AN TAGEN WIE DIESEN setzt sich kritisch mit der allgegenwärtigen Medienrezeption dramatischer Ereignisse und deren emotionaler Wirkung auseinander. Der rhythmusbetonte Rap-Song basiert auf einem Sample des Songs “Jeanny” der österreichischen Popmusiklegende Falco.
I. Entstehungsgeschichte
In einem Interview, welches im Mai 2005 entstand, erzählen die Bandmitglieder von Fettes Brot, Boris Lauterbach (König Boris), Martin Vandreier (Dokter Renz) und Björn Warns (Björn Beton), viel über die Entstehung des Albums Am Wasser gebaut. Nachdem die Verträge mit ihrem alten Plattenlabel geplatzt waren, entschloss sich die Hamburger Band, ein eigenes Label mit dem Namen Fettes Brot Schallplatten GmbH zu gründen. Am Wasser gebaut ist die erste Produktion dieses Labels (vgl. Cordua 2005). Der Name weist nicht nur auf die Redewendung “nah am Wasser gebaut” hin, er bezieht sich auch auf den Produktionsort und die Heimat der Band, Hamburg, eine Stadt, die bekanntlich nicht weit von der See liegt (vgl. Stöckel 2005). Die Mitglieder von Fettes Brot wollten nach ihrem Album Demotape, das eher in die Punk-Richtung geht, etwas Neues wagen und sich stilistisch öffnen (vgl. Cordua 2005). Bandmitglied Martin Vandreier über die Entstehung von Am Wasser gebaut: “Wir mussten nicht so viel kämpfen und haben uns mehr geöffnet, darum ist die Platte so emotional geworden und genau das finde ich total geil!” (Cordua 2005).
Auch AN TAGEN WIE DIESEN ist emotional aufgeladen. Über den Song, der zusammen mit Pascal Finkenauer aufgenommen wurde, gaben die Mitglieder von Fettes Brot im Juli 2019, mehr als 14 Jahre nach Erscheinung der Single, ein ausführliches Interview (vgl. SWR3 a 2019). Aus diesem geht hervor, dass im Entstehungsprozess zuerst die Musik entstand, die viele Emotionen in sich trägt und dadurch einem ernsten Songinhalt entsprach. Boris Lauterbach aka König Boris soll daraufhin vorgeschlagen haben, “ein Lied über Krieg zu machen” (SWR3 a 2019: 00:00:41–00:00:42).
Krieg war ihnen, wie wahrscheinlich den meisten Menschen der jüngeren Generationen in Deutschland, nur aus den Medien bekannt. So sollen sie sich gefragt haben: “Wie geht man damit um? Was macht das mit einem, wenn man von Krieg hört? Wie viel Mitgefühl ist noch über?” (SWR3 a 2019: 00:00:54–00:01:00). Diese Fragestellungen sollen die grobe Richtung für die Grundidee des Songs vorgegeben haben.
Während der Proben merkten die Mitglieder von Fettes Brot scheinbar, dass ihre eigenen Versuche, den Refrain zu singen, nicht emotional genug und teilweise zu “soulig” klangen. So sollen sie auf die Idee gekommen sein, den Sänger Pascal Finkenauer zu fragen. Er sollte dem Gesamten durch das Singen des Refrains eine gewisse Ernsthaftigkeit verleihen (vgl. SWR3 a 2019: 00:01:12–00:01:41).
Der Song zitiert – auch in Form eines bearbeiteten Samples – den Hit “Jeanny” (1985) von Falco; die Idee hierzu stammte angeblich von Bandmitglied Björn Warns. Auf den Einfall soll er gekommen sein, als er im Fernsehen eine Top-100-Show gesehen habe, in der “Jeanny” lief. Den Song habe er schon seit seinem Erscheinen in den 1980er-Jahren sehr gemocht. In diesem Moment soll Warns die Idee gehabt haben, ihn als musikalisches Zitat und als Sample für einen seiner Songs zu verwenden (vgl. SWR3 a 2019: 00:02:29–00:02:53).
AN TAGEN WIE DIESEN war nach “Emanuela” die zweite Single-Auskoppelung des Albums Am Wasser gebaut. Dies geschah am 29. August 2005 und sie stieg bis Oktober 2005 auf Platz 9 der deutschen Single-Charts (vgl. fm 2005). Mit der Auskoppelung kam auch das Musikvideo heraus, das in einer kleinen Siedlung in der Nähe von Berlin gedreht wurde (vgl. Björn Beton 2005).
II. Kontext
Der Song AN TAGEN WIE DIESEN aus dem Jahr 2005 spricht damals wie heute ein sehr aktuelles Thema an: Krieg und Leid. Der Terrorismus, wie er in dem Song von Fettes Brot beschrieben wird, ist allerdings ein recht neues Phänomen unserer Zeit. Nicht lange lagen die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA zurück, als der Song veröffentlicht wurde. Bei den Attentaten kamen 2996 Menschen ums Leben (vgl. Danieli/Dingman 2014: 1). Sie werden auf Selbstmordattentäter der Terrororganisation al-Quaida zurückgeführt (vgl. mch 2019). Die Berichterstattung über die Geschehnisse verlief damals so zeitnah, dass sogar live auf Sendung ein Flugzeugattentat weltweit mitverfolgt werden konnte (vgl. Solothurner Zeitung o.J.).
Tagtäglich werden in den Nachrichten hauptsächlich “bad news” übertragen, welche die Alltagswahrnehmung zunehmend prägen: “In der Kommunikationswissenschaft gibt es dafür den Begriff der Kultivierungshypothese. Diese besagt, dass die Darstellung der Medien die öffentliche Wahrnehmung prägt. Und dort liefern negative Nachrichten in der Regel größere Schlagzeilen als positive Meldungen. […] Manche Kollegen vermuten, dass Negatives seit jeher wichtiger war und eben nach wie vor ist. Wenn man in der Steinzeit auf die Jagd ging, war die Warnung ‘Achtung, Säbelzahntiger!’ wichtiger als die Meldung ‘Alles ist ruhig'” (Streber 2013).
Was das für Auswirkungen auf die Rezipient*innen von Nachrichten hat, sehen viele Expert*innen mit Besorgnis. Der Psychiater und Stressforscher Mazda Adli ist beispielsweise der Meinung, dass das Konsumieren von schlechten Nachrichten Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat. Im digitalen Zeitalter von heute sei die Gefahr, mental und emotional von schlechten Nachrichten affiziert zu werden, ausgesprochen hoch. Besonders durch Bilder sollen Emotionen in eindrücklicher Weise übertragen werden: “Das, was richtig Stress macht, ist die Masse an Echtzeit-Schlagzeilen, Newstickern oder auch das Phänomen, dass wir zunehmend Nachrichten über Bilder und ohne Text entgegennehmen” (Karkowsky 2019).
Persönliche Ängste und Sorgen können so verstärkt oder hervorgerufen werden. Dies betreffe vor allem die jüngeren Generationen, die dadurch Angst vor der Unvorhersehbarkeit der Zukunft und vor lauernden Gefahren bekommen würden (vgl. ebd.).
III. Analyse
Der Text wird von einem lyrischen Ich in der ersten Person Indikativ Präsens gesprochen. Es ist ein intern fokalisierter, autodiegetischer Erzähler, der sich innerhalb der erzählten Welt befindet und daher ebenfalls intradiegetisch ist. Die Erzählform könnte ein innerer Monolog sein oder auch die Schilderung von Gedanken und Erlebnissen an die (imaginierten) Rezipient*innen des Liedes. In jedem Fall berichtet das lyrische Ich in Form eines Stroms von Bewusstseinsinhalten, “in denen Empfindungen, Ressentiments, Erinnerungen, sich überlagernde Reflexionen, Wahrnehmungen und subjektive Reaktionen auf Umwelteindrücke ungeschieden durcheinander gleiten” (Schweikle/ Schweikle 1990: 446). Es berichtet allerdings nicht völlig wirr, sondern chronologisch, d.h. in der Reihenfolge, in der etwas passiert oder die Geschehnisse wahrgenommen und denkend verarbeitet werden. Die erzählte Zeit deckt sich mit der Erzählzeit oder ist teilweise etwas gerafft, z.B. bei: “Lauf die Straße entlang bis zum Kaufmannsladen”.
Das lyrische Ich beginnt mit der Adressierung einer imaginären Person, die sowohl in der erzählten Welt als auch außerhalb der erzählten Welt in Form der/des Rezipierenden vorkommen kann oder bei der es sich um das lyrische Ich selbst handelt: “Moin moin, was geht? Alles klar bei dir? Wie spät? Gleich neun, okay”. In den beiden ersten Fällen hört man die Antwort der adressierten Person nicht und kann sie sich denken. In letzterem Fall fragt das lyrische Ich selbst nach dem eigenen Befinden bzw. imitiert die typischen, morgendlichen Fragefloskeln, die es täglich gestellt bekommt, und beantwortet sich die Frage, wie viel Uhr es ist, selbst. Es beginnt nun mit der Schilderung seines beginnenden Alltags in einem anscheinend wohlsituierten Lebenszusammenhang: “Will mal eben los, Frühstück holen gehen / Schalt’ den Walkman an, zieh’ die Haustür ran / Lauf’ die Straße entlang bis zum Kaufmannsladen / Denn da gibt’s die allerbesten Brötchen weit und breit”. Eine positive und scheinbar gut gelaunte Schilderung, bis das lyrische Ich einen Blick in die Zeitung wirft, die auf dem Tresen im Geschäft liegt. Ab hier beginnt eine Schilderung einer grauenvollen Nachricht, wie sie täglich in der Zeitung stehen könnte. Die Nachricht bezieht sich anscheinend auf ein vom lyrischen Ich weit entferntes Kriegsgebiet, über dessen Lage es nur über die Nachrichten erfahren kann: “Irgendwas von ‘nem Großangriff / Unzählige Bomben auf kleine Stadt / Viele Menschen ums Leben gekommen / Und dem Erdboden gleich gemacht in nur einer Nacht”. Auch im Radio hört das lyrische Ich beim Verlassen des Bäckers noch einmal etwas über die Verschlechterung der Lage an einem nicht bestimmten Ort, wieder weit entfernt vom eigenen Lebenspunkt. Direkt im Anschluss gibt ein Nachrichtensprecher bekannt, dass das Wetter fantastisch wird, was auf den Lebensraum des lyrischen Ichs bezogen ist und einen Kontrast der beiden Welten darstellt, von denen das lyrische Ich abwechselnd berichtet: “Hör’ noch den Nachrichtensprecher ‘Lage wieder mal dramatisch verschlechtert, heute fantastisches Wetter'”.
Plötzlich erlebt das lyrische Ich einen Autounfall mit, bei dem eine Katze ums Leben kommt. Das lyrische Ich drückt seine Gefühle darüber in Form von nicht mitfühlender Genervtheit und Ärger aus, ausgerechnet bei dem einzigen Ereignis, das direkt seine Lebenswelt betrifft: “Der Anblick kann einem echt die Laune verderben / Was fällt diesem Mistvieh ein, hier genau vor meinen Augen zu sterben?”.
Es folgt der Refrain, der an dieser Stelle thematisch noch nicht an die Gefühle des lyrischen Ichs angepasst ist. Er bildet an dieser Stelle eine Prolepse, die darauf hindeutet, dass das lyrische Ich mit den negativen Geschehnissen, die es größtenteils nur nebenbei durch die Nachrichten mitbekommt, nicht mehr zurechtkommt: “Absolute Wahnsinnsshow / Im Fernsehen und im Radio / Die Sonne lacht so schadenfroh / An Tagen wie diesen / Niemand, der mir sagt, wieso / Beim Frühstück oder Abendbrot / Die Fragen bohren so gnadenlos / An Tagen wie diesen”. In der zweiten Strophe betont das lyrische Ich die Ungerechtigkeit der beiden Welten, von denen es abwechselnd erzählt: Die heile Welt, in der es selbst lebt und die grausame, die von Leid beherrscht wird: “Eine Million bedroht vom Hungertod nach Schätzungen der UNICEF / Während ich grad gesundes Obst zerhäcksel in der Mulinex […] Die haben da nix mehr zu Fressen und ich hab’ Steine im Magen”. Es realisiert, dass es beim Erfahren von schlimmen Nachrichten nichts mehr fühlt. Es scheint durch die tägliche Nachrichtenflut schon abgestumpft zu sein: “Weiß, dass das sehr grausam ist, doch scheiße, Mann, ich fühle nix”.
Am Ende der zweiten Strophe kommt der emotionale Wendepunkt. Das lyrische Ich bezieht die schlimmen Ereignisse auf einmal auf sich selbst. Es wird sich bewusst, dass es jeden treffen könnte: “Sowas kann uns nie passieren und was wäre wenn doch?”. Diese Erkenntnis bewirkt auch, dass das lyrische Ich nun auch emotional mitgenommen wird: “Und mich zerreißen die Fragen, ich kann den Scheiß nicht ertragen”.
Der darauffolgende Refrain ist wieder der gleiche, aber diesmal passt er zur dargestellten Gefühlswelt. Das lyrische Ich ist nun auf der Stufe, nicht mehr alles zu verdrängen, sondern Dinge zu hinterfragen. Die Ungerechtigkeit in der Welt und die Möglichkeit, selbst Leid ertragen zu müssen, zerstört die heile Welt des lyrischen Ichs.
In der dritten und letzten Strophe von AN TAGEN WIE DIESEN wird Verzweiflung ausgedrückt. Das lyrische Ich versetzt sich sogar in die Rolle der Leid Verursachenden: “Vielleicht gab es Liebe für Familie und sie waren sogar selber Väter”. Doch selbst das hilft dem lyrischen Ich nicht, seine Fragen zu beantworten. Gegen Ende der letzten Strophe bezieht das lyrische Ich die Horror-Nachrichten schließlich so sehr auf sich und sein eigenes Leben, dass es Angst bekommt: “Dann kommt es vor, dass ich Angst davor krieg’, dass uns etwas geschieht / Dass man den verliert, den man liebt, dass es das wirklich gibt / Mitten in der Nacht werd’ ich wach und bin schweißgebadet / Schleich’ ans Bett meiner Tochter und hör’, wie sie ganz leise atmet”. Das lyrische Ich hat an diesem Punkt eine Wandlung durchgemacht. Während es noch am Anfang locker, gelassen und in Distanz zu Angst und Trauer durch den Alltag ging, ist es nun voller Mitgefühl und emotional belastet. Es stellt sich Fragen, auf die es letztlich keine Antworten gibt: Warum gibt es so viel Leid auf der Welt? Warum ist die Welt so ungerecht? Er verfällt in eine Lebenskrise, die sicher jeder mal in seinem Leben hat.
Im Musikvideo zu AN TAGEN WIE DIESEN werden Boris Lauterbach (König Boris), Martin Vandreier (Dokter Renz), Björn Warns (Björn Beton) und Pascal Finkenauer in Alltagszenen wie Joggen, Fahrradfahren oder beim Frühstücken gezeigt. Im Hintergrund ist wiederkehrend ein Panzer zu sehen und zu hören. Die Protagonisten bemerken diese für die Rezipierenden auffällige Tatsache nicht. Der Panzer wird letztendlich sogar in den Alltag der Protagonisten integriert und fungiert als Schulbus oder wird vom Nachbar auf dem Parkplatz geputzt, was im Musikvideo aber scheinbar niemanden verwundert oder stört. Der Plot-Twist wird am Ende des Videos aufgelöst, und zwar dahingehend, dass Panzer in der gezeigten Welt als ganz normale Straßenverkehrsmittel benutzt werden. Das Kriegsgefährt symbolisiert hier die Verdrängung von schlimmen Ereignissen in der Welt, die im Text des Songs erwähnt werden (Krieg, Hunger, Armut u. Ä.). Die Panzer sind überall, doch keiner nimmt sie wahr – wie das Elend auf der Welt.
Der Anfangsszene des Videos (00:00:05) ist eine kurze Hommage an den Interpreten des zitierten Songs zu entnehmen: Auf dem Radiowecker klebt ein alter Bravo-Sticker mit Falcos Gesicht.
Das Coverdesign der Single ist düster und dunkel gehalten. Auf einem Foto in Schwarzweiß sind von links nach rechts Boris Lauterbach (König Boris), Martin Vandreier (Dokter Renz) und Björn Warns (Björn Beton) zu sehen. Sie befinden sich auf einer Konstruktion, die einer Reling gleicht; alternativ könnte es auch eine Absperrung am Wasser sein. Beides würde thematisch zum Albumtitel Am Wasser gebaut passen. Martin Vandreier aka Dokter Renz lehnt sich an eine Stange und schaut in die Ferne. Alle drei sehen sehr ernst und nachdenklich aus, soweit man es in Anbetracht der dunklen und grobkörnigen Textur erkennen kann. Das Foto drückt in seiner Düsterheit möglicherweise die Ernsthaftigkeit des Songs aus, die für die Band nicht üblich ist. Auffällig sind der rote Schriftzug “mit Finkenauer” und der rotgefärbte Titel AN TAGEN WIE DIESEN neben dem Bandnamen in Weiß. Diese Komposition erinnert stark an das Cover von Falcos “Jeanny”, das in AN TAGEN WIE DIESEN musikalisch verarbeitet wird. Neben einem roten Schuh ist auch hier der Songtitel in Rot und der Name des Interpreten in Weiß vor einem dunklen Schwarzweißhintergrund (beleuchteter Fahrbahnbelag) zu sehen.
AN TAGEN WIE DIESEN besteht aus drei Strophen und einem Refrain, der nach jeder Strophe einmal wiederholt wird. Am Ende wird er noch einmal in der Melodie geringfügig abgewandelt. Der Song schließt dadurch in emotionaler Weise, da die sprachlichen Inhalte nicht nur durch Wiederholung, sondern durch melodische Abwandlung “dramatisch” in Szene gesetzt werden.
AN TAGEN WIE DIESEN basiert, wie oben erwähnt, auf der zitierenden Bezugnahme zu dem Song “Jeanny” von Falco, wobei sich allein anhand des Klangbilds nicht erschöpfend nachvollziehen lässt, an welchen Stellen der Produktion ein (bearbeitetes) Sample oder eine Neueinspielung zugrunde liegt. “Jeanny” zeichnet sich durch eine gewisse Dramatik, textlich und klanglich, aus. Der Songtext gibt die Entführung und vermeintliche Vergewaltigung einer jungen Frau aus der Sicht eines psychisch kranken Täters wieder (vgl. Thön 2015). Der Song hat einen schwerfälligen Beat (Back Beat des Schlagzeugs in Half Time); es gibt (im Refrain) Powerchords auf den ersten Schlag jedes Taktes, die über den ganzen Takt ausklingen. Die Akkordfolge Am-Em-Am-Em-F-C-Dm-E erhält durch den Wechsel auf die Dur-Dominante E einen dramatischen Effekt. Ursprünglich hatten Falcos Produzenten Rob und Ferdi Bolland beim Schreiben des Refrains das Bild eines Mädchens, das von Zuhause wegläuft, im Sinn (vgl. Lanz 2007: 176–185). Durch das Sample hat AN TAGEN WIE DIESEN die gleichen Harmonien wie “Jeanny”; es ist die gleiche Akkordfolge, nur einen Ganzton höher. Wiedererkennbar Elemente aus dem Original sind neben der Akkordfolge der Einsatz des Synthesizers, die Klaviermelodie und Falcos schreiartige Gesangsperformance im Refrain (hochgepitcht). Insgesamt kommt das Arrangement von Fettes Brot dem Original nicht allzu nah.
IV. Rezeption
Mit Am Wasser gebaut (vgl. Anon. 2008) schaffte die Band im Jahr 2005 die Rückkehr in den Fokus der Öffentlichkeit (vgl. SWR3 b 2007). Im April desselben Jahres stieg das Album, kurz nach der Veröffentlichung am 21. März, auf Platz 4 der deutschen Charts ein. Mit Pausen war das Album bis zum 09. April 2006 insgesamt 38 Wochen in den Charts (vgl. PHONONET GmbH a o.J.). AN TAGEN WIE DIESEN stieg am 12. September 2005 in die Charts ein und war für 26 Wochen in den deutschen Single-Charts (vgl. PHONONET GmbH b o.J.).
AN TAGEN WIE DIESEN ist die zweite Single-Auskoppelung des als Comeback der Band bezeichneten Albums Am Wasser gebaut von Fettes Brot (vgl. Anon. 2008; vgl. SWR3 b 2007). Die erste Auskoppelung, die noch vor Erscheinen des Albums herauskam, war der Song “Emanuela”, der ein großer Hit in Deutschland und Österreich wurde und zweimal die goldene Schallplatte bekam (vgl. Helles Köpfchen 2009). Dadurch wurde auch der Verkauf des Albums angeregt, das circa einen Monat nach “Emanuela” herauskam und kurze Zeit später auf Platz 4 der deutschen Charts stieg (vgl. Anon. 2008). Mit diesem Trittbrett war es wahrscheinlich einfacher für den Song AN TAGEN WIE DIESEN, Bekanntheit zu erlangen.
Die erste Live-Aufführung von AN TAGEN WIE DIESEN war auf dem ersten Konzert der Am Wasser gebaut-Tour am 12. April 2005 (vgl. Fettes Brot Newsblog 2020).
Eine große Live-Aufführung hatte der Song bei der Comet-Musikpreisverleihung am 6. Oktober 2005 in Oberhausen, bei der Fettes Brot unter anderem zur besten Band des Jahres gekürt wurde (vgl. afp 2005).
Heutzutage wird der Song im Religionsunterricht unterstützend zur Behandlung der Theodizee-Frage verwendet. Die Theodizee-Frage behandelt den Widerspruch, dass Gott gut und allmächtig sein soll, aber dennoch Leid und Ungerechtigkeit in der Welt existiert (vgl. Hanekamp-Kalvelage 2007: 11 ff.). Diese Frage passt zum Text von AN TAGEN WIE DIESEN, in welchem das lyrische Ich vor einem ähnlichen Problem steht (siehe außerdem Günther 2015: 19 ff.).
Das einzige bekanntere Cover von AN TAGEN WIE DIESEN findet man in einer Punkrock-Version der deutschen Hardcore/Punk-Band Fahnenflucht. Es erschien im März 2010 auf dem Punk-Chartbusters-Sampler Vol. 6 unter dem Titel “Fatbrett” (Discogs c o.J.).
DSHAMILJA PAETZOLD
Credits
Vocals: Pascal Finkenauer, Boris Lauterbach, Martin Vandreier, Björn Warms, Johann Hölzel
Music/Writer/Songwriting: Boris Lauterbach, Martin Vandreier, Björn Warms, Ferdinand Bolland, Robert Bolland, Johann Hölzel
Producer: Fettes Brot
Label: Fettes Brot Schallplatten (FBS)
Published: 2005
Length: 3:56
Recordings
- Fettes Brot. “An Tagen wie diesen”. On: Am Wasser gebaut, 2005, Fettes Brot Schallplatten (FBS), FBS 00002-2, Germany (CD, Album, Enhanced, Limited Edition, Digipak).
- Fettes Brot. “An Tagen wie diesen”, 2005, Fettes Brot Schallplatten (FBS), FBS 00003-2, Germany (CD, Maxi, Digipak).
- Fettes Brot. “An Tagen wie diesen”, 2005, Fettes Brot Schallplatten (FBS), FBS 00003-1, Germany (12″).
- Falco. “Jeanny”. On: Falco 3, 1985, GiG Records, GIG 222 127, Netherlands, (LP/ Album).
Covers
- Fahnenflucht. “Fatbrett”. On: Punk Chartbusters Vol.6, 2019, Wolverine Records, WRR163, Germany (2 × CD, Compilation).
References
- Danieli, Yael/Dingman, Robert L.: On the Ground After September 11. Mental Health Responses and Practical Knowledge Gained. London: Routledge 2014.
- Günther, Matthias: Rock ‘n’ Religion: Populäre Musik und biblische Texte im Religionsunterricht. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2015.
- Hanekamp-Kalvelage, Barbara: Warum nur?: die Theodizeefrage im Religionsunterricht der Primarstufe. Münster: LIT-Verlag 2007.
- Lanz, Peter: Falco. Die Biografie. Wien: Verlag Carl Ueberreuter 2007.
- Schweikle, Günther/Schweikle, Irmgard: Metzler Literaturlexikon. Begriffe und Definitionen. Stuttgart: Metzler 1990.
- Utley, Ebony A.: Rap and Religion. Understanding the Gangsta’s God. Westport: ABC-CLIO 2012.
Links
- afp: “Fettes Brot zur besten Band gekürt”. In: rp-online, 07.20.2005. URL: https://rp-online.de/kultur/musik/fettes-brot-zur-besten-band-gekuert_aid-17025435 [12.02.2020].
- Anonymous: “Fettes Brot – Am Wasser gebaut”. In: Last.fm, 16.07.2008. URL: https://www.last.fm/de/music/Fettes+Brot/Am+Wasser+gebaut/+wiki [12.02.2020].
- Björn Beton: “Post von Onkel Beton”. In: Fettes Brot, 2005. URL: https://web.archive.org/web/20060222100943/http://www.fettesbrot.de/_fb/?p=80 [12.02.2020].
- Discogs a: “Falco– Jeanny (Part 1)”. In: Discogs, o.J. URL: https://www.discogs.com/Falco-Jeanny-Part-1/release/178572 [12.02.2020].
- Discogs b: “Fettes Brot Mit Finkenauer* – An Tagen wie Diesen”. In: Discogs, o.J. URL: https://www.discogs.com/Fettes-Brot-Mit-Finkenauer-An-Tagen-Wie-Diesen/master/193810 [12.02.2020].
- Discogs c: “Punk Chartbusters Vol.6”. In: Discogs, o.J. URL: https://www.discogs.com/Various-Punk-Chartbusters-Vol6/release/5906579 [12.02.2020].
- Cordua , Ole: “Die Rocker von der Elbe – am Wasser gebaut!”. In: discover, 2005. URL: https://web.archive.org/web/20071224021244/http://www.discover.de/interstory2.php?wer=interviews&id=329 [12.02.2020].
- “Fettes Brot – An Tagen wie diesen (Official)” In: Youtube, 05.06.2008. URL: https://www.youtube.com/watch?v=fbChSuSQIo4 [02.2020].
- “Fettes Brot – An Tagen wie diesen (live @ Comet 2005)”. In: Youtube, 25.03.2007. URL: https://www.youtube.com/watch?v=1tw3IJh4Wc0 [12.02.2020].
- Fettes Brot Newsblog: “Am Wasser gebaut 2005”. In: Definition-von-Fett, 2020. URL: https://www.definition-von-fett.de/termine/am-wasser-gebaut-2005/ [12.02.2020].
- fm: “Hitbeat: Comet-Gewinner im Vorwärtsgang”. In: MusikWoche, 19.10.2005. URL: http://beta.musikwoche.de/details/191192 [12.02.2020].
- Helles Köpfchen: “Fettes Brot”. URL: https://www.helles-koepfchen.de/artikel/2104.html [12.02.2020].
- Karkowsky, Stephan: “Wie schlechte Nachrichten krank machen”. In: deutschlandfunkkultur, 13.11.2019. URL: https://www.deutschlandfunkkultur.de/medienkonsum-wie-schlechte-nachrichten-krank-machen.1008.de.html?dram:article_id=463301. [12.02.2020].
- mch: “18 Jahre danach: Der 11. September 2001 bleibt unvergessen”. In: Nordbayern, 11.09.2019. URL: https://www.nordbayern.de/panorama/18-jahre-danach-der-11-september-2001-bleibt-unvergessen-1.9309952 [12.02.2020].
- PHONONET GmbH a: “FETTES BROT-Longplay-Chartverfolgung”. In: musicline, o.J. URL: https://web.archive.org/web/20160308004441/http://www.musicline.de/de/chartverfolgung_summary/artist/Fettes+Brot/?type=longplay [12.02.2020].
- PHONONET GmbH b: “FETTES BROT-Single-Chartverfolgung”. In: musicline, o.J. URL: https://web.archive.org/web/20160217014521/http://www.musicline.de/de/chartverfolgung_summary/artist/Fettes+Brot/?type=single [12.02.2020].
- Solothurner Zeitung: “Das zweite Flugzeug fliegt live im Fernsehen in das World Trade Center”. In: Solothurner Zeitung, o.J. URL: https://www.solothurnerzeitung.ch/mediathek/videos/1_auzckmxb [12.02.2020].
- Streber, T.: “Öffentliche Wahrnehmung – Schlechte Nachrichten sind glaubwürdiger”. In: faz.net, Oktober 2013. URL: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/oeffentliche-wahrnehmung-schlechte-nachrichten-sind-glaubwuerdiger-12638879.html. [12.02.2020].
- Stöckel, Stephan: “Wir würden gern mit Green Day Schnaps trinken”. In: cd-kritik, Februar 2005. URL: http://www.cd-kritik.de/frameset/frset.htm?/rueck/fettesbrot.htm [12.02.2020].
- SWR3 a: “Die Wahrheit über: Fettes Brot – An Tagen wie diesen | Größte Hits und ihre Geschichte |”. In: Youtube, 18.06.2019. URL: https://www.youtube.com/watch?v=i9QF5xvQlUk [12.02.2020].
- SWR3 b: “Biografie: Fettes Brot”. In: SWR3, 07.08.2007. URL: https://www.swr3.de/musik/poplexikon/-/id=927882/did=67352/1b4shz4/index.html [12.02.2020].
- Thön, Jessica: “Jeanny (Falco)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs, November 2015. URL: http://songlexikon.de/songs/jeannyfalco/ [12.02.2020].
About the Author
All contributions by Dshamilja Paetzold
Citation
Dshamilja Paetzold: “An Tagen wie diesen (Fettes Brot)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/an-tagen-wie-diesen, 11/2024.
Print