1989
Madonna

Like a Prayer

LIKE A PRAYER wurde als Vorab- und Lead-Single des gleichnamigen Albums im März 1989 veröffentlicht. Der Song war Madonnas siebter Nr.-1-Hit und wurde zahlreich gecovert. Besondere Bekanntheit erlangte er aufgrund seines äußerst kontrovers diskutierten Musikvideos.

I. Entstehungsgeschichte

Nachdem Madonna sich entschieden hatte, ihr viertes Studioalbum erneut zusammen mit Patrick Leonard zu produzieren und von ihm erste musikalische Vorschläge für den Titelsong erhalten hatte, entstand LIKE A PRAYER innerhalb von nur drei Stunden (vgl. Bronson 2003: 727) als erster Song des Albums im Jahr 1988. Die Aufnahmen fanden Ende 1988 im Johnny Yuma Recording Studio in Los Angeles statt. Der Gospel-Part mit dem Los Angeles Church of God Choir unter Andraé Crouch wurde als erstes eingesungen, jedoch erst am Ende der Produktion hinzugefügt. Die Aufnahmen der restlichen Teile des Songs gestalteten sich kompliziert und dauerten länger als üblich, denn Madonna war sehr daran gelegen, dass ihre zweite Arbeit als Produzentin ein großer Erfolg wurde. Schon der Beginn verzögerte sich, da ein Schlagzeuger, den der Bassist Guy Pratt angestellt hatte, am Tag der Aufnahmen nicht erschien. Madonna gab Pratt die Schuld daran, was die Zusammenarbeit zwischen den beiden im weiteren Verlauf der Aufnahmen sehr erschwerte. Leonard hatte außerdem britische Schlagzeuger und Gitarristen wie Chester Kamens, David Williams und Dann Huff dazugebeten, da ihm für LIKE A PRAYER, wie auch für die anderen Songs auf dem Album, ein ‚britischer‘ Rock-Stil vorschwebte. Madonna wiederum hatte ihrerseits genaue Vorstellungen vom Klang der Instrumente und der Produktion des Songs. So verlangte sie etwa nach der Aufnahme des mittleren Chorus zahlreiche Änderungen in Artikulation, Klangdichte und Rhythmus. Nachdem eine letzte Version mit Vocals und Streicherarrangements aufgenommen worden war, befand Madonna schließlich, dass der Song fertig sei. LIKE A PRAYER wurde am 3. März 1989 als Vorab-Singleauskopplung des gleichnamigen Albums veröffentlicht und im April 1990 im Rahmen von Madonnas Blond Ambition World Tour zum ersten Mal live aufgeführt.

Das dazugehörige Musikvideo wurde ebenfalls am 3. März 1989 auf MTV zum ersten Mal ausgestrahlt. Es war in den Raleigh Studios in Hollywood und in San Pedro Hills gedreht worden. Regie führte Mary Lambert, wie auch schon bei den Videos zu “Borderline” und “Like a Virgin“. Madonna hatte jedoch schon im Januar 1989 einen Werbevertrag mit Pepsi unterschrieben, dem zufolge sowohl Madonna also auch LIKE A PRAYER in einem Fernsehspot der Firma vorkommen sollten. In diesem Zusammenhang erklang der Song schon am 2. März auf NBC in einer Werbepause während der Cosby Show.

LIKE A PRAYER gilt als Madonnas ambitioniertester Song. Als solcher markiert er einen Punkt in ihrer Karriere, an dem sie ein neues, erwachseneres Image anstrebte, was ihr durchaus gelungen ist. Denn mit diesem Song, wie auch mit dem gesamten Album Like a Prayer, wurde sie endgültig als ernstzunehmende Künstlerin wahrgenommen.

II. Kontext

Das Album und die Lead-Single LIKE A PRAYER im Besonderen zeichnen sich durch ihre religiösen, insbesondere auf die katholische Glaubenslehre bezogenen Inhalte aus. Dies ist Ausdruck einer persönlichen Lebenskrise Madonnas am Ende der 1980er Jahre (vgl. Rooksby 2004: 30), die sich aus unterschiedlichen Aspekten speiste: der Misserfolg ihres Films Who’s That Girl 1987, die Scheidung von Sean Penn im Januar 1987, ihr 30. Geburtstag im August desselben Jahres sowie die Erinnerung an den Tod ihrer Mutter, die in genau diesem Alter gestorben war – all dies kumulierte für Madonna eigenen Aussagen nach in einem allgegenwärtigen Schuldgefühl, was sie wiederum auf ihre katholische Erziehung zurückführte. Mit dem neuen Album wollte Madonna ihre persönlichen Gedanken, Ängste und Wünsche thematisieren und gleichzeitig deutlich machen, was in der (modernen) Welt von Bedeutung sein könnte (vgl. O’Brien 2007: 120).

LIKE A PRAYER spiegelte für Madonna die Gefühle einer jungen Frau wider, “so in love with God that it is almost as though He were the male figure in her life” (Greeley 1989). Dementsprechend verbinden die vielschichtigen Lyrics Religion und Sexualität mal mehr, mal weniger offensiv miteinander – eine Tatsache, die schon Leonard aufgefallen war und sein Missfallen erregt hatte (vgl. Taraborrelli 2002: 169).

Das Musikvideo zu LIKE A PRAYER verstärkte dieses Changieren zwischen Religion und Sexualität durch seine narrative und bildliche Konkretisierung und regte die intensive, kontroverse Rezeption des Songs im Besonderen an. Im Video wird Madonna Zeugin eines Überfalls weißer Männer auf eine Frau; ein dunkelhäutiger Mann, der dem Opfer zur Hilfe kommt, wird jedoch von der Polizei als Täter festgenommen. Madonna findet Zuflucht in einer Kirche, in der die Statue eines dunkelhäutigen Heiligen steht, zu der sie betet. Sie legt sich auf eine Kirchenbank, schläft ein, fliegt in die Arme einer dunkelhäutigen Gospelsängerin und träumt schließlich davon, dass die Statue des Heiligen lebendig wird, zu ihr spricht und sie küsst. Aus dem Traum erwacht geht Madonna zur Polizei und bezeugt die Unschuld des Gefangenen, der daraufhin frei gelassen wird.

Das Video spielt mit religiösen Symbolen (z.B. Stigmata) und sexueller Spannung, die durch Madonnas Kleidung und Bewegungen, aber auch durch ihre Interaktion mit dem Heiligen entsteht. Gleichzeitig jedoch bringt es auf einer weiteren narrativen Ebene das Element “Rassismus” mit hinein, auf das auch die brennenden Kreuze verweisen, die das Symbol für den Ku-Klux-Klan darstellen.

III. Analyse

Vor allem das Changieren zwischen Religion und Sexualität ist es, was den Text, die Musik sowie die visuellen Inszenierungen auf den Plattencovers und im Musikvideo miteinander verbindet. Was Madonna im Text durch Rückgriff auf liturgische Begriffe erreichte, die sie aus ihrem Zusammenhang riss und in neue, sexuell aufgeladene Kontexte setzte, findet sich auf der musikalischen Ebene durch die Verbindung religiös konnotierter Klänge wie Orgel und insbesondere die vom Chor beigesteuerten Gospel-Anteile mit Funk, Pop und Rockmusik. So beginnt der Song mit einem schnellen und harten Solo einer verzerrten E-Gitarre, das nach etwa zehn Sekunden von einem durch Orgel und sanfte Background-Vocals getragenen Intro der Singstimme abgelöst wird. Der Wechsel von rhythmischen Funk/Pop- (Chorus) und getragenen Anteilen (Verse) wechselt sich im Verlauf des Songs immer wieder ab, wobei der Gospel-Chor mehr und mehr das rhythmische Moment übernimmt, den Song schließlich gänzlich dominiert und in einer breit angelegten Coda abschließt.

Das Musikvideo, dem, wie es bei Madonna so oft der Fall ist, für die Analyse und Interpretation des Songs eine herausragende Rolle zukommt, dekliniert die im Song angelegte religiös-sexuelle Spannung narrativ und visuell in ekstatischen Bildern aus und verbindet sie zusätzlich mit dem Rassismus-Thema. Die Interaktion zwischen Text, Musik und Bildern ist dabei äußerst vielschichtig und hat zu zahlreichen Interpretationen geführt. So wurde vielfach betont, dass Madonna den Kirchenraum als “home” charakterisiert, da das letzte Wort des Intros, “and it feels like – home”, mit dem Schließen der Kirchentür und damit dem gefundenen Zufluchtsort zusammenfällt. Darüber hinaus ist die optische Ähnlichkeit von Madonna sowohl mit dem Überfallopfer als auch mit der dunkelhäutigen Gospelsängerin augenfällig, was zu unterschiedlichen Lesarten des Songtextes und seiner Aussage geführt hat. So kann diese Gospelsängerin etwa als Madonnas eigene, innere Gottheit angesehen werden, die ihr im Traum die Kraft dafür gibt, das Richtige zu tun und den falsch Verdächtigten zu entlasten. Überhaupt steht das Dunkelhäutige im Musikvideo für das Göttliche, Gute und auch Begehrenswerte. Dies betrifft erstens Männer, Frauen und Kinder des Gospelchores, die Madonna Kraft geben und mit ihr singen und tanzen, zweitens den Heiligen in der Kirche, der sowohl als göttlich-väterliche Figur (Kuss auf die Stirn) als auch als sexuell begehrenswerter Mann (Kuss auf den Mund) von ihr geliebt wird, und drittens den falsch Verdächtigten/Gefangenen, der letztlich mit dem Heiligen zu einer Person verschmilzt, da beide “hinter Gittern” stehen (in der Kirche, als Schutz der Heiligenstatue, und im Gefängnis, als Verwahrungsort des Verbrechers). Nicht umsonst wurden beide Figuren (inklusive der Heiligenstatue) von ein und demselben Schauspieler, Leon Robinson, gespielt. Unter diesem Gesichtspunkt erhält das Thema des Rassismus eine mindestens genauso große Bedeutung für LIKE A PRAYER wie das Religiös-Sexuelle.

IV. Rezeption

LIKE A PRAYER wurde schon vor seinem offiziellen Veröffentlichungstermin durch die Ausstrahlung des Pepsi-Werbespots einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es war jedoch das Musikvideo – das im Übrigen keinerlei Ähnlichkeit zum Werbespot aufweist –, welches weltweit Proteste hervorrief und dem Song unmittelbar zu einem großen Bekanntheitsgrad verhalf. Ihren ausdrücklichen Wunsch, das Video provokanter zu gestalten als alles, was sie zuvor gemacht hatte (vgl. Taraborrelli 2002: 173), vermochte Madonna in die Tat umzusetzen. An das Video wurde der Vorwurf gerichtet, selbst rassistisch zu sein und “Symbole des Bösen” (Klu-Klux-Klan) zu verwenden sowie Sex und Religion zu vermischen, um die Verkaufszahlen zu erhöhen (vgl. Khloer 1989). In den USA wurde das Video insbesondere aufgrund der brennenden Kreuze angegriffen und schließlich abgesetzt, was sich auch auf den Sponsor Pepsi auswirkte. Er setzte auf Druck der American Family Association, die zum Boykott von Pepsi aufgerufen hatte (vgl. Bego 1992), seinen Werbespot ab und zog sich schließlich von Madonnas geplanter Welttournee zurück (obwohl er weiterhin zahlte). Auch in Europa wurde die Ausstrahlung des Videos bei MTV auf die Nachtzeiten beschränkt. Hier wurde dem Video vor allem der Vorwurf der Blasphemie gemacht, unter anderem aufgrund der Darstellung der selbstzugefügten Stigmata. Der Vatikan veröffentlichte schließlich ein Schreiben des Papstes, das eine Ächtung von Madonna-Auftritten in Italien verlangte (vgl. ebd.).

Allen Protesten zum Trotz, oder sogar dadurch angespornt, wurde LIKE A PRAYER zu einem von Madonnas größten Erfolgen, sowohl künstlerisch als auch kommerziell. Er verkaufte sich weltweit über fünf Millionen Mal und ist darüber hinaus Madonnas meistgekaufter Digital Track (Stand: April 2010, vgl. Trust 2010). Das Video wiederum wurde bei den MTV Video Music Awards 1989 in den Kategorien “Video of the Year” und “Viewers Choice” (gewonnen) nominiert und findet sich bis heute in den Toplisten unterschiedlichster Videocharts.

LIKE A PRAYER wurde zahlreich gecovert, u. a. von Bigod 20 (1992), The Royal Philharmonic Orchestra (1998), Mad’House (2002), Rufio (2002) sowie für den äußerst erfolgreichen Soundtrack der Fernsehserie Glee (2010), die den Song in der Folge The Power of Madonna zitiert.

 

MARIE LOUISE HERZFELD-SCHILD


Credits

Songwriter: Madonna, Patrick Leonard
Producer: Madonna, Patrick Leonard
Arrangement: Patrick Leonard, Bill Meyers, Chuck Findley
Vocals: Madonna
Background vocals: Madonna, Andraé Chrouch, Donna De Lory, Niki Haris
Acoustic guitar: Bruce Gaitsch
Guitar: Chester Kamen, Dann Huff
Bass guitar: David Williams, Guy Pratt
Brass: Chuck Findley, Dick Hyde,
Clavinet: Geary Lanier
Choir: Andraé Crouch
Drum programming: Guy Pratt
Percussion: Paulinho da Costa
Mastering: Bob Ludwig
Mixing: Bill Botrell
Additional producer: Shep Pettibone, Bill Bottrell
Remix (single, maxi-single): Shep Pettibone
Remix engineering (single, maxi-single): Michael Hutchinson
Edited by (maxi-single): Shep Pettibone, Junior Vasquez
Assistant engineer (maxi-single): Dave Way
Programming (maxi-single): Fred McFarlane
Label: Sire, Warner Bros.
Recorded: September 1988, Johnny Yuma Studios
Published: 1989
Length: 5:41 (album version), 5:19 (single version)

Recordings

  • Madonna. “Like a Prayer”, 1989, Sire/Sire, 7-27539, 9 27539-7, US (Vinyl/Single, Promo).
  • Madonna. “Like a Prayer”, 1989, Sire/Sire, 0-21170, 9 21170-0, US (Vinyl/Maxi-Single).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: Like a Prayer, 1989, Sire/Sire, W1-25844, 9 W1-25844, US (Vinyl/Album, Club).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: Like a Prayer, 1989, Sire, 9 25844-2, US (CD/Album).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: The Immaculate Collection, 1990, Sire/Warner Bros. Records, 7599-26440-2, Europe (CD/Compilation).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: The Immaculate Collection, 1990, Sire/Sire, 1-26440, 9 26440-1, US (2xLP/Compilation).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: I’m Going to Tell You a Secret, 2006, Warner Bros. Records, 49990-2, US (CD/Compilation + DVD).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: Celebration, 2009, Warner Bros. Records, 9362-49729-6, Europe (2xCD/Compilation/RM).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: Celebration, 2009, Warner Bros. Records, 520197-2, US (2xDVD-V/Compilation).
  • Madonna. “Like a Prayer”. On: Sticky & Sweet Tour, 2010, Warner Bros. Records, 9362-49728-4, Europe (CD/Album + DVD-V).

Covers

  • Royal Philharmonic Orchestra. “Like a Prayer”. On: Material Girl. The Royal Philharmonic Orchestra Plays the Music of Madonna, 1998, Music Club, 50083, US (CD/Album).
  • Loleatta Holloway. “Like a Prayer”. On: Virgin Voices. A Tribute to Madonna Vol. 1, 1999, Cleopatra, CLP 0426-2, US (CD/Compilation).
  • Bigod 20. “Like a Prayer”. On: Virgin Voices 2000. A Tribute to Madonna, 2000, Anagram Records, CDMGRAM 131, UK (CD/Compilation).
  • Mad’House. “Like a Prayer”. On: Absolutely Mad, 2002, Bio Records, Universal, 018 487-2, France (CD/Album/Enh.).
  • Rufio. “Like a Prayer”. On: Punk Goes Pop, 2002, Fearless Records, F053, US (CD/Compilation).
  • Lavender Diamond. “Like a Prayer”. On: Through the Wilderness. Tribute to Madonna, 2007, Manimal Vinyl Records, mani-006, US (CD/Album).
  • Glee Cast. “Like a Prayer”. On: Glee: The Music, The Power of Madonna, 2010, Columbia, 88697 67681, US (CD/EP).

References

  • Bego, Mark: “‘The Madonna/Pepsi Controversy’ from Madonna: Blone Ambition (New York: Cooper Square Press, 1992)”. In: The Eighties Club. URL: http://eightiesclub.tripod.com/id135.htm [18.04.2016].
  • Bronson, Fred: The Billboard Book of Number 1 Hits. New York: Billboard Books 2003.
  • Greeley, Andrew M.: “Madonna’s Challenge to Her Church” (13. Mai 1989). In: America. URL: http://americamagazine.org/issue/100/madonnas-challenge-her-church [18.04.2016].
  • Khloer, Phil: Madonna Crosses Line in “Like a Prayer” Video. In: Record-Journal, 10 March 1989, 34.
  • O’Brien, Lucy: Madonna: Like an Icon. The Definitive Biography. Ealing: Bantam Press 2007.
  • Rooksby, Rikky: The Complete Guide to the Music of Madonna. London u. a.: Omnibus Press 2004.
  • Taraborrelli, Randy J.: Madonna: An Intimate Biography. New York: Simon & Schuster 2002.
  • Trust, Gary: “Ask Billboard: ‘Glee’-ful About Madonna”. In: Billboard. URL: http://www.billboard.com/articles/columns/chart-beat/958389/ask-billboard-glee-ful-about-madonna [19.04.2016].

About the Author

Dr. Marie Louise Herzfeld-Schild is a musicologist and currently a research associate (PostDoc) of the junior research group "Transformations of Knowledge" of a.r.t.e.s. Graduate School for the Humanities at the University of Cologne.
All contributions by Marie Louise Herzfeld-Schild

Citation

Marie Louise Herzfeld-Schild: “Like a Prayer (Madonna)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/likeaprayer, 04/2017.

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