Song markiert einen Höhepunkt des sogenannten Teen Pop, der in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre weltweit die Charts dominierte.

 

I. Entstehungsgeschichte

… BABY ONE MORE TIME stammt aus der Feder des schwedischen Songschreibers und Produzenten Max Martin. Nachdem sich das US-amerikanische Label Jive entschieden hatte, die damals 16-jährige Britney Spears unter Vertrag zu nehmen und zu versuchen, die Sängerin zu einem ‘Teenie-Star’ aufzubauen, bedurfte es geeigneter und mit dem Feld vertrauter Komponisten. Martin hatte zuvor mit seinen Songs für die Boyband Backstreet Boys auf sich aufmerksam gemacht, galt in informierten Kreisen bereits als “the genius of teen pop” (Seabrook 2016: 89) und erklärte sich schnell bereit, mit der jungen Sängerin zu arbeiten. Nach einem ersten Treffen entschied der Songwriter, mit Spears den Song … BABY ONE MORE TIME aufzunehmen, den er bereits ein Jahr zuvor zusammen mit seinem Kollegen Rami Yacoub geschrieben hatte. Ursprünglich war der Song für die R&B-Gruppe TLC gedacht, die ihn aber genauso ablehnten wie die Sängerin Robyn, der er anschließend angeboten worden war. Nach dem ersten Treffen mit Spears überarbeitete Martin den Song und stellte ihn anschließend den Verantwortlichen von Jive vor (vgl. ebd.: 87–91).

 

II. Kontext

Britney Spears wurde in der Frühphase ihres Erfolges dem sogenannten Teen Pop zugeordnet. Unter diesem Label avancierten in den 1990er-Jahren zahlreiche Musiker zu Weltstars. Nachdem bereits die Boyband Take That in der ersten Hälfte des Jahrzehnts bahnbrechende Erfolge verzeichnen konnte, folgten wenige Jahre später die Backstreet Boys und die Girlgroup Spice Girls, woraufhin zahlreiche ähnliche Bandprojekte initiiert wurden. Bei diesen Acts handelte es sich stets um Castingbands, die von Personen in der Musikindustrie zusammengestellt und gemanagt wurden. Eine zentrale Rolle spielte hierbei der Musikmanager Lou Pearlman, unter dessen Ägide neben den Backstreet Boys auch die Gruppe *NSYNC international erfolgreich wurde. 1997 plante Pearlman gemeinsam mit Lynn Harless, der Mutter Justin Timberlakes, eine entsprechende Girlgroup. Zu den Mitgliedern der Gruppe, die wenig später unter dem Namen Innosense firmierte, sollte ursprünglich auch Britney Spears gehören. Allerdings soll sich Spears gemeinsam mit ihren Eltern nur zwei Tage vor der geplanten Vertragsunterzeichnung gegen ihre Mitwirkung und für den Versuch einer Solokarriere entschieden haben (vgl. Dennis 2009: 116). Zum damaligen Zeitpunkt war die Sängerin bereits seit mehreren Jahren in der professionellen Unterhaltungsbranche tätig, da sie schon als Neunjährige regelmäßig in der Fernsehsendung Mickey Mouse Club zu sehen war. Die Sendung, die 1996 eingestellt wurde, galt als außergewöhnliche ‘Talentschmiede’, da Spears hier unter anderem gemeinsam mit Justin Timberlake, Christina Aguilera und Ryan Gosling auftrat. 1996 lernte sie den Juristen und Manager Larry Rudolph kennen, der sie Demos einsingen ließ und den Kontakt zu Plattenfirmen herstellte. Nachdem die Major-Labels Epic und Sony zwar Treffen mit Rudolph und Spears abhielten, sich letztlich aber gegen eine Zusammenarbeit entschieden, bekundete lediglich das damalige Independent-Label Jive ernsthaftes Interesse. Dort habe man seit längerer Zeit versucht, einer jungen Sängerin zum Durchbruch zu verhelfen und ein jugendliches Pendant zu Sängerinnen wie Mariah Carey oder Whitney Houston auf dem internationalen Markt zu platzieren, jedoch stets das hohe finanzielle Risiko gescheut, das die dafür notwendigen Marketingkampagnen mit sich brächten. Nachdem zunächst eine Ausstiegsklausel vereinbart wurde, die es Jive ermöglicht hätte, den Vertrag mit Spears nach 90 Tagen folgenlos wieder zu kündigen, entschied sich das Label für den riskanten Schritt (vgl. Seabrook 2016: 84–88). Britney Spears wurde in der Folge gezielt zur eigenen Marke und zum Teenie-Idol aufgebaut. Dabei schien ihr Image beständig zwischen dem eines unschuldigen, kindlichen Schulmädchens und einer attraktiven, sexuell interessierten Adoleszenten zu oszillieren. Spears-Biograph Steve Dennis (2009: 109) bezeichnet diese Mixtur als “highly marketable hybrid of sweet cheerleader and naughty St Trinians schoolgirl”. Am Song … BABY ONE MORE TIME, insbesondere auch am zugehörigen Videoclip, lassen sich diverse Elemente ablesen, mithilfe derer dieses ambivalente Image konstruiert wurde.

 

III. Analyse

Für Aufsehen sorgte bereits der Songtext, genauer der Chorus des Songs. Dieser beinhaltet die Zeile “Hit me baby one more time” – ursprünglich war dies auch der Titel des Songs. An der Zeile nahmen etliche Hörer Anstoß, da gerade Muttersprachler hinter dieser Formulierung eine Aufforderung zu harten Sexualpraktiken vermuteten. Der Journalist John Seabrook (2016: 91) stellt fest: “It’s hard to imagine that anyone for whom English is a first language would write the phrase ‘Hit me baby’ without intending it as an allusion to domestic violence or S&M”. TLC-Mitglied Tionne Tenese “T-Boz” Watkins begründete ihre Ablehnung des Songs später passenderweise damit, sich nicht vorstellen zu können, eine solche Zeile zu singen (vgl. ebd.: 90). Tatsächlich wurde der Song nicht von einem Muttersprachler, sondern von zwei Schweden geschrieben, deren Intention es gewesen sein soll, sich an der zeitgenössischen US-amerikanische Umgangssprache zu orientieren. Die Formulierung “hit me up” wurde zur damaligen Zeit häufig äquivalent zu “call me” verwendet, ohne die Präposition “up” verändert sich jedoch die Bedeutung entscheidend. Die Songwriter sollen davon nichts gewusst haben und der Text wurde nicht verändert, “Hit me” allerdings aus dem Titel gestrichen (vgl. ebd.: 91). Freilich aber trug die von weiten Teilen des Publikums als frivol empfundene Zeile entscheidend zum ambivalenten Image Britney Spears bei und bescherte ihr zusätzliche Aufmerksamkeit.

Bisweilen werden Max Martins Kompositionen als eine intuitive Kombination aus R&B und Pop beschrieben, die sich in rhythmischer Hinsicht eher an Konventionen afroamerikanisch geprägter Spielarten der populären Musik orientiere, harmonisch hingegen von europäischer Popmusik beeinflusst sei (vgl. ebd.: 90). Das Instrumental von … BABY ONE MORE TIME basiert auf einem regelmäßigen Groove, der durch Slap-Bass-Elemente und Wah-Wah-Gitarrenakzente durchaus Bezüge zu Disco- und Funk-Produktionen aufweist. Die vermeintlich ‘europäische’ Harmonik beschränkt sich auf die Akkordfolge Cm | G | Eb | Fm G. Die Formgestaltung lässt sich als vergleichsweise ebenmäßig beschreiben und basiert im Wesentlichen auf der Abfolge von Verse, Prechorus und Chorus. Hinzu tritt ein Intro, das nach dem zweiten Chorus wiederholt wird und zu einer Chorus-Variation überleitet, auf die wiederum zwei weitere Chorus-Wiederholungen folgen, die den Song zum Abschluss bringen. Im Verlauf des Songs lassen sich in den unterschiedlichen Formteilen immer wieder Steigerungs- und Entspannungselemente feststellen. Dies betrifft die Zweistimmigkeit der Hauptstimme, die im zweiten Verse gelegentlich auftritt, ferner die Achtelakzente des Keyboards, die dem Instrumental im selben Formteil eine zusätzliche rhythmische Komponente hinzufügen. Auch im Prechorus finden sich stimmliche Dopplungen, während im Chorus Chorgesänge zu hören sind. Die Chorus-Variation besteht anfangs nur aus Spears’ Stimme und einer Klavierbegleitung, bevor die komplette Instrumentierung anschließend wieder einsetzt. So entsteht spürbar ein Spannungsbogen, obschon der Song ohne eine Bridge auskommt, die gerade im Sinne der Spannungserzeugung oder Abwechslung eingesetzt werden kann.

Als Regisseur des Videoclips konnte Nigel Dick gewonnen werden, der zuvor unter anderem auch Musikvideos für die Backstreet Boys realisiert hatte. In erster Linie handelt es sich um ein Performancevideo, das Britney Spears zusammen mit diversen Tänzerinnen und Tänzern bei der Ausführung verschiedener Choreographien zeigt. Spears und ihre Entourage sind dabei in drei Szenerien zu sehen, die simultan mit dem Einsatz der beiden Verses und der Chorus-Variation wechseln: ein Schulflur, ein Parkplatz und eine Sporthalle. Hier spielen sich die Tanzszenen ab, ferner ist Britney Spears bisweilen alleine und während des Singens des Songs zu sehen. Das ambivalente Image des braven und zugleich freizügig agierenden Schulmädchens wird durch zahlreiche visuelle Elemente des Clips genährt. Zunächst sind Spears und ihre Mitstreiter in Schuluniformen zu sehen, was auf eine Idee der Sängerin selbst und auf deren Erfahrungen im Mickey Mouse Club zurückgehen soll (vgl. Dennis 2009: 122 f.). Die Sängerin wird als adrett gekleidete und züchtige junge Frau inszeniert, der durch geflochtene Zöpfe und rosa Haargummis zugleich eine kindliche Facette verliehen wird. Durch das Oberteil, das Spears in der zweiten Szenerie trägt, dominiert die Farbe rosa weiterhin ihre Kleidung, die nun deutlich leichter und kürzer ausfällt. Gleichzeitig ist die Protagonistin von muskulösen jungen Männern umgeben, die wahlweise beim Tanzen oder Basketballspielen zu sehen sind. Der Clip bedient somit gängige heteronormative Stereotype und inszeniert Spears zugleich als züchtiges Schulmädchen sowie als leicht bekleidete Tänzerin. Dieses “schoolgirl image” (ebd.: 124), also die mädchenhafte, klischeebehaftete Darstellung prägte die gesamte visuelle Inszenierung der Sängerin im Zuge ihrer ersten großen Erfolge. So ist Spears beispielsweise auf dem Cover des Albums … Baby One More Time auf Knien, zum Betrachter aufschauend und lächelnd vor einem rosa Hintergrund zu sehen.

 

IV. Rezeption

… BABY ONE MORE TIME wurde ein enormer kommerzieller Erfolg. Allein am Tag der Singleveröffentlichung sollen 500.000 Einheiten verkauft worden sein (vgl. Seabrook 2016: 127) und der Song erreichte weltweit Spitzenpositionen in den Verkaufscharts. Zudem konnte sich Britney Spears zahlreiche Awards sichern, unter anderem einen Grammy in der Kategorie Best Female Vocal Performance und vier Auszeichnungen im Rahmen der MTV Europe Music Awards 1999 (vgl. Dennis 2009: 127 f.).

 

BENJAMIN BURKHART


Credits

Gesang: Britney Spears
Background-Gesang: Britney Spears, Max Martin, Nana Hedin
Gitarre: Johan Carlberg
Bass: Tomas Lindberg
Produzenten: Max Martin, Rami Yacoub
Label: Jive
Aufgenommen: 1998
Veröffentlicht: 1998
Dauer: 3:30

Recordings

  • Britney Spears. “… Baby One More Time”, … Baby One More Time, 1998, Jive, 01241-42545-2, USA (CD/Single).

References

  • Dennis, Steve: Britney. Inside the Dream. London: Harper 2009.
  • Seabrook, John: The Song Machine. Inside the Hit Factory. New York: W. W. Norton & Company 2016.

About the Author

Benjamin Burkhart is senior scientist at the Institute for Jazz Research at the University of Music and Performing Arts Graz.
All contributions by Benjamin Burkhart

Citation

Benjamin Burkhart: “… Baby One More Time (Britney Spears)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/baby-one-more-time, 12/2022.

Print