1949
Pete Seeger/Peter, Paul & Mary/Trini Lopez

If I Had a Hammer

Fast noch mehr als die politische Aussage des Songs und ihre musikalische Umsetzung ist die Entwicklungsgeschichte von IF I HAD A HAMMER im Rahmen der Kommerzialisierung des US-amerikanischen Folks von Interesse. Von Pete Seeger als Folk-Song geschrieben, der den Segen eines von Bürgerrechten bestimmten Lebens thematisiert, wurde er zunächst von Peter, Paul & Mary und später von Trini Lopez aufgenommen. In der Version von Lopez, die auf der Calypso-Welle schwamm, eroberte IF I HAD A HAMMER die Musikshows, Radiosender und Hitlisten dieser Welt. Seiner ursprünglichen Aussage wurde der Song dabei nahezu komplett beraubt.

I. Entstehungsgeschichte

Pete Seeger schrieb IF I HAD A HAMMER wahrscheinlich in den späten 1940er Jahren – laut Biograf Dunaway Anfang des Jahres 1949 (vgl. Dunaway 2008: 11). Der gut 30jährige Song-Aktivist war damals noch Mitglied der Kommunistischen Partei Amerikas, der CPUSA und lobte Stalins Machenschaften – eine Ausrichtung, von der er sich später distanzierten sollte.

Über die Entstehung von IF I HAD A HAMMER kursieren zwei Versionen. Die eine stammt von Lee Hays, der für den Text verantwortlich zeichnete. Er ist der Meinung, dass IF I HAD A HAMMER das Produkt einer endlosen Redaktionssitzung ihrer Zeitschrift People’s Songs war, in der die Freunde solange Zettelchen hin und her schoben, bis sie eine befriedigende Version des Songs fertig gestellt hatten. Seeger dagegen glaubt, dass Hays ihm im Januar 1949 alle vier Strophen fertig vorgelegt hatte und er dann eine Melodie dazu schrieb. Erstmals öffentlich aufgeführt wurde IF I HAD A HAMMER von Seeger am 3. Juni 1949 in New York. In der St. Nicholas Arena an der 66th Street fand damals eine Veranstaltung statt, in der die Kommunistische Partei sich ihrer selbst versicherte. Es war die Zeit von McCarthy, der “unamerikanischen” Umtriebe und der entsprechenden Gerichtsverhandlungen. Mit seiner ein Jahr zuvor gegründeten Formation The Weavers (Lee Hays, Ronnie Gilbert, Fred Hellerman und Seeger) wurde das Lied erstmals im Sommer 1949 eingespielt. Mehr noch, es war das erste Lied, das die Weavers aufnahmen. Doch diese Fassung wurde nicht veröffentlicht. Das Label Decca, bei dem die Weavers durch Vermittlung von Gordon Jenkins unter Vertrag genommen wurden, weigerte sich, den Song herauszubringen. Man war mit solchen harmlosen Hits wie “Irene Goodnight” oder dem israelischen Traditional “Tzena, Tzena” sehr zufrieden, diese Platten verkauften sich massenweise. Doch IF I HAD A HAMMER war Jenkins nicht geheuer. Wie wichtig das Lied für Pete Seeger war, zeigt sich auch an der Tatsache, dass er es auf den Titel der ersten Ausgabe von Sing Out!, dem Nachfolger von People’s Songs, platzierte.

Daraufhin nahmen die Weavers den Song für Charter Records auf, doch das Label ging bankrott, bevor es zur Veröffentlichung kam. Die gelang dann schließlich als Single im März 1950 bei Hootenanny Records. Die Platte erhielt jedoch nur wenig Aufmerksamkeit, denn auch Hootenanny konnte sich nur kurz auf dem amerikanischen Markt halten. Die Single ist seitdem als Sammlerstück von Interesse.

Erst sieben Jahre später, 1956, nahm Seeger eine Soloversion auf, die beim Label Smithsonian Folkways erschien. Zum Hit wurde der “Hammer Song” dadurch immer noch nicht. Dies geschah erst nach weiteren sechs Jahren, als die Formation Peter, Paul & Mary sich dem bislang geschmähten Lied annahm. Gleich für ihr erstes Album Peter, Paul & Mary (1962) nahmen sie den Song auf. Im selben Jahr erschien auch die Single. Die Sängerin des Trios, Mary Allin Travers, stammte aus derselben Szene wie Seeger, hatte schon im Kinderchor seine Auftritte begleitet, und war, wie Seeger auch, bei den legendären Folksessions am New Yorker Washington Square anzutreffen. In diesem Sinne ist auch die Tatsache zu verstehen, dass das erfolgreiche Trio am legendären Marsch auf Washington mit Martin Luther King im Jahr 1963 teilnahm, und dort seine Version von IF I HAD A HAMMER präsentierte. Die drei(bürgerlich: Mary Allin Travers, Noel Stookey aka Paul und Peter Yarrow) waren zunächst als “Supergruppe” von Albert Grossman sozusagen am Schreibtisch ins Leben gerufen worden. Er wollte eine “große Blonde” (Mary), “einen komischen Kerl” (Noel) und einen “gutaussehenden Typen” (Peter) zu einer Folkgruppe zusammenbringen. Das gelang ihm auch, und die Truppe kam schon bald nach ihrer Gründung 1961 in die Top Ten und war mehrere Jahre lang in den Billboard Charts zu finden. Die politische Nähe zwischen dem Trio und den Weavers ist wohl auch ein Grund, warum Seeger der 1962 eingespielten Version des Trios zustimmte. Der Komponist erklärte, dass die verschiedenen Versionen miteinander harmonierten, und er nahm gelegentlich bei seinen Auftritten Elemente der Version von Peter, Paul & Mary mit auf. “There’s a good moral here, for the world”, so Seeger im Jahr 1993 (zit. nach Greenberg 1998: 5).

Gänzlich zu einem Produkt des neu erstandenen amerikanischen Showbusiness wurde IF I HAD A HAMMER dann in den Händen von Trini Lopez. Der mexikanischstämmige Entertainer aus Dallas landete mit seiner Version von IF I HAD A HAMMER gleich zu Beginn seiner Karriere im PJ Club in Hollywood einen internationalen Hit. Frank Sinatra hatte den ‚Chicano’ aus Dallas dort 1962 entdeckt, wo Lopez mit einer kleinen Formation durch die Clubs an der kalifornischen Küste tingelte. Seine weitere Erfolgsgeschichte liest sich wie das typische amerikanische Erfolgsmärchen: Sinatra heuert ihn für sein neues Label Reprise Records an und bringt ihn mit dem Manager Don Costa zusammen. Sinatra und Costa waren sich einig, dass Lopez’ Stärken in seinen Live-Auftritten lag. Also nahmen sie seine erste Einspielung direkt im Club auf. Trini Lopez war zunächst nicht übermäßig begeistert. Der Junge aus der Vorstadt hatte immer davon geträumt, in einem richtigen Studio zu stehen. Doch Sinatra und Costa machten ihm rasch klar, dass seine Fähigkeiten am besten im Zusammenspiel mit dem Publikum zur Geltung kommen würden. Die Produktion war dann keine große Sache mehr. An zwei oder drei Abenden stand Toningenieur Wally Heider in seinem Übertragungswagen vor dem Club und schnitt schließlich die besten Passagen zusammen. Das 1963 erschienene Album Trini Lopez at PJ’s bzw. die Single-Auskoppelung aus demselben Jahr erreichte in 25 Ländern Platz 1 in den Charts.

“I liked the message it had”, sagt Trini später über IF I HAD A HAMMER. “And I liked the melody. And of course, I just changed the whole thing around. I made it not only listenable, but I also made it danceable” (Unterberger 1963). Trini Lopez interessierte sich nur mäßig für Folk. Der junge Amerikaner aus ärmlichen Verhältnissen wollte Spaß haben, mit seiner Musik und mit seinem Publikum. Egal, was für Songs er spielte, er coverte sie stets auf dieselbe Art und Weise. Und Lopez war fest davon überzeugt, dass er den Songs und seinem Publikum damit einen Gefallen tat: “I did ’em my way. I changed them around for my own satisfaction, my feeling of the songs, and my beat. I bet you people that weren’t too much into folk got into it more, because I brought a freshness to it” (Unterberger 1963). Ganz offensichtlich begriff sich der junge Entertainer als Mittler, als ein Medium zwischen dem bisweilen schwer zugänglichen Folk und der Partymusik der 1960er Jahre. Auch wenn Lopez offensichtlich nicht nur unzureichende Vorstellungen von Folk sondern auch von der Aussage und Machart von IF I HAD A HAMMER hatte, wirkt seine Ehrlichkeit mit der er seine Coverversionen legitimiert, aus heutiger Sicht durchaus rührend. “The only thing I didn’t change was the lyrics. But I changed the music completely. Everybody calls it Trini-Beat. They were dancing to my songs all over the world at discotheques. They would put the album from side A to side B, and then side B to the other side, and play it all the way through” (Unterberger 1963).

II. Kontext

Für Pete Seeger war das Singen eine Haltung, es war nicht nur Musikmachen, es war aber auch nicht nur Protest – vielmehr war es für ihn eine genuine Betätigung, die zum Zusammenleben von Menschen dazugehörte. “I’m convinced we’re relearning an old lesson”, äußerte er 1978 vor einer Gruppe von Journalisten. “That music and other forms of art can be, not as they say ‚mere entertainment’, but they can participate in the living, breathing issues which everybody’s thinking and talking about” (zit. nach Greenberg 1998: 1). In diesem Sinne hat Pete Seegers Musizieren auch immer etwas Ursprüngliches an sich, etwas, was sich unmittelbar überträgt und was ihn später in die Lage bringen sollte, ganze Stadien zum Mitsingen zu bewegen. Seeger überzeugt, so der Publizist Carl-Ludwig Reichert, “durch sein tief empfundenes, ungeheucheltes Engagement für die originale Musik Amerikas, die von seinen jetzigen Bewohnern kaum und jedenfalls viel zu wenig wahrgenommen wurde” (Reichert 2008: 44). Die Ablehnung des “mere entertainment” zeigt sich auch in der Namensgebung seiner damals aktuellen Band. Es waren Hauptmanns “Die Weber”, die bei der Gründung der The Weavers im Jahr 1948 Pate standen und die die Sympathie mit der Arbeiterklasse deutlich machten. Natürlich war ein solcher Musiker in den Zeiten der McCarthy-Ära von vorneherein suspekt. 1955 wurde Pete Seeger als Mitglied der Kommunistischen Partei vor das berüchtigte Komitee für “unamerikanische Aktivitäten” zitiert und wurde im Zuge der “Red Scare”-Panik zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Zwar wurde die Strafe nur ein Jahr später wieder aufgehoben, doch die Weavers waren beschädigt. Man führte ihre Songs auf den “schwarzen Listen”, sie durften nicht im Radio gespielt werden und bei ihren Auftritten demonstrierten regelmäßig ultrakonservative US-Bürger. Auch die Plattenfirmen zogen ihre Konsequenzen aus dem Prozess: Decca löste den Vertrag mit den Weavers und nahm sämtliche bisher eingespielte Titel von seiner Verlagsliste. Schließlich blieb Lee Hays, Pete Seeger und ihren Freunden nichts anderes übrig, als die Formation 1952 aufzulösen; sie spielte einfach kein Geld mehr ein und hatte nur wenige öffentliche Auftritte. Doch im Zuge des Folkrevivals wurden auch die Weavers wieder aktiv. Bereits 1955 wurde ihnen ein Konzert in der Carnegie Hall ermöglicht. Der Auftritt wurde ein großer Erfolg und begründete die zweite Karriere des Quartetts. Pete schied allerdings schon wenige Jahre später aus, da er sich wegen einer Zigarettenwerbung, für die die Weavers die Musik beisteuern sollten, nicht mit seinen Kollegen einigen konnte.

III. Analyse

Was Lee Hays und Pete Seeger Mitte der 1940er Jahre zu Papier brachten, war sehr stark an traditionalen Liedkulturen ausgerichtet. Auffällig ist vor allen Dingen die Anlage des Textes, die jeweils in den Strophen weitgehend gleich bleibt. Hier wird jeweils nur ein Wort ausgewechselt: “Bell” durch “Hammer” und durch “Song”, um schließlich in der letzten Strophe aneinandergereiht zu werden. Das ist gängige Praxis in den Volksliedern dieser Welt – es erleichtert das Singen und Memorieren ohne schriftliche Fixierung. Ähnlich verhält es sich mit der Melodie. Seeger (Smithsonian Records, 1956) bevorzugt eine Melodiegebung, die aus dem Durdreiklang abgeleitet ist, Fortschreitung in Sekund- oder Terzschritten ist die Regel, das größte Intervall im gesamten Song ist die Quart. So ist auch die Melodie leicht zu behalten (und nachzusingen), zumal die einzelnen Bausteine des Songs jeweils wiederholt werden. Seeger bleibt gänzlich in der Bauform des Volksliedes, wie wir es etwa in Deutschland seit dem 15. Jahrhundert kennen. Hier soll im eigentlichen Wortsinn nichts verkünstelt sein. Kennengelernt hatte Seeger die Formen des Volksliedes während seiner Arbeit am American Folk Institute New York, wo er als junger Mann dem namhaften Archivar Alan Lomax zur Hand gegangen war. Seeger hatte unzählige Songs studiert, katalogisiert und sicher auch intoniert. Ein wenig anders verhält es sich mit dem Rhythmus. Der Song ist im 4/4-Takt komponiert und startet auf der leichten, zweiten Schlagzeit; es folgen eine Achtel und eine Viertel auf der dritten Zeit. Der Sprechrhythmus der Anfangsworte widersetzt sich dieser volltaktigen, auf den Backbeat angelegten Konstruktion. Im Sprechrhythmus ist die gesamte Eingangsphrase “If I had a hammer” auftaktig angelegt, im Zweifelsfall würde man einen off-beat verwenden und auf der zweiten Achtel der dritten Zählzeit starten. Im weiteren Verlauf des Songs wechseln sich volltaktige und auftaktige Betonungen ab. Nun sind jeweils die Kernworte des Textes volltaktig gesetzt: “Hammer”, “Morning” usw. – all diese Begriffe werden jeweils stark betont, während die entsprechenden Ergänzungs- und Füllbegriffe synkopisch angelegt sind, oder auch oft zur Synkope verschliffen werden. Durch die langen halben Notenwerte, die jeweils den Beginn der Takte charakterisieren, erhält der Song insgesamt einen schleppenden, etwas schwerfälligen Charakter.

Den “Stolperer” zu Beginn von IF I HAD A HAMMER spielt Seeger dann auch in der Regel unscharf; meist sind in den überlieferten Versionen und der ersten eingespielten Soloaufnahme von 1956 in den ersten Tönen die rhythmischen Verhältnisse noch nicht klar zu erkennen. Diese Erkenntnis stellt sich dann erst im nächsten kompletten Takt ein.

All diese Elemente zusammen genommen zeigen, dass sich Pete Seeger bei der Komposition von IF I HAD A HAMMER bzw. der musikalischen Unterlegung des Textes von den ganz einfachen, ‚down-to earth’-Prinzipien des Volksliedes leiten ließ. Wer sich Videos von Seeger ansieht, wird dieses Phänomen nur bestätigt bekommen: Hier lässt sich nichts von der exzentrischen In-sich-Gekehrtheit eines Bob Dylan wahrnehmen oder dem Kunstgesang einer Joan Baez. Hier musiziert jemand vollkommen unprätentiös; der Wunsch nach künstlerischer Selbstinszenierung existiert ganz offensichtlich nicht in Pete Seegers Gedankenwelt. Somit erscheint Seeger als einer der wenigen Folk-Musiker weltweit, der sich vollkommen in den Dienst der Musik und der politischen Bewegung, die er vertrat, gestellt hat. Dazu gehört auch die Tatsache, dass der New Yorker ein begnadeter Sing-along-Musiker war. Wie kaum ein zweiter verstand er es, große Massen von Menschen auf verschiedensten Veranstaltungen zum Singen zu bewegen. Großzügige Armbewegungen, das Vorsprechen des Textes in die Zwischenräume hinein und die unprätentiöse Begeisterung des hageren, großgewachsenen Mannes brachten seit jeher Menschen zum Singen. Dass Seeger sich dieser uneitlen Haltung und der Ablehnung künstlerischer Vollkommenheit bewusst war, zeigt seine Aussage im Vorwort zu Dunaways Biografie How Can I Keep from Singing: “Now it’s true, I could have become a violinist – my mother wanted me to. I could have become a businessman – my grandfather wanted me to. I could have become a journalist; if I’d had more perseverance, I might have. If I’d had a grant early to be a researcher, I could have been one. But I wasn’t willing to take the discipline. To be a real researcher, you have to get that degree and fulfill all the academic obligations. Instead I drifted into a particular niche I’d found for myself that no one else had ever found before” (Dunaway 2008: XIII).

So nah sich das Trio Peter, Paul & Mary und Pete Seeger hinsichtlich der Inhalte ihrer Musik standen, so sehr unterscheiden sie sich in ihrer Haltung zum Künstlertum. An ihrer Version von IF I HAD A HAMMER kann man gut erkennen, wie sich der handgemachte Folk eines Pete Seegers allmählich zum kommerziellen Folk der 1960er und 1970er Jahre wandelt. Ihre Version ist von den rhythmischen Unschärfen befreit und durch eine vokale Gegenstimme musikalisch aufgewertet. Der Song transportiert seine Aussage nach wie vor klar; doch gleichzeitig ist er rhythmisch und melodiös anziehender geworden. Hier entsteht eine Art von Wohlfühlmusik, die sich gut verkaufen lässt. In ihrem Arrangement stellen Peter, Paul & Mary ein Gitarrenintro voran, das das rhythmische Gerüst vorstellt. Bei ihrem Einsatz verschluckt die Sängerin praktisch das erste Wort “If” und startet somit auftaktig auf der zweiten Achtel der zweiten Zählzeit. Dafür werten die Sänger dann die folgende schwere Zählzeit auf dem Wort “Hammer” auf, Mary achtet auf lineare, starke Gesangslinien. Zu Akkorden vervollständigt wird das Arrangement durch die dritte Stimme von Peter. Die drei verwenden hier eine Gesangsform, die unter dem Namen “close harmonies” ‒ oder auch Barbershop-Singen ‒ in den USA bekannt ist und bis heute vor allem von Laien gerne praktiziert wird (der Name ergibt sich aus den in Bezug auf die Tonhöhe nahe beieinander liegenden Stimmen). Das Trio achtet beim Vortrag des Liedes darauf, den oben beschriebenen, “hinkenden” Rhythmus auszugleichen. So machen sie keine Pausen zwischen den einzelnen Phrasen – Pausen, wie sie für den Vortrag eines Volksliedes fast unausweichlich sind, noch dazu wenn der Rhythmus des Originals in der beschriebenen Weise nicht perfekt funktioniert. Allerdings können auch Peter, Paul & Mary Seegers ‚unakademische’ Wechsel zwischen Auf- und Volltakt nicht ganz ausgleichen. Wer ihre Aufnahmen einmal rhythmisch genau untersucht, stellt fest, dass die drei die zweite Takthälfte immer zu schnell nehmen.

Hinsichtlich der Fassung von Trini Lopez, die ein Jahr später auf den Markt kam, ist die Version von Peter, Paul & Mary eine Art Zwitter. Letztere tendiert stärker zur damals üblichen Unterhaltungsmusik, doch wird sie noch so authentisch vorgetragen, dass auch – pathetisch ausgedrückt – Seegers Geist über dieser Aufnahme wacht. Trini Lopez macht dann jedoch mit diesem Geist ‚kurzen Prozess’. Lopez stellte seiner Version einen Refrain voran, der in Form eines Background-Gesangs gehalten ist. Es handelt sich um eine Art rufenden melismatischen Gesang, den auch Harry Belafonte gerne einsetzte, um karibisches Flair zu erzeugen. Eine genaue Betrachtung von Lopez’ Fassung zeigt, dass sich hier erstmals jemand an die Taktvorgaben hält. Lopez singt als einziger Interpret den schwierigen, volltaktig gestalteten Anfang ‚richtig’. Auch anschließend hält er sich akkurat an die Verteilung von schweren und leichten Zeiten, ebnet so alles Volkstümliche ein, und spielt den Song im klaren Vierertakt durch. Auffällig ist, dass er den schweren Zeiten jedoch ihre Kraft nimmt. Der Entertainer, der ja bekannt für seine weiche Stimme war, prononciert das Wort “Hammer” in gleicher Weise, wie man etwa das Wort “Honey” aussprechen würde. Bedenkt man die Probleme, die Pete Seeger gerade durch die Verwendung des Symbols des Hammers hatte, ist es nur zu verständlich, dass Trini Lopez die Bedeutung des Wortes ein wenig verstecken will. Andere Kernwörter dagegen, etwa “Bell” in der zweiten Strophe, werden aufgewertet z.B. durch eine illustrierende Instrumentation. Für die dritte Strophe, die das Singen an sich thematisiert, verwendet Lopez einen damals top-aktuellen Stil – den Rock’n’Roll. Auch die Band, insbesondere der Schlagzeuger nehmen die aggressive, hämmernde Machart des Rock’n’Roll auf. Müßig zu betonen, dass hier niemand mehr an Bürgerrechte oder Massenveranstaltungen der Gewerkschaften dachte, hier ließ man sich gerne mitreißen ‒ in eine ‚heile Welt’, die damals schon zum großen Teil vor dem Fernseher bzw. Radio verbracht wurde.

Es ist interessant, zu beobachten, dass der Song im Zuge des Tradierungsprozesses ‒ der gleichzeitig eine zunehmende Kommerzialisierung impliziert ‒, immer mehr nach den Noten gespielt wird. Hier liegt das Paradoxon vor, dass der Komponist von IF I HAD A HAMMER, Pete Seeger, sich am wenigsten um seine eigene Vorlage scherte. Für die Coverversionen hingegen wurde und wird stärker auf den fixierten Notentext zurückgriffen. Hier zeigt sich, dass die Schriftkultur allmählich in den von Seeger komponierten “Folksong” im wörtlichen Sinne Einzug hielt.

IV. Rezeption

1949, im Jahr der Veröffentlichung von IF I HAD A HAMMER, und in der darauffolgenden Zeit hatte Seeger vor allen Dingen mit antikommunistischer Häme und Hetze zu tun. Beispielhaft mag der Brief eines Abonennten von Sing Out! sein – eine Reaktion auf den Abdruck von IF I HAD A HAMMER auf dem Cover des Magazins: “Cancel my subscription”, schrieb der Leser, “all you left out was the sickle” (Dunaway 2008: 162). In dieser knappen Begründung spiegelt sich der fast schon phobische Hass eines Teils der US-Amerikaner wider. Der Hammer war eben nicht nur das Symbol eines demokratischen Rechtssystems, er war immer auch das Zeichen des sozialistischen oder auch kommunistischen Arbeiterstaates.

Aus dem Jahr 1952 stammt die Äußerung von Peter Kameron, der eine Art informelle Managerposition bei den Weavers innehatte. Seeger hatte vorgeschlagen, IF I HAD A HAMMER noch einmal mit auf die Setlist zu nehmen. Kameron lehnte ab: “Oh, no. We can’t get away with anything like that. That song just inflames blacklisters” (Dunaway 2008: 188).

Seeger selbst fragte sich, was an dem Song seine Zeitgenossen so in Rage brachte – genauso wie man es sich heute, in moderaten Zeiten, wieder fragt: “Why was it controversial? In 1949 only ‚Commies’ used words like ‚peace’ and ‚freedom’. […] The message was that we have got tools and we are going to succeed” ( Dunaway 2008: 188). Im weiteren Verlauf seiner Argumentation versucht Seeger, die Bedeutung der letzten Strophe zu entschärfen, indem er sie mit Spirituals, etwa “We shall overcome” vergleicht. Doch wo sich die meisten Spirituals im Ungefähren, im Raum zwischen Himmel und Erde bewegen, hatte Seeger die Dinge beim Namen genannt. Das restriktive Amerika bestrafte den singenden Freigeist dafür nachhaltig.

Peter, Paul & Mary bescherte IF I HAD A HAMMER den ganz großen Erfolg. Bereits im ersten Jahr nach ihrem Erfolg mit “Lemon Tree” erreichte ihre Interpretation des Seeger-Songs einen zehnten Platz in den Charts. Das Album Peter, Paul & Mary, auf dem das Trio IF I HAD A HAMMER erstmals eingespielt hatte, war für zehn Monate in den Top Ten der Billboard Charts und dort sieben Wochen sogar als Nr. 1 gelistet. Insgesamt wurde das Album über zwei Millionen Mal verkauft und erhielt Platin-Status in den USA.

Das 1963 erschienene Album Trini Lopez at PJ’s bzw. die Single-Auskoppelung aus dem selben Jahr, erreichte in 25 Ländern Platz 1 in den Charts. Der Erfolg von IF I HAD A HAMMER hat auch mit der Calypso-Welle zu tun, auf der Amerika seit dem Erscheinen von Harry Belafonte schwamm. 1956 hatte der jamaikanisch-amerikanische Sänger mit Stücken wie “Day-O”, dem “Banana Boat Song”, im ‚weißen’ Showgeschäft überaus großen Erfolg.

Es scheint ins Uferlose zu gehen, sämtliche Coverversionen von IF I HAD A HAMMER anführen zu wollen. Der Song wurde nicht nur im internationalen Showgeschäft viele Male neu interpretiert. Auch in der Folkszene übernahm man den Song gerne und übertrug ihn in zahlreiche Sprachen. Von “Datemi un martello” (Rita Pavone, 1963) und “Si j’avais un marteau” (Claude Francois, 1963) bis “El Martillo” (Victor Jara, 1969) ist nahezu jedes Land und jede Sprache dieser Welt durch Coverversionen vertreten. Auch in katholischen Gottesdiensten wird das Lied gesungen. Im Jahr 1995 existierten mindestens 161 verschiedene Aufnahmen von IF I HAD A HAMMER, so berichtet Robbie Lieberman in My Song is My Weapon (zit. nach Greenberg 1998: 5). Gruppen wie The Coasters, Les Surfs oder The Von Trapp Children nahmen neue Versionen auf. Doch keine erreichte die Bekanntheit wie die beiden Einspielungen aus den frühen 1960er Jahren.

In dem Film Confessions of a Dangerous Mind wird die Version von Peter, Paul & Mary verwendet, um den Zusammenbruch eines Moderators zu illustrieren, der sich an seine Zeit als Elitesoldat erinnert. Leider hat sich die Assoziation von IF I HAD A HAMMER mit Gewaltverbrechen rasch in der amerikanischen Unterhaltungsindustrie etabliert. So wird etwa eine Folge der Serie Dexter so betitelt, in der ein Serienkiller, der mit einem Hammer mordet, gesucht wird. In einem ähnlichen Kontext wird das Lied in einer Episode der Fernsehserie Married… with Children verwendet. Auch in der bekannten Serie CSI gibt es eine Folge mit dem Namen “If I Had a Hammer”.

 

MIRJAM SCHADENDORF


Credits

Pete Seeger
Banjo: Pete Seeger
Vocals: Pete Seeger
Musik: Pete Seeger
Text: Lee Hays
Produzent: Moses Asch
Label: Folkways Records FA 2453
Aufnahme: auf LP “Love Songs for Friends and Foes”
Veröffentlichung: 1956
Länge: 1:55 (B-Seite, Track 8)

 

Peter, Paul & Mary
Gitarre: Noel Stookey, Peter Yarrow
Vocals: Mary Allin Travers
Musik: Pete Seeger
Text: Lee Hays
Produzent: Albert Grossman
Label: Warner Bros. Records 5296
Aufnahme: auf LP “Peter Paul & Mary” /Vinyl-Single
Veröffentlichung: 1962
Länge: 2:11

 

Trini Lopez
Gitarre: Trini Lopez
Vocals: Trini Lopez
Bass: Dick Brant (Obwohl Brant bei den Aufnahmesessions mitwirkte und auch auf der Platte genannt wird, wurde sein Part aus der letzten Fassung herausgeschnitten.)
Percussion: Mickey Jones
Musik: Pete Seeger
Text: Lee Hays
Produzent: Don Costa
Label: Reprise Records R-20, 198
Aufnahme: auf LP “Trini Lopez at PJ’s” / Vinyl-Single
Veröffentlichung: 1963
Länge: 2:59

Recordings

  • The Weavers. The Hammer Song / Banks Of Marble, 1950, Hootenanny Records, 101, US (Single).
  • Pete Seeger. “The Hammer Song”, Love Songs for Friends and Foes, 1956, Folkways Records, FP 85/3, US (Vinyl/LP/Album).
  • Peter, Paul & Mary. “If I Had a Hammer”, Peter, Paul & Mary, 1962, Warner Bros. Records, W 1449, US (LP/Single-Auskoppelung 1962).
  • Trini Lopez. “If I Had a Hammer”, Trini Lopez at PJ’s, 1963, Reprise Records, R-20,198, USA (LP/Single-Auskoppelung 1963).

Covers

  • Rita Pavone. “Datemi un Martello”, Datemi Un Martello (If I Had A Hammer), 1964, RCA Italiana, PM45 3243, Italy (Vinyl).
  • Claude Francois. “Si j’avais un marteau”, Si j’avais un marteau, 1963, Philips, 432.992 BE, France (Vinyl).
  • Les Surfs. “Si J’Avais Un Marteau (I I Had A Hammer)”, Si J’Avais Un Marteau (If I Had A Hammer), 1963, Disques Festival, DN 534, France (Vinyl).
  • Victor Jara. “El Martillo”, Pongo En Tus Manos Abiertas…, 1969, Jota Jota, JJL -03, Chile (Vinyl/LP/Album).
  • The Coasters. “If I Had a Hammer”, The World Famous Coasters, 1976, DJM Records, DJM 22053, UK (Vinyl/LP).
  • The Von Trapp Children. “The Hammer Song”, The Von Trapp Children Volume II, 2001, Rattlesby Records.

References

  • King Dunaway, David: How Can I Keep from Singing? The Ballad of Pete Seeger. New York: Villard Books 2008.
  • Greenberg, Mark: Booklettext zu: If I Had a Hammer. Songs of Hope & Struggle. Pete Seeger, Smithsonian Folkways LC 9628, 1998.
  • Unterberger, Richie: Plattentext zu: Trini Lopez at PJ’s. Reprise Records R-20, 198, 1963.

About the Author

Dr. Mirjam Schadendorf works as a freelance music journalist and concert dramatic adviser.
All contributions by Mirjam Schadendorf

Citation

Mirjam Schadendorf: “If I Had a Hammer (Pete Seeger/Peter, Paul & Mary/Trini Lopez)”. In: Songlexikon. Encyclopedia of Songs. Ed. by Michael Fischer, Fernand Hörner and Christofer Jost, http://www.songlexikon.de/songs/ifihadahammer, 11/2012 [revised 03/2014].

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