A VIEW TO A KILL ist der Titelsong des vierzehnten James-Bond-Films (deutsche Übersetzung: Im Angesicht des Todes). Die britische Pop-Band Duran Duran erzielte mit ihm einen ihrer größten kommerziellen Erfolge.
I. Entstehungsgeschichte
Der Kinostart von A View to a Kill erfolgte am 22. Mai 1985 in den USA (in Europa drei Wochen später). Die gleichnamige Single wurde ebenfalls im Mai 1985 veröffentlicht. Der Song stellt eine Co-Produktion von Duran Duran und dem langjährigen Bond-Komponisten John Barry dar. Für die Aufnahmen wurden zwei Orte gewählt: Maison Rouge Studios und CTS Studios (beide London) – in letzterem wurden die Orchesterpassagen eingespielt. Die Zusammenarbeit zwischen Band und Filmkomponist gestaltete sich weitgehend harmonisch, da eine eindeutige Trennung der Aufgabengebiete vorlag: Während das eigentliche Songwriting von der Band übernommen wurde, konzentrierte sich Barry darauf, in ‚klassischer’ Mentoren-Manier die vielversprechendsten Ideen herauszufiltern und auf ihrer Grundlage das finale Arrangement zu kreieren. Letzteres umfasste zudem das Schreiben der Orchesterparts. Die Anbahnung der Zusammenarbeit zwischen der Band und den Filmverantwortlichen gestaltete sich in informellen Bahnen. Nach Angaben von Duran-Duran-Biograph Steve Malins lernten sich Bassist John Taylor, seit jeher Bond-Fan, und Co-Produzent Albert R. Broccoli auf einer Party kennen. Der zwanglosen Konversation folgten schon rasch gemeinsame Arbeitstreffen, da die Produzenten darauf bedacht waren, ihren Film durch die damals überaus angesagte Star-Band aufwerten zu lassen.
II. Kontext
Den Bond-Titelsongs wird aufgrund ihrer kinematographischen Aufbereitung ein breiter Rezeptionskreis erschlossen. Nichtsdestotrotz handelt es sich in ihrem Fall um Filmmusik, d.h.: Funktionsmusik. Der Nutzungsaspekt manifestiert sich nicht zuletzt im Songtitel, der identisch mit dem englischsprachigen Originalfilmtitel ist. In der Regel geht der Komposition die Anfrage der Produzenten des jeweiligen Bond-Films voraus. Geschrieben werden die Musikstücke entweder von renommierten Songwritern resp. Filmkomponisten oder angesagten Pop-Künstlern (bis in die 1980er Jahre war oben genannter John Barry einer der wichtigsten (Co-)Autoren). Mitunter kommt es, wie im vorliegenden Fall, zur Kooperation von Filmkomponist und Popstar(s). Eine Folge der filmischen Funktionalisierung ist es aber auch, dass den Songs eine gewichtige Rolle im dramaturgischen Gesamtkonzept des Films zugerechnet wird. Schließlich laufen sie im Vorspann, der im effektvollen Zusammenspiel von Bild und Ton als opulenter Prolog inszeniert wird. Der Effekt dieser Prologsequenz ist vor allem atmosphärischer Art. Das bedeutet: In den Plot wird primär in assoziativer, affektiver und sprachbildlicher Weise eingeführt. Unstrittig ist, dass die Bond-Vorspanne in der Popkultur inzwischen ikonischen Status erlangt haben. Sie spiegeln ein eigenständiges ästhetisches Konzept wider, das sich im Wesentlichen aus silhouettenhaften Darstellungen attraktiver Frauen, Waffen, fließend-wabernden Bildflächen (zumeist Flammen, Wasser und Nebel) und Bildüberlagerungen zusammensetzt. Im Fall von A VIEW TO A KILL bedeutet dies ein collagenartiges Gefüge bestehend aus attraktiven Frauen, die, mit fluoreszierender Farbe bemalt, in skifahrender Pose gezeigt werden (eine Anspielung auf die Ski-Verfolgungsjagd in der Einstiegssequenz), sowie einer Eisstatue in Form eines Frauenkörpers (auch dies eine Anspielung auf das winterliche Setting der Einstiegssequenz), Nebel- und Flammendarstellungen vor schwarzem Bildhintergrund, als auch James Bond selbst. Die sich im Folgenden entspinnende Filmhandlung fokussiert die Figur des Großindustriellen Max Zorin (gespielt von Christopher Walken), der den Plan verfolgt, Silicon Valley zu fluten und sich das weltweite Monopol in der Mikrochip-Produktion zu sichern, und dem (schließlich) erfolgreichen Bestreben von James Bond (gespielt von Roger Moore), diesen mörderischen Plan zu durchkreuzen.
Für die Band Duran Duran erwies sich die Mitwirkung am Bond-Film als großer kommerzieller Erfolg. Die Single erreichte in mehreren Ländern Platz 1 der Charts (u.a. in den USA). Aus heutiger Sicht markiert der Song den Höhepunkt der Erfolgswelle, auf der Duran Duran in den 1980er Jahren schwammen. Gegen Ende des Jahrzehnts und spätesten mit Eintritt in die 1990er Jahre ebbte der Zuspruch der Fans merklich ab. Maßgeblich hierfür waren zum einen das allgemein abflauende Interesse an Synthie-Popmusik und zum anderen ein Imagewandel der Band, der die Abkehr vom bis dahin prägenden Status als Teenie-Idole beinhaltete. Auch die im Jahr 2010 öffentlichkeitswirksam inszenierte Reunion der (nun merklich gealterten) Pop-Heroen konnte nicht an die großen Erfolge in den 1980er Jahren anknüpfen.
III. Analyse
Der Song dauert in der Singleversion 3:34 Minuten. In ihm kommen Stimme, Gitarre, Bass, Keyboard, Schlagzeug und Streichorchester zum Einsatz. Das Tempo beträgt ca. 125 bpm. Das Arrangement entspricht im Großen und Ganzen jenem durch Funk-Elemente geprägten Synthpop-Sound, der in den 1980er Jahren zum Markenzeichen der Band wurde. Der Formverlauf umfasst im Einzelnen die Abschnitte Intro, 1. Strophe, Zwischenspiel, 2. Strophe, Bridge, Refrain, Zwischenspiel, 3. Strophe, Zwischenspiel, 4. Strophe, Bridge, Refrain/Coda. Hierdurch ergibt sich in formaler Hinsicht eine ebenmäßige Grundordnung (lässt man Intro und Coda unberücksichtigt, liegt gar die Wiederholung ein und desselben Formblocks vor). Charakteristisch für den Song ist der Gebrauch des Fairlight CMI, dem ersten Synthesizer mit Sampling-Technik. Mit diesem wurden die scharfen, staccatohaften Orchesterschläge erzeugt, die in allen Abschnitten in Form von kurzen synkopischen Einschüben zu hören sind. Das ‚reale’ Streichorchester spielt im Gegensatz dazu taktfüllende Töne in mittlerer Lage und kreiert dadurch einen ‚warmen’ Klangteppich, der den Fairlight-Parts ein wenig von ihrer klanglichen Schärfe nimmt. Bemerkenswert ist die harmonische Struktur des Songs. Analog zu den drei Hauptteilen Strophe, Bridge und Refrain werden Tonartwechsel vorgenommen. Während die Strophe auf den Akkordfolgen Cm | Es | B | F und Cm | G/H | B / F aufbaut und damit Cm als tonales Zentrum aufweist, wird in der Bridge in das Pattern As | Esm | Ces | Des gewechselt (tonales Zentrum ist hier Des). Dem Refrain wiederum liegt die Akkordfolge E | Gism7 | Cism7 | Dism7 mit dem tonalen Zentrum E-Dur zugrunde. Als verbindendes Element zwischen den Formteilen erweist sich der ganztaktig organisierte harmonische Rhythmus.
Textlich wird der Song durch den (singenden) Ich-Erzähler bestimmt. Auffallend ist die bildreiche Sprache, mit der eine mysteriöse Grundstimmung erzeugt wird (“Face to face in secret places”, “Night fall covers me, but you know the plans I’m making”). Von zentraler Bedeutung ist hierbei die intime bzw. erotische Beziehung zu einer nicht weiter explizierten Person. Es wird eine leidenschaftliche Vereinigung ‚Im Angesicht des Todes’ (so der deutschsprachige Filmtitel, s.o.) beschworen (“Until we dance into the fire / That fatal kiss is all we need”). Die Innigkeit der erotischen Beziehung wird durch sentimental anmutende Schilderungen unterstrichen (“The first crystal tears fall as snowflakes on your body”). Die unterschiedlichen Ebenen der dargestellten Beziehung werden durch Sänger Simon LeBon auch in expressiv-gesanglicher Weise wiedergegeben. Während sich die Strophen durch eine ebenmäßige Melodieführung und ein eher weiches Timbre auszeichnen, wechselt LeBon im Refrain und in den Bridge-Abschnitten in den Grenzbereich seiner Bruststimme, wodurch sein Gesang sowohl energisch als auch in einigen Momenten flehend bis japsend wirkt – ein Ausdrucksmoment, dass durchaus charakteristisch ist für seinen Gesangsstil.
IV. Rezeption
A VIEW TO A KILL stellt bis heute einen der größten Hits von Duran Duran dar. Der Song erreichte in zahlreichen Ländern Top-Ten-Platzierungen, in einigen Charts (etwa in den USA) stieg er bis auf Position 1. Unter den Bond-Songs, die stets eine gewisse Breitenwirkung erzielen, sich jedoch nicht zwangsläufig zu weltweiten Nummer-eins-Hits entwickeln, nimmt er damit eine Sonderstellung ein. Seit seiner Veröffentlichung gehört er zum Standard-Repertoire von Live-Konzerten der Band. Ein offizieller Konzertmitschnitt ist auf der Live-DVD Live from London (2005) enthalten. A VIEW TO A KILL wurde nachträglich auf mehreren Best-of-Zusammenstellungen der Band veröffentlicht, hierunter: Decade: Greatest Hits (1989), Greatest (1998), Singles Box Set 1981 – 1985 (2003) und Encore Series 78 – 03 (2003). Größerer Beliebtheit erfreut sich der Song vor allem unter Bands, die einen ‚härteren’ Sound an den Tag legen. So coverten die finnischen Heavy-Metal-Bands Diablo und Northern Kings den Song ebenso wie die britische Nu-Metal-Band Lostprophets und die kanadischen Punk-Rocker von Gob. Dieses Interesse lässt sich mit dem martialischen Titel sowie dem auf den Motiven Erotik und Gewalt fußenden Songtext erklären, der die Nähe zu den ,härteren’ Spielarten der populären Musik bereits angelegt hat.
CHRISTOFER JOST
Credits
Hauptgesang: Simon Le Bon
Gitarre: Andy Taylor
Bass: John Taylor
Keyboards: Nick Rhodes
Schlagzeug: Roger Taylor
Arrangement und Dirigat: John Barry
Autoren: Simon Le Bon, Andy Taylor, John Taylor, Nick Rhodes, Roger Taylor und John Barry
Produzent: Bernard Edwards
Label: EMI, Capitol
Spieldauer: 3:34
Recordings
- Duran Duran. “A View to a Kill”, A View to a Kill, 1985, EMI, DURAN 007, UK (Vinyl/Single).
- Duran Duran. “A View to a Kill”, A View to a Kill, 1985, Capitol, B-5475, USA (Vinyl/Single).
Covers
- Lostprophets. “View to a Kill”, The Fake Sound of Progress, 2002, Visible Noise, 672284 1, UK (CD/Single).
- Nothern Kings. “A View to a Kill”, Rethroned, 2008, Warner Music Finland Oy, 5051865147725, Finland (CD/Album).
References
- Burlingame, John: The Music of James Bond. Oxford: Oxford University Press 2012.
- Duncan, Paul: The James Bond Archives. Köln: Taschen 2012.
- Malins, Steve: Notorious. Duran Duran – The Biography. London: André Deutsch 2005.
About the Author
All contributions by Christofer Jost
Citation
Christofer Jost: “A View to a Kill (Duran Duran)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/aviewtoakill, 08/2013 [revised 03/2014].
Print